Eulenglück

Celestino Piatti. Der Schweizer Graphiker ist am 17. Dezember 2007 gestorben. Zu seinem 60. Geburtstag 1982 veranstaltete der Verlag ihm zu Ehren eine Ausstellung im Münchner Stadtmuseum.

Photographie: Karen Horton (CC)


Zwar ist sein Name nicht in aller Munde, wohl aber in den Augen. Es dürfte kaum jemanden an Büchern Interessierten geben, bei dem diese Eulen sich noch nicht ihr Nest gebaut hätten. Denn als 1960 elf Verleger aus der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz den mittlerweile vermutlich jedermann bekannten Deutschen Taschenbuch Verlag gründeten, beschlossen sie, die Gesamtgestaltung bei ein und demselben Graphiker in Auftrag zu geben. Der Schweizer Verleger Bruno Mariacher hatte auf Celestino Piatti aufmerksam gemacht, «dessen Probearbeiten», so sein Biograph Manuel Gasser, «dann auch den Sieg davontrugen».

3.200 Umschläge für Bücher hat der Zürcher in zwanzig Jahren gestaltet — weltweit in einer Gesamtauflage von 120 Millionen Exemplaren. Für diese Leistung überreichte Verlagsleiter Heinz Friedrich im Rahmen der Ausstellungseröffnung am 14. Januar dem Hausgraphiker ein «goldenes Taschenbuch».

Doch Friedrich reichte noch ein Präsent besonderer Art nach, denn der Ausstellungsanlaß war des Buchmachers 60. Geburtstag. «Um die buchgraphische Lebensleistung von Celestino Piatti zu würdigen und als künstlerische Anregung weiterzugehen, stiftet der Deutsche Taschenbuch Verlag einen Celestino-Piatti-Preis für Verlagsgrafik.» Von 1983 an soll der mit 10.000 DM ausgestattete Preis alle zwei Jahre an junge Graphiker vergeben werden, die sich durch Arbeiten im Dienst des Buches ausgezeichnet haben.

Eine Ehrung an sich sollte die Ausstellung sein. Leider ist das, was den Überblick über ein Gesamtwerk darstellt, in drangvolle Enge gepfercht. All die Plakate, Buchumschläge, Lithographien, Kalender, Plattenhüllen, Briefmarken und sonstige Gebrauchsgraphik hätten ihrer Breitenwirkung gemäß mehr Raum verdient als den einen, den das der angewandten Kunst sonst recht zugetane Münchner Stadtmuseum in persona seines Direktors Christoph Stölzl zur Verfügung stellte.

Die Vielseitigkeit des Absolventen der Kunstgewerbeschule Zürich mit deren damaligem Direktor Johannes Itten, ein frühes und führendes Bauhaus-Mitglied, ist verblüffend. Neben seiner Umschlaggestaltung hat der Sohn einer Bäurin und eines Steinhauers vor allem in der Plakatkunst einen unverwechselbaren Stil geschaffen. Modischen Strömungen gegenüber war Piatti äußerst zurückhaltend, seine Vorliebe für die Klassiker der Malerei hinterläßt überall Spuren: Gauguin beispielsweise oder Miró und Picasso.

Piattis Arbeiten sind von einer konsequent durchstruktrierten Einfachheit, selbst seine Abstraktionen für jedermann verständlich. Er nivelliert nicht, und intellektuelle Eitelkeiten sind ihm fremd. Er besticht durch seine unprätentiöse «Ubersetzer»-Fähigkeit, die Realität bildnerisch so umzusetzen, daß dadurch, wie Heinz Friedrich im Katalognachwort schreibt, «die Zwiesprache mit der Gesellschaft möglich wird».

In den letzten Jahren hat er kaum noch kommerzielle Aufträge angenommen. «Wenn man sauber trennen möchte», so Piatti, «kann man sich nur noch mit Dingen beschäftigen, zu denen man steht. Dem Naturschützer, Kernkraftgegner und politischen Karikaturisten des schweizerischen Nebelspalter ist an seiner Integrität viel gelegen. Die Bücher, deren Umschläge er zu gestalten hatte, sind ihm inhaltlich vertraut; er zeichnet also nicht nur, sondern liest auch noch. Seine Exkursionen in andere künstlerische Gebiete haben den Begriff Gebrauchsgraphik in die Kunstterminologie integriert.


