Schöner Wohnen Die Zukunft vor fünfundzwanzig Jahren Der Deutsche Werkbund fordert menschenfreundliche Städte So sieht sie aus, die Hafenstraße, etwa von den Landungsbrücken aus gesehen. Bei dem Begriff Stadterneuerung gelangte die Sozialpolitische Umschau der Bundesregierung im Mai dieses Jahres (1986) zur Erkenntnis, sie sei die «kommunalpolitische Aufgabe Nummer eins». Von den Verantwortlichen, allen voran den Politikern, wird allerdings allzu gerne verdrängt, daß besagte Erneuerung unserer Groß- und Kleinstädte (aber auch so manches Dorfes) mehr ist als ein planerisches und organisatorisches Problem, mit dem Milliardensummen hin- und hergewälzt werden. «Stadterneuerung ist Kulturarbeit» war deshalb das sich als Konsequenz ergebende Motto des 16. Darmstädter Werkbundgespräches. Der 1907 in München gegründete Deutsche Werkbund ist eine Vereinigung von Architekten, Designern, Journalisten und Pädagogen, die die Gestaltung der Umwelt schon am Jahrhundertbeginn nicht nur fachspezifisch abgehandelt wissen, sondern den politischen Kontext mit einbezogen haben wollten. Die Gründung des Deutschen Werkbundes ging einher mit dem Aufkommen der Moderne, deren Avantgarde die Architektur aus der Kunst herausnahm. Unter den fortschrittlichen und wegweisenden Architekten der Moderne waren viele mit einem ausgeprägt sozialen Denken. Etwa seit Mitte der siebziger Jahre wird, vor allem von den Anhängern einer wieder zur Kunst erklärten Architektur, die Moderne als beendet erklärt. Und das, obwohl sie, nach Jürgen Habermas, unvollendet ist oder gar, wie Alexander Mitscherlich meint, noch gar nicht begonnen hat. Denn sie beginne «mit der Annullierung der Besitzverhältnisse über den Menschen» und «schreitet zur Formulierung der Menschenrechte fort». Bei den Besitzverhältnissen ist zunächst einmal auch anzusetzen, will man zu praktizierbaren Konzepten der Stadterneuerung gelangen. Erneuert werden müssen unsere Städte ja wohl in erster Linie deshalb, weil sie durch rigoroses Wirtschaftswunderdenken nach den Bomben des Zweiten Weltkrieges von mehrwertorientierten Bauherren und verantwortungslosen Architekten und Städteplanern kurzfristig ein zweites Mal zerstört wurden. Beispiele für einen verantwortungsvollen Wiederaufbau gab es genug. In München sah zum Beispiel der Abel-Plan eine konsequente Trennung von Fahr- und Fußgängerverkehr vor und somit eine urbane Vielfalt mit Passagen und Ladenzonen, in der auch Cafes, Straßentheater sowie andere Kunstforen ihre Bedeutung gehabt hätten. All diese «Neuerungen», die nach 1970 als «Revision der Moderne» von Flensburg bis Garmisch (im Flickwerkverfahren) entstanden, waren bereits 1946 (!) Bestandteil der Planung von Adolf Abel und anderen (nachdenklichen) Städtebauern. Daß diese frühe Chance einer heute so herbeigesehnten menschenfreundlichen Urbanität nicht genutzt wurde, lag an denen, die sich durch Eigentum alles andere als in die Pflicht genommen sahen — hätte man doch in die Besitzverhältnisse eingreifen müssen. So entstanden Innenstädte, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Raus aus den ursprünglich für den Menschen gedachten Zentren und hinein in die «Pissoirhaus- oder Legebatterienarchitektur», wie Bazon Brock die Monströsitäten Märkisches Viertel Berlin oder München Neu-Perlach bezeichnet hat, mußten diejenigen, die sich die horrenden Mieten in den Zentren nicht leisten konnten. So muß Stadterneuerung zunächst einmal heißen: Verhinderung weiterer Zerstörung von Wohnraum zugunsten von Geschäftshäusern oder Luxussanierung via Bauherrenmodell. Eberhard Mühlich vom Darmstädter «Institut Wohnen und Umwelt» plädiert angesichts der Tatsache, daß zunehmend Sozialwohnungen auf den freien