Von Bau- und anderen Häuslern

Hier hängt der Aufhänger für das da unten. Der dritte Leser wird vielleicht auch noch eintreffen.

Über Architektur wird eigentlich nur geschrieben, wenn es um die solitären Ereignisse geht. Wenn es nicht heißt höher (alle vier Wochen ein neuer Wolkenkratzer kurz vor dem Endkilometer) oder weiter (Landnahme des Luxus und der Moden in den Golfstaaten) et cetera, dann dreht es sich um das Kunstwerk, das die Architektur spätestens seit den achtziger Jahren wieder sein darf. Kürzlich erst habe ich in einer dieser feuilletonistischen fernseherischen Huldigungen eines der vielen neuen Museen, von denen es bald mehr geben dürfte als Kunst, gehört, wie der Sprecher des Autors (Autorin?) die für unsere Zeit symptomatischen, absolut ironiefreien Worte sprach: Ihm (ihr?) wäre so, als störe bei Zaha Hadids neuem Kunstmuseum in Rom die Kunst ein wenig. Das erinnerte mich an das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main, entworfen vom von mir durchaus geschätzten Richard Meier, der anfänglich das Aufstellen von Vitrinen und das Anbringen von lichtabweisenden Jalousien untersagen wollte. Bisweilen unterliege ich dem Eindruck, daß das letzte Museum, das ausschließlich für die Kunst als Präsentationsort gebaut wurde, die in den sechziger Jahren von Hanns Schönecker entworfene Saarbrücker Moderne Galerie ist. Aus dieser ablenkungsfreien Architektur weht ein wenig vom Lüftchen des Bauhaus, das in seiner Intention Licht und Durchblick verhieß, aber letztendlich nur noch als Epoche wahrgenommen und oft genug bespöttelt wird, gerne von Qualitätsjournalisten, deren Blick von keinerlei Sachkenntnis getrübt ist. Herr Martenstein bildet da keine Ausnahme, wenn er für ein paar Tage in ein als Torso gerademal einigermaßen gerettetes Denkmal einzieht und aus der Perspektive des Bewohners luxus-modernisierten Alt- oder schlichten Neubaus seine flotte Feder richten läßt. Die fachlich fundierteren Kommentare zum Text, die etwas Hintergrundwissen vermitteln, interessieren da nicht weiter. Heutzutage hat die Verpackung einen höheren Stellenwert als der Inhalt.

Eigentlich geht es beim Wohnen ja meistens weniger um das denkmalerische Bauhaus an sich; es wird letztlich häufig stellvertretend für das Neue Bauen genannt, das den meisten, die darüber lesen oder auch schreiben, nicht unbedingt bekannt sein muß. Angefangen hat es mit den Nöten der Menschen, die im ausgehenden 19. Jahrhundert in den Hinterhöfen der Städte zu hausen gezwungen waren. Im selben Jahr, in dem der größte Bauherr aller Zeiten deutscher Reichskanzler wurde, verabschiedete der Internationale Kongreß für Moderne Architektur, die sogenannte CIAM, die Charta von Athen. Mit ihr wurde unter anderem auch für diejenigen menschenwürdiger Wohnraum gefordert, die mit dem Beginn der Industrialisierung eingepfercht worden waren in Gebäude, die nach Gesichtspunkten der reinen Unterbringung entstanden. Billigheimerwohnen. 1909 hatte Adolf Loos, auch bekannt als der Mörder des Ornaments, gefordert, die Architektur sei aus der Kunst herauszulösen, da sie nicht Privatsache des Künstlers sein dürfe. Es folgten im Wien der zwanziger Jahre Arbeitersiedlungen, über die Ilja Ehrenburg in Iswestija schrieb: «Ihr habt nicht mit Gewehren begonnen, sondern mit Zirkel und Lineal.» Andere Städte folgten dem nach. Dem hinzuzurechnen sind, wenn auch nur bedingt, da sie via Bauhaus bereits höhere Wohnqualität aufwiesen, beispielsweise Siedlungen in Frankfurt am Main oder Stuttgart. Gerne hat man diese erhöht, vor allem in der Nachkriegszeit, indem man Türen und Fenster durch hochwertigere Materialien wie Kunstschmiedeisernes oder Glasbaustein ersetzte. So erlangte man unter anderem mehr bunte Gemütlichkeit.

