Billig-Bio-Berg

Wie gemeinhin bekannt sein dürfte, hat die Seuche der Globalisiererei längst auch die Provinz erreicht. Damit ist nicht Der Gartenzwerg in der Boutique von Hermann Glaser gemeint. Den gab's schon vor der Entdeckung der Welt als Scheibe durch europaisch unioniert colorierte Politiker in Bruxelles und Strasbourg, die Orchestermusiker zwar vorm forte schützen, uns dafür jedoch den Biomüll aus China oder Chile reinstopfen wollen, auf daß die Chinesen noch ein paar Waffen mehr (von uns) kaufen können, um den tibetischen Unrat besser beseitigen zu können. Oder Hafencities, um nach dem Prinzip des Shanghaiens dem hamburgisch Regierenden viele schöne Sozialwohnungen zu schenken, wenn auch nicht alle mit freiem Blick aufs Mittelmeer. Nein, auch in der Oberpfalz ist sie längst angelangt, diese turbokapitalistisch befeuerte Pest.

Zur Erläuterung: Die Oberpfalz befindet sich nicht dort, wo Kurt Beck regiert und wohin er sich nach seiner Demontage durch in Preußen und in der falschen Partei Sitzende vermutlich endgültig hin zurückgezogen haben wird. Wider besseres Wissen hatte ich sie Niederbayern gennannt, die Oberpfalz — wofür mich meine frühere, inniggeliebte, aus Regensburg stammende Sekretärin, wäre sie noch die meine, mit mindestens einer einstündigen Redepause bestraft hätte; ihren flammenden Schimpftiraden in für mich verständlich formuliertem Dialekt hatte ich immer fasziniert gelauscht. Ich hatte aber nur zur Hälfte die Unwahrheit notiert. Denn zu Bayern gehört die Oberpfalz, wie die (Kur-)Pfalz eben mal zum bayerischen Königshof gehörte, was wiederum mit den Wittelsbachern zu tun hatte, die von den, nach neueren Erkenntnissen, Luitpoldingern abstammen, was vom Luitpold von Bayern kommt. Also: die nicht von Kurt Beck ministerpräsidentiell geführte Oberpfalz liegt im Osten Bayerns, müßte also quasi Ostoberniederbayern heißen. Nein, jetzt wird's konfus. Wen's interessiert, der wird's schon wissen. Monsieur Alphonse ist schließlich auch noch da.

In der Oberpfalz gibt's eine «Pfalzgrafenstadt» namens Vohenstrauß. Die hat, wie anders, auch eine Seite im weltweiten Netz. Aber nicht aus der habe ich erfahren, daß die erwähnte, vor allem in deutschen Landen frisch auf den Tisch kommende postpostmoderne Seuche mittlerweile auch dort angelangt ist, sondern aus dem VOHblog, betrieben von Gabi Eichl, die das tut, was ein paar mehr Menschen tun sollten, nämlich mal auf den Müll vor der eigenen Haustür achten. Frau Eichl also vertraute ihrem nicht ganz so poetischen Album die Frage an:

Verkommt der Bio-Markt zum Ramschladen?
Ich bin ja eine große Bio-Freundin. Weniger der Umwelt oder der Gesundheit willen, das schon auch, aber mehr der Tiere willen, die ihr Leben lassen für meinen Genuß. Ich mag kein Schwein, das sich kaum umdrehen konnte in einem stinkenden Stall, in dem nicht einmal ich mit meinen nur 1,60 Meter aufrecht stehen kann (hier im Landkreis). Ich mag kein Rind, das sein kurzes Leben angebunden und in eine Richtung schauend verbringen muß (hier im Landkreis). Und schon gar kein Huhn aus den bekannten Strafanstalten. Aber die Gleichung «bio = gut» stimmt auch nicht unbedingt. Leider.

In den Supermärkten und Discountern finden sich zunehmend Bio-Produkte. Schön. Einerseits. Andererseits kauft man da immer häufiger Schauderhaftes für viel Geld. Ich habe heute zum Beispiel zwei Fleisch-/Wurst-Produkte entdeckt, ganz neu, sahen gut aus, die waren so fürchterlich, da ist heute abend viel Geld in die Mülltonne gewandert. Unbeschreiblich! Ich hätte eigentlich gewarnt sein müssen. Es war viel Pute drin — und das bedeutet meist: wenig Geschmack. So war's dann auch. In dem speziellen Fall waren die Sachen aber nicht nur geschmacklos, sondern gruselig. Ich mußte direkt nachsehen, ob das Verfallsdatum nicht etwa ... War es nicht.

Ich werde den Verdacht nicht los, daß unter dem Bio-Siegel zunehmend Müll verkauft wird, der zwar nicht aus Quälzucht stammt, aber so lieblos zusammengemantscht ist, daß klar wird, daß da jemand nur mit schlechter Ware noch mehr Geld machen will. Es ist zwar ein ungeheuerer Fortschritt, daß es Bio-Ware nicht mehr nur in diesen vor Dinkel strotzenden Bio-Lädchen zu kaufen gibt. Aber wenn der Preis dermaßen geschmacklose Produkte sind, dann sieht das nach einem Ausverkauf des Bio-Siegels aus. Schlimm nur, daß das all denen Vorschub leistet, die immer schon wußten, daß «das Bio-Zeug auch nicht besser» ist. Aber die haben sich ja auch noch nie an solchen Bildern gestört.


