Altschul-TV

«Grämen Sie sich nicht», schrieb ich gestern dem Herrn über Mumien, Analphabeten und Diebe. «Sie sind auf dem besten Wege, nicht zu verblöden.» Auslöser waren die Selbstzweifel, die ein großes deutsches Nachrichtenmagazin bei ihm zu sähen trachtete für den Fall, nicht über eine bestimmte «Laientenorkarriere» informiert zu sein.

Es ist ohnehin an der Zeit, daß auch unsereins sich mal (wieder) über die TV-Qualität ausläßt. Da über Inhalte kaum zu reden ist, weil ich sie so gut wie nicht kenne, mir aber trotzdem gerne ein Urteil erlaube aufgrund meiner sekundenweisen Aufenthalte im untersten Fernsehkeller, auch nichts davon verstehe, da ich mir sowieso nur Dokumentationen, Magazine und Reportagen anschaue, ich mich also deutscherseits im wesentlichen von drei Programmen nähre, die da sind: 3sat, arte (da kann man übrigens den französischen Ton via Satellit quasi zuschalten) und phoenix (in dieser Wertungsreihenfolge), tue ich zum restlichen Angebot also schweigend und fachsimpele mit Herrn Nnier über Hilfsmittel und Nebensächlichkeiten.

Auch ich verfüge über Festplattenhighfidelitytechnik (nein, ich schreibe nicht Technologie, denn nur weil's alle dem Neuanglischen nachtun, wird's dadurch nicht richtiger). Aber ich nutze sie nicht, weil sie in mir Aversionen hervorruft. Ich bin nämlich der geborene Nicht-Programmierer. In früheren Zeiten habe ich es mehrfach fertiggebracht, aus Wut übers Nichtgelingen alle Stecker zu ziehen, was jeweils zur Folge hatte, daß mein immerfreundlicher und -geduldiger Fernsehlieferant und -reparateur jedes Mal alles wieder neu zu justieren hatte. Glücklicherweise hatte er sein Ladengeschäft im Haus. Das war früher, im Süden der deutschen Republik. In norddeutschen Landen habe ich zwar einen ebensolchen immerfreundlichen und -geduldigen Fernsehlieferanten und -reparateur, aber so ein Malheur bedeutete dann etwa fünfzehn Kilometer Anfahrt. Deshalb ziehe ich keine Stecker mehr. Die Unterbrechung der Stromzufuhr erledigt dann hin und wieder der dreibuchstäbige Energieversorger für mich. «Hand», so sah das bereits der frühe Medien- und Wirtschaftsexperte Goethe, «wird nur von Hand gewaschen ...» (Ein bißchen geklittert, aber dafür nicht lateinisch.)

Ich lasse mich im norddeutschen Büro im ehemaligen Zonenrandgebiet analog bestrahlen, regional werden wir vom NDR (bis kurz vor Hamburg) als deutsches Ostgebiet besendet. Allerdings geht's auch digital, dann kann man sozusagen nach Gusto autonom und im einzelnen empfangen: von Hedemünden via Heide bis nach Emden, von Norddeich via Sylt und Flensburg, den Ausreißer Bremen nicht zu vergessen, auch noch Hamburg, und dann eben die endlose Weite blühender Landschaften bis kurz vor Świnoujście und auch noch hinein, also via Wolgast nach Usedom. Aber nicht dafür habe ich vor etwa zwei, drei Jahren (?) so einen DVBT-Empfänger samt Zimmerantenne gekauft, sondern weil man mir suggerierte, die analoge Nabelschnur würde in Kürze durchtrennt. Zwar werde ich nach wie vor über sie versorgt, aber so habe ich wenigstens vorausblickend was für die notleidende deutsche Wirtschaft getan, zumal ich doch grundsätzlich in dem Land einkaufe, in dem ich mich aufhalte. Na ja, fast grundsätzlich. Ein wenig mag's auch daran gelegen haben, daß ich einen immerfreundlichen und -geduldigen Fernsehlieferanten und -reparateur habe, zu dem ich so gerne gehe wie die Büddenwarderin ein bestimmtes Kosmetikabteil an der Mönckebergstraße frequentiert; was ihr der salbungsvolle Töpfchen- und Tiegelbefüller mit dem Vertriebenennamen bedeutet, ist für mich der Hersteller unschlagbar guter deutscher Fernseherwertarbeit, an dem ich einfach nicht vorbeikomme, weshalb ich auch bald über mehr von diesen Gerätschaften verfüge als die Büddenwarderin an brauchbaren Haushaltsgeräten wie Messer et cetera (bei denen ich ebenfalls suchtgefährdet bin und deshalb vorgebe, mich aus Inflationsängsten in edle Metalle zu flüchten).

