Die Drei (français)

Gibt's nicht! Gibt's nicht.

«Nö. Dass es dieses Foto gibt, das glaub ich einfach nicht. Das ist für mich die Versammlung der großen musikalischen Geister, der Grund für meine Frankophonie. Und der Grund, weshalb ich es nicht fassen kann, dass diese Nation als Kollektiv auch nichts kapiert hat — da musste nur Arthur Koestler lesen, oder den einhufigen Sarkozy angucken. Nichts kapiert.»

Ach Hans, das hatten wir doch schonmal! Erinnere Dich: bei Schmoll et copains, ganz unten: Les vieux copains. Ich meine, Du hättest damals schon verblüfft reagiert. Bei mir bewirkt das Alter zunehmende Erinnerung. Na gut, es schwemmt erst mehr Jugend, dann Kindheit nach oben. Bald bin ich wieder drinnen, in meiner Mutter (Himmel oder wer auch immer: hilf! Nicht nochmal Champagner zum Frühstück). Aber ja: das Kurzzeitgedächtnis läßt nach. Wie bei Dir.

Vor, sag ich mal, nicht ganz zwanzig Jahren sah ich die anderen Die Drei, die französischen eben, die Herren Götter bei der elektrisch und von einem Bierchen — Du weißt ja sicherlich, daß ein Franzose, selbst wenn er aus Belgien stammt, selten mehr als eines trinkt, es sei denn, er hat vor einer Woche eine Fußballweltmeisterschaft gewonnen — verstärkten Conversation auf einem marché aux puces in Strasbourg auf dem Boden liegen. Zwar war es ein jämmerlich verdruckter Raubdruck, trotzdem war ich damals ähnlich hingerissen wie Du gestern. Gut erinnere ich mich noch an den Preis: zehn Francs, das waren etwa drei Mark. Da hab ich dreißig investiert und ein paar Menschen eine Freude gemacht. Doch irgendwann hatte ich es nicht mehr, das Bild, wer auch immer weiß darum. Also machte ich mich auf die Suche. Wo ein Raubdruck ist, muß auch ein Original sein. Schwierig war's. Mit dem Internetten war ja noch nix. Und in den sehr beliebten und überall vertretenen Läden mit den Affiches hast du jede drittklassige Gesangeströte aus den USA oder dahergelaufenen waschbrettbauchigen Acteur de État-Unis gesichtet, nur eben keine abgebildeten wirklichen Götter (in deutschen Landen hatte man allein beim Klang solcher Namen Assoziationen von Froschschenkelglibber und sich angewidert abgewandt). Jedenfalls in der Provinz. Und Provinz ist alles außer Paris (wenn auch dort die meisten Provinzler wohnen, wie in Berlin oder München). Dort bin ich dann auch fündig geworden. In einem riesigen Poster-Laden vis-à-vis des Centre Boubourg hatte ich kaum Brel, Ferré, Bras ... angeräuspert, da hatte der Verkäufer auch schon nach oben zum Himmel gezeigt, wo sie hingen, und war mit einem dreifachen Ouiouioui Monsieur losgerannt, um mir Die Drei aus dem Regalständer zu holen. Das muß einen Nachdruck bewirkt haben, denn kurz danach tauchten die Photographien in drei verschiedenen Formaten überall auf, zumindest in Städten, die mehr als 500.000 Habitants aufzuweisen haben (was eher selten vorkommt in France). Ich habe sie auch immer wieder gekauft, auch wenn sie mittlerweile erheblich teurer geworden waren. Fünfzig Francs damals in Paris, ein oder zwei Jahre später in Lyon dann schon hundert. Vermutlich hat sich jemand der Distribution angenommen. Möglicherweise steckt die nach dem Tod von Léo Ferré gegründete, in Monaco sitzende Verwurstungsmaschine La mémoire et la mer dahinter. Und sicherlich kann man das Bild mittlerweile auch übers Internet beziehen; aber man muß wohl auf die französischen Seiten gehen.

Na ja, und — Sarkozy. Ich hab's prophezeit. Aber es hat kaum jemand auf mich gehört. Dann haben sie geklagt. In Frankreich gibt's ja längst so viele Geldgestörte wie rechts des Rheins. Mittlerweile haben sie sogar angefangen, mit restaurierten Döschewoh herumzufahren — ich hab's selber kürzlich in Avignon gesehen. Zweitwagen für Besserverdienende. Sowas gab's früher nicht. Da fuhr man zum Einkaufen mit dem Ding und nicht zum faire du shoping. Allenfalls in die Kneipe. Das haben sie von ihrem Blick über den Grenzfluß. Sie sind es, die für den ungarischen Migranten in den Wahlkampf gezogen sind, diejenigen, die das von ihm propagierte neue Frankreich wollten. Und nun? Nun läuft's doch nichts so, wie sie sich das vorgestellt haben. Wird's nun doch ein föderales Stückchen Welt-Europa? Warten wir's ab. Aber vermutlich wird Sarkozy das aussitzen wie weiland Kohl. Ja, Hans, so ist es: Frankreich hat sich sehr verändert. Was man da machen soll? Richtig: Weitermachen.

Aber eher in der Art: Es gibt viel zu tun, warten wir's ab. (Ist das Achternbusch oder ein bei ihm abgekupferter Spontispruch?)
 
So, 06.07.2008 |  link | (1929) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ansichten


hap   (06.07.08, 22:29)   (link)  
Nö, noch nicht
"Ich meine, Du hättest damals schon verblüfft reagiert." Hab ich nicht, weil ich das Bild nicht gesehen habe. Verblüffend finde ich, dass die drei - Brel, Ferré, Brassens - auf einem Bild zu sehen sind. Ferré hab ich ja nur am Rande wahrgenommen in meiner jugendlich frankophilen Lebenszeit - Barbara und Gilbert Bécaud und Adamo waren wichtiger. Ich musste erst ein paar Jahre an Leben und Erfahrung zulegen, bis ich wirklich auf Leo Ferré mit der Nase gestoßen wurde: Von Gisèle, Burkhardts Lebensgefährtin. Dann aber ohne Umkehr - vive Ferré. Meine Güte, wie oft diese Frau mich auf das Richtige aufmerksam gemacht hat.
Bleib froh!
Hans


jean stubenzweig   (07.07.08, 00:45)   (link)  
Barbara
und Gisèle selig. Ja, die hat sie sehr gerne gehört. Oftmals stundenlang. Vermutlich aus denselben Gründen wie dieser Herr hier, der sie mit viel Sentiment ehrt. Beachtlich. Eine beachtenswerte Dokumentation!















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6025 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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