Wohnraum sollte geschaffen werden, der erschwinglich war. Das hatte beispielsweise kleinere Räume zur Folge, auch engere Türen und vieles dieser Art mehr, was aber im Vergleich zu den vorigen Bedingungen geradezu üppig zu nennen ist. Wenn ein heutiger Hüne des Journalismus, noch dazu mit den etwas runderen Hüften des Fortschritts mit seiner Schreibe da nicht durchkommt, dem wird das tatsächlich zum Problem. Ich war einige Male zu Gast in Gebäuden des Bauhauses und bin überall durchgekommen. Wohlgefühlt habe ich mich obendrein. Aber ich bin ja auch kein Germane. Einem solchen hatte Le Corbusier nach der beklagten Deckenhöhe in den fünfziger Jahren geschrieben: Selbst bei einem Meter achtzig passe noch ein zwanzig Zentimeter hoher Helm auf einen Germanenkopf, und dann wäre immer noch genug Platz; ich meine für eine Feder, so genau weiß ich es nicht mehr, und der Briefwechsel ruht auf meinem Dachboden der (Architektur-)Geschichte. Ich habe aber auch Jahrzehnte unter solchen Decken verbracht, ohne daß sie mir auf den Kopf gefallen wären. Davon mal abgesehen, daß mittlerweile sogar die ganzen besserverdienenden Martensteins ihre Altbauwohnungen tieferlegen, weil die Gehälter nicht so schnell wachsen wie die Gewinne der Energiekonzerne.

Aus dieser Perspektive möge das betrachtet werden, wenn von Bauhaus et cetera die Denke ist, vorausgesetzt, sie findet statt vor der Schreibe. Man war noch nicht an der energiepolitischen Erkenntnis angelangt, das Klima werde es schon richten mit der Wärme. Damals waren noch so Problemchen zu bewältigen wie etwa die Teilevorfertigung, dieser Art des Bauens mit Beton, das die Kosten enorm senken sollte. Die ganzen Martensteins schreiben sich einen Wolf gegen diesen Baustoff, der bereits von den alten Römern eingesetzt wurde, auf deren hohe Baukunst man sich so gerne beruft. Richtig eingesetzt gibt es kein besseres Material für die Massenbauweise. Und das haben uns die Bauhäusler beziehungsweise die Herren des Neuen Bauens gelehrt. Was später daraus gemacht werden sollte, steht auf einem anderen Blatt (das ich noch vollschreiben muß). Deshalb wohl wird er allüberall verblendet, auf daß sie verschwinde, diese Geisel der Architektur, städtisch gerne unter unter Granit oder gar Marmor. Die norddeutschen Häuslebauherren kleben ihre traurigen Kisten aus Gasbeton mit Klinkern zu, um regionale «Authentizität» sowie eine stabile Bauweise aus Backstein zu vermitteln. Innen drinnen haben sie auch nicht mehr Platz als die zu Zeiten des Neuen Bauens. Und meistens hängen sie im Randbezirk der großen Stadt oder im ohnehin völlig zersiedelten Land als Appendix eines kaputten Dorfes so dicht aufeinander, wie es die Sparkassen erlauben. Und abends in der Kneipe, so sie überhaupt noch eine haben oder sie sich dort noch ein Bier leisten können, wettern sie gegen das Material, das ihnen ihren Traum vom Eigenheim überhaupt ermöglicht. Denn für das Holz, in dem sie neuerdings so gerne wohnen würden, hätte es nicht gereicht. Außerdem brauchen sie das jetzt fürs Verheizen in ihrer hochmodernen Feuerstelle. Preislich ist da kein Unterschied.