Flohmarkt: Savoir-vivre, 1982
 
Mo, 24.01.2011 |  link | (4528) | 14 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Artiges


nnier   (24.01.11, 22:34)   (link)  
Es ist lustig, ich kannte den Namen nicht, doch die Grafik kommt mir teilweise äußerst bekannt vor - wie z.B. diese Briefmarke. Was mich aber geradezu begeistert, sind die Eulenzeichnungen. Das hat auch damit zu tun, dass in meiner Familie mal Eulenbilder und -figuren gesammelt wurden. Bis es zuviel wurde und jemand sie alle abgehängt und weggeräumt hat. Das Eulenbuch da würde ich trotzdem am liebsten gleich kaufen - das Titelbild ist wirklich großartig.


jean stubenzweig   (25.01.11, 11:35)   (link)  
Das nette Netz
ist das, nenne ich's wunderbar oder auch -schön. – Auch nach so langer Zeit findet auch das Korn sein Huhn.

Tatsächlich dachte ich mir mit meinem Flohmarkt im savoir-vivre: Es wäre doch schade, verkümmerte die eine oder andere Geschichte im Trödelmarkt der Vergangenheit. Anders als beim Dachboden mit seinen schrecklich vielen Kartons frißt das hier wenigstens nicht soviel Platz. Ein wenig verblüfft bin ich unterm Strich dann doch – bereits die ollen Liedermacher schafften es fast auf Anhieb in meine Bestenliste. Und nun bringt die, wie in diesem schönen Fall, neue Information auch noch Eulenglück.

Mich macht das auch ein bißchen glücklich. Und Sie macht es vermutlich noch fröhlicher, wenn ich Ihnen erzähle, was das obendrein für ein wunderbarer stiller, nicht nur in seiner Bescheidenheit großartiger Mann das war, der seine Eulen nicht nach Athen trug, sondern sie dort besuchte. Sollte der Begriff corporate design noch annähernd den Wert haben, den er im Ansatz seiner (Aus-)Denker einmal hatte, hier ist er tatsächlich angebracht. Da spielte das intentionale Diktum von der von innen kommenden Anmut, die draußen als Schönheit gefallen will, eine entscheidende Rolle. Nichts ist da aufgesetzt, alles ist Einheit. Celestino Piatti paßte gut in die Nähe zu Johannes Itten, dem Bauhäusler mit seiner Farbenlehre. Alleine sein mir gegenüber geäußerter Hinweis, er selbst verstünde sich am ehesten als Kunsthandwerker, fordert mir bis heute höchsten Respekt ab – nach meinem Verständnis also einer, dem nicht wie seit einiger Zeit vermehrt der Schein, die Gloriole der Genialität ständig schwer auf dem Haupt lastet, sondern einer, der die ausgehöhlte Schönheit des 19. und auch 20. Jahrhunderts mit Inhalten auffüllte und dabei oder deshalb auch an seine Mitmenschen dachte.


vert   (24.01.11, 23:25)   (link)  
danke dafür, ich hab mich als kind oft gefragt, wer das alles zeichnet.
also wie die das hinkriegen, dass das alles so "gleich" ist.
und jetzt stellt sich heraus: das war nur einer!
(von kleinen ausnahmen mal abgesehen. die eigenen grafiken von grass waren m.e. richtig gut.)


prieditis   (25.01.11, 09:19)   (link)  
Ich bin mir nicht sicher
ob das "nur einer" war. die "schlagzahl" der entwürfe spricht, meiner meinung und erfahrung nach, für einige kleine helferlein.


