Küchen-Notfall Hochzeiten können Hoch-Zeiten von Schmalhans sein, dem Küchenmeister. Da ließe sich jetzt der äußerst preiswert eingekaufte und gut durchgegarte Rinderbraten an der Sauce aus der Kittelschürze der Hausfrau assoziieren, angelehnt an den terminus technicus «Hosentasche des Kochs», dem Synonym für den Einfallsreichtum derer, die auf die werbende Tafel vor ihrer Gaststätte «hausgemacht» schreiben und damit den auf Vorrat eingekauften Extrakt in Dosen oder Tüten unterm Veröffentlichungstresen halten. Auch an die reichlich vorhandenen Käsekuchen oder Buttercremetorten könnte man denken, erstanden in der kleinen Bäcker- und Konditorei oben an der Ecke, die beliefert wird von den ziemlich unter Tarif bezahlten vierhundertfünfzig Angelernten jenseits aller Grenzen. Zulässig wären auch die Klagegesänge von Frau Damenwahl. Nein, gemeint sind die Defizite, die sich ergeben können, weil der eine sich nicht unbedingt für die «Reinigung der rekombinanten Enzyme» interessiert, der andere nicht für die Programmation «universell einsetzbarer Bewegungsautomaten mit mehreren Achsen», den nächsten es nicht unbedingt aus seiner plastiksahnebestimmten Schwere reißt bei der Erwähnung von Gottfried Benns Marburger «Rede über Lyrik» oder gar Arnold Schönbergs «Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen oder die Dodekaphonie» und der wieder andere sofort ins Nickerchen hinüberschläft, wenn der ebenfalls, aus welchem Verwandtschaftsverhältnis heraus auch immer, eingeladene Mathematiker und Physiker darauf hinweisen möchte, daß «Einstein Minkowskis vierdimensionalen Raumzeitformalismus erkannte» und er als Experte die Folgen erklären möchte. Dann hilft nur noch jener unendliche blanke Hans weiter, der gemeinhin unter schmalem Quark oder auch Small Talk bekannt ist. Das ist dann so eine Art Quasselküche für jedermann. Die reicht dann vom richtigen Blumengießen über die (Sehn-)Sucht, in einen schwedischen Möbel(ramsch)laden gehen zu müssen, um chinesische Grablichter kaufen und dänische heiße Fabrikwürstchen essen zu dürfen, bis hin zum sich bereits seit vierzig Jahren hinziehenden Nachbarschaftsstreit wegen einer grenztechnisch unkorrekt gesetzten sowie überhaupt unansehnlichen Grundstückseinzäunung. Froh, ja glücklich ist der den angekündigten Dornfelder fürchtenden und sich deshalb bereits in einen vorsichtshalber mitgebrachten geflüchteten 2001er Cahors dann über jemanden wie die Büddenwarderin. Sie spricht gerne und gut über Medizin. Die kommt immer gut an, auch bei dem Flüchtling. Vor allem, weil der weiß, daß es keine Rede über Forschungsergebnisse neu entdeckter Pilzkrankheiten bei Säuglingen werden, sondern die Berichterstatterin sich in situ mehr über die Nebenwirkungen der Praxis auslassen wird. Wenn sie ihr verschmitztes Frau-Doktor-Blaulicht-Lächeln aufsetzt, kann es geschehen, daß ihr nächster Zuhörer vom Cahors abläßt. Eine junge Frau, kurz vor achtzehn, aber seit dem Kleinstkindalter Patientin und deshalb gut bekannt und also auch nicht falsch am Ort, erscheint recht bedrückt in der Praxis und bittet die Büddenwarderin dringend um Hilfe. Das gehört zum Alltag; selbstverständlich wird sie gewährt werden. Nein, bitte nicht hier inmitten der vielen anderen Helferinnen und anderen Anwesenden. Unter vier Augen. Die Büddenwarderin denkt, erfahrungs- und ein wenig