Ich mache jetzt erstmal Pause. Es scheint doch länger zu dauern.

Überarbeitet um 12.05 Uhr.

 
Mi, 13.01.2010 |  link | (8117) | 17 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Form und Sinn


nnier   (13.01.10, 17:31)   (link)  
Nicht nur um Kränen einen besseren Schwerpunkt zu verschaffen ist er demnach gut, der Beton. Der traurigen Beispiele gibt's nun mal mehr als genug, hässliche und gewalttätige Ungetüme, so dass das Material irgendwann zum Inbegriff des menschenfeindlichen Stoffs geworden ist ("Schade, dass Beton nicht brennt"). Dass man Besseres damit anstellen kann als ihn kubikkilometerweise in leckgeschlagene Salzstöcke zu pumpen oder gigantomanische Klötze zu bauen, sagt schon der alte Werbespruch: "Es kommt drauf an, was man draus macht." - sonst wird er in der Tat zur Geisel oder eben auch Geißel der Architektur.


jean stubenzweig   (13.01.10, 18:24)   (link)  
Ich wußte doch,
daß da irgendwas nicht stimmt. Aber Sie haben das für mich höchst elegant korrigiert. Sicher wäre ich irgendwann selber darübergefallen. Aber jetzt lasse ich's so stehen, denn diese Schönheit möchte ich nicht zerstören. – Eben: «Es kommt drauf an, was man draus macht.»

Mitte der Achtziger habe ich mich zu diesem Thema mehrfach geäußert. Deshalb hatte ich auch vor, eventuell darauf einzugehen. Das «eventuell» ist nun gestrichen. Ich werde versuchen, das irgendwie abzurufen, da das Material über mehrere dieser zahlreichen Kartons vergraben ist, von denen ich nicht einmal weiß, wo sie sich befinden; also auch das Bildmaterial mit großartigen Beipielen, etwa der Friedhof von Carlo Scarpa. Dort hinein werde ich es häkeln, wo es um die Auswirkungen des Neuen Bauens geht, genauer: Was man daraus gemacht hat. Noch genauer: dessen Misere immer wieder auch dem Bauhaus angelastet wird.


jean stubenzweig   (14.01.10, 00:51)   (link)  
Zu Carlo Scarpa
habe ich sehr gute Photographien von Liao Yusheng gefunden. Sie entsprechen zwar nicht meinen Erinnerungen, aber als ich diesen Friedhof der Familie Brion gesehen habe, hatte er noch nicht diese Patina. Auch Friedhöfe altern.

Ich will damit auch nicht auf meine Geschmacksrichtung hinweisen, sondern auf die etwas anderen Möglichkeiten des Bauens mit Beton.


vert   (13.01.10, 18:19)   (link)  
dritter.
da bin ich, nachdem der zweite platz schon vergeben war.

mir stinkt auch immer die mangelnde historizität in der betrachtung.


(und, hüstel: wirklich geisel?)


jean stubenzweig   (13.01.10, 18:27)   (link)  
Ein feines Auditorium!
Oben beantwortet. Nicht ganz so feinsinnig wie mein Korrektor. Oder auch einfach nur: feige in ein Ratespiel umgewandelt.


g. schoenbauer   (13.01.10, 23:31)   (link)  
... schoener Beitrag, nicht nur der Hinweis auf Le Corbusier u. die Deckenhoehe. Bleiben Sie dran!
Gruss
G. Schoenbauer


jean stubenzweig   (14.01.10, 01:31)   (link)  
Welch Andrang hier!
Das ist eine kleine Anspielung auf die ursprünglich erwarteten drei Leser.

