Apo-Opa aus der parlamentarischen Opposition Ich meine, es wäre Kurt Kister in der gestrigen Süddeutschen Zeitung gewesen, der in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen hat, daß die in den letzten Jahren besonders gerne von alerten Anfangsvierzigern geschmähten Achtundsechziger etwas in Bewegung gebracht haben. Ich finde den Text nicht, dafür ist mir ein anderer von ihm untergekommen, mit einer Überschrift, von der ich ohne weiteres geschworen hätte, sie wäre von mir: Die grüne Milieu-FDP. Sei's drum, ich hatte meinen Lieblings-Tucholsky schließlich seit längerem nicht mehr: Es gibt keinen Neuschnee. Bei mir wäre ohnehin lediglich mal wieder Friedrich Karl Waechter zu zitieren gewesen. Und hier wurde es auch noch vom Chefredakteur der nach der vierbuchstabigen Schmierenpostille zweitauflagenstärksten deutschen Tageszeitung notiert. Außerdem schätze ich den Autor Kister seit seinen in ihrer Subtilität teilweise brillanten Kolumnen Anfang der Achtziger. Doch ein paar Jahre Lebenserfahrung scheinen ihm in seiner Verteidigung des Umfelds des Apo-Opas Kretschmann dann doch zu fehlen, oder er ist mittlerweile auch auf den Pfad der Altersweisheit geraten, weshalb er ein paar Ursachen dafür unter den Tisch fallen läßt, die in den achtziger Jahren zur Zeit der Gründung der Grünen nicht nur bei mir nicht unerhebliche Abwehrreaktionen hervorgerufen haben und die jetzt fröhliche Urständ zu feiern scheinen. Nicht eben wenige hielten den sich seinerzeit formierenden Wurmfortsatz der Außerparlamentarischen Opposition für unwählbar, nicht unbedingt wegen seiner Häkeleien während der Vereinsversammlungen, sondern vor allem, weil sich von den Rändern her allerhand an Mysteriösem mit eingebracht hat in das, was mittlerweile als neue Mitte bezeichnet werden darf. Besonders verdächtig hatten sich dabei die Eigner der Kähne gemacht, die am Rand dieses Moorteichs aus verschiedenen Ursuppen offenbar abwartend dümpelten, bis sie hineingeholt würden ins Zentrum. Nicht nur Sektierer waren das, sondern durchaus auch solche, die politisch aus einer geographischen Richtung kamen, aus der für einige vielleicht Erleuchtung, unserer Erachtens aber keineswegs Erhellung kam. Und unter Aufklärung verstanden wir zu dieser Zeit eben nicht allein Oswald Kolle, uns stand nach der schrecklichen Totalverdunklung eher nach mehr Licht im Sinne des siècle de la lumière, deren Vertreter übrigens, im Gegensatz zur heutigen landläufigen Meinung, keineswegs alleine a-, sondern teilweise durchaus theistisch gelagert waren, aber in jedem Fall skeptisch das Licht der Erkenntnis leuchten ließen. Innerhalb dieses Glashauses, in dem ich saß, befanden sich zugestandenermaßen auch nicht allzuviele von denen, die Quirinus sicherlich nicht ganz zu unrecht, aber eben genauso falsch, weil unvorgehoben als rationale Denker bezeichnet. Sicher gab es die auch, aber wir hatten zu denen weniger Kontakt, wir waren eher die den brotlosen Künsten Zugewandten, die in Laberfächern ihre Intelligenz verschwendeten; unter ihnen auch solche, die innerhalb der Gesellschaften der Ethik mehr Raum gewähren wollten, weil sie der Meinung waren, Religion via deren Moral könnte das Blickfeld einengen. Diese Art von Rationalisten, die sich die Begriffe zurechtbogen wie sie sie gerade brauchten, suchten damals schon Schutz unter den Fittichen einer schwarzen, manchmal