ahnungsvoll an γονόρροια, mehr noch allerdings an die zu stellende Frage: Wievielter Monat? Sie bittet die in Not Geratene ins garantiert unstörbare, weil anschließend von innen verriegelte Labor. Hinweise auf ein irgendgeartetes von-der-Leyen-Syndrom sind nicht direkt zu erkennen. Dennoch ist die Hilfesuchende den Tränen nahe. Setz dich erstmal hin, magst einen Kaffee? Verneinung, ein Schluchzen kommt auf. Erzähl, was ist los? Vor einiger Zeit hat sie im Verrückten Elephant einen ganz tollen, so ganz andern als die andern, also einen Super-Typ kennengelernt. Aha. Doch bevor die Frage nach dem Kalendarium gestellt werden kann, geht die zunächst stockende Rede ins Flüssigere über. Nachdem die Eltern ihr den Altenteil überlassen haben, da das mit Oma und Opa so nicht mehr ging und sie deshalb in dieses Dings da gezogen und so, worüber sie nicht, aber dann doch ganz froh war, weil mit den fünf Geschwistern und so das nicht mehr richtig ging und so, hat sie sich dann eben eingerichtet. Und dann den super Kerl eingeladen, nachdem sie ihn noch zweimal getroffen hat im Elephant und dort, naja, geknutscht und eben, vielleicht kann sie sich das vorstellen. Ja sicher. Die Frage nach dem Monat muß erstmal unterbleiben. Du weißt ja, ich habe selber Kinder. Und jung war ich auchmal. Auch wenn ich jetzt ein bißchen älter bin. Eben. Sie haben eben Erfahrung. Und mit meiner Mutter kann ich da drüber nicht reden. Die hat ja keine Ahnung. Na ja, vielleicht ist es besser, mit jemand anderem darüber zu sprechen, der nicht ganz so nah dran ist und deshalb möglicherweise den Überblick nicht so leicht verliert. Glücklicherweise ist ihr, denkt die Büddenwarderin, das erspart geblieben, und die Tochter hat jetzt immerhin das Biologen-Diplom in der Vita. Also, wie ging's weiter? Ja, ich hab dem immer erzählt, ich wäre ganz gut und so. Und kochen könnte ich auch. Und da war er so begeistert. Und dann hab ich ihnen eben eingeladen. Und er hat mich dann noch gefragt, was ich denn kann. Und da hab ich «Blätterteig» gesagt. Aber ich weiß nicht, wie man Blätterteig macht! Ich hoff, sie können mir helfen!
Hach wie putzig! Wobei ich zugeben muß, mich vor einigen Jahren bei meinem ersten richtigen Fisch ähnlich dämlich angestellt zu haben. Damenabend mit guter Freundin. Hatte viel Geld ausgegeben im Fischgeschäft um die Ecke, im Feinkostladen alle Zutaten erstanden, aber leider, leider stand im Kochbuch nicht mit der notwendigen Detailgenauigkeit drin, wie man ihn filetiert ("filiert", laut Benimmtrainerin meiner Ex-Firma). Nach einigem hin und her, ich versucht, Freundin versucht, ich nochmal versucht, haben wir ihren Vater - seines Zeichens leidenschaftlicher Angler - angerufen. *schäm*. Hätte meine Mutter doch mit mir mal VHS Kurse belegt, statt den Siebeck untern Christbaum zu legen! Und ja, der medizinische Alltag ist eine unerschöpfliche Quelle an Anekdoten und die Aussage, Ärzten (und anderem Fachpersonal) sei keine menschliche Regung fremd, bekommt einen ganzen neuen Gehalt. Ich beneide einige meiner Familienmitglieder gelegentlich um ihren gesellschaftlichen Unterhaltungswert, denn tatsächlich gewinnt man mit Zwölftonmusik und anderen Minderheiten-Themen keinen Blumentopf auf dem sozialen Parkett. >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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