Werte Feldpostmeisterin

ich mache Ihren Kommentar zum Hauptthema, da es eines ist. Das eine, direkt an ihn Gerichtete überlasse ich hap. Er wird sicherlich eine demgemäße Antwort darauf haben.

Ich für meinen Teil: Früher habe ich das Fahn Fahn Fahn mit der Bahn nicht so recht verfolgt, da auch ich zu denen gehörte, die etwa 60.000 Kilometer jährlich unterwegs waren (nicht nur dem mir in die Wiege gelegten nomadischen Trieb, sondern durchaus dem Beruf geschuldet), und das mit einem Kraftfahrzeug, das nicht eben den Sparmobilen zuzurechnen ist. Und ein paar miles and more in der Luft kamen hinzu, sogar innerdeutsch.

Das ging in den Sechzigern in Berlin los, als wir mal eben zum Wochenende von Tempelhof nach Langenhagen düsten, um anschließend mit einem geliehenen Käfer durch die Gegend zu heizen. Der Hin- und Rückflug kostete damals, bis Ende der Sechziger, 49 Mark, der Liter Benzin 49 Pfennig. Da konnte man durchaus ein Cabriolet der Marke Oldsmobile Cutless (Freiheit, wie sie mich mein US-amerikanischer Onkel in Miami Beach gelehrt hatte) fahren, für das es angeraten war, einen Tankanhänger mitzuführen, da die Runden auf der Idiotenrennbahn Ku'damm soviel Sprit benötigten wie zwei VW 1300. Ein solches Gerät versoff alleine schon fünfzehn Liter, wenn man die DDR-Autobahn hinter sich gelassen hatte und den Fuß bis in den Kofferraum durchdrücken durfte, um die Freundin in Göttingen mal eben zu besuchen.

Und klampfeschälend auf dem Rucksack sitzen, das haben selbstredend auch wir erledigt, wenn auch nicht im Sauer- oder auf Ameland, sondern in ferneren Gefilden, dort beispielsweise, wo die Kühe ihre heiligen Waden ungeschoren badeten. (Von Pfitzinger weiß ich allerdings, daß er schon Anfang der Siebziger ein Fahrrad benutzte, um die USA von Ost nach West zu durchqueren.) Meine Erzeuger, um auf den Vater einzugehen, haben bei ihren Wanderungen allerdings früher schon die Bahn benutzt (wenn sie aus dem Flugzeug ausgestiegen waren). Sie haben's so erlebt, ich eben so. — Das zum Thema früher, ach früher. Da befanden wir uns aber auch noch nicht im Klimakterium.

Seit etwa zehn Jahren benutze ich die Bahn (es sei denn, ich schaukele durch Frankreich, wo gleich gar nichts geht mit der Bahn, an den Nebenstrecken hat man le train gar noch nie nicht gehört). Daß ich umgestiegen bin, hatte zugestandenermaßen zunächst nicht so sehr mit meiner Sorge um die Umwelt zu tun, sondern mit meiner zunehmenden Unlust, mich dem immer widerwärtiger werdenden Schwellkörper Verkehr unterzuordnen. Womit wir beim weiterführenden Thema wären: Die Umschichtung der Lagerhäuser auf die Straßen. Das muß wohl nicht weiter ausgeführt werden.

Aber darauf einzugehen wäre wohl: Im Zuge der Verlagerung quasi der Teileproduktion auf rollende Hallen haben sich einige Menschen wohl gedacht, lege ich mir ebenfalls einen LKW zu, nur ein bißchen schneller darf er schon sein. So lange ist das noch nicht her, da wurde so ein an Lächerlichkeit nicht zu überbietendes und ausnahmslos dem privaten Exhibitionismus dienendes SUV-Gerät tatsächlich wie ein LKW, also wie ein Nutzfahrzeug besteuert. Und der Verkauf geht offenbar ungebremst weiter. Zwar haben nicht alle das Geld, um mit einem dieser Hochgeschwindigkeitspanzer deutscher Provenienz zum kleinstädtischen Billigheimer zu brettern. Da nehmen sie eben einen Reisbrenner, aus Korea oder so. Das kostet dann ein bißchen weniger teuer, hat dann aber wenigstens dieselben Außenmaße wie so so ein besterntes oder berautetes, für die Jagd (nach Schnäppchen) gedachtes Fahrzeug. Sie können damit zwar nicht fahren, tun das dafür aber öfter. Nicht ganz so billig. Dafür kommen dann die täglichen anderthalb Kilo kostengünstigeres, etwas reiferes Fleisch auf den Tisch.