Schön, daß Sie den Beitrag schön finden. Ja, ich bleibe dran. Mein Wühlen in früherer Beschäftigung beginnt mir sogar Spaß zu machen.


damenwahl   (14.01.10, 11:31)   (link)  
Vierte? Fünfte? Zehnte?... ich habe noch weniger Ahnung von Architektur als die übrigen Leser, aber dafür wohne ich seit kurzem als Untermieter meiner Eltern in einer Bauhaus-Wohnung. Sagte man mir.
Herr Stubenzweig: bitte nicht Pause. Und wenn, dann nur kurz.


jean stubenzweig   (14.01.10, 13:21)   (link)  
Bauhaus-Wohnung?
In sowas untergemietet sind Sie! Wenn ich mich recht erinnere, sind Ihre Eltern freiwillig dort eingezogen; Sie hatten das in Ihrem Logbuch jedenfalls mal angedeutet. Und das schon eine ganze Weile obendrein. Seltsames Wohnverhalten. Na gut, ich vermute mal, daß es sich dabei um ein Haus eines Architekts handelt, der aus dem Bauhaus-Umfeld stammt. Aber wer weiß, vielleicht sogar von einem der großen Meister? Da gab es ja einige. Doch nicht alle dieser Art haben die Türen so eng gehalten, daß die Martensteins nicht durchkommen.

Ja, doch Pause. Nein, nicht Pause. Meine Devise Es gibt viel zu tun, warten wir's ab ist überrollt oder unterlaufen worden. Man hat mich allen Ernstes zur Arbeit überredet. Und die hat nun zunächst abgearbeitet zu werden. Nach diesen Gedanken kann ich wieder an anderes denken. Erst die Arbeit, dann das Spiel. Das Leben kann einem übel mitspielen.


damenwahl   (14.01.10, 23:28)   (link)  
Alles halb so wild, die Architektin entstammte in der Tat dem Bauhaus Umfeld und das sieht man der Wohnung in manchem auch an. Ist eigentlich ganz hübsch. Die Türen sind übrigens alle groß genug.

Keine Pause ist super.


g.   (14.01.10, 07:11)   (link)  
Was halten Sie von Ulrich Müthe?
Ich fand seine Bauwerke ganz faszinierend, leider wurde vieles inzwischen abgerissen oder gammelt unbeachtet vor sich hin.
(p.s.: Ich bin architekturhistorisch weitgehend unbeleckt.)


jean stubenzweig   (14.01.10, 13:44)   (link)  
Einen Vergleich
mit anderen braucht er nicht zu scheuen. Ach was Vergleich. Das ist durchaus eine originäre Sprache der Architektur. Wobei das Besondere an ihm scheint, daß er Ingenieur war. Bei der von ihm praktizierten Schalenbauweise müssen sich Architekten in der Regel die Hilfe dieser «kühlen» Rechner heranholen. Dabei entstehen oft diese «kühnen» Bauwerke. Ich denke da beispielsweise an den auch als Lehrer faszinierenden Frei Otto, der auch etwas von einem Ingenieur hat. Gerne werden solche Meister erst gar nicht erwähnt, etwa beim Münchner Olympiastadion (dessen Gelände knapp zwanzig Jahre mein Vorgärtchen war), bei dem als Architekt eigentlich immer nur Günter Behnisch genannt wird, das Dach jedoch von Otto entworfen wurde. – Und was wäre dieses Stadion ohne es? Aber, um bei Baumeister Müther zu bleiben: schauen Sie sich mal das Kirchengebäude von Frei Otto an. Beton – es kommt darauf an, was man daraus macht. Und das gilt bei weitem nicht nur für diese Edelsteine, sondern durchaus auch für Wohnbebauung. Beton – es kommt darauf an, ob man sie läßt (bzw. was es an Profit bringen soll). – Aber das kommt aufs andere Blatt.

