Vermeidungs-Hedonistin

Nachdem ich bei der non amusé Kopfschüttlerin einen Kommentar hinterlassen habe, der da lautet:

Auch ich war nicht sonderlich amüsiert. Doch dann schaltete ich mein Gehirn ein und kam zum Schluß, daß es nicht der Euro ist, der den Preis bekommen hat. Ich vermute, sehr viele Menschen machen es an ihm fest. Ausgezeichnet wurde jedoch die Idee der Gemeinschaft.

Wenn sich meine Zweifel daran auch nicht gänzlich zum Positiven hin geändert haben, basiert all das letztendlich doch auf nichts anderem als dem gemeinsamen wirtschaftlichen Tun sprich Handel. Und für Krieg war die EU zudem mit verantwortlich: in Bosnien.

bin ich bei Melusine Barby auf deren Meinung gestoßen, bei der es letztlich ebenfalls um den Mammon geht. Doch ich empfinde deren Reaktion auf den den Friedennobelpreis für die Europäische Union so bemerkenswert ins Alltägliche hinein beobachtet, daß ich mir erlaube, hier einen Tel davon nachzudrucken:
«Blöder geht immer. Der Friedensnobelpreis für die EU. Barroso wird ihn abholen und Griechenland kriegt das Geld. Von wegen. Kein Frieden ohne Kapitalsicherung. Stimmt doch. Wo soll es auch hin, das liebe Geld, wenn's nirgendwo mehr höhere Renditen gibt als in der Rüstungsindustrie? Das gilt es zu ändern. Die Kommission arbeitet daran. Auflage von Zertifikaten. Emissionen. Luftnummern. Ich habe nie einen verstanden, den Geld kreativ macht. Aber das gibt es. Es gibt Menschen und Leute. Manche tun was für Geld, obwohl sie genug davon haben, jedenfalls mehr als sich gegen Lust eintauschen lässt. Eigentümlich ist, dass das keine Hedonisten sind. Nie. Weder Schmerzvermeider noch Genussmenschen, sondern Angst- oder Machtbesessene (meist beides). Es muss oben und unten geben, damit man sich orientieren kann. Statussymbole. SUV. Das ist ein sicheres Zeichen, zum Beispiel. Ich habe noch nie eine oder einen getroffen, der oder die aus einem SUV klettert, und ansprechbar ist. Oder zuhörbar. Oben gesessen. Den Arsch nicht breit, sondern durchtrainiert. Man fährt ein Auto mit Sitzheizung und trainiert täglich 7 km. Effizienz. Ganz wichtig. Effiziente Lösungen. Her damit. Und dann ab ins Auto. Oder den Flieger. Auch Billig. Da sind die nicht so. Das kratzt längst nicht mehr am Image. Auf´s Geld achten. Auch eine Form von Achtsamkeit. Wenn man ‹Leute› sagt, fängt die Menschenverachtung an. Es ist leichter Leute zu verachten, deren durchschnittliches monatliches Monatseinkommen über 5000 € liegt. Was auch blöd ist. Aber Spaß macht. SUVs zerkratzen. Und so. [...]»
Weiterlesen bei Melusine Barby: Über Menschen und Leute (repressive Toleranz)
 
Sa, 13.10.2012 |  link | (1169) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Fundsachen



 

Eine Geschichte in Bildern

«Nicht von ungefähr», schreibt Veit Loers vom Kunstraum Innsbruck, «erleben wir seit den späteren sechziger und früheren siebziger Jahren in der bildenden Kunst ein paralleles Phänomen: die konzeptionelle Story-Art, bei der gefundene und erfundene Fotoserien eine Geschichte erzählen und Texte die Bilder semantisch aufladen. Künstler in diesem Genre waren Victor Burgin, Duane Michals und Hans-Peter Feldmann, um nur einige zu nennen.» Bei dem «parallelen» Phänomen handelt es sich um die Chronik einer Affäre, Mai 1969 — Dezember 1970, die jetzt als Katalogbuch erschienen ist. Genau genommen ließe es sich, um ein weniger im Aktuelleren oder auch Bekannteren zu bleiben, als nachlaufender Vorläufer der durchaus bewegenden Lebens-geschichte(n) etwa von Christian Boltanski bezeichnen. Etwas weiter ausgeholt ist es auch auszumachen in der nicht unbedingt künst-lerischen, sondern eher dem Beleben eines historischen Bewußtseins der Allgemeinheit dienenden Aufforderung von Wolfgang Ruppert aus den Anfängen der achtziger Jahre, die er Erinnerungsarbeit nannte und die zu einer Demokratischen Identität führen sollte. Mittels zahlreichen Photographien in der für diese Zeit typische «Farblosigkeit» als gegenüberstellendes Synonym für die heutige Schreierei der Farben, diese überdimensionierte Buntheit, eine dominierende farbliche Blässe, geradezu eine Eintönigkeit, durchaus als Symbol der Epoche zu sehen, die als die der Achtundsechziger in die Annalen einging, ist es vermutlich konkreter nachzuvollziehen als in der aktuellen Nachfärberei der immer schneller laufenden Bilder. Mehrere Dokumente in Form von teils hand- und maschinengeschriebenen Briefen, Gaststubenrechnungen, Landschaftsaufnahmen, tagebuchähnlichen Einträgen und immer wieder die für diese Zeit typisch hochtoupierte Margret in allen erdenklichen Posen, all das führt zu einer Lebensgeschichte, die hier durchaus zur Kunst geworden ist, in einer Ästhetik, die sich in zunehmendem Maß autobiographisch äußert. Es handelt sich um ein Phänomen, das hier noch in den Anfängen steckt, das mir allerdings vor längerer Zeit in Lateinamerika begegnete, in Ansätzen beispielsweise durch Lygia Clark. Susanne Pfeffer als weitere Autorin hat im Buch notiert:

