Manna für den Banker Im auslaufenden vergangenen Jahrtausend war es in sogenannten Insiderkreisen, als die nicht nur Künstler sich gerne gerieren, fast üblich geworden, mit dem Begriff des Himmelsbrotes herumzublödeln. Unser täglich Manna gib uns heute, war irgendwann nicht mehr nur der Sprachwitz, mit dem Sparkassenangestellte, die sich heutzutage gerne oder vielleicht mittlerweile auch nicht mehr so gerne Bänker nennen, obwohl sie möglicherweise gar keine sind, sondern allenfalls und weiterhin schlichte Sparkassenangestellte wie andere Fließbandarbeiter bei den ober- oder auch niederbayerischen Motorenwerken, mit diesem Sprüchlein also zogen diese schlichten Sprach-handwerker los, um in die Kantine zum Jägerschnitzel zu gehen. Anfänglich lachte man noch über diese wie das Essen gediegene Sprachspielerei, später wurde daraus ein müdes Stirnrunzeln, und als man es gar nicht mehr genießen konnte, wandelte es sich zur Kunst wie heutzutage manch belangloser Tinnef, der dem Leben Sinn geben soll. Wobei ich mittlerweile manchmal unsicher darüber bin, was wohl zuerst dagewesen sein mag, die Kunst oder die Mode. Bankert nennt man im Bayerischen, dort habe ich es zumindest zum erstenmal gehört, und Bayern ist ja bekanntermaßen österreichisches Anschlußgebiet, allgemeinsprachlich auch einen sich noch nicht im Zaum habenden Rotzlöffel. Mein kluger Kluge in der 23. Auflage seiner Eigentümologie verweist auf das im Gegensatz zum im Ehebett auf der harten (Schlaf-)Bank der Magd gezeugten Kind. «Daß sich das -hart als zweites Element gegenüber ähnlichen Bildungen wie Bänkling, Bankkind durchgesetzt hat, beruht wohl auf dem lautlichen Gleichklang mit Bastard.» Im Verschlucken von Endlauten ist auch der süddeutsche Mensch ertragreich, so verkürzte sich das Wörtchen, zumindest für mich aus der Fremde Zugewanderten, für mich Immigranten, auf den Banker. Ursprünglich ward so ein un- oder außereheliches Kind genannt, etwa wie das des bayerischen Ministerpräsidenten. Auch ich. ein paar Jahre älter als dieser bisweilen rotzlöffelartige, sich ansonsten recht soigniert gebende Herr, war ein solcher, aber nicht, weil's ein Verkehrsunfall war, sondern weil meine Eltern andere Ansichten hatten, was den allgemeinen Verkehr betraf. Doch doch, ich bin durchaus von ihnen gezeugt worden, meine Mutter war alles andere als eine ewige Jungfrau mit Kind. Aber die beiden hatten sich früh antizipativ abgewandt von Regeln des gesellschaftlichen Verständnisses, zu denen eben das Heiraten gehört. Als ich in den Sechzigern in die Bundesrepublik kam, war es durchaus ein erhebliches Makel, ein Banker zu sein. Aus einem solchen konnte gar nie nichts etwas werden. Heutzutage wird jeder Banker. Hauptsache, er lernt erstmal etwas Anständiges, am besten BWL an der Uni. Früher hat dazu eine Lehre ausgereicht. Aber so ein Bankkind oder Bänkling ist, wie erwähnt, eben auch nicht mehr das, was es einmal war. Heutzutage sind das allesamt gewöhnliche Bastarde. Die Gesellschaft macht keine Unterschiede mehr zwischen ehe- und unehelichen Ständen. Aber der Banker(t) an sich scheint zu seiner ursprünglichen Deutung zurückzukehren: ein von der allgemeineren, sittlicher denkenden Gesellschaft verachtetes sogenanntes Individuum, wie zu meinen jüngeren Jahren hierzulande auch derjenige genannt wurde, der das Zeug zum Ganoven hatte. Das konnte durchaus einer sein, der trotz heranwachsender Frucht partout nicht den konventionellen Weg bestreiten wollte. Und an der mangelnden Konventionsbereitschaft eines ganzen, sich als liberal bezeichnenden Berufsstandes hat wohl auch jemand zu leiden, der wie der normale Sparkassenangestellte zu seinem (Jäger-)Schnitzel an Pommes Frittes in die Kantine geht. Kürzlich las ich davon, daß dies noch immer das bevorzugte Manna in den deutschen Betriebswirtschaften sei. Auch wenn der gemeine Banker anderswo hin und wieder Milliarden er- oder auflösen soll, scheint in deutschen Landen das Altbewährte am ehesten Genuß zu bereiten. In The great Gate, Einemaria nennt es das Tor zur Hölle, plaudert eine Frau Leuwerik von einem Münchner «Sparkassenhäusl» hin und wieder mit, an ihr arbeitet man sich immer wieder mal thematisch vom Hundertsten ins Tausendste hinein amusant ab. Es ist mir jedes Mal a great pleasure, dort nicht nur über das Leben in der Wirtschaft und den Bankerten zu lesen.
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