Immerfort kafkaiert's ...

Immer öfter lese ich den Begriff kafkaesk. Ich will das nun nicht unbedingt mit dem ebenfalls plattgeschriebenen oder -gequasselten Faschismus vergleichen, dem so die ureigene Bedeutung und auch schonmal Tragweite abhanden kommt, aber kafkaesk wird so oft in Zusammenhängen verwendet, gerne damit auch die Werbung illustrierend, daß ich mich fragen muß, ob die Benutzer oder auch Verunstalter des Wörtchens überhaupt schonmal wenigstens ein Stück Klappentext zu Kafkas Büchern gelesen haben. «Unmöglichkeit zu schlafen, Unmöglichkeit, zu wachen, Unmöglichkeit, das Leben, genauer die Aufeinanderfolge des Lebens, zu ertragen. Die Uhren stimmen nicht überein, die innere jagt in einer teuflischen oder dämonischen oder jedenfalls unmenschlichen Art, die äußere geht stockend ihren gewöhnlichen Gang.» Das in etwa be- oder umschreibt einen Teil des Kafkaesken von Franz Kafka. Er tat dies selbst in seinem Tagebuch. Es ließe sich auch sehen, wie Jürgen König das tat: «Man findet sich in einen Käfer verwandelt morgens.»

Wer mehr über den Schriftsteller aus dem Prag des frühen 20. Jahrhunderts erfahren möchte — es ist soviel über ihn geschrieben worden, daß bald der Meister aus California nicht mehr hinterhergescannt kommt. Die «dienstälteste Witwe Franz Kafkas»* wäre wohl an allererster Stelle zu nennen. Man könnte allerdings auch seine Bücher lesen. Vielleicht immer und immer wieder, so lange, bis man das Kafkaeske verstanden hat (bevor man es irgendwo verb[l]ockt).

Götz Kohlmann, der mir schon einmal angenehm aufgefallen ist, hat seit einiger Zeit aufs neue Kafka im Kopf, einmal mehr in SchönerDenken (dem Magazin aus Mainz, das bereits im Titel das Schöne [wieder] an die ästhetische Bedeutung heranrückt, die ihm gebührt, also nicht nur die hohle Form zeigt).

* Da sich das nicht direkt verhyperlinken läßt (was ich, liebes DeutschlandRadio, für etwas halte, dem ich ein mit Verlaub anzufügen hätte; kafkaesk ist damit nicht gemeint):
Ein genialer Schilderer der Macht
Der Verleger Klaus Wagenbach würdigt Franz Kafka anläßlich seines 125. Geburtstages

 
Fr, 17.07.2009 |  link | (2860) | 8 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Seltsamkeiten


txxx666   (18.07.09, 17:47)   (link)  
In der Tat, kafkaesk ist schon eine ziemlich beliebige Inflationsvokabel geworden - und es wäre ja tatsächlich schön, wenn dementsprechend auch zunehmend Kafka gelesen würde.

Beim "Meister aus California" musste ich übrigens zuerst an den großartigen (u.a.) Kafka-Illustrator Robert Crumb denken - auch wenn dessen San-Francisco-Zwischenspiel wohl längst beendet ist... ; )

Und übrigens: die Wagenbachsche Würdigung lässt sich schon verlinken - es fehlte bloß ein kleiner Schrägstrich hinten am Verweis:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/806542/


jean stubenzweig   (18.07.09, 19:59)   (link)  
Den Zusammenhang
mit Crumb und dem kalifornischen Meister bekomme ich nicht hergestellt ... Sicherlich könnte mir der Spezialist auf diesem Gebiet, Herr Nnier, das sanft erklären, aber der hat sich leider zurückgezogen, vermutlich urlaubt er beim italienischen Freund. Ich meine damit den US-Oberbibliothekar, der ursprünglich mal aus keinem anderen Grund angetreten war, als eine Suchmaschine sein zu wollen. Oder meinen wir beide denselben, ich aber bin, wie so oft, schlicht begriffsstutzig?

Aber selbst wenn der Meister wirklich alles anböte über seine Krake, so habe ich doch Zweifel daran, daß, vom Wissenden abgesehen, die Lektüre von Kafka über das aus dem Zusammenhang gerissene Zitat hinausginge.

Das mit dem Verlinken verstehe ich nicht – das mit dem Schrägstrich hatte ich zwei- bis dreimal ausprobiert, da es mir aufgefallen war – jeweils erfolglos. Aber ich bin eben untauglich für das richtige Leben. Das scheint allerdings auch mein Kreuz zu sein: Immer stoße ich auf Menschen wie Sie, die das mal eben nebenbei wieder richten.


vert   (19.07.09, 13:26)   (link)  
da werde ich jetzt einfach mal die urlaubsvertretung geben, nachdem ich schon beim titel laut dachte: "herr nnier, ihr einsatz!"

"kafka. kurz und knapp", eine 1993 veröffentlichte graphic novel (auf deutsch '95 bei zweitausendeins erschienen), hat mir kafka sowie crumb näher gebracht und war wohl auch ein großer kommerzieller erfolg.


[groß]


txxx666   (19.07.09, 13:40)   (link)  
Genau den/das meinte ich. Leider ist das Ganze inzwischen "vergriffen", nachdem ich es im jugendlichen Überschwang (und dem unzutreffenden Glauben, ich könne es nachkaufen) verschenkte...


vert   (19.07.09, 16:38)   (link)  
oh wie ärgerlich!
die gebraucht-preise sind saftig.


jean stubenzweig   (19.07.09, 20:28)   (link)  
Ach, lieber Vert,
es ist, wie gesagt, ein Kreuz mit mir. Schon wieder hat's mir einer abgenommen. (Wo treibt Herr Nnier sich eigentlich herum? Habe ich recht mit Italien? Aber Sie werden's wohl auch nicht wissen ...)

Was ich allerdings noch immer nicht weiß, meine Herren, vor allem der eine, ist Crumb am Ende auch ein "Meister aus California" (wenn auch ein anderer als der von mir gemeinte)?

Also doch Nnier anrufen?


vert   (19.07.09, 21:20)   (link)  
aus cleveland, ohio, zog Crumb 1967 nach San Francisco , dem Zentrum der Flower-Power-Bewegung.

seit 1990 lebt er in südfrankreich. (ein kluger mann!)


"Alice und Bob's SPASSIGE SPIELCHEN"

die anrufung nniers kann vorerst verschoben werden...

(sie haben post!)


jean stubenzweig   (19.07.09, 22:31)   (link)  
Kluge Männer leben
eben dort. Menschen auch. Und dann, sehe ich eben, auch noch in Sauve, wo einer meiner Lieblingskünstler geboren war: Robert Fillou. Zauberhafte Gegend. Wie überall dort unten. Und nicht allzu weit nach Marseille. Ist aber auch sehr fein zum Verweilen. Ich habe (einheimische) Freunde in der Ecke.

Dank für Post. Antwort morgen.















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