Hummer streicheln

Während des angenehmen Gesprächs, das sich vom sonntäglichen Nachmittag bis in den vielflaschig verweinten und deshalb wohl albern bis trivialphilosphisch, also sehr lustig ausgehenden Spätestabend zog, war einmal mehr vom Kind die Rede.

Da saß der Vater, von dem noch die Rede sein wird, aber das Schöne mal zuerst, und gab Beglückendes zum besten. Von seiner Vierjährigen erzählte er, mit der er, wie mit allen anderen Menschen auch, grundsätzlich gerne gut essen geht. Deshalb wohl ißt dieses Prachtkind alles. Nur kein Fastfood. Das kennt es nicht. Wenn die beiden unterwegs sind, geht es langsamer vonstatten. Zum Beispiel in dem Fischrestaurant, in dem die Hummer in einem großen Aquarium schwimmen. Einer gefiel ihr besonders gut. Sie zeigte auf den «großen Krebs» und meinte Papa gegenüber, ihn haben zu wollen. Order wurde gegeben und Platz genommen am Tisch. Nach kurzer Zeit des Sinnierens fragte sie ihren Vater, ob sie den Hummer vorher noch einmal streicheln dürfe. Papa fragte in der Küche nach, und der erstaunte bis verblüffte Koch «spielte» mit bei dieser Lektion des Erfahrens. Zunächst wurde erklärt, weshalb dem Tier mittels kräftigen Gummibändern die Scheren fixiert worden waren, weil die nämlich sonst ein Fingerchen durchzwicken könnten. Dann hielt der Mâitre der Kleinen den gefesselten Hummer nach unten hin, und ihre Hand glitt sanft über seinen Rücken. Danach gingen die beiden wieder ins Restaurant, setzten sich an den Tisch und warteten, bis der nun rote Zehnfußkrebs aufgetragen worden war. Mit Genuß aß das Mädchen vom Inneren der Scheren, die Finger durchschneiden können, und auch vom Fleisch, dessen Panzerung es einige Zeit zuvor noch gestreichelt hatte, gab's einige Stückchen. Den Rest genoß der Papa.

Das Kind hat auch eine Mutter, die ihre zwei und vier Jahre jungen Töchter zumindest juristisch nur für sich haben möchte, den urkundlich nicht festgehaltenen Vater dennoch gerne als Kindermädchen einsetzt und es anschließend fast jedesmal zu auch strengeren Debatten über Früherziehung kommt. Dabei geht es bei weitem nicht immer nur um zuviel Schokolade oder Gummibärchen, also wesentliche Ingredienzien der Nahrung (wenn das auch, aus meinem Blick auf die Brustduftdrüsen, einen entscheidenden Beitrag zur Sozialisation leisten könnte). Der Erzeuger der kleinen Genießerin ist nämlich der Meinung, daß man Kinder nicht nur in Zielrichtung Egozentrik zu Lasten der Allgemeinheit verbiegen kann, indem man ihnen, wie in heutzutage selbsternannten etwas besseren Kreisen üblich, geradezu jedes denkbar schlechte Benehmen durch gar keines anerzieht, das sich in einem völlig aus dem Ruder gelaufenen oder überhaupt nicht vorabbedachten laisser-faire* darstellt. Auch das Gegenteil ausdrückende, mich einmal mehr an meine frühe Kindheit erinnerende, Verhaltensübungen vermögen Kinder zu verkniffenen Erwachsenen werden lassen wie im konkreten Fall die Mutter der beiden, die offensichtlich auf diese Weise ihrem Leben eine Ordnung geben möchte. Da muß Benimm und Geradesitzen und pünktlich Zubettgehen et cetera geübt werden bis zum späteren auch geistigen Haltungsschaden. Ich hatte das Glück, mich relativ rasch von den Büchern unter den Armen und dem Stock im Rücken befreien zu können, indem ich zuallererst mal immer das Gegenteil von dem tat, was man mir von dieser Art Erziehung angedeihen ließ. Um so unverständlicher ist mir, daß es Eltern gibt, die nach dem ersten Dezennium des 21. Jahrhunderts solche Foltermethoden anwenden und das ganze auch noch unter Knigge verbuchen. Das kann ich nicht anders bezeichnen als einen Totalschaden da oben in dem Bereich, der das Denken regulieren soll. Er dürfte sich für die Gesellschaft ebenso negativ auswirken wie die Anleitung zu einem neuen Terrorismus, der zu einer Variante der Sozialisation zu werden droht: Kinder in die Welt setzen, die das Ego spiegeln und das Selbst schmücken, und sie dann einfach machen lassen. Vom mittlerweile fast überzitierten «Elternführerschein» war an diesem Abend selbstverständlich auch die Rede.

