À propos Wetter Alle sprechen darüber. Nicht erst seit gestern. Der in meinem Dankeschön an den offensichtlich ebenfalls Witterungsbetroffenen Enzoo erwähnte Kohlenpott-Redakteur hat das Mitte der Neunziger nicht nur als stammtischfester Klima-Fachmann getan. Nachdem das letzte Sommermärchen ebenso ins Wasser gefallen ist wie das bisherige Wetter darf man ja kurzzeitig wieder über diese Spielart reden. Demnächst taucht sie ja, wenn auch unter anderen, auf der Geldinsel wieder auf, wenn die Amateure dieser Welt zusammentreffen, um sich allesamt bei ihren Sponsoren zu bedanken. Besagter wird auch Ruhrpott-Rastelli geheißen. Das liegt daran, daß er Vater eines mittlerweile auch nicht mehr so kleinen Sohnes ist, der unbedingt das werden sollte, was sein Erzeuger nie zuwege brachte: entweder schwuler Balletttänzer, was nach Ansicht von Frau Braggelmann so etwas ähnliches wie eine Tautologie ist, zu werden oder aber, noch viel lieber einer wie Stan Libuda oder Gib mich die Kirsche-Lothar-«Emma»-Emmerich. Für den Ball ließ er so manches liegen, mittlerweile möchte man fast meinen, es könnte auch schonmal eine spätnachmittägliche Vorlesung sein, wenn Training für die alten Herrn angekündigt ist. Seine Gattin, so lautet die Mär, habe der in unmittelbarer Nähe zur Villa Hügel Aufgewachsene und sich gerne als Arbeiterkind in Essens Rot-Weiß Präsentierende während eines Heimspiels des VFL Bochum kennengelernt, wo er seit längerem an der Universität akademisch kickt. Hockey bei Schwarz-Weiß hatte ich ihm unterstellt. Leichtathletik hat er schließlich kleinlaut eingestanden. Seine Fußballeritis erinnert an seinen Verwandten im Geiste, Karl Ruhrberg. Der Selige, von dem sich auch viele Jahre nach seinem Tod hartnäckig die nächste Mär hält, wegen eines Fußballspiels seines kölnischen FC auch schon mal eine Ausstellungseröffnungslaudatio in seinem Ludwig-Museum an die Gattin, die er im übrigen nicht in irgendeiner Süd- oder Nordkurve, sondern während der operalen Gesangsausbildung kennengelernt hat, delegiert zu haben, belegt, was uns bewegt: die Sportler und deren Ausflüge auf den Musengipfel. Ralph Köhnen kreiselte einst: «Fußball ist kommentarbedürftig wie abstrakte Kunst», und er charakterisierte, melancholisch-retrospektiv, das kompositorische Phänomen vergangener Zeiten, quasi in einem Ehrenbezeugungs-Suffix gegenüber dem Intellektuellen unter den deutschen Ballzauberern (jenem Conférencier, dessen TV-Suaden mittlerweile nicht minder kommentar-bedürftig sind): «blitzschneller Flirt des Auges mit der Tiefe des Raumes». Nicht nur die jungen Akademiker, auch die alten Herrn durften wieder, nachdem der 68er den Fußball ins Abseits gebolzt und Ober-Rhetor Walter Jens ihn mit seiner fahnenschwingenden Apologie zu irgendeinem runden Geburtsag des DFB («... Versöhnung mitten im Streit») wieder aufs Geviert gepredigt hatte. «Eine Textkultur des interpretatorischen Risikos ist gefordert: nicht sparsam zum Ziel zu kommen, sondern die Verschwendung, die Lust und den Plural zu riskieren als einen Umweg: als ein Abenteuer, das Leser und Text gleichermaßen zustößt», so der Jung-Rhetor 1991 in seinem Leid-Artikel, Günter Netzer oder der Diagonalpaß auch als Textkultur. Der Anglist, Germanist und Kunsthistoriker war es auch, der sich mit Sport-Sprech oder: Der Wontorra in uns allen um Moderation bemühte (sowie die schwatten Perlen vorab würdigte). Allerdings: Den Lorbeer des Geistigen kennen wir. Er liegt täglich in unserer Gen-Suppe des Negierens (nicht von Eliten!). Wem aber der Kranz des Physischen geflochten wird, nach dem sehnen wir uns. Diese Erwählten himmeln wir an. Und mögen sie noch so schlecht gewonnen haben, wie etwa der ORF-Reporter rief: Und wieder ist es uns gelungen, einen hervorragenden neununddreißigsten Platz zu erringen. Mit ORF ist nicht der abgewickelte Sender östlich Brandenburg gemeint, sondern der österreichische Staatsfunk. Da geht nicht Deutschland, sondern der Sport über alles. Ich bin zwar fest entschlossen, den demnächst stattfindenden insulanerischen Sportgipfel zu ignorieren wie das Wetter. Aber ich als mittlerweiliger Passiv-Sportler habe mich, trotz aller Abneigungen gegen diese von nichts anderem als Geld geleiteteten Spectaculae, doch tatsächlich wieder der Tour de France hingegeben. Keine noch so irgendwie gearteten ethischen Richtlinien der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Zuschauanstalten und auch kein vierzehnter Juli haben mich daran hindern können. Ich bin konsequent inkonsequent. Wahrscheinlich werde ich auch in London wieder dabei sein. Aber es geht mir sicher ohnehin wie gehabt nur um eines: beim Anblick dieser Gazellen beim Hüpfen, Laufen und Springen in ein glückliches Verzücken zu geraten, ihnen dabei zuzuschauen, wie sie voller Zuversicht und mit einem Ziel vor dem inneren Auge den Spaziergänger links liegen lassen, als ob sie dem Hintenliegenden davonentschweben könnten.