So etwas wirft selbstverständlich die Meinungsmaschine an. Damit ist nicht nur das ja noch harmlose Bild gemeint, sondern ein den Text von Gabi Eichl ergänzender Faktor.

Nicht unbedingt alleine, daß ich heftig nicken möchte zu dem, das sie hier geäußert hat, sondern da es ja kein regionalspezifisches Problem ist — beziehungsweise eben doch. Denn es geht eben nicht nur alleine um diese systematischen Verdummungen zur Schaffung immer höherer Renditen; die die Menschen allerdings gerne mit sich machen lassen, weil es in oder en vogue oder gerade angesagt ist oder weil die Nachbarn es auch tun (wie sie auch bauen müssen, weil's der Nachbar getan hat) und außerdem keine Lust verspüren, ihre organische Festplatte einzuschalten. Sondern ich möchte erweitern: Einen wesentlichen, zumindest mitentscheidenden Aspekt des ökologischen, biodynamischen Und-so-weiter-Hintergrunds hat Gabi Eichl in ihrer Argumentation leicht vernachlässigt.

Zum einen möchten die Produkte aus der Region kommen, weil damit die Erzeuger ein bißchen was verdienen und nicht die weltweit größten Hersteller und ihre angeschlossenen Handelsorganisationen noch reicher werden, als sie ohnehin bereits sind. (Das muß ich ihr als attac-Sympathisantin wohl kaum näher erläutern.) Und zum anderen trüge das erheblich zur Schadstoffreduktion bei (gleichwohl ja auch die gesundheitsbewußte, jungdynamische Landfrau im hohen Norden den Joghurt aus dem tiefen Süden im Regal selbst des Bio-Hoflädchens stehen haben möchte). Aber was macht die Menschheit in Schleswig-Holstein oder Niederbayern (oder der Oberpfalz!)? Sie kauft den Dreck, aus Chile oder China oder sonstwoher. Wir tun was für die gesunde Umwelt und unser Innenleben. Aber billig muß es eben sein.

Es ist auch hier so wie mit den anderen Billigheimern, beispielsweise dem Unterhaltungselektroniksupermarkt: Die sind oftmals keineswegs günstiger. Vom «Bedienkomfort» mal abgesehen: einer ernstzunehmenden, tatsächlichen Fach-Beratung im Einzelhandel. Unsereins kauft in diesen Großverkaufslagern — die man ja notgedrungen aufsuchen muß, wenn man op'n Dörp lebt, die Stadt so weit weg ist — keine Bio-Produkte (mehr). Denn glücklicherweise gibt es allüberall diese sogenannten Hof- und mittlerweile sogar wieder normale Dorfläden, in denen der Bauer günstig verkauft und überdies der Dorftratsch kostenlos ist. Auch die jeweils nähere Kleinstadt bietet hochwertigere Nahrung aus der Region — auf denen eben nichtmal unbedingt bio draufstehen muß. In den Sechzigern hat beispielsweise Aral mit bleifreiem Benzin geworben, von dem es ein paar Jahre später erstmal heißen sollte, es sei (aus Kostengründen!?) nicht herstellbar. Und so gibt es, wenn zugestandenermaßen auch selten, immer noch Fleischer, die keine aus Afrika oder Amerika oder Australien herangekarrten Tiere verkaufen, die zudem mit Präparaten aufgeblasen wurden, die nichts anderem dienen als der Rettung der weltweit notleidenden pharmazeutischen Industrie.
 
Fr, 13.03.2009 |  link | (2038) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache


vert   (13.03.09, 02:13)   (link)  
tja, so ist es wohl: biologisch ist nicht zwangsläufig auch ökologisch.

und wer im discounter meint, für ein drittel des preises die gleiche qualität zu bekommen, wird auch weiteren wundern der agrarindustrie nicht abgeneigt sein. auch bioprodukte können industriell mit hoher fertigungstiefe hergestellt werden, zum teil auf den gleichen straßen wie sogenannte "konventionelle" nahrungsmittel. warum sollten die dann anders schmecken?

es hat ja gründe, warum die bisherigen anbau- und zertifizierungs-verbände ganz massiv um das recht gekämpft haben, ihre strengeren kriterien beibehalten zu dürfen.

der verweis auf das "so**ent-netzwerk" passt hier nicht so gut. radikale tierschützer sind in dieser debatte ein, nunja, todesstoß für jedes menschliche denken. sie täten sich einen gefallen mit einem linkverzicht.


jean stubenzweig   (13.03.09, 02:25)   (link)  
Ich gebe Ihnen recht.
Da habe ich unüberlegt gehandelt. Entspricht auch nicht meinem Denken. Hab's getilgt.















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