Ach, halt, noch einen Grund gibt es, weshalb ich mir solch einen DVBT-Empfänger zugelegt habe: weil ich mit dem auch circa achtzig Gigabyte (?) aufzeichnen kann. Doch den nutze ich kaum, da ich's, wie erwähnt, mit dem Programmieren nicht habe, und auch, weil ich so ein Altvorderer bin, der für den Empfang in seinen acht Jahren alten fränkischen Riesen-Leu lieber die Salatschüssel nutzt, weil er darüber auch die Berliner und die Pfälzer und die badenwürttembergischen und den Volksmusiksender aus Mitteldeutschland und sonst noch irgendwelche Regionalprogramme empfangen kann. Frage man mich nicht, weshalb ich da ab und an reingucke! Masochismus? Hang zum Niedern im Öffentlich-Rechtlichen? Aber ein Alibi habe ich dann doch: den bayerischen Alpha-Sender, der sich digital nicht anbietet, was ich für ein erhebliches Manko halte, da ich anderswo die beiden bebilderten köstlichen philosophischen (Dampfradio-)Plauderer sowie die zwanzig und mehr Jahre alten Reiseberichte nicht geboten bekomme, in denen Gott sich noch in Frankreich aufhielt und noch nicht vor seinem ungarischen Nachfolger geflohen war.

Da zu einem ordentlichen Büro auch ein Ruhebett gehört, auf dem man der Tage oder auch der Nächte Last zwischendurch wegschlafen kann, steht oben in der Galerie noch ein Lager und vor diesem ein — logisch! — flachgebettetes hochtechnisches Gerät (samt Empfänger plus Zimmerantenne), der Empänger ebenfalls vom mittelständischen deutschen Hersteller, der überdies nicht nur meine formalästhetischen Bedürfnisse erfüllt: Bedienbarkeit kommt von innen und will draußen als Schönheit gefallen, internationalisch: form follows function; denn ich kann ohne Gebrabbel nunmal nicht einschlafen. Aber da ist nichts mit Festplatte. Denn noch so ein Gerät, das ich nicht bedienen kann, wäre dann ein bißchen viel, habe ich doch ohnehin alles mögliche, das ich nicht brauche, da ich es nicht nutze.

In Marseille habe ich so'n Technikkram erst gar nicht. Da sieht Fernsehen anders aus: Runter zum Alten Hafen, aufs Schiffchen und dann rüber zu den Inseln und dann von der Île Pomegues, dem Tour Pomeguet aus rübergucken nach Afrika.

Beim obigen Banner handelt es sich um die Titelzeile des Internetional Project Bildstörung von Volker Hildebrandt
 
Mi, 29.10.2008 |  link | (3505) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ich schau TeVau


nnier   (29.10.08, 23:29)   (link)  
Es gibt noch analoge Wellen? In Bremen sind die schon vor längerer Zeit verebbt. Und da man wohl vier digitale Kanäle im ausgetrockneten Bett eines analogen plätschern lassen kann, stiegen zuerst die privaten, dann auch die öffentlich-rechtlichen Sender nicht zuletzt aus Kostengründen schnell und endgültig aus dem analogen Zeitalter aus (für dessen Errungenschaften ich mich wirklich begeistern kann; einmal las ich mir genau durch, wie man es schaffen konnte, das ursprünglich schwarz-weiße Signal mit einem für die Farbe so zu kombinieren, dass sowohl Schwarzweiß- als auch Farbfernseher aus demselben Signal ihr jeweiliges Bild eben nicht berechnen, sondern analog produzieren konnten, ähnlich wie eine Schallplattennadel das Schwingungssignal der Plattenrille aufnimmt und als analoges Signal an Verstärker und am Ende Lautsprecher weitergibt. Ich verstehe diese (Fernseh-)technik überhaupt nicht im Einzelnen, finde es aber sehr interessant, was die Menschen sich alles ausgedacht haben und dass das auch noch funktioniert! Wie langweilig sind dagegen Computer.)
Zu den Dampfradioplauderern: Die kenne ich gar nicht. Die verlinkte Seite weckt aber Interesse! Und da man diese Sendungen ja offenbar übers Internet abrufen kann, werde ich mir die Seite vormerken und bestimmt mal lauschen.


