Fernsehen zum Einschlafen

gibt es nicht nur, mir hilft es tatsächlich beim Entschlummern. Es muß allerdings monotones Gebrabbel sein, da fühle ich mich wie in meiner Kindheit, nach dem Essen auf dem Sofa, während nebenan geplaudert wurde. Das Gerät wird jeweils zur Selbstabschaltung programmiert. Heute nachmittag schaltete ich das Gerät ein, um via Nickerchen für den Status des Schlafbürgers zu trainieren. Es hat mich in meiner erwünschten Kondition nicht weitergebracht, denn auf meinem haßgeliebten und deshalb ganz oben gepflegten Blütensternengärtchen war gerade der Film angelaufen, den ich einst alleine deshalb auf Video aufgenommen hatte, weil ein in den Achtzigern des öfteren bei mir nächtigender, mittlerweile längst seliger Freund nicht einschlafen konnte, bevor er ihn erneut gesehen hatte. Ich kenne ihn also fast auswendig, zumal er entscheidende Stellen des Films einem Soffleur gleich und sehr zu meinem Mißfallen immer wieder vorsprach. Dennoch war an Schlaf nicht zu denken, er hielt mich wach, geradezu elektrisiert war ich mittendrin gar in aller Hektik gezwungen, die automatische Abschaltung wieder rückgängig zu machen. Und so sei einer der köstlichsten Sätze daraus wiedergegeben, vielleicht auch, weil ich dazu gestern und heute nebensätzlich beim Thema war: «Was der mit Shakespeare gemacht hat, das machen wir heute mit Polen.» (Konzentrationslager-Erhardt)
 
Di, 04.09.2012 |  link | (2959) | 9 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ich schau TeVau


kopfschuetteln   (05.09.12, 21:59)   (link)  
das würde ich mir gerne
anschauen. aber, was ist das denn für eine alberne uhrzeit, 14.55?
schade, (keine wiederholungen).


jean stubenzweig   (06.09.12, 10:57)   (link)  
Schichtarbeiterfernsehen
nannte man das früher, als es noch kein Glotzen rund um die Uhr gab. Hin und wieder war man darüber froh, wenn man vor lauter Nächtedurchmachen die Folge einer Serie wie beispielsweise des Münchners Tscharlie nicht vorabendlich verfolgen konnte. Im Gegensatz zu den anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten, deren Programme, so mein Eindruck, fast nur auch aus Wiederholungen besteht, ja, man eigens dafür Kanäle geschaufelt hat, verhält sich arte dabei wesentlich zurückhaltender, um das Vornehmere im auswählenden Zuschauer zu vermeiden. In diesem Fall hat der Sender für Brüder- und Schwesterlichkeit, Yakmist et cetera Sein oder Nichtsein einige Wochen zuvor im Abendprogramm gesendet und dann eben wiederholt. So machen die das, vermutlich, weil sie davon ausgehen, daß deren Klientel sich ohnehin nicht unbedingt aus Arbeitern, geschweige denn solche der Schicht rekrutiert, ach was, Rekruten, da kuckt doch keiner zu, den das Militär interessiert. Das, in das ich anläßlich meiner Übung für Schlafbürger hineingeraten bin, war also ein Aufguß, wenn er mich auch wieder höchst erheitert und damit ums Nickerchen gebracht hat.

Wäre ich technisch versierter, könnte ich Ihnen von der VHS-Kassette, die seit den Achtzigern in meinem kleinen Film-Archiv schlummert, eine CD fabrizieren, selbstverständliich nur für den privaten Gebrauch (zu Schichtarbeiterfernsehzeiten debattierte man diese Problematik noch nicht so sehr). Aber ich sehe mich dazu nicht in der Lage, weil ich erstens nicht über die dafür benötigte Hart- und Weichware verfüge und zweitens zu doof dafür wäre, sie zu bedienen. Allerdings ist der Film preiswert zu erstehen. Der Anbieter, den ich nicht verlinke, weil er den Buchhandel und überhaupt den Einzelhandel plattmacht und massenhaft Daten sammelt, verlangt für eine DVD knapp zehn Euro, andere noch weniger.

