Biederb(r)aumeister

Weil's ein Thema ist und aus gegebenem Anlaß auf die Seite 1 gehoben.

Auf Helmut Jahn aufmerksam wurde ich mit dem Messeturm in Frankfurt am Main, der um 1990 eingeweiht worden sein dürfte. Da überkam mich jenes Schaudern, das mich nach wie vor überkommt, wenn von postmoderner Architektur (von verbeamteten oder demokratisch gewählten Baukunstexperten immer noch) gesprochen wird — dieser von Jonathan Borofskys global aufgelegtem hämmernden Mann illustrierten Mainhattan-Tower stellt für mich das Symbol dieser trivialeklektizistischen Baukunst dar. Nun gibt es sicherlich erträgliche Ergebnisse dieser Postmoderne (übrigens ein Begriff, der mit der Literaturtheorie der sechziger Jahre aufkam und vom Architekten Charles Jencks in eine Sprache überführt wurde, die bald von vielen gesprochen werden sollte: so etwas wie das Denglish oder der Germslang des zeitgenössischen internationalen Bauens der Siebziger bis Neunziger). Aber was Jahn an weiterentwickeltem Architektur-Kauderwelsch überall hingestellt hat und stellt, war und ist die Ausgeburt dessen, was da gerade zusammengekracht ist: der Geld-Schein. Nicht beton brut im Sinne eines (oftmals bewußt mißverstandenenen) Le Corbusier, also der reine Beton, das sichtbare Material, sondern das protzig zugehängte derer, die dem Volk zeigen wollen: Schaut, hier ist euer Geld gebunkert. Sicher. Und da das Volk sich nunmal gerne beeindrucken läßt, im besonderen die kleinen Bankschalterangestellten, die sich gerne Bänker nennen und für mich in der Achtung weit unter den zeitgenössischen Bäckern stehen, weil die nämlich wissen, daß sie den Leuten Chemiegemisch als Brötchen zusammenrühren, klebt Jahn hier eine Applikation aus edlem Gestein hin und stülpt dort ein bißchen Tand über schlichten Entwurf und banalen Baustoff, nennt es, meinethalben, Phantasie des Fortschritts und wird von den vielen Bankkaufmannsgehilfen oder BWL-Bachelors und den ein bißchen Rendite begehrenden Sparanlegern auch staun- und glotzäugig und letztlich auch noch stolzbrüstig so wahrgenommen.

Gerade am Beispiel der jahnschen Architektur wird deutlich, was in den Köpfen ihrer Bauherren vorgeht: so stellen sich die Lieschens und Fritzchens Müller bis hinauf in die Vorstandsvorsitzendenetage vor, würden Ludwig der Vierzehnte, besser vielleicht der Bayern-Kini vermutlich gebaut haben, lebten sie in der Jetztzeit. Es ist das Architekturdilemma schlechthin, daß immer wieder ein solcher (Ver-)Blender wie Jahn seine protzige Einfallslosigkeit aus einer seiner drei Schubladen ziehen darf. Aber vom Schein lebt diese Gewinnmaximierungsgesellschaft nunmal. Und ausgerechnet der Moderne werfen diese aber auch rein garnix wissenden Apologeten der Nachmoderne ff. vor, sie sei der Verursacher der Unwirtlichkeit unserer Städte; von dieser Formel haben sie irgendwann mal gehört. Daß die sogenannten Highlight-Towers in München ausgerechnet an der Mies-van-der-Rohe- beziehungsweise Walter-Gropius-Straße liegen (dürfen? müssen?) — am Ende hat man diesen Bau mit diesen Namen aufgewertet (die beiden können sich ja nicht mehr wehren) —, schlägt der Architekturgeschichte die Wirklichkeit der Ignoranz in die Bücher. Das wäre ein Grund gewesen, die Stadt zu verlassen, um in Kurz-vor-hinter-Sibirien Ananas zu züchten. Aber ich war glücklicherweise schon weg, um im tiefen Süden das Stangeneis zu produzieren, das meine Wut über diese Art von Kultur(-verständnis) runterkühlt.

Bremen im schönen jahnschen Schein. Das ist, mit Verlaub, so provinziell, wie's provinzieller nicht mehr geht. Es deckt sich mit den Eindrücken, die ich noch jedesmal hatte, wenn ich dorthin kam: irgendwie eine etwas zu groß geratene Kleinstadt. Über das neue Bremen muß ich mich erst noch richtig informieren, aber so viel sehe ich jetzt schon: Hamburg holt sich die meines Erachtens zu recht gepriesenen Herzog und Meuron für die Elbphilharmonie, die eine Synthese aus alter und neuer Architektur bauen; das ist, wenn's denn durchdacht ist, ein immer erstrebenswerter Ansatz, da er Fortschreiten und Rückblicken zugleich zeigt, da in der Zukunft auf die Vergangenheit verwiesen wird (ein Beispiel). Bremen aber läßt diesen Kerla bauen, der ständig auf der Suche nach Mitteln ist, sein fränkisch-kleinteiligiges Denken zuhängen zu können. Nie möge der Verdacht aufkommen, eigentlich säße er ja lieber im Bratwurstglöckla oder braute und/oder söffe beim weit- und weltfernen Schlenkerla Rauchbier. Dieser provinzielle Nörmbärcher Provinzzubetonierer (nichts gegen Betonfacharbeiter aus der Provinz!), dieser (Vor-)Gaukler, der so gerne bei Hofe auftreten möchte, aber immer nur vom hinterwäldlerischen Niederadel eingeladen wird, der nichts zu bieten hat als niederes Wild, also Karnickel und ein paar aufgeschreckte Hühner, weshalb die unteren Grade der höfischen Gesellschaft auch so heißen, er möge dem unterworfen werden, was Herr Pfitzinger als weltweites Motto vorgeschlagen hat: «No Jahn inside». Womit nicht der mit den Hendln gemeint ist! Aber dessen Architektur ist ohnehin längst zusammengebrochen ...
 
Mi, 08.10.2008 |  link | (826) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Form und Sinn














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