jean stubenzweig   (25.01.11, 11:08)   (link)  
Helferlein hatte Piatti
sicherlich oder auch selbstverständlich. Diesen Arbeitsanfall kann einer alleine ja gar nicht bewältigen. Früher bis heute haben Bildhauer und Maler Entwürfe angefertigt und sie dann ausführen lassen. Das reicht beispielsweise von den Großskulpturen der Renaissance etwa eines Michelangelo oder der -pastiken der aktuellen Moderne eines Robert Jacobsen (Abbildungen), bis hin zu den Gemälden von Rembrandt, die von seinen Helferlein, seinen sogenannten Schülern, großflächig «ausgemalt» wurden. Die zeitgenössische Kunst weist Artisten aus, die selber überhaupt nicht malen geschweige denn Steine klopfen oder Eisen bzw. Stahl zusammenfügen, sondern alleine Entwürfe zur Ausfertigung vorlegen. Warum also sollte ausgerechnet ein Gebrauchsgraphiker wie Celestino Piatti das nicht tun dürfen? Aus dieser Perspektive betrachtet war es also nur der eine, jedenfalls bis Mitte der Neunziger, der Zeit, in der er den dtv betreute und sich anschließend zurückzog. Dazu ist die Handschrift zu eindeutig und unverkennbar die seine.


jean stubenzweig   (25.01.11, 11:15)   (link)  
Den Zusammenhang
mit «eigenen Grafiken von Grass», lieber Vert, erfasse ich (wegen des frühen Tags? noch) nicht so recht.


vert   (25.01.11, 20:56)   (link)  
ach, das war nur eine spontane hirnstürmerei: neben den abbildungen der, sagen wir dann mal, piatti-schule fielen mir sofort die grafiken der grassbände bei dtv ein, die als linoleumschnitte nun deutlich anders gestaltet waren. diese schnitte waren wohl von ihm selbst und haben mir immer sehr gut gefallen (im gegensatz zu manch anderem in seinem gestalterischen oeuvre).
und manche schulstunde verkürzt, wie mir gerade einfällt:




da sehen sie mal, wie es uns hier immer geht, wenn sie die fröhlichsten salti schlagen!


jean stubenzweig   (26.01.11, 11:41)   (link)  
Grass wird sich
die Freiheit genommen haben, darauf hinzuweisen, daß auch er ein bißchen zeichnen könne. Verständlich, war er doch als Zeichner und Skulpteur früher bekannt denn als Satzbildner; wenn er auch mit der Blechtrommel bereits 1959 einen großen Wurf in den Ring geschmissen hatte.

Ich weiß jetzt nicht genau, wann Katz und Maus bei dtv erschienen ist, mit solchen Informationen hält man sich bei den Verlagen allgemein sehr bedeckt, will man doch lieber die neueste Ausgabe verkaufen; außerdem interessiert das doch niemanden, auf Filmabspanne verzichtet man ja mittlerweile auch (im Fernsehen; und im Kino stehen die Mitzuschauer mir vor den ohnehin bereits verflimmerten Augen, wenn ich konzentriert nachlesen möchte, ob das stimmt, daß mein Bekannter tatsächlich das Essen zum Drehort ausgefahren hat – wenn man nicht schnell genug rauskommt, gibt's nämlich kein Bier mehr). Aber sehr viel später nach der Erstausgabe von 1961 dürfte es vermutlich nicht erschienen sein; das Taschenbuch könnte zur Bekanntheit erheblich beigetragen haben. Außerdem dürfte Piatti zu der Zeit auch noch nicht so gefestigt gewesen sein innerhalb des Verlages. Es könnte allerdings auch die Höflichkeit gewesen sein, dem großen Kollegen nicht in die Suppe spucken zu wollen.

Wie auch immer – interessieren würde es mich durchaus, wie der Schweizer das gestaltet hätte, vor allem im Hinblick darauf, da der Titel Katz und Maus auf den ausgeprägten Adamsapfel der Hauptfigur Joachim Mahlke Bezug nimmt. Soweit ich mich erinnere, steht in der Novelle geschrieben, daß dieses Adams Apfel während des Essens Ähnlichkeit mit einer Maus bekommt, der Freunde eines Tages eine Katze hinzusetzen. Günter Grass konzentriert sich darauf, den mit einem Eisernen Kreuz zu verbergen. Überhaupt hat er für meinen Geschmack ein bißchen zuviel «Information» hineingepackt. Aber das war möglicherweise auch gefordert. Mir sagt das Filmplakat eher zu. Aber das konnte er ja schlecht auch noch zeichnen.