Unterwegs auf dem Weg zum eben mal Wegsein. ![]() Il est aisé d'aller à pied quand on tient son cheval (deux cheveaux) par la bride. Zwar führt mich mein Spaziergang nicht nur ins Nachbardorf, auch nicht nach Austerlitz, sondern weiter weg ins Außerhalb der virtuellen Welt., und das nicht auf wackligem Geläuf. Die Ente pumpt und trägt mich ja wieder. Deshalb gebe ich für ein paar Tage Ruhe hier.
Sich durchs Restleben trödeln? ![]() All das erfüllt nach wie vor einwandfrei seine Funktionen. In meinen weit verstreuten Fundi befindet sich davon um einiges mehr. Ich gehöre zu denen, die aber auch nichts wegschmeißen wollen, und werde es auch noch so selten benutzt. Vielleicht sollte ich umsatteln vom rentnerischen Privatier zum allzeit bereiten Brocanteur. Aber das wäre dann wieder mit Arbeit verbunden, der ich mich, so lange ist das auch wieder noch nicht her, glückli-cherweise entziehen konnte. In Marcel Pagnols Buch Le Château de ma Mère (1990 verfilmt zu finden unter der deutschen Übersetzung Das Schloß meiner Mutter), den zauberhaften Erinnerungen dieses Marseillais, in denen die provencalische Sonne wirklich aufgeht, im Kopfkino also, in dem es keine Hollywoodfilme braucht, lese ich auf Seite 162: «Mon père lui apporta un jour un livre qu'il avait trouvé chez le brocanteur.» Aber man versuche heutzutage mal, ein Buch zu verkaufen. Der Trödler runzelt dabei nicht einmal mehr die Stirn. Tonnenweise hat er sie in seinen Hinterzimmern herumstehen. Ich habe vor einiger Zeit versucht, der höheren Lehranstalt des Töchterleins fast meine komplette Bibliomanie zu schenken, jedenfalls den Teil, der in vielen Kartons auf Dachböden dahindarbt. Nicht einmal doch immer wieder verlangte herausragende Wälzer zur bildenden Kunst konnten die verantwortliche erzieherische Jungakademikerin dazu verlocken, mal einen Blick darauf zu werfen. Frau Braggelmann ist die einzige mir näher Bekannte, die an ihnen noch Freude hat, bei der ich also ablagern darf. Aber selbst die läßt in letzter Zeit immer wieder mal Bemerkungen fallen, nach denen sie Überlegungen anstellt, Regale samt deren Inhalte um die Ecke zu bringen. Nun gut, sie brauche Platz für Kunst. Aber ob das eine Alternative ist? Mancher hat großartig gezeichnet und trotzdem, nein, gleichermaßen Erzählungen gemalt, Henri Michaux zum Beispiel. Und die kann man auch noch nach Lust und Belieben auslegen, mit Ein gewisser Plume ein deutschfranzösisches Wortgewusel treiben, in die Hartelinie übernehmen: Plüm est facé. ![]() Ich werde ab morgen ein Weilchen unterwegs sein, also richtig, so ohne Verbindung zur virtuellen Welt. Noch nicht beantwortete Kommentare und sonstige Anmerkungen mögen sich also bitte ein wenig gedulden. Denn jetzt ist erstmal Zeit fürs rentnerische Nickerchen.
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