Feuriger Schutz

Er hatte sich während des Urlaubs im Massif central beim jährlich stattfindenden Feuerwehrfest von Châteauneuf-de-Randon in ein zauberhaftes rotblondes Mädchen in Alabasterhaut vernarrt und konnte nicht umhin, es ständig anzustarren. Zu mehr war er nicht fähig in seiner jugendlichen Schüchternheit. Doch es reichte aus, um einen an Jahren nicht minder frischen apprenti pompier in Wallung zu bringen. Er kam von der Statur her zwar ohnehin einem Löschfahrzeug nahe, aber er brachte vorsichtshalber noch drei weitere Brandbekämpfer ähnlicher Außenmaße mit, um dem Hänf- und Fremdling deutlich zu machen, die hiesigen Hasen seien ausschließlich dem Niederadel der Gemarkung vorbehalten. Obwohl er in seiner Angst keinen Laut der Widerrede hervorbrachte, stand trotzdem oder vielleicht deshalb bald die komplette dörfliche Jungfeuerwehr im Halbkreis um ihn herum und begann, Wehrfäuste zu ballen. Derart rückengestärkt forderte der Wortführer ihn auf, nach draußen zu gehen, auf daß er für seine Wilderei belangt werde. Jungmannhaft und ohnehin ohne Fluchtmöglichkeit ging er seinem Schicksal entgegen, hinaus vor die caserne des pompiers, in der solche Volksbelustigungen stattfanden. Zu den ihm nachfolgenden Brandkämpfern gesellte sich nahezu der gesamte örtliche Feuerwehrkörper inclusive dessen Marketenderinnen, um der kommenden Abreibung zu applaudieren, die der Frevler verdientermaßen erhalten solle.

So stand er alleine vor dem Gebäude, vor sich nicht nur die Ortsfeuerwehr samt Anhang, sondern auch die Pompiers der Nachbargemeinden hatten sich hinzugesellt. Als er sich bereits im Jenseits wähnte, kamen aus aus irgendwelchen Winkeln mit einem Mal fünf, vielleicht sechs dunkelhaarige Männer von zwar kleiner, aber doch recht drahtiger Statur hervor und stellten sich im Halbkreis vor ihn hin. Er hörte, wie einer, der an Jahren sein oder der feurigen Kämpfer Vater sein könnte, ihnen in einem Patois der Margeride bedeutete: Dieser Junge hat euch nichts getan. Er steht unter unserem Schutz. Wir stehen vor ihm! Tenez-vous-le pour dit ! Dabei blitzten nicht nur seine Augen, sondern auch ein Stilett in der Hand eines seitlich hinter ihm stehenden Mitschützers. Diese unverklausulierte Warnung löste das Bataillon auf. Das war es dann doch nicht, was man auf einem Feuerwehrball erleben wollte.

So kam er zwar nicht mehr in die Nähe dieses elfengleichen Wesens, aber mit heiler Haut davon. Und er geriet nach ein paar Minuten Fußmarsch inmitten seiner Retter in einen am Ortsrand stehenden hölzernen Wohnwagen und darin zu einer enormen Portion geradezu unglaublich wohlschmeckender gefüllter Paprika, die die Frauen der Beschützer in Holzfässern in riesigen Mengen einlegten, vermutlich auf daß in Obhut Genommene immer bestens verpflegt werden können. Ja, er blieb drei Tage, um seine nicht zustandegekommenen Wunden lecken zu lassen. Er aß und trank und hörte, bei seinen Gastgebern und deren Nachbarn, allesamt von weither kommend auf dem alljährlichen Weg in die Camarque, zuvor nie gehörte unglaublich schöne Musik aus Cimbal und Gitarre und Violine und das Leben besingende Stimmen und lachte, wie er sein junges Leben lang noch nie gelacht hatte und nie wieder lachen würde. Und seither, seit nunmehr fünfundvierzig Jahren lebt und denkt er in manchem ein wenig anders und raucht leidenschaftlich Gitanes (maïs).

Was in Deutschland mehrfach unkorrekt ist. Aber dort stellen sich Menschen, vor allem Politiker und sonstige Führungskräfte, im Fall einer Bedrohung oder eines bereits geschehenen Falls ja auch bevorzugt hinter die Bedrohten. Selbstverständlich nur sprachlich gesprochen.
 
Sa, 05.07.2008 |  link | (2621) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Linksrheinisches















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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