Faire Ritter «Raus aus der Müsli-Ecke» titelte die Süddeutsche Zeitung, die sich gestern aus einem Altpapierstapel1 heraus zu Wort meldete, auf ihrer Panorama-Seite, die bekanntlich Das Letzte vermittelt: Mord, Totschlag und Prominente, die andere Prominente und/oder deren Hausangestellte massakrieren und so weiter. Prominente oder solche, die es gerne sein möchten, also diejenigen, die zu Vernissagen von prominenten Künstlern, zu Lesungen von prominenten Literaten oder Philosophen in irgendwelchen prominenten Literaturhäusern, zu prominenten Tenören oder Sopranistinnen in teilweise eigens für sie erbauten und somit prominent gewordenen Festspielhäusern pilgern, die bei Kochgeflüster (neukanzlei-deutsch: Convivien2 — Tafelrunden und deren Ritter) mit zeitverzögertem Speisen den silberen Löffel rumreichen, sie alle retten ja bekanntlich mittlerweile die Welt; sie verbessern außerdem das Klima. Doch zunächst ist hierzulande ein weiteres Glied der Rettungs(lichter)kette einzufügen: die Ärmsten der Armen. «Hier werden Sie geholfen», predigte einst die schöne Verona Pooth geborene Feldbusch geschiedene Bohlen zu Hamburg. Fairtrade heißt der Zündschlüssel des Spielzeugautos mit den acht oder auch zwölf Elektrozylindern, mit dem sie seit einiger Zeit zur neuen Art des Shoppens hoppen. Nicht mehr nur trendy Bio (aus Chile oder China), sondern auch noch fairer Handel. Also auch denjenigen ein bißchen was von dem zukommen lassen, was sie selbst mehr oder minder im Überfluß haben (was aber erwiesenermaßen mit für die Zerstörung nicht nur der Finanzwelt verantwortlich ist): Kohle. Bei den Vernissagen sind sie sich einig: Unsere Tochter kann das auch3 oder besser als dieser, wie heißt er noch, dieser Ami-Krakler aus Italien ...? Das Buch, das sie sich vom Spitzenreiter der deutschsprachigen Philosophenhitparade haben signieren lassen, legen sie, ungelesen, aber gut sichtbar, auf den Vitra-Tisch; der im Keller versteckte Dan Brown ist spannender. Mit der Singerei in den Konzertsälen können sie eher weniger anfangen; wenn die langsam tafelnden Ritter der Convivien zu Gast sind, legen sie Abba in der Interpretation von Anne Sofie von Otter auf, wenn alle weg sind, gibt's dann wieder Bratwurst an Kartoffelsalat vom Billigheimer und Abba pur. Und was geht sie das ganze Gschwerl an, aus Indien, Südamerika oder wie die ganzen abseitigen Erdteile sonst noch heißen? Die Frau vom Chef von ihrem Mann hat sich so eine dieser «Tetrapack-Taschen» gekauft, «aus Recycling-Material also [...], eine hübsche Tasche im Patchwork-Stil [...], sie kostet 13 Euro und ist ideal für die Großstädterin aus dem Westen». Die hatte das in der Süddeutschen gelesen. «Ich engagiere mich für die Dritte Welt», das stand da auch drinnen. Dritte Welt? Eigentlich, das hatte man ihnen im Religionsunterricht beigebracht, gibt's doch nur eine. Aber es kann sich ja einiges geändert haben, seit sie aus der Kirche ausgetreten sind; sie selber kommen ja kaum noch zum Zeitunglesen. Nun gut, sei's drum, machen sie eben mit. Es macht sich auch ganz gut, denn seit sie dem Papst den Rücken gekehrt haben, fehlt ihnen ohnehin was Anbetungswürdiges.
gerechter konsum als hintergrunderfüllung? warum nicht. da kann man wirklich einen größeren knall haben. in klassischer relljohn ist derlei praxis ja eher theoretischer natur. (man müsste mal...den hungernden negerkindern usw.... warum die hungern? tja, da ist man weiß gott überfragt.) >> kommentieren "Unsere Tochter kann das auch":
Umgekehrt ist auch was wert. Ein kleines, vier- bis fünfjähriges Kind in der expressionistisch-abstrakt-modernistischen (für eine Handvoll Dollar noch mehr) Kunstausstellung zur Mama: "Was soll denn das sein?"Mutter, empört und laut: "Für dich muss Kunst wohl immer etwas Gegenständliches darstellen!?" Das Kleine
dürfte vermutlich Absolvent einer Kindergartenakademie sein, wo die Tante nach kulturministeriellen Verordnungen lehrt: Kunst muß immer etwas Erkennbares darstellen. Nicht jedem Kind ist gegeben wie dem Sohn des Künstlerfreundes, der in der Vorschule der Nation brav seine Häuschen und Bäumchen malte, aber sobald er wieder bei Papa im Atelier war, den Pinsel schwang, wie Cy Twombly gezeichet hat. Oder anders: Pablo Picasso hat mal angesichts von Kinderbildern gesagt: Dazu habe ich dreißig Jahre gebraucht.
Slow Food und Fair Trade haben nicht unbedingt etwas gemeinsam. Bei Slow Food geht es mehr ums Geniessen. Fair Trade dagegen ist das was es sagt: Fairer Handel. Und der ist was Gutes.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gepa Habe ich
behauptet, daß die beiden miteinander zu tun hätten?Bei Slow Food geht es nicht nur «mehr ums Genießen», sondern angefangen hat es mit dem Erhalt bzw. der Rettung regionaltypischer Nahrungsmittel. Und sollte ausgerechnet ich was gegens Genießen haben? Was mich stört, steht doch da oben. Daselbe gilt für Fairen Handel. Auch gegen den habe ich mich nicht ausgesprochen. Jedenfalls wüßte ich nicht, wo das steht. Ach – es steht doch alles da oben.
Was da oben steht, ist das eine oder andere Haar, das Sie in der Suppe gefunden haben.
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