Auch die beiden mitdiskutierenden, entschieden nachwuchslosen und nicht nur deshalb wunderbaren Damen haben brillant zur Praxiserfahrung beigetragen. Schließlich waren sie selber mal Kinder, und Kunst kommt nicht von Kinderkriegen. Was geblieben ist? Dieser marinierte Fisch war, wie immer, köstlich, ebenso die Törtchen und die Pasteten zuvor und die Käse danach. Und der Wein, ja, der war gut. Fast so gut wie der Champagner.

* In Frankreich haben Begriffe ihre Heimat, bei denen die Deutschen so gerne die Augen verdrehen — einige vor Glück, weil sie dabei das bequeme Denkschema im Erinnerungskopf haben, alles fallenlassen zu dürfen, auch die Scheiße in den Windeln der Gören. Und die wiederum, die damit so schlimm durchgefallen sind, daß sie ihre Alten dafür heute am liebsten mit dem Gegenteil dessen provozieren, was die damals für laisser-faire oder laisser-aller hielten: immer sauber frisiert, am besten auch das Auto, und bloß nicht anecken, schon gar nicht mit dem Auto. Daß dieses französische, vor allem im Süden beheimatete — ursprünglich dem Vokabular der Wirtschaftssprache entstammenden — Sein- oder Gehenlassen sozusagen aus dem Substantiellen herrührt, nämlich den anderen in seinem Sein nicht zu behindern, also dem Nachbarn auch nicht meine ganz persönliche Interpretation von Freiheit aufzwingen zu wollen, wird bis heute auch als Mißverständnis nicht anerkannt. (Unterschiede)
 
Di, 09.03.2010 |  link | (3973) | 12 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Kinderkinder


nnier   (09.03.10, 09:57)   (link)  
"Aus dem Substantiellen", darum scheint's mir tatsächlich zu gehen. Denn es lässt sich nun mal überall ein Etikett draufpappen, da wird dann die eigene Bequemlichkeit "antiautoritär" genannt und der eigene Narzissmus in der "Frühförderung" der Kinder ausgelebt. Mal davon abgesehen, dass ich selbst bestimmt jede Menge Mist baue - einer der klügsten Sätze zum Thema Kindererziehung ist für mich der, wonach es auf Haltungen, nicht auf Verhalten ankommt.


jean stubenzweig   (09.03.10, 16:15)   (link)  
Wir beide
und noch ein paar andere sind uns in diesen Haltungspositionen ohnehin einig. Wir besprechen dieses Thema schließlich nicht zum ersten Mal. Gleichwohl man es immer wieder mal erneuern muß. Was nun auch hier wieder geschieht.


charon   (09.03.10, 14:18)   (link)  
Da sie zum wiederholten Mal den Knigge ins Gespräch gebracht haben, möchte ich meine Ankündigung erneuern, daß ich zur Verhunzung (i.e. Zähmung) dieses Menschenverstehers tatsächlich noch etwas schreiben werde.

Unsere Kinder lassen wir grundsätzlich das essen, was wir essen. Dann verlieren Rote Beete, Fischspeisen oder auch eine klare Gemüsesuppe ihre Schreckenskraft. Unser Sohn aß mit drei Jahren Languste, sehr zum Entsetzen von Freunden, die das für dekadent hielten, und noch heute ißt er Sachen, bei denen sich Altersgenossen der Magen herumdreht. Fast Food kennen sie aber alle, denn auf Reisen läßt sich manchmal einfach nichts anderes finden.

