Bis der Handwerker kommt ...

Da erreichte mich heute ein wunderschönes Präsent — die Präsentin schaffte es, mir in meine Eremitage ein Bändchen der Streichholzbriefe des von mir überaus geschätzten Deuters aller Zeichen, Umberto Eco, zukommen zu lassen, das sich doch tatsächlich noch nicht innerhalb meines in der Karton- und Dachboden-Verbannung befindlichen Eco-Regal-Meters befand. Selbstverständlich habe ich gierig zwischen die Seiten gegriffen, als ob's um eines jener truffe en chocolat ginge, die des kleinen Chocolatier am Münchner Fäkalienmarkt. (Ja! besser als der beste der — jedenfalls mir bekannten — in Paris! Allerdings stammt dieser Genußhersteller auch aus dem Land, in dem solches komponiert wird ...). Ich bin genußfündig geworden insofern, als ich Ecos Worte (in leicht abgewandelter Form – möge er mir verzeihen, der große Meister aus Bologna! er hat gerade genickt) zwischen aller Zungen und Gaumen lege — auch wenn das schwer urhebergerechtet ist, was auch in Ordnung ist so. Also ab, wie Herr Klimmt, in die Buchhandlung — ja nicht zu diesen alles anderen als weiblichen Kriegern! — mit Ihnen allen, zumindest die Gesammelten kaufen und sich vergnügt im Sessel zurücklehnen. Weg vom Bildschirm! Hinter dem lauern ohnehin (hoffentlich) bald die Verfassungsrichter und stellen den Gesetzesschändern ein Stop-Schild vor.

Also, ein kleines Stückchen nur, das tue ich jetzt einfach, auch wenn's entstellt ist durch meine entsetzlichen, launischen und nur bedingt launigen, wieder einmal an nur ein paar Wenige adressierten Wörter, die aber hoffentlich wenigstens denen dennoch als Worte hineinfahren. Schließlich ist das hier (auch) eine heftige Empfehlung. Und mir ist eben so danach. Sei's drum, dann krieg ich eben Prügel, die andere verdient haben.

Seit ich geschrieben habe, daß ich keine Manuskripte (mehr) lese, will meine (nordost-, früher mitteldeutsche) Briefträgerin den Beruf wechseln und in die IT-Versand-Branche umsteigen. Ein büchener EDV- und Fisch-Autor hat mir einen Süßwasserlachs aus Mecklenburg-Vorpommern geschickt. Andere schicken mir, einen Gedanken aufgreifend, den ich ich beiläufig habe fallen lassen, Abhandlungen über kunsthistorische Metametaphysik, fragen mich nach meiner Meinung über die hauptsächlichsten Weltsysteme innerhalb des Kunstmarktes oder Kunstkritikervereinigungsvereine oder erbitten Spezialbibliographien zu 1990 geborenen Künstlern. Versuchen Sie mich zu verstehen. Ich habe Familie.

Jemand hat mich getadelt, weil ich aeroporto in areoporto umgewandelt habe in den Korrekturfahnen. Ich weiß allerdings nicht, ob ich es war oder der Setzer, unsere Wörterbücher behandeln den Fall unterschiedlich, der Zanichelli verurteilt die erste Form als falsch, der Devoto-Oli akzeptiert areoplano als umgangssprachlich. Die Lexika kennen ein areometro (Aräometer, Senkwaage), aber das kommt etymologisch von griechisch araiós, «dünn», und ein Aeroport ist heute zu dicht bevölkert, um Areaport genannt zu werden.
(Vor allem der Münchner, der einzig kontinuierlich Direktflüge nach Marseille anbietet, nachdem der Billigbomber ab Lübeck nicht mehr startet, weil ich zuwenig abgehoben war, und jetzt muß ich über Hamburg und Nizza, wo ich gar nicht hinwill, aber wirklich nicht.)
[...]
Mit diesen Angaben hoffe ich, die berechtigten Klagen meiner Autoren und deren uns verbindenden Galeristen befriedigt zu haben. Ich werde mich nicht mit weiteren Präzisierungen aufhalten, da mir die Geschäftsführung meines Verlages geraten hat, mich bei diesen Ausführungen in den Grenzen einer vernüftigen Volkstümlichkeit zu halten.