«Der Versuch der emotionslosen Beschreibung einer Liebesbeziehung ist gescheitert. Das Protokoll ist zu einem verschachtelten Beziehungsgeflecht geworden. Am Ende der Lektüre verschwindet alle Distanz, alles Erlebte scheint nah. Margret ist längst kein beschriebenes Objekt mehr — die nüchterne Distanzlosigkeit hat den außenstehenden Leser erreicht.»


Klappentext:
«Ein Kölner Geschäftsmann führt akribisch Buch über die Affäre mit seiner Mitarbeiterin Margret. Als Leser ist man ‹Günters› Voyeurismus schutzlos ausgeliefert. Mit Hunderten von Photos vor und nach dem Sex, in Kurparks und in neuen, von ihm gekauften Kleidern, nichts bleibt verborgen. Manchmal denkt man, dass er alles für eine Veröffentlichung inszeniert hat. ‹10 Uhr vormittags M. zu Hause abgeholt. angeblich nach Bad Neuenahr zur Mutter gefahren. In Wirklichkeit nach oben. M. gekocht. Rinderschmorbraten, Kartoffel, Salat. Mittag um 1 Uhr gegessen und bis 1 Uhr 45 Fernsehn gesehen, alsdann ins Bett›, notiert er am 29.11.1970. Spießiges und Obszönes reihen sich nahtlos aneinander. Erwähnung findet das ‹Rotbarschfillet mit Feldsalat und schönen Kartoffeln› sowie ‹Rückenlage und die Spezialstellung›, anderntags wird ‹Einweihungsfeier begangen trotz Tage›».

Margret: Chronik einer Affäre
 
Fr, 12.10.2012 |  link | (2102) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Form und Sinn



 

Ein letztes Lächeln in die Ermitage

Rund dreißig Jahre ist es her, da ging ein guter Bekannter, heute würde man ihn bei Gesichtsbuch einen Freund nennen, ein Kollege in den Ruhestand. Ich schätzte ihn sehr, er war der einzige Sachse, dessen Dialekt in meinen Ohren keinerlei Mißklang erzeugte, wohl auch deshalb, da er ihn konstant mit diesem Mutterwitz seiner Region sprach, dessen Schwester eine köstliche Ironie zu sein scheint. Lange Zeit war er zentrale Anlaufperson eines Unternehmens, das sich der Kunst- und Kulturförderung, ein Begriff, der heute ausnahmslos in dem des Sponsoring aufgegangen ist, das den Mäzen nicht mehr kennen will, da der nicht ausreichend Werbewirksamkeit erzielt, verschrieben hatte. Ein außerordentlicher Fachmann war er, der in jungen Jahren nach seiner Übersiedlung aus der DDR sein kurz vor der Vollendung stehendes Studium der Kunstwissenschaften dann in der Fakultät Kunstgeschichte in der BRD fortsetzen wollte. Es kam aber über die Immatrikulation nie hinaus, wurde er doch quasi in eine berufliche Laufbahn als Vermittler und Berater hinausgeschossen, auf Umlaufbahn geschickt wie ein Satellit, ein Sputnik eben, einer aus dem Osten mit einer geradezu herausragenden Ausbildung, reich an Kenntnissen der Kultur, dem keine Verbindung zwischen den Disziplinen verborgen blieb; es war noch eine andere Zeit, in der im Westen der Anschluß an die Welt der Arbeit rascher vonstatten ging als heutzutage. Sein Werdegang nahm seinen Anfang als Berater von Galerien und Kunstsammlern, das in Deutschland ansässige US-Unternehmen versicherte sich bald seiner Dienste. Fortwährend reiste er durch die Lande, es gab kaum eine Veranstaltung, zu der er nicht eingeladen worden wäre. Er nahm sie allesamt an, soweit es seine Zeit zuließ. Auffällig war dabei, daß er nicht allzuviel Freude an den begleitenden Partyplappereien hatte. Bereits bei Vernissagen fiel er, in kleiner Runde ein ungemein unterhaltsamer Plauderer und auch Diskutant, durch Zurückhaltung auf. Das dort übliche Herumgereichtwerden war ihm unangenehm. Wirklich wohl fühlte er sich lediglich unter Künstlern, welcher Art auch immer, am liebsten saß er mit anderen am Tisch, gerne in einem Restaurant, im Wirtshaus, in der Kneipe. Das persönliche Gespräch, beileibe nicht nur unter Gleichgesinnten, erfüllte ihn weitaus mehr als seine im Lauf der Zeit ihn immer mehr beanspruchende Aufgabe seines Auftraggebers, zu vermitteln zwischen Leihgebern, welcher Art auch immer, und Geldmachern. Die obere Etage der Sponsoringgesellschaft behagte ihm nicht sonderlich, die dächte, meinte er einige Male, immer nur an eines, an die sogenannte Erotik des Mammons, der dekorierenden Umgebung, an Innenleben zeige sie kein wirkliches Interesse.