Á propos reifes Fleisch: Die alte Ente, die hatte schon einen Katalysator, da wußten die meisten hierzulande noch gar nicht, daß solches auch anderswo genutzt werden kann als im chemischen Laboratorium. Wenn sie überhaupt wußten, was das ist, Chemie und Laboratorium. Diese «alte ente», die «durch die landschaft fährt», steht überdies die meiste Zeit überdacht herum und bringt seit langem nicht mehr als drei- bis allerhöchstens fünftausend Kilometer jährlich auf die Michelinchen. Und wenn die quasi Wartungsfreie denn tatsächlich mal angekurbelt wird, beispielsweise, wenn die Elektronik am alle drei Jahre neu erworbenen und damit auf dem neuesten technischen Stand befindliche französischen Kleinwagen mal wieder (nicht) durchdreht, benötigt sie (seit 2000!) kaum mehr bleifreies Superbenzin als dieses technische Wunderding, für das man schon einen Werkstattmeister mit pfadfinderischer Mentalität beziehungsweise Gut- und Langmütigkeit benötigt, wenn's mal wieder blinkt oder nicht blinkt. Und wenn es denn fährt, dann darf unsereiner dann auch gewissensberuhigt zum Ökohofladen in den Nachbarort fahren, um handgehäkeltes Gemüse und Eier von freiheitsliebenden Hühnern einzukaufen, oder Schnitzelchen vom Schweinchen, das seine Nächte zwischen Bauer und Bäurin im Ehebett verbringt, bis es vom Schlachter verkaufsthekenreif gestreichelt wird.

Soviel zur kraftfahrerischen Mobilität auf dem Lande (ich habe in Städten von jeher Bus und Bahn benutzt; die ländlichen Regionen sind hier ausreichend kommentiert). Aber das mit den Streckenstillegungen, das ist nochmal eine andere Sache, die man auch anders betrachten kann. Zum Beispiel aus der Perspektive eines Menschen, der der Meinung ist: Die Bahn gehört ebensowenig wie Energie und Wasser beziehungsweise Abwasser oder Müll et cetera nicht in gewinnorientierte Taschen. Das hat der Allgemeinheit jederzeit so kostengünstig wie irgendmöglich zur Verfügung zu stehen, und sei es subventioniert. Aber was heißt da Subvention?! Welch ein Wort! Das sind Gelder, die via Finanzamt von und für ebendiese Allgemeinheit eingesammelt wurde. Auf daß man mit der Bahn von Adorf nach Behausen komme. Und wenn nur das Bäuerchen drinnensitzt, das aufs nächstgelegene kleinstädtische Amt fahren möchte, um sich den Antrag in fünfzehnfacher Ausfertigung abzeichnen zu lassen, nach dem es dann die Kartoffeln anbauen darf, die sein Ururgroßvater schon in Scholle geworfen hat. Oder die hundert eingesammelten Schüler, die ins vierzig Kilometer entfernte Gymnasium müssen, weil man das hiesige wegen nicht ausreichender Belegung geschlossen hat. (Niemand mag die Schule — wie die Bahn —, weshalb sie eingestellt wird?) Und komme man mir bitteschön nicht mit dem «ökologischsten fahrmittel» Schienenersatzverkehr Bus! Das mag so sein. Weil er nie fährt, jedenfalls so gut wie nie. Und in den Schulferien ohnehin überhaupt nicht. Unrentabel.

