Fischstäbchen im Öko-Bach Heute früh spielte zur Stunde des öffentlich-rechtlichen Minderheitenprogramms oder der senilen Bettflucht jemand eindeutig ein Stück wohltemperierten Bach, irgendwas (vermutlich) in moll, wegen der Unzeit. Davon mal abgesehen, daß unsereins Seelchen bei den Kompositionen dieses deutschen internationalen Großdenkmals ohnehin nicht eben emphatisch aufflattert, der Pianist oder die Pianistin — nein, nicht der unverkennbare US-amerikanische Nebenbachgott Gould — traf immer wieder einen Ton, den Steve Jobs bei dem thüringischen Oberorganisten für seine eMail-Ankunftserkennungsmelodei geborgt haben muß. Mehrfach war ich versucht, den Espresso in seinem Ursprungszustand zu belassen und süchtig an meine G 5-Maschine zu stürzen, um die sich permanent ankündigenden weltweiten Werbe-Neuigkeiten entgegenzunehmen. Doch es war noch recht früh, und deshalb wohl dauerte es ein Weilchen, bis ich feststellte, daß der iMac noch gar nicht eingeschaltet war. Es ging also eine ganze Zeit dahin, bis ich wahrgenommen hatte, daß es sich um einen großen Ton aus der Kunstwelt und nicht um einen profanen Klang aus den Niederungen der Elektronik handelte. Und da das Denken nun schonmal so für sich hinfloß, fiel mir die Fischstäbchen-Olympiade ein, die vor einiger Zeit in den öffentlich-rechtlichen Beratungsdauerwellen lief. Fünfmal je ein Produkt trat zum Wettkampf an, und das biologische erwies sich als das am wenigsten dynamische. Es sähe, so die sich einigen Kinderkampfrichter, nicht nur ziemlich schlapp aus, auch sei es von einer gewissen Geschmacklosigkeit geprägt. Zusammenhang? Wenn ein altersbedingt Kauhilfeberechtigter wie ich schon nicht mehr weiß, wie (ein ökologisch intakter) Bach tönt*, woher sollen dann die noch Frischen wissen, daß der Fisch früher mal ohne den Schwimmgürtel «natürlichen» Aromastoffes ins Panadestäbchen geschwommen ist. Sie halten ja längst (im Erzeugerland der trinkbaren Plaste schon seit fünfundzwanzig Jahren) den chemisch aufgepeppten, aus Konzentrat bestehenden Orangensaft für den natürlichen und verschmähen letzteren. Und das in einem Land, das immer wieder Nobelpreisträger aufzuweisen hat. Damit meine ich nun gerade keine politischen Friedensbringer oder gar geistig Umtriebigen (ja, die durchaus auch schonmal), sondern Naturwissenschaftler! Unsereins dachte bis zum vergangenen Jahr, das sei gar nicht mehr möglich, da die alle in die US-Emigration geflüchtet worden seien, der in Deutschland herrschende Forschungsförderungs-Notstand habe sie vertrieben. So war es jedenfalls immerwährend zu hören und zu lesen — nicht nur in diesen gebührengeförderten Medien, deren Verantwortliche Fischstäbchentests für den Olymp der Aufklärung halten. Und dann hat, wie das Kulturradio vor einiger Zeit meldete, noch ein großer Deutscher eine Großtat vollbracht. Ein vom Niveau her ansonsten etwas weiter unten angesiedelter, ständig große Deutsche gebender Schauspieler durfte andere Kunstfertigkeit beweisen und an ein weiteres deutsches Heiligthum Hand anlegen. Er hat sich wohl endlich einen Kindheitstraum erfüllen und in einer Encyclopädie herummalen dürfen. Wie der das Café Deutschland der Nachkriegsrevolte fixierende Malerkrösus noch zu Lebzeiten die geheiligte Schrift, heftig beworben von einem bebilderten Massenblatt, das lieber weniger Buchstaben, aber die dafür etwas größer druckt. All das vermutlich für diejenigen, die des Lesens nicht so recht mächtig sind. Wenn das nichtmal das Angekommen-Sein im Zeitalter der biblia pauperum bedeutet, dieser fast ausschließlich aus Bildern bestehenden Armenbibel. Allen aktuellen Mißliebigkeiten zum Trotz, der Deutsche hat schon allen Grund, es auszurufen, dieses: Wir sind stolz .... * «Doch der Natur- und Umweltschützer Enoch zu Guttenberg hat noch einen weiteren Verursacher beträchtlicher ‹Flurschäden› im Visier. Als international geachteter Dirigent sakraler Musik empfindet er es als unerträglich, daß Bachsche Messen oder Passionen zusehends zu sportlichen Übungen im Konzertsaal verkommen. Hier schlägt der Künstler Guttenberg einen plausiblen Bogen zwischen dem Komponisten Johann Sebastian Bach, dessen Kunst in ihrer im Religiösen wurzelnden Ursprünglichkeit einen Einblick verschaffen könnte in das Denken und Leben seiner Zeit, und der Begradigung des Baches, dessen einst natürlicher Verlauf die Gewachsenheit eines Dorfes, einer ganzen Landschaft bestimmte bzw. charakterisierte. Beide sind nach Guttenberg meist nicht mehr erkennbar in ihrer natürlichen Form.» Der begradigte (J. S.) Bach
Ich habe schon länger keinen Brockhaus mehr gekauft und die fünf Riesen für die "AMS-Edition" auch gerade nicht klein (wobei deren Buchrückengestaltung mich übrigens nicht nur an ein anderes Standardwerk erinnert, sondern mich zumindest in dieser verkleinerten Abbildung auch nicht weiter stört.) Bis ich mir ein solches Renommierobjekt anschaffen kann, muss es wohl das rote "dtv-Lexikon" tun, das da im Regal langsam einstaubt, oder ich mit den Unzulänglichkeiten der Wikipedia leben, über deren Unzulänglichkeiten wir allerdings auch schon gelegentlich sprachen. >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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