Markt gelangen, für «Gewaltenteilung in der Wohnraumversorqung». Es müsse dafür gesorgt werden, über Finanzierungszentralen billige Wohnhäuser aufzukaufen, deren Bewirtschaftung (Mieten, Instandhaltung etc.) jedoch den Bewohnern zu überlassen, also eine «weitreichende Mietermitbestimmung» zu schaffen, wobei Mühlich sich auf «Vorerfahrungen aus England und Holland» stützt. Aber: Ist ein solches Konzept im Bereich der Innenstädte überhaupt durchführbar? Gerade dort dürfte es kaum «billige Häuser» geben, weil das Gesetz von Angebot und Nachfrage die Preise doch eher nach oben nivelliert als nach unten. Soll aber die Stadt dahingehend emeuert werden, daß sie dem Menschen zurückgegeben wird, müssen, wie der Frankfurter Kultur- und Architekturkritiker Dieter Bartetzko arqumentiert, «die monofunktionellen Inseln (die reinen Büro- und Geschäftsviertel) eliminiert», muß also die Trennung von Arbeit und Wohnen abgeschafft werden. Um eine im Sinne aller Menschen positive Stadterneuerung durchzusetzen, bedarf es jedoch der Arbeit — der Kulturarbeit. Hardt-Waltherr Hämer von der «Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung Berlin mbH» (S.T.E.R.N.) sieht beispielsweise in der Stadtteilarbeit in Berlin-Kreuzberg einen Demokratisierungsprozeß, der zur Entscheidungsfindung beiträgt. Und wer an der Möglichkeit der «Mitgestaltung der Gesellschaft nicht teilnimmt», so der Osnabrücker Kulturdezernent Siegfried Hummel, «der taucht ab», wobei er sich auf Robert Jungk bezieht, «in das Reich der gleitenden Bilder und Symbole». Der alternativen Kulturszene der Bundesrepublik, die nach Hummel «Spitze in der Welt» ist, räumt der SPD-Mann eine entscheidende Bedeutung bei einer durchzuführenden ökologischen Stadterneuerung ein. Dabei dürfe allerdings nicht vergessen werden, daß die Friedens- und die ökologische Bewegung ihre Wurzeln in der Arbeiterbewequng des ausgehenden 19. Jahrhunderts haben. Die «proletarische Ökologiebewequng des ausgehenden 19. Jahrhunderts, nämlich die Naturfreundebewequng», habe «sicher über achtzig Prozent dessen schon artikuliert, was die Ökologiebewequng sagt». Daß dies nicht erkannt werde und daß «ein paar Veteranen nicht merken, daß sie ihre eigene Geschichte massakriert haben», sei einer der Gründe warum dauernd irgendeine Partei «Wahlkämpfe in Städten verliert». Aufklärung ist also angesagt, zumal sich, nach Hummel, schon längst eine Gegenbewegung formiert hat — die «young urban professionals», kurz «yuppies» genannt, jene «postmodernen Narzißten» (Selbstbespiegler), die das, «was sie ästhetisch als hochwertig empfunden haben, sofort aus dem gesamtkulturellen, gesellschaftspolitischen Zusammenhang herauslösen, um es dann narzißtisch genießen zu können». Flohmarkt: savoir-vivre, April 1986 Steinbrüche der Formen • Von Bau- und anderen Häuslern • Architektur des Alltags
gentrifzierung ist also wohl nicht der heiße scheiß aus 2007... (mit verlaub: das bild dort oben ist doch sicher ein test. denn abgebildet ist die rote flora im schanzenviertel...) Die Rote Flora
ist's, Sie haben recht. Da haben sowohl der Photograph und dann ich, wir beide nicht richtig hingeschaut. Ich denke darüber nach, das Bildchen morgen auszutauschen.Ja, die Anfänge der Gentrifizierung entstanden um einiges früher (wie auch die Postmoderne in den Sechzigern losging). Das ist mit ein Grund, weshalb ich ganz gerne solche Erinnerungsstückchen einsetze. Wobei die Angelegenheit mit Holm allerdings eine besondere Qualität hat. >> kommentieren Ich kann dazu gar nicht viel sagen, außer:
Wieder ein interessanter Artikel aus Ihrem Fundus.>> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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