Daß Ulrich Müthers Architektur teilweise abgeräumt wurde und weiterhin werden soll, läßt mich vermuten, daß dies im Zug des gnadenlosen Ausradierens der DDR geschieht; nichts soll mehr von ihr übrigbleiben, Beispiele dafür gibt es viele. Hinzukommen dürfte, daß solche Solitäre in den Köpfen der breiteren Bevölkerungsschicht nicht festgemacht haben. Wie auch? So findet ein nachgebautes Stadtschloß eben mehr Aufmerksamkeit; es ist «schöner».


apostasia   (14.01.10, 23:20)   (link)  
Wäre da nicht
der "gehobenere" Stil und ebenso das Blatt, es könnte der Eindruck entstehen, Herr Martenstein sei Kolumnist bei Bild, so sehr läuft das aufs Verallgemeinernde aus, beinahe wie Stimmungsmache liest sich das.


jean stubenzweig   (15.01.10, 02:09)   (link)  
Etwas überzogen
scheint mir das. Andererseits – wenn man's in die Tiefe denkt ... Also polemisiere ich ein wenig mit nach unten.

Ich weiß ja nicht, was Harald Martenstein – dessen Texte mich im übrigen hin und wieder durchaus amüsieren, – auf diesen doch etwas angehobeneren Zeit-, genauer den Holtzbrinck-Stuhl gebracht hat, etwa eine Journalistenschule oder ähnliches (danach zu suchen, dazu habe ich jetzt keine Lust; mir ist er noch als kurzzeitiger Kulturchef [sic] der Münchner Abendzeitung geläufig). Aber auf jeden Fall erscheint er mir als ein Autor, der bewußt aufs Allgemeine angesetzt wird (womit wir wieder bei der Abendzeitung wären), so ein wenig als Verfeinerer des Groben, das sich möglicherweise unter Alltäglichkeit der Mitte zusammenfassen ließe. Dagegen ist ja grundsätzlich nichts einzuwenden, auch ich habe häufig meinen Spaß bei solchen Leichtig- oder auch Schnoddrigkeiten (wobei ich darauf hinweisen sollte, daß ich wohl ein nur einen Bruchteil seines Werkes kenne). Nur sollte er aber auch dabei bleiben und nicht – hier käme die Kritik nahe – wie in unserem Fall Volkes Stimme suggerieren. Aber wer weiß, vielleicht ist er das ja – Kolumnist der aufgestiegenen Besserverdienenden oder wie auch immer sie sich nennen mögen.

Denn schließlich schreibt er als Hochgebildeter solche Bildungssachen wie: «... dass Bildung für zehn oder fünfzehn Prozent der Bevölkerung objektiv wertlos geworden ist. Es gibt für sie keine Chancen. Früher musste man als Arbeitsloser lesen können, um sich nicht zu langweilen, auch das ist dank des Fernsehens nicht mehr nötig. Es ist angenehmer und vernünftiger, mit Hartz IV morgens im Bett liegen zu bleiben, statt um sechs für einen Job aufzustehen, der 100 Euro mehr bringt als die staatliche Unterstützung.» Nun gut, etwas differenzierter geht er hierbei durchaus vor. Aber meine Bedenken gegen solche Sätze senkt es nicht. Irgendwie stellen sie mir eine Verbindung zum Statusdenken von Emporkömmlingen her. Ich bin eher fürs Vereinen, anstatt die Menschen noch weiter auseinanderzutreiben. – Ach, ich schweife schon wieder ab. Zurück:

Die Gefahr ist nämlich, daß sich Allgemeinplatze wie im vorliegenden Fall die seinen als «Wissen» verfestigen und manch einer der ebenso Unbeleckten sich daran gar sein Mütchen kühlt. Nicht vergessen werden darf, daß er nun nicht gerade zu den ganz Jungen gehört, die in Bologna die Bildung nur gestreift hat (333 Issos Keilerei und sonst kein Wissen nach dem bayerischen Prinzip wurde allerdings schon zuvor anderen anderswo eingebleut). Eigentlich sollte er das kennen, etwas nicht zu wissen ist ja an sich nichts Ehrenrühriges, meine ich damit – zumal es Archive gibt, wo man sich das Fehlende abholen kann; dazu muß man heutzutage nicht einmal mehr das Stockwerk wechseln und in der Dokumentation um Unterlagen bitten. Wäre ich Kolumnist, ich täte mich so etwas zu schreiben jedenfalls nicht getrauen – wegen der abzusehenden Reaktion. Mir wäre das zu peinlich. Früher nannte man das auch, meine ich, journalistisches Ethos.