Der großartige — nichtentstellte — Originaltext ist nachzulesen in: Das Alte Buch und das Meer (aus dem Italienischen vom kongenialen Burkhart Kroeber, mit Illustrationen des fein widerborstigen Luis Murschetz, Hanser Verlag München 1995).

Ich geh jetzt weiterschnarchen. Bis der Handwerker kommt.


Bis nächste Woche irgendwann. Alle Lust ist aus mir gewichen. Und mir ist so wirr.
 
Fr, 19.06.2009 |  link | (3640) | 11 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Kopfkino


herzbruch   (19.06.09, 16:33)   (link)  
das mit dem lachs ist ja interessant. ich moechte mich ihnen anschliessen: auch ich lese keine manuskripte mehr.


nnier   (19.06.09, 16:44)   (link)  
Ob es Herr Stubenzweig ist, dem man Lachs etc. hat zukommen lassen, oder Herr Eco, das habe ich auch kurz überlegt, dann aber entschieden, dass hier bereits der Alexandriner (um mal so richtig insidermäßig zu tun) spricht. Schöne Texte und kluge Worte jedenfalls. Von beiden. Und den Literaturtipp kaufe ich bestimmt mal bei den beiden Amazonen in der hiesigen Buchhandlung.


hanno erdwein   (19.06.09, 22:47)   (link)  
Voila, Umberto Eco.
Es ist mein ureigenster erdweinscher Geschmack, der "Der Name der rose" als sein bestes Elaborat empfindet. andere mögen wohl den einen oder anderen seiner Romane favorisieren. * Aber den Lachs hätte ich auch gern mal gutiert, wenn ich ihn denn essen dürfte. Wohl bekomms, Herr Stubenzweig! * Handwerkerbesuch ist uns auch stets ein "Greuel vor dem Herrn"!


jean stubenzweig   (20.06.09, 11:50)   (link)  
Der Name der Rose –
vielleicht, lieber Hanno Erdwein, sollte ich es nochmal lesen, es ist so lange her. Möglicherweise muß ich mich dann nicht mehr so fürchten wie bei der ersten Lekture, alles Mord und Totschlag. Aber Ecos mediävistische und semiotische Perspektive dürfte ein neues Lesen lohnen; ich bin ja auch ein bißchen in die Tage gekommen seit dem Mittelalter.

Die Verfilmung von Jean-Jaqcques Annaud gehört übrigens zu den passablen Literaturinterpretationen, meines Erachtens. Aber das teile ich ausgerechnet Ihnen mit. Ich vermute, es gibt das Buch auch zum Hören (soeben lese ich, daß es das auch als Hörspiel gibt, erschienen im Hörverlag – Achtung, Link! –, unter anderem mit den Boysens und Ernst Jacobi; aber das wissen Sie vermutlich längst).

Weshalb dürfen Sie keinen Lachs essen? Geht der genauso auf die Augen wie Pastis, der meine Sehleistung mindert? (Pardon, aber manchmal brauche ich schlechte Witze.)


hanno erdwein   (20.06.09, 21:44)   (link)  
"Der Name der rose"
ist es jedenfalls Wert, nach Jahr und Tag erneut konsumiert zu werden, gleichgültig, ob als Druckausgabe, Hörbuch oder Hörspiel. Ja, ich kenne beides und finde die Hörspiel-Umsetzung ganz beachtlich. Auch die Verfilmung, welche ich damals noch zum Teil visuell genießen konnte, ist gut gelungen. Also, wenn Gelegenheit und genug Muße, dann nochmals ran an den Eco!
Lachs? Oh je. Sehe mich genötigt, wieder eine meiner körperlichen Gebresten zu präsentieren. Ungern. Aber, weil Sie es sind ...
Eine chronische Stoffwechsel-Entgleisung verbietet mir jegliches tierische Eiweis und Fett. Die Folgen des Genusses sind erfahrungsgemäß verheerend für mein Befinden. Nun, meine Holde hat sich ebenfalls auf reines Veganer-Dasein umgestellt und wir können gut damit leben. Ich darf nur kein Grillgut wittern ... naja, dann reißt sich Erdwein halt mal wieder hart am Zügel. :-)