gelblich ondulierten Glucke. Am Beispiel Architektur und Städtebau habe ich diesen Mißbrauch mal beschrieben. Mit Vernunft hat das nichts zu tun. Aber in der Sprache des monetären Wachstums wird dieses Wörtchen ebenfalls ständig vergewaltigt. Auch der Begriff Toleranz hat einige aus dem Hinterhof kommende Bedeutungen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mittlerweile ertappe ich mich immer öfter bei dem Gedanken, es könnte vielleicht besser sein, auch an den Grünen hätte sich nichts geändert. Wenigstens nicht soviel, weil mir die früheren insofern genehmer waren, als mit ihnen leichter über das geistige Individuum zu reden war. Aber dem ist nicht mehr so. Zwar sind sie mir immer noch lieber als dieser ganze Politadel samt Hofstaat, vor allem für mein linksrheinisches Revier wünsche ich mir mehr davon. Doch die deutschen Verts streben den Status einer Volkspartei an, auch wenn vielen von ihnen in erster Linie das eigene Wohl näher ist, das sich gerne in Gemeindefeierlichkeiten zelebriert. Das ist mir nicht geheuer. Und obendrein: das mit Partei und Volk, das sind Begriffe, die mir ohnehin seit je Unbehagen verursachen, weil ich dabei das Völkische assoziiere. Nun ja, ich gehöre zu denen, die's mit den Massen nicht so haben. Zwar marschiere ich mit, quasi aus Tradition, aber im großen und ganzen benötige ich keine Fahnen und Banner und schon gar keine Messen nicht nur digitaler Bohème, um in eine solidarische Breite denken zu können. Mir sind die kleinen analogen Kreise lieber, innerhalb derer sich gemütlich sitzen, hölzerne Bauklötzchen staunen und plaudern oder auch debattieren läßt. Es gibt Menschen, die mich gerne aussortieren oder in die Gummizelle sperren möchten, weil es mir an Gemeinschaftsdenken mangelt, etwa da mich Hürden wie etwa die der deutschen fünf Prozent stören und mir Weimarer Verhältnisse demokratischer erscheinen als Zusammenballungen wie beispielsweise Paraden der Freikörperkultur, bei denen es auch schonmal vorkommt, daß ein ganzes Volk oder ganze Völker unter Ketten und Räder geraten. Jetzt wird also im Verbund der Badener und der Schwaben einer regieren, der, ich hatte es bereits erwähnt, neusprachlich daherkommend als wertkonservativ bezeichnet wird. Altachtundsechziger, Kommunist, Maoist — bitte, geschätzter Kurt Kister, das war der heutige Meßschreiber des aktuellen Oberschafhirten auch. Wen hat man denn in Baden-Württemberg tatsächlich gewählt? Zunächst einmal hat man sich, was völlig in Ordnung ist, gegen Atomkraft und einen tieferzulegenden Bahnhof gewandt. Aber dann: als einen Dirigenten eines einst ziemlich kakophonischen, aber immer einstimmiger werdenden Orchesters einen von denen, die mir seinerzeit bereits wenig behagten, weil ihnen die Freiheit des einzeln Denkenden nicht unbedingt als höchstes Gut galt. Der Mann ist nicht wert-, sondern erzkonservativ, nicht nur, weil er stockkatholisch ist. Hätte die CDU auch nur ein bißchen auf des Volkes Stimmen gehört und denen der Natur gelauscht, hätte sie einen der ihren unter ihr Kirchendach bekommen und den dann innerparteilich wählen können. Ein Grüner wäre das mit Sicherheit nicht geworden, und auch kein Roter. Der Neubeuerner Chorleiter fällt mir dabei ein, dem ebenfalls das Gute im Menschen frommt. Der hatte zu Gründungszeiten der Grünen beispielsweise einen weiteren «Verursacher