mcfunck   (15.01.10, 02:46)   (link)  
Lieber Herr Stubenzweig, das Phänomen der "starchictecure" ist ja mittlerweile ein globales. Großarchitekten definieren sich nicht mehr als Gestalter und Baumeister, sondern als Marken und Unternehmer. Daniel Libeskind scheint mir ein sehr gutes Beispiel dafür zu sein, dessen architektonische Formen einmal einem Jüdisches Museum, einmal einem Naturkunde- oder einmal einem Kunstmuseum etc. Gestalt geben und dabei fortwährend etwas ganz Spezifisches ausdrücken sollen. Ich bewundere durchaus einzelne dieser Gebäude, doch das System gleicht einem Taschenspielertrick. Die Städte fallen darauf hinein, weil sie im imaginierten und realen globalen Wettbewerb "ihren" Libeskind zu benötigen meinen. Wer keinen x-hundert Millionen Solitär sein eigen nennt, wird von der kreativen Mafia bestenfalls ignoriert, zumeist verhöhnt. Die Wohnsiedlungen, auf die sie anspielen, leiden natürlich natürlich unter diesem Bieterwettbewerb. Es gibt ja nun gerade in Deutschland nicht wenige kommunale Wohnbestände, die als Ramschware verhökert wurden und werden und nun der Verschimmelung überlassen werden. Beton. Es kommt nicht nur drauf an, was man draus macht, sondern auch, wie man ihn pflegt. und schätzt. Doch ganz ehrlich, es gibt ja wirklich eine ganze Reihe sehr monströser Betonklötze, bei deren Anblick einem der Mund offen stehen bleibt und man die Abrißbirne gerne persönlich schwingen würde. Ich freue mich auf die Fortsetzung.


jean stubenzweig   (15.01.10, 11:53)   (link)  
Hinzuzufügen habe ich
dem (zunächst) nichts. Sie sagen es. Auf die «monströsen Betonklötze», aber auch darauf, wie es – aus der Perspektive des Neuen Bauens, gemeinhin eben gerne unter Bauhaus subsumiert – dazu kam, werde ich in der Fortsetzung eingehen. Aber erst, wenn ich mit dem anderen Kram fertig bin und eine Wohnung gefunden habe – nicht für mich, ich bin versorgt, sowohl in einem nicht für Germanen geeigneten Monstrum mit Meerblick als auch alternativ in einer sechs Meter hohen Revolutionskate im Grünen, sondern für die junge Frau, die sich in Kürze in Lübeck herumdoktorend auf die Suche nach anderen Krebsgeschwüren bzw. deren Verursacher machen wird.

Ach ja, die Stararchitekten und deren Monströsitäten auch der neueren Neuzeit (an die der Siebziger mag ich gar nicht denken, und das photographische Internetarchiv scheint sich mir anzuschließen). Es gibt ja Menschen, die fühlen sich in solchen (mich an die Speerspitze der Architektur erinnernde) Häusern wohler als in solchen (nur für Schmalhüftige!).


mcfunck   (15.01.10, 19:17)   (link)  
Das Paradox mit Weissenhof und anderen Siedlungen ist, dass diese urspruenglich einmal als sozialer Wohnungsbau konzipiert worden waren, dann aber rasch von der kreativen Klasse uebernommen wurden. Waehrend der "gute Beton" in privates oder genossenschaftliches Eigentum umgewandelt wurden, verlottert der ordinaere Beton am Rande unserer Staedte. Die Halbwertszeit der Rossibauten, ja die haben etwas von faschistischer Aesthetik, scheint aber gottlob noch kuerzer zu sein.















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