jean stubenzweig   (20.06.09, 01:08)   (link)  
Der Handwerker ist weg.*
Der süße frische Fisch kam mir persönlich entgegengeschwommen aus der Ostzone und wird, wie sich das für einen DDR-Lachs gehört, im Sehnsuchtsalz des (Mittel-)Meers enden, eine Empfehlung seines ostmeerisch-mecklenburgischen Jägers, der ansonsten weniger in Gewässerkreisläufen als mehr in denen von Computern herumwühlt, obwohl's letzte Spargelzeit ist und die sich vor Fisch ekelnde ostseeküstenstämmige Büddenwarderin ohnehin auf letzterem besteht, da ihm am 24. Juni ein letztes Lichtlein geschlagen hat, also nach Johanni (Vör Johanni bitt üm Regen, naher kümmt he ungelegen – für die städtischen Wettermeckerer) die Tage wieder kurz werden. Aber Lachs aus süßem Wasser schmeckt ja auch kalt gut, wenn er zuvor erhitzt wurde.

Manuskripte, um auf die textischen Labskaus-Ingredienzien einzugehen, lesen wir beide keine mehr. Ich manchmal noch auf dem Bildschirm, aber: das bißchen, das ich lese, kann ich mir auch selber schreiben; Herr Eco hat für sowas sicher noch eine alte Olivetti, auf der er dann solche Sätze schreibt: «Wir haben nicht nur die Wale, die Mönchsrobben und die Bären in den Abruzzen zu retten, sondern auch die Bücher.» Aber er wird sicherlich, auch nicht mit dem Füllfederhalter, Studenten unter ihre labberigen Ausdrucke von Seminararbeiten nicht mehr schreiben: «Die Ideologien lösen sich in Zeichen auf oder werden nicht kommuniziert (und sind folglich nicht). Die Umstände aber lösen sich nicht alle in Zeichen auf.» (24 Mark 80 hat hat das schlappe Büchlein mal gekostet in den Anfangssiebzigern, ein Vermögen, Ihr UTB-Verlegerschufte. Angebot und Nachfrage, ha, Preistreiberei auf den Rücken armer Studenten, die das zu kaufen gezwungen waren, zu Zeiten, als der Liter Sprit 49, allenfalls 50,9 Pfennige kostete; das wären, Ihr Jüngeren, heute etwa 25 neue Centimes.)

Da geht das schon mit den sechs Euro fünfzig für die Streicholzbriefe bei den – ach wie schön! – Buchhandlungsamazonen bei Herrn Nnier in der Nachbarschaft. Irgendwie war ich auf Buchhändlerinnen immer irgendwie ein bißchen verliebt. Wahrscheinlich habe ich deshalb soviele Bücher herumstehen – jetzt ja mehr -liegen –, von denen ich mich partout nicht trennen mag. Aber es würde sie sowieso keiner mehr haben wollen. Die Bücher. Richten Sie bitte die wohligsten Grüße aus. Hoffentlich wissen die nicht nur auch, wer Henri Levebvre oder Renato de Fusco und so Typen waren, sondern haben das auch gelesen. Nicht nur diese foucaultschen Pendeleien.

Der Handwerker ist weg. Das Badezimmer wirkt wieder wie die halbgallische Jungfrau, als sie's noch war und sich darin aufschönte, um den russischen Herrn zu finden, der ihren herzogtümlichen Vater zum Opa machte. Zum Kartoffelneinkauf in Säcken für alle möglichen Bekannt- und Freund- und Familienschaften dürfen wir morgen wegen handwerkerfrei also zur imigrierten Ostfriesin ins ratzeburgische Rosenburg. Ihr wißt ja gar nicht, wie richtige Kartoffeln schmecken, Ihr Städter. Und Kuchen macht die gleederglatte, die resche Burdeern! Handgehäkelt, geklöppelt. Wie ihre Tuffeln.