jean stubenzweig   (30.10.08, 02:28)   (link)  
Pol Pott
den singenden, diesen gespiegelt-sponsoridierten Opern-Heintje, den müssen Sie nicht kennen. Aber Harald Lesch und Wilhelm Vossenkuhl sollten Sie, wenn Sie sich fürs Abendland interessieren (für dessen Rettung ohnehin der Bayerische Rundfunk zuständig ist). Da sehen Sie mal, was die Abtrennung unserer analogen Nabelschnur anrichtet. Ich kann sie nach wie vor alle empfangen, die regionalen, sogar SWR-Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz getrennt. Aber eben, wie beschrieben, via Satellit.

Früher, ach früher, da saßen Lesch und Vossenkuhl noch in einer angenehm holzbestuhlten und -betischten Osteria (deutsch etwa: Bistrot, aber sowas kennt man im italienseligen München ja nicht) und philosophierten bei Wein und Antipasti. Früher, als der Philosoph die Haaare noch offen trug wie weiland die nouveau philosphe. Da waren sie für mein Philosophieverständns noch näher dran am Thema: der Physiker und der Philosoph plauderten sich gemeinsam durch die Unendlichkeit des Raumes. Seit einiger Zeit haben sie sie versetzt, die beiden, in die Münchner Glyptothek, wo sich sonntags massenhaft diejenigen schöne Männer anschauen, die selber gerne welche wären. Ich weiß nicht, warum die beiden nun auf dem Sofa sitzen inmitten der meist ausgewiesen männlichen Skulpturen der Antike. Vielleicht, weil die Zuschauer in dieser Umgebung eher verstehen, um was es da eigentlich geht?

Ach ja, falls Sie sowas interessiert: der Astrophysiker Lesch unterhält auch blendend über schwarze und andere Löcher in der Welten Raum. Die ja bekanntlich nicht nur im Sendegebiet des Bayerischen Rundfunks entstehen (können), wenn auch kein anderer Sender auch nur ähnliches bringt. Lesch ist sozusagen seit Urzeiten in der Lage, sogar geistig leicht Minderbemittelten wie mir komplizierte Sachverhalte zu erklären. Und er tut das so unterhaltsam, daß seine Vorträge eine echte Alternative zur Sendung mit der Maus sind.

Ach, schöne gute alte analoge Welt. Da stimme ich völlig mir Ihnen überein. Auch wenn ich von der Technik aber auch gar nichts verstehe.


jean stubenzweig   (12.02.09, 11:54)   (link)  
Mannequinschule Ost
Eine Tochter hat mir vor einiger Zeit elektronisch mitgeteilt, nach dem Kinderkriegen und -aufziehen eventuell wieder beim Fernsehen arbeiten zu mögen. Das hat mich dann doch sehr ins Grübeln gebracht. Denn sie war bei einem Privatsender tätig. Das war allerdings zu einer Zeit, als es dort tatsächlich noch Nischen gab, dort auch schonmal experimentiert wurde. Aber auch schon damals gab es bisweilen Debatten zwischen (dem ehemaligen, langjährigen und bis heute überzeugten öffentlich-rechtlichen) Vater und der (privaten) Tochter.