À propos Salti: Wie haben Sie bloß das Bild hier reingekriegt? Sind Sie ein Julian Assange der Blog-Schul-Literatur?


vert   (26.01.11, 15:48)   (link)  
etwas blogschulliteratur müsste ich wirklich mal lesen, bin ich doch eigentlich vollends unbegabt - kurz: ich radebreche html ganz furchtbar. wie im richtigen leben muss man mir allerdings nur zeigen wie's geht...
(diese zauberei habe ich jedoch schon einmal angewandt, seinerzeit als nnier'sche urlaubsvertretung.)

also:
bild bei sich selbst hochladen und speichern.
[img src="url-des-bildes"]
und eckige klammer sind natürlich spitze klammern...

oder sie schauen einfach mal in den kommentar im "bearbeiten"-modus und schauen sich das mal an.

allgemeinhin gilt es wohl als nicht besonders höflich, anderen blogs eigene bilder einzukleben, aber ich bin da manchmal etwas schmerzbefreiter, wenn es um schon länger gelesene blogs geht, deren schreiberInnen man schon etwas besser kennt.
umgekehrt ist das bei mir selbstredend auch erlaubt, wenn es auch nur ansatzweise zur diskussion beiträgt - wie es bei kommentaren halt so sein sollte...


jean stubenzweig   (27.01.11, 07:41)   (link)  
Daß es möglich
ist, das war mir klar, auch Herr Prieditis hat sich hier schonmal eingeschlichen, wenn auch auf meine Bitte hin. Aber wie das funktioniert, das wußte ich nicht. Danke. Auch für den zarten Hinweis auf die Etikette. Es hätte durchaus sein können, daß ich die übersehe.


cut   (25.01.11, 09:24)   (link)  
Wieder was gelernt. Dank der Bloglektüre! Im Jahr 2011.


jean stubenzweig   (25.01.11, 12:04)   (link)  
Mich freut das,
auch aus den oben unter Nnier genannten Gründen: Flohmarkt im netten Netz, oder auch: Unter jedem neuen Schnee liegt auch alter; manchmal graben sie den, mittels neuester Technik, sogar nach Jahrtausenden noch aus.


don papp   (25.01.11, 19:02)   (link)  
und mit der androhung ihres rückzugs, da lese ich all das was sie in epischer breite berichten auch noch (mit interesse).
satz für satz, wort für wort. buchstabe......


jean stubenzweig   (26.01.11, 01:50)   (link)  
Gedroht haben
um einer Steigerung des mehr Netto-als-brutto-Produkts willen wollte ich nun wirklich nicht. Dafür gibt es wahrlich geeignetere Örtlichkeiten als diese stille, in meinem Verständnis und dem anderer von Romantik aus- oder eingerichtete Kemenate hier, deren epischen Flickenteppiche deshalb so breit ausgelegt sein mögen. Es ganz dranzugeben in nächster Kürze hatte ich ohnehin nicht vor; das habe ich ja auch unterlegt.

Doch wenn auch Sie's ein wenig erwärmt, dann kommt das meinem Verständnis eines ästhetischen Zusammenrückens um einiges näher. Zwar werde ich, wie angekündigt, die Schlagzahl reduzieren, aber eben nicht aufhören; das Blog zur Gänze löschen hatte ich ohnehin nicht vor, dazu hänge ich dann doch ein bißchen zu sehr an dem, was man auch Eitelkeit nennt. Daß mich dann auch noch ein aus meiner Perspektive recht junger Festhalter und Ausleger von Vergangenem mit ehrenhaften Mitteln (Schiller, später Brecht: die über der Wirklichkeit stehende Wahrheit ist nur mit List zu verbreiten) auf das Streckbett Mose genagelt hat, dürfte mit dazu beigetragen haben, mich in die Länge zu ziehen. Also bleibe ich noch ein Weilchen hier beim Gestern, das anderen vielleicht in die Zukunft hilft.















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