*Aber er kommt wieder, der Handwerker. Es ist noch nicht überstanden. Er muß noch ein Riesenloch bohren. So eine Art Fluchtweg für die von mir produzierte schlechte Luft. So ein holsteinisches Dörp hält das aus.


nnier   (20.06.09, 13:35)   (link)  
Die Buchhandlung, die hiesige (dieses Adjektiv wird ja sonst nur in bezug auf Spargel und Kartoffeln verwendet), und ihre Bewohnerinnen machen es einem nicht gerade leicht, auf den Versandhandel zu verzichten. Man ist insgesamt froh, wenn man ungeschoren rauskommt, ich habe das mal irgendwann angedeutet, aber ich pflege nun mal die regionale Kultur, soweit mit meinen bescheidenen Mitteln möglich. Mithin eher eine schwierige Vorstellung, das mit dem Buchhändlerinnen verlieben.


jean stubenzweig   (20.06.09, 14:20)   (link)  
Wegen Luis Murschetz,
wegen dessen Illustrationen, das war mir ohnehin eingefallen und hatte ich auch vor, bester Nnier, Ihnen das mitzuteilen, sollten Sie vielleicht sowieso auf die Männerjägerinnen Kundenvernichterinnen der Buchhandlung verzichten und das antique Exemplar bestellen; es käme ja zumindest aus einem Antiquariat (wo's ja oft gemütlicher ist als dort, wo sie immer diesen neumodischen Kram verkaufen, der sich Literatur nennt und den, ja, es ist leider so, allzuviele dieser Damen genausowenig kennen wie den alten – aber ob das tatsächlich Buchhändlerinnen sind und nicht Lagerregalbeschickerinnen, die früher bei Alles Käse tätig waren, von dem sie auch nichtmal eine Ahnung haben?); und preiswert ist es auch, das bereits gelesene Buch. Vermutlich hätte Robert Crumb das zwar besser gemacht, aber Sie sind ja ein bißchen tolerant.

Aber, nach der nochmaligen Lektüre Ihres Erlebnisberichtes von der Kundenfront: Ich habe insgesamt offensichtlich positivere Erfahrungen gemacht, eigentlich nur gute. Und erst dieser Tage, im ach so kundenfreundlichen Supermarkt, wurde ich von so einer mal wieder ziemlich dummdreist angeredet. Bei meinem Dorfkramer passiert mir das nicht, und ist mir in den Städten auch nie untergekommen. Beim nachbardörflichen Händler werden für mich auch Artikel bestellt, die außer mir niemand kauft. Die werden nur in größeren Mengen geliefert, und ich bin schon öfter mal unterwegs für eine ganze Weile ... Von meinen schönen, eben anderen Erlebnissen, etwa bei meinem hamburgischen Buchhändler, hatte ich ja ebenfalls mal erzählt.


hanno erdwein   (20.06.09, 21:48)   (link)  
Wie war das doch,
Herr nnier, bei Gernhardt/Otto: "Du kaufst mir jetzt den Simmel ab, sonst schneid ich Dir ... (ins Ohrläppchen). :-) Soviel zu dem Schwierigkeiten, ungeshoren aus dem Buchladen zu entfleuchen.


nnier   (20.06.09, 23:44)   (link)  
Murschetz war mir auch gleich hinter Ihrem Link aufgefallen. Ich mag den "Maulwurf Grabowski", ein Kinderbuch, das er gezeichnet und geschrieben hat, und habe auch sonst schon gute Illustrationen von ihm gesehen. Bei seinen Karikaturen in der Zeit muss ich mir manchmal die Augen reiben. Zwar zeichnet er nicht unbedingt einen Löwen, auf dem "SPD" steht, und einen Dompteur, auf dem "Helmut Schmidt" steht, mit einem Feuerring, auf dem "Nato-Doppelbeschluss" steht. Aber eben schon auch manchmal die versinkenden Schiffe und in gegensätzliche Richtungen rudernden Bootsbesatzungen, die man schon allzuoft gesehen hat.

Herr Erdwein, irgendwie landet alles früher oder später bei Otto Waalkes. Dem ja tatsächlich die Frankfurter die guten Texte geschrieben haben. Gernhard erzählte ja freimütig davon, dass der erste Otto-Film ihm sein Haus bezahlt habe.


apostasia   (21.06.09, 17:40)   (link)  
Alle Lust gewichen?
Die wird (hoffentlich) wiederkommen. Hauptsache, es ist nicht die Luft, die vollends wirr entweicht.















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