Im übrigen leistet das hiesige Schulsystem einen ganz gehörigen Beitrag, den "Kindern aus besseren Familien" Demut und Soziabilität zu vermitteln. Dienst an der Gesellschaft wird vergleichsweise groß geschrieben, aber dazu muß eine repräsentative Breite der Gesellschaft erst einmal an der Schule vertreten sein. Ich möchte die Eltern nicht aus der Verantwortung entlassen, für Deutschland würde ich allerdings eine Tendenz zum Gesamtversagen in der Kindererziehung diagnostizieren wollen. Eine Mischung aus Nachlässigkeit, ideologischer Verbohrtheit und elterlichem Egotrip. Ich muß mehr darüber nachdenken.




mark793   (09.03.10, 14:56)   (link)  
@charon:
Halten wir ähnlich. Die Kleine isst überdies Sachen - auch die maritimen und wirbellosen, die ich nicht mit der Beißzange anfasse. Dafür mag sie nun mal keine Ofenkartoffeln, so what? Wenn wir auf Urlaubsreise oder sonstwie auf Tour sind, gibts auch mal Schnelles von der Goldenen Möwe. Das ist für die Lütte auch als Ausnahmesituation erkennbar, und im Alltag fragt sie von sich aus gar nicht danach. Ich denke, bei totalem Embargo wären die Begehrlichkeiten größer.

Zu der Benimmfrage müsste ich mir bei Gelegenheit auch mal ein paar weitergehende Gedanken machen.


damenwahl   (09.03.10, 15:19)   (link)  
Erfreulicherweise ist man ja lernfähig. Als Kind habe ich Rosenkohl verabscheut, mich überkamen Würgereflexe und Heulkrämpfe, wenn ich die drei von Mutter verordneten Bällchen essen mußte. Heute liebe ich Rosenkohl sehr. An Raupen allerdings werde ich mich wohl nicht mehr gewöhnen. Teils Prägung, teils Willen, würde ich sagen.
Überhaupt glaube ich, daß man Kindern vermutlich in bestimmtem Umfang ihre Marotten lassen sollte - mit etwas Glück wächst es sich irgendwann aus. Wenn nicht, ist es nachhaltig, dann kann man es ernstnehmen.


jean stubenzweig   (11.03.10, 04:07)   (link)  
Raupen?
Meinen Sie so etwas ähnliches wie geröstete Maden? Im Busch hat mir mal jemand gesagt, die seien auch roh sehr lecker. Ich habe dankend abgelehnt. Wir konnten auch gerade kein Feuer machen. Weil ich am Verlust des Regenwalds nicht auch noch schuld sein wollte.

Oder vielleicht doch eher Graupen?

Egal. Ich nähme ohnehin doch lieber Krebsgetier. Auch töte ich durchaus selbst, was ich esse. Na ja, vielleicht dann doch nicht alles. Da scheint mir die Nähe zum Pferdemädchen doch zu ausgeprägt.


nnier   (11.03.10, 10:05)   (link)  
What's in a name? that which we call a rose
By any other name would smell as sweet;


Es ist alles Psychologie, das weiß ich schon seit jener Geschichte mit Micky und Goofy, die auch mal im Regenwald unterwegs waren. Ihr ortskundiger Begleiter servierte den Kaffee, und als die beiden ihre Begeisterung über das kräftige Aroma ausdrückten, sprach jener: "Wahrscheinlich von den Raupen, die hineingefallen sind"; das folgende Ausspeien ist dann lediglich angedeutet (Disney halt). Und zum zweiten hat mich die klangliche Ähnlichkeit zwischen Raupen mit und ohne "G" jahrelang grausen lassen, wenn von "Graupensuppe" die Rede war.


