Platonische Nachbarschaft Seit ein paar Wochen habe ich eine neue Nachbarin. Sie fiel mir, als ich meine neugierigen Augen in ihre noch leere Wohnung inspizierend wandern ließ, bereits durch ihr Äußeres sofort angenehm auf. Ein Frauentypus präsentierte sich mir, der schon immer verführererisch auf mich wirkte: balletinisch schlank, kurzhaarig, wache, geradezu blitzende Augen, die eine von Humor beseelte Intelligenz zu belegen schienen. Nie hat mich ein solcher erster Eindruck getrogen. Nahezu ausnahmslos wurde aus solchen ersten Bekanntschaften tiefere, häufig entstanden daraus Freundschaften. Zur Liebe oder dem, wie man derlei Aktivitäten im Französischen bezeichnet, zum Machen kam es allerdings höchst selten, dazu fehlte es in der Regel beiderseits an Flexibilität im Geschlechtermiteinader. Unsere jeweilgen Lieben blieben von dem gesegnet, den man volkstümlich dafür verantwortlich macht: dem Erfinder des Höhlengleichnisses. Eine erste Trübung erfuhr die neue Nachbarschaft dadurch, daß sie die Haustür treppunten abschloß. Einem Fußkranken wie mir fällt es nicht leicht, der Hermesbotin die Stufen hinunter entgegenzufliegen, um die Pforte zu öffnen, auf daß sie mir meine tägliche Botschaften aller erdenklichen Liebesbeweise der weltweiten Kunst- und Kulturinformationsindustrie reiche. Ich bat meine neue nachbarschaftliche Errungenschaft mittels Anschlag an ihre Wohnungstür um Mäßigung in Sachen Verschluß. Als Antwort ereilte mich ein elektrischer Brief an ein Postfach, in das ich seit meiner Zwangsstillegung im hohen Norden nur noch selten hineinschaue und das meines Wissens nur meinen französischen Freunden bekannt war; sie hatte den Ariadne-Faden gefunden und aufgenommen. Der Inhalt war verfaßt in einem gelösten und zugleich präzisen Duktus, den ich von den vom Internetdeutsch verwirrten U-Vierzigern nicht mehr gewohnt bin, der mich also überrascht hat. Darin wurde mir beschieden, man habe sich lediglich an Anweisungen unserer Vermieterin Madama Lucette gehalten. Also hatte ich einsichtig zu sein. Ich antwortete meiner Nachbarin und schloß mit der friedvollen Anmerkung, offensichtlich gäbe es kaum etwas, das uns unterscheide, wenigstens was unsere Meinungen beträfe. Und heute früh nun die niederschmetternde Retoure: Sie kenne wenigstens einen Punkt, in dem wir so gar nicht einer Meinung seien. «Der Moment, in dem Sie mir sagten: ‹Sie haben ja doch ein vernünftiges Auto›, ich aber gar nicht mit dem meinen vorgefahren war, hat das nachbarschaftliche Verhältnis doch sehr getrübt.» Nun denke ich ernsthaft darüber nach, meine jahrzehntelang gepflegten formalästhetischen Vorstellungen von der Schönheit dieser Welt einer Prüfung zu unterziehen.