beträchtlicher ‹Flurschäden› im Visier» hatte. Er setzte das damals gleich mit dem Bau beispielsweise des Rhein-Main-Donau-«Altars». Von Kernkraftwerken sagte er nichts, obwohl es Anfang der Achtziger auch in Bayern bereits einige gab. Während unsereiner bereits in den Siebzigern einen gewaltigen Schrecken bekommen hatte, als in den USA sich so ein Gerät energisch entlud. Aber Baden-Württemberg kriegt ja nun einen Chorleiter mit kommuni-, gar maoistischer Erfahrung, die dem Franken nun wirklich völlig abging. Da wird das aus einstigem Hilfe- zum Jubel- oder Heilsruf gewandelte Hosiannah vielleicht nicht so hochkulturell, aber auf jeden Fall mehr nach Gemeinschaft unter schlichtem Dach klingen. Eine der beliebtesten Parolen spontan und fröhlich gesinnter Menschen lautete etwa bis zur Gründungszeit der Grünen:
Ach Gottchen,
sinnfälliger hätte man es gar nicht illustrieren können, wie sehr irgendwelcher 68er-Diskurs mittlerweile auf den Hund gekommen ist, wenn man eigens noch in prohibitiver Entgegnung zu den Fourtysomethings (zu denen ich mich kraft meines geburtenstarken Jahrgangs auch zählen darf) "deutlich betonen" muss, dass die 68er sehr wohl was in Bewegung gebracht hätten.Bei allem Wohlwollen für den ersten grünen Regionalfürsten im Südwesten muss ich doch konstatieren, dass der grüne Außenminister mit der Sponti-Vergangenheit nach meinem Dafürhalten einerzeit einen weitreichenderen politischen Paradigmenwechsel verkörperte. Der hat uns immerhin Kriegseinsätze beschert, und das könnte der künftige Ministerpräsident Baden-Württembergs allenfalls toppen, wenn er im Schwarzwald oder unter der Alb ein atomares Endlager genehmigt. Der mit der Schwarzwald-Alb,
der ist gut. Ich versuche mir gerade den zwar rauhen, aber lieblichen Ostalbkreis vorzustellen, wenn die Grünen unter Kretschmann, um die strukturschwache Region aufzuwerten, die darniederliegende Wirtschaft überhaupt anzukurbeln, für die Gegend ein Endlager beschließen. Das wäre wirklich eine Steigerung gegenüber dem ehemaligen Turnschuhminister. Dann müßte die Bundeswehr im Landesinnern aufmarschieren, denn dann gäbe es tatsächlich etwas zu verteidigen. Mir sind die Leutchen dort nämlich als recht kriegerisch bekannt, nicht nur literarisch, etwa bei Schubart.Und das mit der in Bewegung gebrachten Bewegung – da muß ich Kister fast ein bißchen in Schutz nehmen. Denn viele dürften gar nicht wissen, was zu der Zeit tatsächlich los war bzw. haben ihre Informationen aus den medialen Klatschen der letzten Jahre. In Gesprächen mit jüngeren Menschen gerate ich immer wieder mal unter den Eindruck, sie identifitierten diese Epoche alleine mit der RAF. Andererseits sind das nicht unbedingt typische Leser der Süddeutschen. Und das mit den Anfangsvierzigern soll vermutlich eine Spitze sein in Richtung verschiedener Äußerungen wirtschaftlich liberal Gesinnter. Aber ob es solche Andeutungchen in diesem Blatt braucht? Ich weiß nicht so recht. Die kleine Spitze