Die privaten Fernsehsender mochte ich nie, heute bekomme ich geradezu Hitzewallungen, wenn ich, aus welchem Grund auch immer, gezwungen werde, in eines dieser Programme zu schalten. (Und sei es drum, daß ich selbst hineinschaue, um wenigstens einigermaßen über das informiert zu sein, über das ich den Jungen gegenüber mich immer wieder herablassend, im besten Fall ironisch, meistens aber wütend äußere.) Das liegt beileibe nicht nur an der unsäglichen Werbung, die nicht nur vom Unfang her die Inhalte zu überwiegen scheint (welche Art von Inhalten, das wäre im besonderen zu klären), sondern daß die Werbeagenturen beziehungsweise deren Auftraggeber sich diesem Programmniveau auch noch anpassen, also, wie die Büddenwarderin zu sagen pflegt, von einer Tiefe sind, daß sie unter jeden Türschlitz durchpassen und man Knastpiepen davon bekommt. Auch die beiden großen öffentlich-rechtlichen Sender sind kaum noch zu ertragen, eben weil sie sich dem Niveau der Privaten angepaßt haben. Die Ängste, die Zuschauermassen an die gewinnorientierten Fernsehunternehmen zu verlieren, sind zu ausgeprägt. Doch Öffentlich-Rechtlich hat nunmal keine Renditen auszuzahlen. Öffentlich-Rechtlich hat einen Informations- und Bildungsauftrag. Und der wird vom Gebührenzahler finanziert.

Mein zusätzlicher Ärger hierbei: die ständige Forderung der Rundfunk- und Fernsehanstalten nach höheren Gebühren. Ich wäre ja um einer entsprechenden Qualität willen durchaus bereit. Aber allein bei dieser außerordentlichen Zunahme der Werbesendezeiten eben nicht — mittlerweile wird bis in die Abendstunden hinein Werbung ausgestrahlt. Ist es denn ein Wunder bei den horrenden Lizenzgebühren, die für Sportveranstaltungen oder ähnliches gezahlt werden. Sollen das doch die Privaten übernehmen. Diejenigen, die sich diese monströsen Wettbewerbe oder dümmlichen «Events» anschauen, stört Werbung nicht weiter. Im Gegenteil: sie sind daran gewohnt. (Dementsprechend kaufen sie ja auch ein. Man muß nur mal in die Einkaufskörbe — ach was: -wagen hineinschauen. Halt! Das heißt ja nicht mehr Einkaufen. Selbst wenn sie zu einem dieser Billigheimer fahren, um den Abklatsch des in der Werbung angepriesenen, für den Körper garantiert unnützen Chemiegebräus zu holen, sprechen sie vom Shoppen.)

Und dann die mehr als populistischen Politiker-Versuche, die (erträglichen, weil werbefreien) regionalen Programme kleiner zu reden, sogar: 3sat mit arte zusammenzulegen. Das ist dasselbe wie die Schließung von Theatern, Opernhäusern, wie die zunehmenden Versuche, aus «Finanzierungsgründen» Kunst aus den Museen heraus verkaufen zu lassen. Die Bundesrepublik Deutschland ist nunmal nicht das 51. Land der USA, auch wenn man es meinen möchte angesichts der hiesigen kulturellen Entwicklung (warten wir's ab, wie lange Frankreich sich dessen noch erwehren kann — bei dem neuen Präsidenten?). In den USA herrscht jedoch ein anderes System. In ihm sind die privaten Unternehmen gefordert. Sie zahlen bedeutend weniger Steuern. Dafür tragen sie den größten Teil der Kosten für die (Hoch-)Kultur. Für etwas anderes — das liegt in der Natur ihres Systems — als Spitzen-Tenöre oder andere Hochleistungskünstler interessieren sie sich nicht. Subkultur erregt erst dann ihr Interesse, wenn der Punk in den Kauf- oder Versandhäusern abgeht. Doch in Kohls «diesem unserem Lande» ist der Steuerzahler gefordert. Der Bürger ist der Staat. Und Minderheiten, so ist's in der Verfassung festgeschrieben, sind zu schützen.

Dieses Recht nehme ich (auch) als gebührenzahlende Minderheit hiermit in Anspruch!