Man hat die Menschen ins Auto gezwungen! Man (da stimme ich mit Hans Pfitzinger überein): das ist die Wirtschaft, die bei uns Gesetze mitschreibt, in diesem Fall wohl die Kraftfahrzeugindustrie, die es sich vor den Lobbytüren der jeweiligen Ministerien gemütlich gemacht hat und sich gütlich tut. Das war, zwar nicht so offensichtlich wie heute, auch in früheren Zeiten so. Da hießen die Chefs nur anders und hatten sich ein wenig mehr Zurückhaltung auferlegt. Und der längst angekündigte Energiekollaps war im Verdrängungsloch verschwunden. Aber für die Streckenstillegungen haben sie gesorgt. Nicht die paar, die von Plaste oder gar Elaste für sündhaft teures Geld auf zehn und mehr Jahre altes aufpoliertes Westblech umgestiegen sind, um es auf der eigens dafür hochasphaltierten Rüganer Rennbahn nach Stralsund hochkant an den nächsten Baum zu lehnen. Ich war, werte Feldpostmeisterin, in dieser Gegend bereits unterwegs, als noch niemand daran dachte, die DDR könnte mal auf westlichem Schmieröl in blühende Landschaften rutschen.

Wäre ich Bayer, würde ich sagen: Ich bin doch nicht auf der Brennsuppn dahergeschwommen.

Zum Schluß noch einen zwergenhaften Kulturkommentar zum fair oder nicht fairgetraideten Computer. Ich weiß zwar, wo dieser Ami seine Äpfel züchtet, die ich seit 1990 kaufe, aber ich habe keine Ahnung, wo sie gewachst werden. Ich vermute mal, daß die Apfelkerne mittlerweile auch in diesem konfuzianischen Kommunismus wachsen, der uns allen so sympathisch ist, weil er uns selbstlos (trotz Laktoseunverträglichkeit) unseren Milchsee leergesoffen hat. Und noch ein paar Schlückchen aus der Pulle mehr nehmen wird, zählt doch das Geldverdienen zu den höchsten chinesischen Weisheiten. Die hatten die Globalisierung bereits eingeführt, als wir noch davon ausgegegangen sind: Hinter dem Sumpf des über tausend Jahre später entstehenden Büddenwarder ist die Welt zuende. Ich habe auf jeden Fall jeweils eine Menge Geld dafür bezahlt. Fair oder nicht fair, das kann ich hier nicht fragen. Denn selbst wenn sie wollte, die kunsthandwerklich hochbegabte Nachbarin, aber einen Rechner würde sie mir nicht klöppeln können.

So, nun können Sie den nächsten Stein schmeißen. Auf die ältere oder meinetwegen alte, völlig ahnungslose Generation.
 
Sa, 26.07.2008 |  link | (2648) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ansichten


itha   (26.07.08, 17:50)   (link)  
noch einen stein? einen teufel werd' ich tun! ich meine nur: es sind nicht immer bloß staat, wirtschaft, übelwollende plutokraten oder chinesen, die unbill verursachen. sondern wir sind es selbst. es ist also ganz genau so, wie sie es schildern: wenn man jahrzehntelang mit puffpuff und fliewatüt die gegend verpestet hat, darf man sich nicht wundern, wenn irgendwann die luft dünn wird. punkt eins. punkt zwei: was bringt es denn, die schuldigen dort draußen, also möglichst fern von mir selbst zu suchen? die anderen kann man doch gar nicht ändern. also, mir ist das jedenfalls noch nie geglückt. sondern ändern kann man immer nur sich selbst. allerdings müsste man als voraussetzung dafür erst einmal sich selbst auf den wecker gehen, zumindest partiell.