enzoo (04.12.12, 08:38) (link) ich rätsle
welches auto es denn gewesen sein könnte, mit dem die neue nachbarin vorgefahren ist, welches sie als vernünftig bezeichnen, was ja, wenn man ihrer beschreibung dieser glamurösen dame folgt, nachgerade eine beleidigung ist, so einer person ein "vernünftiges" auto zuzumuten und dann auch noch hochzuloben. zu dieser dame passt entweder ein hundegespann mit 8 winterharten blau-grün-äugigen huskies, oder ein hauch von rosenduft, auf dem sie dahinschwebt, als fortbewegungsmittel, und wenn es denn schon so etwas profanes wie ein auto benötigt, dann muss es alles andere als etwas vernünftiges sein, ein citroen ds 50 etwa, der nur den tank schnell entleert, aber nciht ebenso fährt, weil er dazu gar nicht gebaut wurde, sondern weil die konstrukteure damals, als sie dieses gefährt erfanden, an die griechische götterwelt dachten, und nicht für hermes' postzustelldienst, sondern für zeus' amouröse abenteuer erdachten und zeichneten sie diesen einzigartigen traum der automobilwelt. ja, dieses gefährt wäre vernünftig:http://www.spiegel.de/pics/72/0,1020,469472,00.jpg Nachdem sie,
gemessen an diesem zwar nicht ganz so martialischen wie dem hier abgebildeten, aber eben doch immer noch gestalterisch unvorstellbar mißratenen Fahrzeug, einem schlichten, dennoch erträglichen Opel-Kombi vorgefahren war, überkam mich ein Anflug von Hoffnung. Und nein, glamourös ist die Dame keineswegs, sie hebt sich äußerlich zwar vom Typus der holsteinischen Sibiererin ab, fiele jedoch bereits im nahen hanseatischen Tor zur Welt kaum auf. So bleibt mir als nächstes Rätsel, weshalb sie sich im Binnenland bewegt. Und trotz ihrer leicht existentialistischen Erscheinung paßte zu ihr eher ein Deux Cheveau, denn der war schließlich während der Sechziger das bevorzuge Transportmittel sogar in Paris. Bis dann der bundesdeutsche Blödeldödelfilm ihn als Sänfte für Uschi Glas entdeckte. Nein, meine neue Nachbarin ist auch keine Déesse, jedenfalls keine für Männer, die bekanntlich immer nur an das eine denken.Und richtig: Sie ist keine für einen Durchschnittler wie mich. Das fiel mir gerade noch rechtzeitig ein vor gar nicht so langer Zeit, als ich mich kurz vor dem Verhängnis befand, mir so eine süße Schwarze zuzulegen. Sie hatte mich vor einem Gasthof auf dem Weg zu den Sternen verführerisch angezwinkert. Eigentümer war der Koch, der vermutlich nicht ahnte, daß auch andere ihr schon unter den Rock geschaut haben. Ein Freund fuhr jahrzehntelang nicht anderes als diese Göttin, und von meinen vielen Reisen mit ihr weiß ich, daß sie wegen ihrer ständigen Ausflüsse des lebenswichtigen Hydrauliköls praktisch gar nicht benutzbar ist. Einen Deux Chevaux kriegt jeder Dorfschmied im Alter von über fünfzig wieder in Gang, zur Not gar einer wie ich die zwei Pferde wieder angekurbelt.. Aber eine Déesse bleibt besser in ihrem Chambre d'apparat und läßt sich huldigen. sie kokettieren,
wenn sie sich einen durchschnittler nennen. sie sind vielleicht keiner, der das technische rüstzeug hat, um so ein gefährt mehr als tausend kilometer ohne garagenbesuch chauffieren zu können, der also etwa den nötigen unterbrecherkontakt, der bei der letzten eigenhändigen kontrolle schon stark abgenutzt erschien, und dessen ersatz sie seit dem neuerwerb in ihrer geldbörse tragen um ihn dann, als das geräusch, auf das sie schon 300 kilometer lang gewartet haben, tatsächlich auftritt, nachdem sie die deesse mit einigen entschuldigenden worten an ihre beifahrerin am strassenrand angehalten, die titanic-lange motorhaube geöffnet und den verteilerkopf durch aufklicken der metallspangen an dessem rand abgenommen haben, mit flinken fingern