Ich empfehle den Kauf, vielleicht für den Kaminabend im tiefen Winter. Filzpantoffelkino zu mehreren. Sowohl Kind1 als auch Kind2 dürften keinen moralischen Schaden nehmen, eher das Gegenteil wäre der Fall. Der Ruf von Konzentrationslager-Erhardt nach seinem militärisch Untergebenen Schuuulz, der für sämtliche Schwachsinnigkeiten seines Überlegenen herhalten muß, ist beste Schule der Komödianten, und die Shakespeare-Zeilen aus der Perspektive der Nebendarstellerei, dieser Shylock ist höchste Güteklasse an Tragikomik, wenn er bibbernd vor Kälte neben dem Theatergebäude stehend spricht: «Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?» Einmal darf er seine ersehnte Hauptrolle dann doch spielen, gänzlich ohne Hellebarde darf er sich am Führer rächen.

Filzpantoffelkino: In Polen war's seinerzeit auch arg kalt, nicht nur der Jahreszeit wegen. Aba jelacht ham wa trotzdem. Die Kinner wollten innen Sarch rin. Sie erinnern sich doch sicherlich: Jüdischer Witz. Ich bilde mir ein, solch einen Stoff auf diese Art zu verarbeiten, das konnte nur ein Jude, wie Ernst Lubitsch eben einer war, Kabarettist obendrein. Sein oder Nichtsein stellt ein Füllhorn an (Selbst-)Ironie dar. Ich halte ihn für einen der besten Filme, die je gedreht wurden. Auch wenn es Lubitsch damit nicht gelang, die deutschen Nationalsozialisten durch Lächerlichkeit zu töten.


kopfschuetteln   (06.09.12, 15:44)   (link)  
kaufen, das ist eine gute idee und ich kann endlich mal wieder was für die wirtschaft tun. vielleicht ist dann im winter auch unser abspielgerät (video und dvd), welches sich schon seit drei monaten in der reparatur (angeblich, jedenfalls) befindet, wenn wir glück haben, repariert. es wollte die dvds einfach nur dann oder wann lesen, meistens eben nicht, und das geht doch nicht. ich glaube, die wollen, daß wir ein neues gerät kaufen. wir wollen aber, daß die reparieren. schon aus prinzip.
glauben sie wirklich, daß kind1 und kind2 keinen schaden nähmen? da steht doch fsk12. ich ließe sie nicht mal (nicht, daß ich daß vergleichen wollte, nur so als beispiel) harry potter schauen. na gut, das vielleicht auch nur aus prinzip: erst lesen und dann schauen.

schön, daß sie mich auf die idee gebracht haben, da gibt es nämlich noch zwei verpaßte filme in diesem jahr („barbara“ und „sergej in der urne“), die ich bei dieser guten gelegenheit gleich mit kaufen kann, wenn schon denn schon.

und, den jüdischen witz mag ich sowieso sehr.


jean stubenzweig   (09.09.12, 09:58)   (link)  
Schaden nehmen?
Die einzigen Anzüglichkeiten beziehen sich auf die ansägliche Dämlichkeiten, die die Nazi kennzeichnen. Für Kinder könnte allein die Gefahr darin bestehen, daß sie ein falsches Bild von ihnen bekommen und sie meinen, die seien alle so komisch gewesen. Harry Potter dürfte ein kindliches Gehirn weit mehr belasten.