Es gab Zeiten, da mochte ich immer wieder gerne mal bei arte hineinschauen, ob ich mich nun in Frankreich aufhielt oder in Deutschland. Das hatte Witz und Humor, immer ein wenig neben der Spur des Gängigen schimmerte in den neunziger Jahren, bis Anfang des neuen Jahrtausends der Anspruch eines professionellen Fernsehens durch, das (bei aller, bisweilen allerdings recht pastoralen Ernsthaftigkeit) den Unterhaltungscharakter nicht vernachlässigen wollte (und sollte). Dann lasen ein paar Politiker und deren Stichwortgeber «Bilanzen»: die Einschaltquoten von arte. Da kam der damals neue (deutsche) Präsident Jobst Plog gerade recht: ausmisten, weg mit dieser bildungsbürgerlichen Subkultur. Wenn schon Bildung, dann die von Ikea.

Irgendwann wird wohl auf dem arte-Bildschirm zu lesen sein: Zeit-Reisen, in Zusammenarbeit mit Brigitte («Wir suchen Sie, den arte-Zuschauer.») Lang wird's nicht mehr dauern: Unterstützt von Telekom und Vanity Fair. Und dann ist die alles großbebildernde Zeitung auch nicht mehr weit.

Sendungen wir Tracks, sie mögen als Zielgruppe auch nicht eben potentielle Altenpflegeheiminsassen wie mich im Visier haben, doch auch ich fange dabei manchmal an, mit dem Schaukelstuhl zu wippen. Aber das flotte Musik- und sonstwasmagazin ist auch auch fast schon so alt wie ich, also zu Zeiten entwickelt, als arte noch ein extraterristischer Planet war. Sich über Sendungen wie Chic auszulassen, ist müßig. «Geschmacksache», sagte der Affe und ignorierte die Seife. Geschmack läßt sich nicht diskutieren. Es sind formalästhetische Spielereien für Menschen, denen ebendiese bitterernst sind, die nur noch was von «lifestyle» brabbeln und alleine deshalb zur kommenden documenta rennen werden, weil dort gekocht wird. Chic wird eben für (junge) Menschen im Zeitalter des Neo-Liberalismus produziert, die unter Börsenverein nicht eben Buchhandel verstehen, die mit «global» diejenigen meinen, für die eigens ein heiliger Damm errichtet wurde. Zehn Jahre haben die Tony Blair gegeben, und Sarkozy möchten sie ebenso lange im Amt sehen, weil sie sich dann auch im Fünf-Sterne-Bett räkeln können und vom Freund auf die Yacht gedüst werden (daß sie unter Umständen in zehn oder zwanzig Jahren mit Herrn Hartz' Erfindung bedacht werden, weil sie sich irgendwie verhoben haben, daran denken sie heute — noch! — nicht).

Chic also. Meinetwegen. Ich muß ja nicht, ich kann ja abschalten. Das tue ich auch. Wie immer dann, wenn es heißt: arte-Kultur (immer nach arte-info mit ein bißchen was aus Frankreich) moderiert von Annette Gerlach. Das ertrage ich nicht. Immer öfter muß ich raus aus dem Programm, weil ihm das gestelzte und gespreizte Gehabe dieser Kultur- und Gesellschaftsdamen hochnotpeinlich ist. Haben die denn einen Choreographen bei dem Straßburger Sender, der mir an Jahren weit überlegen ist, der bei den Schönheiten festlegt, wie sie ihre Füße zu stellen, wie sie ihre Hüften gegen die Laufrichtung zu stemmen haben? Von Annette Gerlach bin ich das ja gewohnt, die ist ja bald fast so lange dabei wie ich alt bin. Kein weiteres Wort also mehr zu diesem erotischen Fanal aus Strasbourg (das hier ja auch bereits ausreichend gewürdigt wurde).