nach der letzten schätzung, die ich gelesen habe, würde ein computer zwischen 3000,- und 5000,- euro kosten, wäre er bei uns nach den als gerecht empfundenen tarifen hergestellt. leider habe ich den entsprechenden link verloren, ich suche danach. es betraf aber software und hardware zusammen, wobei die software (derzeit das "teure" element in der sache) dabei dann das billigere war.

ich würde ihnen liebend gern einen apple klöppeln, und mir selbst auch. das ist aber nicht der punkt. sondern ich habe hier einfach bloß einen spiegel, der nicht herrn supermarkt, sondern mich selbst "clad in a butcher's bib" zeigt, wenn ich ein steak auf dem teller habe.


jean stubenzweig   (28.07.08, 11:36)   (link)  
Beide Schuhe
liebe Feldpostmeisterin, ziehe ich mir nicht an. Die Temperaturen sind mir nicht danach.

Ich habe mich doch geändert (und sogar bei den Versuchen mitgeholfen, verschiedentlich etwas zu bewirken). Ich bin jugendlich anders aufgewachsen, leicht ließe sich sagen, es sei gar nicht anders gegangen als sich so zu verhalten, wie wir uns verhalten haben. Indem ich darauf hinweise, auch auf die Veränderung meiner Lebensart, zeige ich dann vielleicht doch ansatzweise, daß ich aus (meinen) Fehlern gelernt habe. Also nichts mit möglichst fern von mir ...

Aber die neuen, die wieder anders, also mit den ganzen Problemen Aufwachsenden, die meinen offenbar und sichtlich, es ginge immer so weiter. Nein, es ist ja nur ein Teil, wenn auch ein recht großer, dem das alles sonstwo vorbeigeht. Tagtäglich ist überall zu lesen, daß da irgendwas nicht stimmt, sogar Gründe dafür sind angegeben. Aber ach, sie lesen ja nicht, sie gucken nur BILDer. Und da die nichts hervorbringen als sinnentleerte Bewegung, kann auch die Ruhe nicht aufkommen, die es benötigt, um dahinter zu schauen, zu kommen. Aber wer will das auch schon ernsthaft von denen, die ohnehin nicht wollen ...

Und wenn Sie von einer Schätzung schreiben, die die Herstellung eines Computers bei drei- bis fünftausend Euro anlegt, kann ich nur antworten: So weit bin ich davon nicht weg. Zweieinhalb Tausender habe ich für meinen zuletzt gekauften Apfel auch hingelegt. Und die fünf bis sechs Jahre älteren waren auch nicht viel günstiger. Ohne Weichware! Word, Photoshop und wie der Kram sonst noch alle heißt. Und als Apfel-Begleitware kommen da immer noch einige zehn Prozent drauf. Wo liege ich dann? Irgendwo zwischen USA und Asien? Und wenigstens am unteren Rand der Tarif-Tabelle?

Ein wenig beschleicht mich das Gefühl, wie reden zumindest punktuell beim einen oder anderen von anderem. Aber meinen am Ende gar vereinzelt dasselbe ...


lac   (26.07.08, 19:42)   (link)  
ziemlic OT:
...60-er jahre aus berlin...
kennen sie (etwa) michel r.lang?
oh, ich hoffe ich liege richtig!


jean stubenzweig   (28.07.08, 07:16)   (link)  
Aus der Ferne
einen – leider – verneinenden Gruß. Irgendwie taumelt dieser Name zwar schwach durch meine Windungen, aber ich kann jetzt nicht ernsthaft behaupten, den Herrn zu kennen. Aber rund vierzig Jahre, ein solches Erinnerungsvermögen haben doch wohl nur Bücher und Computer (wenn's bei letzteren denn zutrifft).

Aber wenn Sie mir nähere Angaben machen, werfe ich die Denkmaschine nochmal an. Also: Wo (welche Uni?) und damit welches Terrain. Berlin war auch ohne den Ostteil eine nicht allzu kleine Stadt (von Nord nach Süd neunzig Kilometer). Fragen Sie mal bei sich nach.















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