Entschuldigen Sie bitte, daß ich so spät reagiere. Ich hatte das verschlafen.


kopfschuetteln   (09.09.12, 21:29)   (link)  
entschuldigen? ist kein thema,
herr stubenzweig, bei ihnen ist viel los.
angeblich (ich habe mich nicht weiter damit befaßt) lernen ja kinder den humor ihrer eltern. insofern ja, manchmal freue ich mich, wenn sie (meine) ironie verstehen. ich glaube, sie sollten die nazis vor allem nicht komisch finden, und können die großartigkeit dieses werkes nur verstehen, wenn sie die hintergründe kennen. aber, sie werden es sehen, wenn sie groß genug sind, auf jeden fall.

was kinder offensichtlich noch so übernehmen: sie versicherten mir letztens beide, sie würden mit mir gegen angelika merkel protestieren, wenn ich das tue. ich war schon ziemlich überrascht. sie sind fünf und sieben und meines wissen verwickele ich sie nicht in politische diskusionen. ich habe ihnen aber, muß man glaube ich auch, versucht zu erklären, daß es alles andere als leicht ist, wenn alle was von einem wollen und zwar sehr unterschiedliches, es allen recht zu machen. (manchesmal bin ich richtig stolz auf "schlump und latsch".)


jagothello   (10.09.12, 14:18)   (link)  
So eine Art Witz
Irgendwo stand hier Jüdischer Witz. Wahrscheinlich hat das wenig zu tun mit Fernsehen und mit Merkel und mit Erziehung. Vielleicht aber ist´s eine Alternative zu all dem, also das kleine Bonmot, welches zu erzählen (Schriftlich erzählen als Kernkompetenz des Deutschunterrichts: Eine der vielen Merkwürdigkeiten, mit denen ich im Referendariat konfrontiert war) hier hoffentlich erlaubt ist: Jetzt aber...: Einstein soll gesagt haben: Werde ich mit meiner Theorie recht behalten, dann werden die Deutschen sagen, ich sei Deutscher, und die Franzosen, ich sei Weltbürger. Werde ich unrecht behalten, dann werden die Franzosen behaupten, ich sei Deutscher, und die Deutschen, ich sei Jude.


jean stubenzweig   (10.09.12, 20:31)   (link)  
Einstein war es auch,
der meinte: Wenn das Weltall die Frucht blinden Zufalls sein sollte, so sei das so glaubwürdig wie eine Druckerei, die in die Luft fliege und alle Buchstaben wieder zur Erde fielen — aber in Form eines fehlerfreien und gedruckten Lexikons. Auf die Frage nach dem lieben Gott antwortete er, daß er den nicht brauche. Gut, daß ist jetzt nicht unbedingt jüdisch-spezifischer Humor, da dem doch die dafür typische Selbstironie fehlt. Das aber, was sie da wiedergeben, das ist von dieser Sarkasmensäure, die unabdingbar dazugehört. Mit Fernsehen und mit Merkel und mit Erziehung ... Halt, mit letzterer vielleicht doch. Aber möglicherweise muß man dafür auf besondere Art genifiziert sein. Doch damit wären wir bei der Argumentation von Herrn Sarrazin angelangt, bei dessen Rassenlehre.

Was macht eigentlich Herr Sarrazin? Ob der Witze zum besten geben kann?


jagothello   (10.09.12, 21:18)   (link)  
Freund der Pointe
An anderer Stelle resümierte E., offenbar ein Freund der Pointe, Gott sei nicht gemein, aber raffiniert. Ein Gottesbild aus solchen Bemerkungen abzuleiten ist wohl doch zu gewagt. Als Tröster für Mathematikstudenten- und Schüler taugt er aber in jedem Fall. Der Thomas-Mann-Tochter Elisabeth gab er als Nachbar in Princeton Nachhilfe (!) und munterte sie so auf: Egal, welche Probleme du mit der Mathematik hast; glaube mir, meine sind größer!


jean stubenzweig   (10.09.12, 21:21)   (link)  
Recht haben Sie.
Ein Gottesbild aus solchen Bemerkungen abzuleiten ist wohl doch zu gewagt. Es war auch nicht unbedingt meine Absicht. Aber ja doch, es liest sich so. Vergebung. Ich war nicht sortiert genug.















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