Kein Entenlatein

In der Entenkleintierpraxis war'n wir mal wieder. Nein, hier ist nicht die Rede von der dörflichen Unfallklinik, in der der letzte Veterinär gerade noch überlebt, weil des Bauern letzte Lisa mittlerweile in einer eigens dafür eingerichteten Landkreisinstitution vom Industrieroboter einer runtergeholt wird; wo dem Federvieh in einer stundenlangen Notoperation die Füße wieder aus der Bauchhöhle geholt wurden, nachdem die mit ihrer Familie aufs ruhige und friedliche Land gezogene mittlere Abteilungsleitersgattin vergessen hatte, das Feierabendbier zu kaufen und deshalb mit ihrem koreanischen Rennpanzer zwangsläufig etwas zu flott unterwegs war in der Dreißiger-Dörpstraat; wo Mimi ins Irdische zurückgeholt wird, nachdem sie den Mut aufgebracht hatte, einer ganzen Marderfamilie das Rattenragout streitig machen zu wollen; wo der kugelige Mops der Nachbarin seine tägliche Vitaminspritze erhält, da die Inhaltsstoffe der Döschen mit dem Petersilienbildchen und auch die Sahnestückchen nicht mehr ausreichen und er so gar nicht mehr so recht aus seinem Körbchen nahe Frauchens Bettchen herausgekrochen kommt. Nein, nebenan bei Herrn Berlenbach waren wir, in dessen elegantem, wellem Reanimationsetablissement.

Sie hatte mal wieder das Licht gelöscht. Nicht wie damals, «das eigene Kraftwerk abgeschaltet. Mit einem ziemlich lauten Kreischen. Entenkreischen. Es klingt, als ob man ihr das noch ungelegte Ei aus dem Hinterteil raubt.» Dieses Mal ohne jede Theatralik. Es war irgendwie dunkel geworden um uns im winterlich ohnehin nicht eben lichten Kurz-vor-hinter-Sibirien, auch Holstein genannt, auf der Fahrt vom Alsterdorf ins Landbüro. Der immer freundliche und hilfsbereite Herr Osterhoff in Sandesneben war ratlos. Er ist aber auch zu jung für so ein altes Entenvieh. Und wo keine Elektronik drinnen ist, kann man sie auch nicht einsetzen, die Analysetechnik. Doch immerhin sollten wir erfahren, daß die Sicherungen intakt waren. Also erstmal weiter ins Dorfbüro, soviel Sicht war noch vorhanden. Kaum losgefahren, illuminierte sie sich wieder, die Gute. Sie mag eben nur Herren, die wissen, wo sie zart berührt werden will.

Im überdachten Heimathafen eingeflogen, tat sie ihren Protest gegen die unwürdige Behandlung kund, indem sie ihr Herz einfach weiterschlagen ließ, obwohl die Blutzufuhr unterbrochen war; die Pumpe pumpte trotz ausgeschalteter Zündung einfach weiter, als ob es keine Ende geben wolle. Oder das Stroh ein letztes Mal lodern sollte? Das Licht bekam ich zwar immerhin wieder gelöscht, aber wie ich den Schlüssel auch drehte, die Reaktion war lediglich eine kreischende Anlasserklage, der Motor lief weiter. Was tun? Die Helferlein anrufen, ihnen mehrfach wiederholen, nein, man benötige keine Start-, sondern eine Ausschalthilfe. Die benötigen ja zur Anlaßhilfe schon Stunden bis zu ihrer Ankunft. Wie lange würden sie in diesem Fall brauchen? Was will der denn, der Motor läuft doch, also braucht er keine Starthilfe, fürs Abschalten, fürs Zerstören gar sind wie nicht zuständig, wir haben auch unsere Ehre. Ach.

Nun gut. Ich wackelte und zerrte wie wild an Adern und Venen der Landente herum. Als ob ich sie schlachten wollte. Tatsächlich war sie dann irgendwann so gnädig und beendete mit einem mehrmaligen blubbernden und nachrülpsenden Gluckser ihren Lauf. Anruf bei Johann Berlenbach. Ich hörte ihn grinsen am Telephon, wenn auch, wie immer, sehr höflich und zurückhaltend. Einfach herkommen, meinte er, er kriege das Tier im Zweifelsfall schon ausgeschaltet. Gesagt, getan, wenn auch unter schlimmen Vorahnungen. Wer je einen Blick auf die Verkabelungssymmetrie einer gut dreißig Jahre alten Entenelektrik getan hat, weiß, wovon hier die Rede ist. Stundenlange Suche nach einem blankgescheuerten Fädchen, nach einem leichten Knick? Die Fahrt nach Sirksfelde verlief wie beim Gang zum Zahnarzt. Mit einem Mal sind alle noch so üblen Schmerzen dahin. Fröhlich tuckerte und leuchtete sie. Gestern nun die Nachricht aus der Geriatrie: alles wieder in Ordnung. Und dann meinerseits die unheilvolle und unvermeidliche Frage nach den Kosten. Zehn Euro und achtundachtzig Centimes.