Der bekannte Tabakwarenhersteller zog sich aus der Förderung der bildenden Kunst zurück und wandt sich zukunftsorierentiert jüngerem Publikum, der populäreren Musik zu. Da sah er sich bereit für den Ruhestand. Versorgt war er, seine Lebensart war keine des ihn umgebenden Luxus und Moden, die verdienten Honorare waren gehortet worden, seinerzeit nannte man solches Sparen, der Strumpf war gut gestopft, Zukunftsängste kannte er nicht. Lediglich eines fürchtete er über alle Maßen: abgeschnitten, ausgeschlossen zu werden von dem, das Kunstbetrieb genannt wurde und wird, er suchte sein Heil in einem für seine leicht unterkühlte Art, heutige Weltkenner würden sie vielleicht als very british erkennen, nahezu leidenschaftlichem Engagement für Berlin als Bundeshauptstadt, als künftige Metropole Europas. Als ein wenig wehleidig belächelte ich ihn, es war mir nicht vorstellbar, daß ausgerechnet er aufs Abstellgeleis geschoben würde. Doch tatsächlich sparten die zuvor übereifrigen Gastgeber von Veranstaltungen nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geradezu schlagartig die Einladungen ein. Als Bindeglied zwischen Kunst und Geld war er ausgesondert worden. Als Gefährten, die ein Stück des beruflichen Wegs gemeinsam gegangen waren, trafen wir uns noch hin und wieder, wobei ich ihm darüber zu berichten hatte, was sich so tat am Rand des Laufstegs um die Künste. Auch mir, der ich mich, wenn auch sehr viel später gänzlich freiwillig aus diesem oberflächlichen Gewusel, das ich ohnehin als artverwandt mit Freundschaften nach den «modernen» Kriterien des Gesichtsbuchs gleichsetze, zurückgezogen habe, war er, ein wenig dieser Logik unterlegen, ebenfalls aus dem Blickfeld geraten. Nun wurde mir in meine Eremitage weitab der Kulturevents zugetragen, er sei völlig vereinsamt dahingegangen. Vergessen auch von mir. Aber sein sächsisch humoriges Lächeln ist mir geblieben.
 
Mi, 10.10.2012 |  link | (2359) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftsspiele



 







Werbeeinblendung

Jean Stubenzweig motzt hier seit 6027 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



... Aktuelle Seite
... Beste Liste (Inhaltsverzeichnis)
... Themen
... Impressum
... täglich
... Das Wetter

... Blogger.de
... Spenden



Zum Kommentieren bitte anmelden

Suche:

 


Letzte Kommentare:

/
Echt jetzt, geht noch?
(einemaria)
/
Migräne
(julians)
/
Oder etwa nicht?
(jagothello)
/
Und last but not least ......
(einemaria)
/
und eigentlich,
(einemaria)
/
Der gute Hades
(einemaria)
/
Aus der Alten Welt
(jean stubenzweig)
/
Bordeaux
(jean stubenzweig)
/
Nicht mal die Hölle ist...
(einemaria)
/
Ach,
(if bergher)
/
Ahoi!
(jean stubenzweig)
/
Yihaa, Ahoi, Sehr Erfreut.
(einemaria)
/
Sechs mal sechs
(jean stubenzweig)
/
Küstennebel
(if bergher)
/
Stümperhafter Kolonialismus
(if bergher)
/
Mir fehlen die Worte
(jean stubenzweig)
/
Wer wird schon wissen,
(jean stubenzweig)
/
Die Reste von Griechenland
(if bergher)
/
Richtig, keine Vorhänge,
(jean stubenzweig)
/
Die kleine Schwester
(prieditis)
/
Inselsommer
(jean stubenzweig)
/
An einem derart vom Nichts
(jean stubenzweig)
/
Schosseh und Portmoneh
(if bergher)
/
Mit Joseph Roth
(jean stubenzweig)
/
Vielleicht
(jagothello)






«Ist Kultur gescheitert?» ? «Bitte gehen Sie weiter.»



Suche:

 




Anderenorts

Andere Worte

Anderswo

Beobachtung

Cinèmatographisches + und TV

Fundsachen und Liebhaberstücke

Kunst kommt von Kunst

La Musica

Regales Leben

Das Ende

© (wenn nichts anders gekennzeichnet): Jean Stubenzweig





pixel pixel
Zum Kommentieren bitte anmelden

Layout dieses Weblogs basierend auf Großbloggbaumeister 2.2

pixel pixel