doloris   (11.03.10, 11:24)   (link)  
Ich war auch ein begeistertes fast-alles-Kind. Das musste nicht anerzogen werden, in einem Haushalt, wo die Menschen Essen und Kochen lieben und dementsprechend viel Verschiedenes auf den Tisch kommt, scheint mir das normal. Allerdings war meine vorgeborene Schwester ein schwergroßzukriegendes Mäkelkind in jungen Jahren, kaum zu ernähren; mittlerweile selbst begeisterte Mutter und Esserin, ist die nächste Generation entzückend unerschrocken und ernährt sich morgens schon mal mit einem Mix aus Oliven, Mais, Blutwurst, Harzer Käse und anderen Seltsamkeiten.
(Rosenkohl war in der Tat das einzige Gemüse, dass ich als Kind nicht aß; Jahre später las ich aber mal irgendwo, dass es ein bestimmtes Gen-Merkmal gäbe, dass manche haben, andere nicht und das bei entsprechender Ausprägung einem Rosenkohl bitter, sehr bitter erscheinen lässt. Da war es dann klar.)
Was ich bedaure, ein wenig: Territorial und anders begründet, gab es ja nun vieles im ehemaligen Osten nicht, konnte also nicht auf den Tisch kommen, Meeresfrüchte esse ich also bis heute nicht, wenn man von Garnelen und ähnlichem absieht. Und Fisch war auch unterrepräsentiert im Speiseplan, den musste ich mir selbst draufschaffen.
Ansonsten gibt es wenig, sehr wenig, was ich stehenließe oder gar nicht erst anrührte; in einem originalen chinesischen Restaurant down under am anderen Ende der Welt, umringt von 20 plappernden, entzückenden Asiaten, die mich neugierig beobachteten, mich, die exotische Europäerin und die einen Heidenspaß hatten, alles auf der Speisekarte zu bestellen, um mir alles vorzuführen aus ihrer Heimat, machte ich auch erst bei den geleeartigen, gekochten Hühnerfüßen Halt. Die wären nicht mal mit geschlossenen Augen runterzukriegen gewesen.

Und zum Thema "Knigge" hatte ich es erst letzthin mit der großen Schwester und der Erziehungsfrage meiner großartigen Mini-Nichte. Wir sind da recht schnell auf einen klaren Nenner gekommen: Kinder lernen durch Beobachten. Wenn sie nur respektloses, unempathisches Verhalten der Großen vorgelebt bekommen, im Großen und Kleinen, auch vor allem den Kindern ggü., wenn auch die Großen keine Grenzen kennen oder selbst setzen, für sich, muss man sich nicht wundern, was am Ende raus kommt.
Und ja, das ist anstrengend, den Kleinen ständig Vorbild zu sein. Und nein, Stöcke im Rücken sind keine Erziehung, sondern Folter. Einmal kurz innegehalten und sich gefragt, wie man das selbst so gefunden hätte, als Kind, schon erscheint einem das richtig. Aber die meisten Großen vergessen ja ihr inneres Kind, was bei manchen dann gipfelt in der wohlfeilen Aussage: "Ich wurde doch auch ..., mir hat es doch auch nicht geschadet." Doch möchte man sagen, dochdochdoch, guck dich doch an, mit deinem stocksteifen Rücken und den Schmerzen dadurch.


jean stubenzweig   (11.03.10, 14:21)   (link)  
Ach Herr Nnier,
das hätte mich nun doch wirklich sehr arg gewundert, wäre Ihnen dazu nicht irgendeine zeichengetrickte Szene aus Ihrem so wunderschönen üppigen Leben dazu eingefallen. Sie sind ja sowas von verläßlich vom Fach. – Und ich gestehe: Als ich «Raupen» las, lief kurzzeitig ebenfalls so ein Filmchen ab da oben in meinem oberen Kinostübchen. Wahrscheinlich war's auch die klangliche Assoziation, die Madame Damenwahl in die Grausensuppe des Notierens gefallen war.


vert   (11.03.10, 14:29)   (link)  
köstlich. von der raupenpuppe zur graupensuppe.


jean stubenzweig   (11.03.10, 16:34)   (link)  
Der «ehemalige Osten» –
das gefällt mir ausgesprochen gut. Oder so: Ich hab's immer gewußt: diesen Osten hat's niemals gegeben. Bei dem muß es wohl heißen: ex okzidente lux. Das war alles vom Westen für kapitalistsche Notzeiten zurückgelegtes Land, für den Fall, daß die westliche Dekadenz der Meeresfrüchte und des Krebsgetiers überdrüssig würde. Also alles Latifundien der Vermarktungsstrategien. Und trotzdem scheint's nicht so richtig funktioniert zu haben. Dieser Tage habe ich beiläufig vernommen, irgendwelche Lebensmittel würden dort, wo nach falschen Vorstellungen früher die Sonne aufging, die Landschaften der Supermärkte erst dann zu blühen begonnen haben, nachdem die Nahrungsmittelhersteller die alten Namen wieder eingeführt htten. So wurden aus Raupen wieder Graupen.