Nein. Kein Entenlatein. So etwas gibt's wirklich (noch). Das kann einem ja fast peinlich sein.
 
Fr, 16.01.2009 |  link | (3708) | 9 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Seltsamkeiten


hanno erdwein   (16.01.09, 07:27)   (link)  
aha, er lebt immer noch ...
der gute alte CV. Ist lange her, daß ich ihn vor meinen trüben Augen hatte. Die Wackelente mit beweglichem Steiß hat so was! Glubschäugig rollt sie daher und ist fast jeder Strapaze gewachsen. solch ein befahrbares Tier muß man einfach ins Herz schließen! Dank für die Erinnerung. Hanno


vert   (16.01.09, 13:01)   (link)  
dafür wechselt man ihnen woanders nicht mal eine glühbirne.
schön.


jean stubenzweig   (16.01.09, 14:14)   (link)  
Erschwerend
kommt hinzu, daß der Gute wirklich gut ist. Er restauriert obendrein Wracks hin zu sehr feinen Gefährten und hat zu tun ohne Ende. Trotzdem nimmt er sich Zeit für solche Pipifaxereien. Und ein angenehmer Mensch ist er auch noch, einer zum knuddeln.


hap   (16.01.09, 22:18)   (link)  
Ach, St. Jean,
sicherlich sind deine Entensorgen und der Döschi-Doktor zum Knuddeln (besonders das Foto mit den Kindersitzen aufm Fahrrad). Und vielleicht hast du ja auch recht, dich in die Idylle zu vergraben und dich abzuschotten von den Völkern, die jenseits der Türkei aufeinanderschlagen.
Aber ehrlich gesagt: Ich bin ratlos, ob das bei all dem, was du über die Welt und das Leben weißt, der richtige Weg ist.
Ich für meinen Teil will mir kein Urteil erlauben: Ich weiß es nicht. Könnte ja sein, dass diese radikale Ausblendung von Geschehnissen sogar heilsam für mich ist - jemand zeigt mir an, dass wichtig nur die Dinge sind, die einen direkt im Alltag betreffen. Aber es könnte auch sein, dass diese Ausblendung genau denen in die Hände spielt, die du keinesfalls unterstützen willst.
Ich weiß es nicht. Diese Geschehnisse gehen weit über das hinaus, was ich an Grauen irgendwo einordnen kann.
Wie kann ich mich davon ablenken mit Autoreparaturen? Oder ist das nicht die Frage? Aber was wäre denn (und wann) die Frage? Bin ich hier auf dem falschen Planeten? Hat Boris Vian umsonst gesungen? War John Lennon ein Trottel? Hatte Roy Black recht? Oder Ralph Siegel?


bueddenwarderin   (16.01.09, 15:32)   (link)  
huir de groote chöör
op annern singen, awer sik vun mer mitt'm lütten franzoosentrekker ümlangs rumkarjolen laten ...

ich will endlich'n krönchen!!!


jean stubenzweig   (16.01.09, 15:47)   (link)  
Och. Min seute Deern ...
Mußt Du nicht arbeiten? Einer muß schließlich ...


aubertin   (16.01.09, 16:19)   (link)  
Und Deine Voiture
hier bei uns? Du warst lange nicht anwesend. Sollten wir sie wieder einmal reinigen lassen?

bises
Anne (et Yves)


schandhase   (17.01.09, 19:42)   (link)  
O tempora, o moritates ... Ich nannte auch mal einen Döschewo mein Eigen. Sie hieß Jolly Jumper (daß sie weiblich war, stand nie außer Zweifel). Nie wieder hat ein Gefährt von mir einen Namen bekommen. Und nie wieder bin ich so gern Auto gefahren.


jean stubenzweig   (19.01.09, 07:32)   (link)  
Freude macht es
auch heute noch. Nicht nur mir. Wenn wir mit dem anderen («richtigen») Auto unterwegs sind, gibt es manchmal Situationen, in denen die Büddenwarderin sagt: Das macht nur mit Jolly Jumper Spaß. Ansonsten rollt es sich äußerst ruhig durch die Lande. Vor allem in ihrem Revier, unterhalb von Lyon (wohin sie, nicht nur ihrem Alter geschuldet, mittlerweile Huckepack reist). Mit dem Norden hat sie's nicht so. Da muß sie nämlich heizen, für die Reisenden. Aber ihre Heizung ist für die Mittelmeerregion konstruiert ...















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