mit den Anfangsvierzigern könnte in der Tat auch eine konkrete Empfängeradresse mitgemeint haben. Aber darüber hinaus spricht das schon auch eine Art Generationenkonflikt an, der gar nicht mal so sehr im politischen Lagerdenken verortet sein muss. Mein ewig 37jähriger Altersgenosse Herr Kid zum Beispiel hat - obschon neoliberaler Geisteshaltung eher unverdächtig - zu dem Thema 68er auch schon sehr dezidiert-kritisch Stellung bezogen. Für uns, die wir in der ersten Hälfte der 60er geboren wurden, hatte sich die Welt halt schon wieder weiter gedreht, als dass wir die alten Hippie-Ideale noch einfach so hätten übernehmen können.Ich finde ja, dass in der Betrachtung der Rolle der 68er auf mehreren Seiten viel Falschgeld kursiert - sowohl in der positiven als auch in der dämonisierenden Überhöhung einerseits wie auch im übermäßigen Herunterspielen der Bedeutung andererseits. Man muss da immer versuchen, die politische Agenda dahinter zu erkennen. Da kann es dem Konservatimus je nach dem mal dienlich sein, es so darzustellen, als habe uns die Zäsur von 1968 direkt nach Sodom und Gomorrha geführt - oder eben so zu tun, als sei das alles halb so wild gewesen und habe nur eine radikalisierte Minderheit tangiert. @Endlager Ostalb: Haha, da wüsste ich ein stillgelegtes Bergwerk in der Nähe von Aalen, bei den Eltern meiner Ex-Freundin fast vor der Haustür. Die würden sich bedanken... Ist es Ihnen überhaupt
möglich, sich mal nicht im Ton zu vergreifen und etwas sachlich kundzutun, wenn Sie zu Gast sind?! Es scheint an der Uhrzeit zu liegen, deren Folgeerscheinungen Sie nicht in den Griff kriegen. Das letzte Mal, als Sie hier auf Besuch waren, haben Sie auch nächstens so unsachlich und ziemlich unwitzig rumgeblökt. Da hatte ich Sie gebeten, zu gehen. Das wiederhole ich hiermit.Aber soviel wenigstens zur Sache: Ich kenne Ecken in der Ostalb, in denen es recht finster ist und man ohne Zeiss usw. auskommen oder zumindest weit fahren muß. 68er ff
Oft erinnere ich den Vorwurf eines (mittlerweile) Alt 68ers, nunmehr Förster von Beruf: "Mit euch (damalige Jugend, also, ich und andere) ist ja nix mehr los! Wir haben noch nächtelang durchdiskutiert!"Mit zuckenden Schultern ließ ich ihn stehen. Er sei borniert, äußerste ich mich noch, ihm den Rücken zugewandt. Wir könnten aber bei Gelegenheit mal ein Bier trinken gehen um über die Bedeutung des 486er (Computer) zu reden. Dies war eine Einladung, und keine Diskussionsgrundlage... Ja, Sie haben recht.
Und fein beschrieben haben Sie das. Ich empfände es allerdings auch als angenehmer, miteinander virtuell einen zu trinken und sich dabei plaudernd auszutauschen, und sei es in einem Wirtshaus im tiefen Wald, den als solchen ich eigentlich nicht unbedingt schätze. Aber ich bin durchaus kompromißfähig, und gerne höre ich mir die Meinungen anderer an, vor allem dann, wenn sie Substantielles zu sagen haben. Nur anbrüllen lasse ich mich eben ungern.>> kommentieren aubertin (30.03.11, 00:43) (link) Le jugement dernier ?
Apo Opa hat bald Ostern.Bises Anne (et Yves) Auch ich stehe bald
wieder auf. Aber erst, wenn der Schmerz nachläßt. Pastis. Hier soir.>> kommentieren Unter Altachtundsechziger
kann dieser Herr Kretschmann ja nun wirklich nicht verbucht werden. Dazu ist er definitiv zu jung. Wolfgang Fritz Haug wäre ein solcher (*1936), und der hätte vermutlich zum Thema auch ein bißchen mehr dazu zu erzählen in dieser Runde.Geschrieben hat er mal (aus dem Nähkästchen von 2008 geplaudert): «vielen dank für die mitteilung. es war ... eigenartig, diesen text von 1963 wiederzulesen. freundlichst, Ihr wfh» >> kommentieren kretschmann: der schwärzeste grüne, las ich gestern. >> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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