Das Alte währet ewiglich

Ich mache mal wieder ein Neben- zum Hauptprogramm.

Damit, geschätzer Hinkebote, ließe sich auch der von mir angedeutete Punkt fortsetzen: Hennerkes war es auch, der darauf hinwies, daß das griechische Parlament überwiegend aus Wohlhabenden bestünde und sich deshalb wohl kaum etwas ändern würde. Jedenfalls solange Frauen und Sklaven draußen vor der Tür bleiben und für einen Bruchteil dessen demonstrieren müssen, den andere alleine durch nicht abgeführte Steuern genießen.

Ich bin ja nun wahrlich kein Gegner der Hochkultur. Das mag daran liegen, daß ich mit ihr aufgewachsen bin, mir also nicht mühsam einen Weg durch diesen Dschungel schlagen mußte, sie nach dem Aufbegehren gar genossen und letztendlich davon auch profitiert habe, da ich im Zug ihres Wandels und des Handels mit ihr beruflich auch monetär passablen Gewinn machen durfte. Gut, da hatte ich das Glück, früher geboren zu sein und mich nicht diesen demütigenden Prozessen unterwerfen zu müssen, denen viele jüngere Menschen heutzutage ausgesetzt sind. Doch auch hier Fortsetzung: Bei der von der Wirtschaft diktierten Bildungspolitik bleibt das kritische Ausleuchten historischer Gegebenheiten zwangsläufig auf der Strecke. Sicher, es gibt auch die Älteren, die aktuell keinen anderen Blick haben (wollen) als den des 19. Jahrhunderts auf die Oberfläche: edle Einfalt, stille Größe. Das ist es jedoch, was solche Hinweise wie die des Terra-X-ZDF auch jüngeren Menschen vermitteln (Wer kommt nur auf solche sendungsvermittelnde Programmtitel?! Stehen da etwa Führungseliten von Volkshochschulen in der Bütt des Meenzer Rundfunkrats? Wenn arte dasselbe zuvor sendet, bleibt solches geheimnistuerisches Geschwurbel doch auch aus.). Denn wer wegen verkürzter Studiengänge gezwungen wird, nicht nur die historischen Ereignisse, Künste und deren Geschichte lediglich auswendig zu lernen wie bereits die bayerischen Pennäler der siebziger und achtziger Jahre mit ihrem 333, Issos Keilerei, der dürfte kaum Gelegenheit haben, die über die Zeitläufte geworfene Tagesdecke mal anzuheben, um nachzuschauen, was sich ansonsten darunter angesammelt haben könnte.

Ich las kürzlich hier in der Blogger.de-Gemeinde davon, daß an Journalistenschulen von allzu umfangreichem, breitgestreutem Wissen abgeraten wird, da das dem beruflichen Werdegang hinderlich sein könne; man solle sich mehr spezialisieren. Und so sieht dann der Qualitätsjournalismus auch aus. Innerhalb ihres effizienten Studiums haben sie gelernt: Fakten, Fakten, Fakten. Da wurden sie dann irgendwann irgendwo gestreift von Athen oder Griechenland und den Basen der Demokratie, was sie als Praktikanten dann als Pressemitteilung in die Wunderschöne Weite Welt des Netzes setzen.

Ich will jetzt nicht auf Brecht und dessen Hinweis auf die Frage hinaus, wer denn wohl die Felsbrocken ins königliche Nirwana der Pyramiden geschleppt habe. Aber ich befürchte ohnehin, daß auch der Augsburger längst in der Kategorie Schöngeist gelandet ist. Agitatorischer, plagiierender Kommunist wäre auch noch möglich, je nach Perspektive, aus der des Grases oder der der Burg. Aber daß er, wie andere vor ihm im Sinn von intellegere, auch von aísthesis reflexives Wissen auf eigenwillige Weise, auf eigene Art gespiegelt hat, das sollte nicht unerwähnt bleiben.

Reflexivität. Bazon Brock hat sie im Zusammenhang mit der Definition von Ästhetik in den Achtzigern mal beispielhaft an Malern wie Réne Magritte reflektiert, die «ihre ganzen Themenœuvre nur aus der Aufklärung über diese reflexiven Mechanismen gewinnen». Das reine (also nicht reflektierte) Tun sei heute zum Beispiel das Bauen von Maschinen, «dessen Folgewirkungen wir nicht auf die gleiche Weise bewältigen können wie das ursprüngliche Produzieren». Wer sich heute also an den neuen Pyramiden oder Kathedralen der Wirtschaftsreligionen abrackern soll, der wird sich das vielleicht noch einmal überlegen, wenn er genauer über die Hintergründe dieser Mechanismen informiert ist und sich seinen eigenen Kopf dazu gemacht hat. Wer aber stillschweigend bei Guido Knopps populistischen BBC-Imitationen oder Terra-X auf der Stelle tritt, wer Geschmacklosigkeiten (auch so ein nicht unter die Spracherde zu kriegender Begriff aus dem gesitteten 19. Jahrhundert) wie unbekannte Bereiche der Erde bevorzugt, der wird auch Schwanitz' Niveau des «Bildungskanons als deutlich zu hoch» ansehen und eine «einfachere Darstellung des Wissens» als seine rassige Zigeunerin übers Sofa hängen. Bild von Welt. Weltbild(-Verlag).
 
Fr, 01.07.2011 |  link | (2453) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftsspiele


mark793   (03.07.11, 12:34)   (link)  
Ich las kürzlich hier in der Blogger.de-Gemeinde davon, daß an Journalistenschulen von allzu umfangreichem, breitgestreutem Wissen abgeraten wird, da das dem beruflichen Werdegang hinderlich sein könne; man solle sich mehr spezialisieren.

Wissen Sie noch, wo das war? Ich bin nicht sicher, ob man das so sagen kann, denn natürlich erwarten die Journalistenschulen von ihren Bewerbern ein breit gefächertes Allgemeinwissen (u.a. auch in medial vermittelten Alltagstrivialitäten). Was da alles interessiert, kann man ja alle Jahre wieder in den entprechenden Fragebögen sehen, die in Fachblättern hinterher veröffentlicht werden.

ich denke, dieses Postulat ist eher so zu verstehen, dass sich der Journalist im weiteren Berufsleben nicht ewig damit aufhalten möge, Generalist zu bleiben, der von allem wenig, aber von nichts richtig viel versteht. Sondern sich eben zu spezialisieren und von seinem Fachgebiet möglichst viel zu verstehen. Im Grunde ist das keine Absage an Allgemeinbildung, denn die wird ja nach wie vor voraugesetzt, sondern eine Forderung nach mehr, nach weiterer Qualifizierung (Kotzwort-Bingo: "lebenslanges Lernen").


jean stubenzweig   (03.07.11, 13:04)   (link)  
Genau weiß ich's nicht
mehr, ich müßte mich intensiver auf die Suche begeben. Ein jüngeres Gemeindemitglied schien mir das zu sein, etwas wie Schnupperbesuch für Abiturienten klang da ein wenig mit. Im Wortlaut kam es bei mir tatsächlich so an, als ob es sich um eine Forderung nach Reduktion handele, was mich leicht erschreckt hat. Doch möglicherweise hat lediglich der eine oder andere tiefergehende Satz gefehlt – oder ich nicht genau genug gelesen. Ich schaue bei Gelegenheit nach, ob ich's doch noch finde.


mark793   (04.07.11, 12:44)   (link)  
Ist auch nicht so wichtig.
Ich vermute in der Tat, dass da die eine oder andere Nuance auf dem Übertragungsweg verloren ging.















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