Aber irgendwann trat dann noch so ein Gehwunder in mein arte-(Bildschirm-)Leben (irgendwie muß ich süchtig sein). Ich wußte gar nicht, daß ein Mensch überhaupt so gehen, so stehen kann. «Gut rüberkommen», das hat Simone von Stosch verraten. Das allerärgste: Sie gibt nicht nur sich, sondern auch noch Medienseminare. «... Dabei ist ihr Ziel nicht nur, Öffentlichkeitsarbeiterinnen und Öffentlichkeitsarbeiter vor der Kamera zu schulen, sondern auch Menschen zu trainieren, die vor kleinen und großen Gruppen sprechen, Reden halten, mit ihrem Auftritt etwas bewirken wollen.» Möglicherweise schickt die arte-Chefredaktion ja alle neuen (und auch die alten, die sich zu natürlich bewegen und sprechen) zu Frau von Stosch. Meine gute alte (Entschuldigung, aber ich bin der Dienstältere, ich darf sowas sagen) Judith Schulte-Loh muß auch zur Kollegin geschickt worden sein. Denn selbst die WDR-Frau, die ich ihrer Natürlichkeit wegen immer so geschätzt habe, steht nun vor der Kamera, als ob sie an einem Fünfziger-Jahre-Mannequin-Kurs in der DDR teilgenommen hätte (Gab's dort so etwas überhaupt? Kommt Simone von Stosch aus der Ostzone? Im Ostfernsehen sieht man sie ja öfter mal.): Immer das entzückende Fußspitzchen leicht nach vorne ausgestellt. Und jetzt die «chice» Valeria Risi. Die stammt zwar nachweislich nicht aus der DDR, aber sie ist vermutlich ebenfalls von Frau von Stosch geschult. Oder hat die das am Ende alles von Annette Gerlach gelernt? Es könnte aber auch sein, daß die DDR Schulungskräfte nach Uruguay entsandt hatte. (Obwohl: In der DDR gab es eindeutig eine bessere Schauspielausbildung als in der BRD.) Wie auch immer: Valeria Risi muß sich doch bereits beim Stehen eine Huftgelenkzerrung holen. Das wäre unsere einzige Gemeinsamkeit: ich hole mir die übelsten Verletzungen während des Schlafes, im Bett.

Welche Kultur-Moderatorin- oder Moderator auch immer bei arte: Sie alle sind allerweltshübsch, noch ein bißchen allerweltshübscher sind allerdings die Gerlach-mit-Moderatoren Elise Chassaing und Gustav Hofer. Need liab, need reich und need schee, need halt, wie der Wiener spricht. Und einen Haltungsschaden haben sie auch. Deshalb wohl sind sie von arte engagiert worden.

Nachbemerkung: Bei der ARD habe ich auch so eine Befürchtung für die Zukunft: Daß sie Caren Miosga zur Nachfolgerin von Anne Will gemacht haben, verblüfft mich ohnehin, ist sie doch wahrlich nicht unter Schönheiten einzuordnen (wenn sie wohl auch als apart zu bezeichnen ist — ach, alte Männer ...!). Ihr offenes Gesicht tut wohl, sie ist eine eine intelligente Frau, sie läßt sich nicht ins Bockshorn jagen, fragt nach, sie hat einen ausgeprägten Sinn für Humor, und sie hat Witz. Aber ich befürchte, daß ihr Witz und ihre Kritik dahingehen werden, wenn sie auf einem so prominenten Sessel sitzt.

Ein Beispiel ist die früher so angenehme Susanne Holst, die zu Zeiten, als sie noch nachmittags oder zu nachtschlafener Zeit Informationen unters Volk streute, oftmals ein so verschmitztes Lächeln hinterherschickte, daß mir gleich Lebensspuren ins Gesicht fuhren. Sicher, ich schaue und höre ihr noch immer gerne beim Sprechen zu. Aber nun, da sie an Abenden sogenannte Weltneuheiten verkündet, ist das Verschmitzte völlig verschwunden. Hat sie nichts mehr zu lachen? Hat ihr die Chefetage — die ja immer weiß, was das gebührenzahlende Volk will — das abgewöhnt? Erste Anzeichen dieser dödeligen Ernsthaftigkeit zeigt auch Judith Rakers, seit sie neben der Hamburger Abendschau auch manchmal in die ARD-Spätredaktion einrücken darf. Zwar hatte die ohnehin immer etwas hanseatisch Überkorrektes. Aber hin und wieder hat sie gelächelt. Das muß man man ihr untersagt haben. Denn schließlich sind Nachrichten nichts für Kinder und senile Alte, also nichts für mich.

Verfaßt am 16. Mai 2007 um 16 Uhr 27 und ursprünglich unter anderem Titel anderswo veröffentlicht.















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