Die Namen der Damen

Jennifä-Jakkeline, komm rauf, Essen is fäddich.

Jennifer-Jacqueline — so hat's der Standesbeamte brav aus dem mitgelieferten Büchlein abgeschrieben und auch den erbetenen Verbindungsstrich nicht vergessen — heißt in der Regel mit Nachnamen Krummhakenhörn oder so ähnlich. Ich hatte vor rund 30 Jahren beim Bunten Funk eine Kollegin, die trug den aparten Namen Carmen Kranklhuber (leicht geändert) und erinnerte auch eher an Kranklhuber denn an Carmen. Nicht nur ihrer fein ziselierten südostniederbayrischen Sprachfärbung wegen, mit der sie der geneigten Hörerschaft die Notizen aus dem weltweiten La Mancha vortrug.

Allerdings kannten Carmens Eltern nach deren Geburt das von der privaten Medienwirtschaft eingeführte Nachmittagsbildungsfernsehen noch nicht. Sonst hätten die Kranklhubers sich vielleicht Gedanken gemacht über mögliche Auswirkungen von Namenskombinationen aufs soziale Gefüge. Ihre leidenschaftliche Lust auf Bizet oder das Urlaubsmitbringsel Flamenco hätte dann möglicherweise nicht solchen lebenslangen Niederschlag gefunden.

Man bekommt seinen Namen über den Kopf gestülpt wie einen Eimer, paraphrasiere ich mal Heimito von Doderer. «Ein ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter, da mag einer die Kleider oder auch Kostüme wechseln wie er will.»* Ich kenne einige Beispiele dieser Unglücklichen, darunter so manch einen, der sich im Erwachsenenalter einen anderen Namen — oftmals einen noch unpassenderen — zulegte. Und damit meine ich nicht (nur) eine Carmen, die sich jahrelang Andalusiens Gluthitze aussetzte, dort allerdings lediglich das rhythmische Fußstampfen erlernte und deshalb weiterreiste nach Ballorca, in der Hoffnung, dort einem ehewilligen Einheimischen zu begegnen, der sie von ihrer Pein erlösen würde (es mußte selbstverständlich schiefgehen, da sie fortwährend auf irgendwelche Daxlmüllers oder Wagenknechts stieß, die sich dort eine Immobilie zugelegt hatten).

Völlig anders verhält sich das bei Berühmtheiten aus Film, Funk, Fernsehen und was es sonst noch alles gibt an Öffentlichkeit. Die Kinder solcher Eltern werden ohnehin allesamt ebenfalls berühmt. Vielleicht bleibt ihnen aber auch gar nichts anderes übrig bei Namen wie diesen, die ihnen von ihren weltweit renommierten Schauspieler-Eltern zugewiesen worden sind (wobei es Nachnamen gibt, bei denen es ohnehin schon sozusagen keine Rolle mehr spielt). Allerdings läuft die Namensgebung auch nicht immer so reibungslos ab, wie unsere Kreativen sich das wünschen. Ein Beispiel wäre Frank Zappa und dessen Sohn Dweezil: «Das Krankenhaus weigerte sich nach der Geburt des Jungen, eine derart verworrene Buchstabenkombination auf das Namensschildchen des Kleinen zu schreiben. Frank Zappa wählte daraufhin die vorübergehende Notlösung Ian Donald Calvin Euclid, eine Mischung aus den Namen seiner ehemaligen Bandmitglieder.»

Aber auch die etwas länger zurückliegende Vergangenheit hatte mit der Namensgebung bereits ihre Schwierigkeiten. Darauf weist Friedemann Bedürftig (ja, der heißt tatsächlich so!) auf der Seite EchteNamen hin, zu lesen unter dem Titel Die Hunde im Souterrain, einem Feuilleton über Thomas Manns Novelle Der kleine Herr Friedemann.