Ja doch, das ist bekannt: Was der Bauer als Kind nicht gekannt hat, das anzupflanzen weigert er sich ganz gern. Die Brustduftdrüsen sind nunmal elementarer Wegweiser in ein gastrosophisch erfülltes Leben. Ich empfinde es als angenehm, daß meine Mutter Anissamen gekaut hat wie andere anderswo Coca-Blätter. Andererseits bin ich dennoch zu einem Fabrikschnapstrinker geworden und geblieben. Dieses neumodische Zeugs, mit dem man vermeintlich alten Geschmack wiederbeleben möchte, schmeckt mir einfach nicht. Mittlerweile meine ich zu wissen, daß es nicht nur an der Ingredienz Eisenkraut liegt, daß mir der «edle» Pastis nicht mundet, sondern möglicherweise auch an der Duftnote Mode, die ihm für das Volk der selbsternannten Besseresser beigegeben wurde. Man greift teilweise gerne auch deshalb auf sogenanntes Altbewährtes zurück, weil sich auf diese Weise die Gewinne leichter maximieren lassen. Ein paar dieser Genießer finden sich immer, die nicht wissen, daß solche Produkte auch nicht anders hergestellt werden als Normalkost.

Und, das darf nicht unerwähnt bleiben, wie Sie, Doloris, es getan haben: Wer es gelernt hat, alles zu essen, wird sich möglicherweise rascher als andere oder überhaupt mit Ungewissem anfreunden. Gleichwohl es auch andersherum geht. Das hier mehrfach erwähnte Büddenwarderin-Phänomen wäre zu nennen. Man stopfe das Küstenkind nur ordentlich mit Fisch wie die Gänseleber mit Mais, bis es ihm derart aus den Ohren herauskommt, daß die anderen es nicht mehr hören können. Da nutzt es auch nichts, wenn aus der Massenverköstigung die Delikatesse wird. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß ich Fisch heute auch höchst kritisch beäugen würde, hätte ich eine Kindheit lang nicht anderes zu essen bekommen. Und das auch noch, weil der Vater ein leidenschaftlicher Angler war und das Wasser hinterm Haus lag.

Und ja, da sind wir eins: beim inneren Kind. Ich variiere es mal dahingehend: zu wissen meine ich, weshalb manch einer so gerne erwachsen wird oder zwanghaft sein möchte. Es vermag das Leben wesentlich bequemer zu machen, wenn er sich um nichts mehr schert. Allerdings gibt's auch die von Ihnen beschriebenen Härtefälle, die auf ewig in der Dressur steckenbleiben und damit auf andere Weise Nachrückenden ihren Haltungsschaden oktroyieren. Sie nennen es Erziehung, in welcher Form auch immer. Ich weiß schon, weshalb ich nie erwachsen werden wollte.


jean stubenzweig   (09.03.10, 16:20)   (link)  
Umlaute und SZ?
Woher kommen, werter Fährmann der Unterwelt (oder sind Sie der olle Geschichtsschreiber? – vermutlich eher der), denn die auf einmal? Sie sind doch noch gar nicht über den großen Teich geschwommen. Haben Sie sich zu Übungszwecken eine Tatsatur einfliegen lassen?

Ja, der Freiherr, gerne. Mittlerweile gewinne ich tatsächlich, im Grunde bereits seit Jahrzehnten, aber das Internet multipliziert Falschheiten so rasend schnell, vermehrt den Eindruck, man müßte mal eine Aufklärungslawine lostreten. Andererseits dürfte das wieder eine Einschaltquote von unter zwei Prozent haben.