Ach ja, das sollte nicht verschwiegen werden, es gibt einen aktuellen Anlaß. Vor gut einem Jahr hatte ich eine vorausgegangene heftige Diskussion zum Thema (für mich) abgeschlossen mit der Bemerkung: «Aber wenn's denn sein soll, so schlage ich fürs kommende Töchterlein vor: Emilia-Galotti-Kleopatra. Das dürfte der EU-Norm entsprechen, und der Förderung der deutschen Leitkultur dürfte damit auch Genüge getan sein.» Daraus geworden ist Emelie Marie. Einjährig wurde das vergangene Woche gefeierte wonneproppige Mädchen. Und gerufen wird's, wie konnte es sich anders ergeben, kurz und knapp: Emmy. Paßt ohnehin besser zum Nachnamen.

* «Jeder bekommt seine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer. Später erst zeigt sich, was darin war. Aber ein ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter, da mag einer die Kleider oder auch Kostüme wechseln wie er will.» (Tangenten, 1940 – 1950)
 
Sa, 09.08.2008 |  link | (2337) | 5 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Kinderkinder


nnier   (10.08.08, 00:27)   (link)  
Dweezil. Moon Unit. Zak. Cosma Shiva. Diese Namen bewunderte ich in meiner Kindheit und finde sie immer noch schön.


jean stubenzweig   (10.08.08, 13:15)   (link)  
Nina Hagen
und ähnliche Damen gern gehört (und bewundert)? War ja auch ein hübsches Mädchen, das spätere Mädchen mit seinem Mädchen. Und singen konnte die! Das ist das einzige, das mir dazu einfällt. Aber ich war in dieser Geographie nie so kundig, es sind quasi bohèmische Dörfer für mich.


nnier   (10.08.08, 23:21)   (link)  
Nina Hagen konnte einen beachtlichen Sopran singen, soweit ich weiß, war mir als Kind aber unheimlich - etwas Sexuelles spielte da durchaus eine Rolle, man hörte da so Geschichten vom Ausziehen in der Talkshow etc.; leider bekam ich eher den Niedergang mit (sie hat z.B. mal einen armen jungen Südafrikaner namens Iroquois geheiratet und mit den Bildern Geld gemacht; ich weiß noch, wie der arme Kerl mit zitterndem Unterkiefer Bier saufend in der Fernsehsendung saß, stumm, und Nina Hagen redete und redete über ihn wie über einen dummen Hund).
Ich mag übrigens Zappa, ohne viel von ihm zu kennen (aber: The Grand Wazoo!), und Ringo Starr ist auch mehr als das Maskottchen, für das er genommen wird. Aber mir ging es hier um die sympathischen Namenskreationen aus einer Zeit, in der so etwas konventionssprengend und freiheitsversprechend klang und kein Marketingkonzept dahinterzustecken schien.


jean stubenzweig   (11.08.08, 14:39)   (link)  
Die psychedelische
Noch-nicht-Mutter von Cosma Shiva hatte nicht nur einen beachtlichen Sopran, sondern eine hervorragende (soweit ich weiß: gut ausgebildete) Stimme mit einer enormen Bandbreite. Früher ließ sie die zwischen ihren antihochkulturellen Schreiereien auch mal durchscheinen. Mit am deutlichsten wurde das in ihrem gebrüllten, geträllerten und teilweise brillant gesungenen Lied Ich glotz TV, von unsereiner recht gemocht seinerzeit. Vermutlich habe ich die Platte sogar noch. Bei Gelegenheit gehe ich mal tauchen in die Unergründlichkeit meiner Archive (ich kann ja nix wegwerfen – das aber ohne System).


prieditis   (21.08.08, 10:17)   (link)  
Jennifä-Jakkeline, komm rauf, Essen is fäddich.
anderswo gehört:

Mutter: "Nadien! Komm hier jetzt!"
männl. Begleitung der Mutter: "Warum gibse der nicht einfach eine mit!?"*

*Salopper Ausdruck für körperl. Züchtigung















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