Weshalb, frage ich mich, sollte Languste für Kinder dekadent sein? So etwas war einmal, in bestimmten Gegenden jedenfalls, Grundnahrungsmittel. Und anderswo gehört auch heute Krebsgetier zum normalen Mittags- oder Abendmahl. Sind das emigrierte Deutsche, die solches äußern? Vermutlich haben sie ihre Denke mit in den Umzugscontainer gepackt. Denn die essen auf Reisen auch Brat- gleich Currywurst mit Fritten, beides aus der Fabrik, also nicht deutsche Haute cuisine, wenn es in der Raststätte ein reichhaltiges Speisenangebot gibt. (Selbstverständlich, die Dame und der Herr, gibt es auch Andersdenkende.) Das entspricht meinen langjährigen Beobachtungen, die mir besonders angesichts der Tatsache aufstoßen, daß es mittlerweile auch an deutschen Autobahnen eindeutig besser geworden ist. Wobei ich allerdings nicht weiß, woher die Rohstoffe kommen bzw. inwieweit die verseucht sind. Der oben erwähnte Papa beispielsweise, kein Haus-, sondern ein Geschäftsmann, nimmt sich die Zeit, für alle Fälle etwas vorzubereiten für die Reise mit Kindern. Und er fährt eben auch schonmal runter von der Rennstrecke ins übernächste Dorf, um einen Gasthof aufzusuchen. Dort ist's obendrein, denn er betreibt einen kleinen Laden, schwimmt also nicht im Geld, in der Regel billiger. Aber das ist nicht der Grund des Abweichens von der auch deutschen (Auto-)Route. Es ist die Qualität. Und sich Zeit zu nehmen, das gehört ebenfalls zu einem besseren Leben, das unsereins Kinder ja lehren möchte. Ich habe es, als ich vor einigen Jahren Patchworker wurde, sogar geschafft, beinhart trainierte Konsumenten von Bratklops-zwischen-Fadbrot für anderen Geruch und Geschmack nicht nur zu interessieren. Der Jüngste kocht seinen Besucherinnen mittlerweile sogar was vor. Und das ist nicht nur TV-Kochgeschau. Der ißt das mittlerweile selber gerne. Was nicht heißt, daß er völlig weg ist vom Schnellfreß. Aber ein Beleg ist es, daß es geht.

Bei der Gelegenheit möchte ich mal wieder an Alice Waters erinnern. Denn das betrifft schließlich nicht nur die USA und – da beziehe ich mich auf Ihre Andeutungen – Canada. Ich halte gutes Essen – damit meine ich alles, was nicht aus den großen oder edler beleuchteten oder exclusiver benamten Fabriken der Nahrungsmittelkonzerne kommt – für eine teilweise Verbesserung der Gesellschaft, nenne ich's mal deren Restauration. Es kann nicht angehen, den etwas kleineren Bauern aus der Region, der mit Rind, Schwein, Huhn und allem anderen Getier seinen Hof belebt, ebenso den Fischer et cetera zugunsten dieser Unternehmen der reinen Profitmaximierung zu versenken. Aber es geschieht, sozusagen systemimmanent. Da wird mich jetzt der eine oder andere wieder milde lächelnd anschauen und mich als einen hoffnungslosen Romantiker bespötteln, aber ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß die Menschheit auch ohne Gift produzierende Großkonzerne sattzukriegen ist, in kleineren Ländern allemale. Von Weizen, Mais und so weiter für den Biosprit, der dem Mexikaner seine Tortilla unbezahlbar macht, will ich erst gar nicht (schon wieder) anfangen. Allerdings funktioniert das wirklich nur dann, wenn man bereit ist, fürs Essen mehr auszugeben als fürs Auto, Flach(bild)unterhaltung und sonstige Klamotten. Da sieht's jedoch, ich gebe schon wieder kleinbei, in einigen Gegenden düster aus: Einschaltquote unter zwei Prozent.

Und ja, es verhält sich so, wie Sie's in Ihrem letzten Absatz benennen. Und nachdenken hat noch nie geschadet. Aber das muß ich Ihnen nun wirklich nicht näher erläutern.















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