auszutauschen, verteilerkopf und motorhaube zu schliessen; dabei haben sie sich in ihrer geschicklichkeit nicht einmal die finger schmutzig gemacht, das kann man sehen, als sie sich eine gauloises ohne filter anzündend zurück ins auto setzen, "eine kleinigkeit, die dame ist etwas prätentiös" zu ihrer begleiterin lächeln, die ihnen nun, obschon sie vorhin etwas eingeschnappt für einige minuten stumm neben ihnen gesessen hatte, weil sie etwas unbedachtes geäussert hatten, ebenfalls ihr lächeln, das von der schönsten sorte nämlich, das, das bewunderung ihrer männlichen begleitung ausdrückt, schenkt, im überfluss einer reihe weisser, gleichmässiger zähne, die von einem himbeerlippenrahmen zusammengehalten werden, "ein mann des wortes, und ein mann der tat" können sie hören, auch wenn es gar nicht gesagt wurde. sie drehen den schlüssel, der motor springt an, das geräusch ist weg und sie setzen zurück auf die strasse; ihre augen haben sie nach vorne gerichtet und dennoch können sie die wärme des blickes ihrer beifahrerin spüren, der unverwandt auf sie gerichtet ist.nein, so einer sind sie nicht. aber man kann schliesslich nicht alles haben. Wenn Sie wüßten,
was ich tatsächlich für ein Durchschmittler bin. Ohne Dorfschmied Ü 50 wäre ich aufgeschmissen. Als Beispiel sei erwähnt: Vor noch nicht allzu langer Zeit fuhr ich südlich des französischen Weißwurstäquators, die Wetterscheide, die ein kleines Stück des Wegs unterhalb von Lyon liegt, nördlich beginnt der Barbaren Land — Kennen Sie den auch in der deutschsprachigen Fassung durchaus amüsanten Film Bienvenue chez les Ch'tis? Unter Barbaren versteht man in Gottes eigenem Land diejenigen, die stammeln und radebrechen. — Ich fuhr also gemütlich meines Wegs und hatte ein vermeintliches Déja-vu. Es wiederholte sich eine Begebenheit, die sich zu meinen Zeiten als R 4-Pilot schon einmal ähnlich zugetragen hatte: Es klackerte seinerzeit etwas rhythmisch, es war allgemein als diesem Fahrzeug angeboren bekannt: ein untrüglicher Laut, der das Ende der Antriebswelle ankündigte. Der bald als wohltuend, weil typisch südlich empfundene Krach der Cigales übertönte das alles. Zwar steuerte ich eine Werkstatt an, aber dort war gerade Mittagspause. Sie waren schon in diesem Süden, also wissen Sie, was das bedeutet, auf dem Land zudem: Die dauert nicht unter zwei Stunden, wird nach einem Nickerchen und einer kurzfristigen Hammerhebung dann mit dem Abendmahl fortgesetzt. Es besteht also eine Verwandtschaft zu den Völkern der Levante; Marseille wurde ohnehin von Griechen gegründet. Einer dieser Griechem meinte dann noch: Ach was, an solch einem Gerät wie dem, hier nun der Deux Cheveau, sondert immer irgendwie ein Teil sonderbare Geräusche ab, ich solle das nicht weiter ernstnehmen. Als ich wieder in der Barbaren Land eintauchte, war die Maschin kaputt. Hätte ich über ein auch nur ein bißchen technisches Wissen verfügt, wäre mir das nicht passiert.Das mit den Damen und den Automobilen habe ich tatsächlich annähernd so erlebt wie von Ihnen angedeutet, wenn auch romanesk, als ich an meinem über sechshundertseitigen Lebenswerk titels Deux jours schrieb. Darin gibt es eine solche, mich begleitende Dame, die zwar nicht so prätentiös ist, aber mindestens so schön, wie ich Fritzchen Müller alias Marius Pagnol mir so jemanden vorzustellen habe. Nicht vergessen sein sollte der Hinweis darauf, daß ich nie Gauloises, sondern immer nur Gitanes geraucht habe (im Norden ersatzweise Roth-Händle, da die für den resteuropäischen Markt zusammengemischten auch eben nur scheinbar französischen unrauchbar sind). Der Süden, das ist für mich Bouches-du-Rhônes, eine Reihe weißer, wenngleich ungleichmäßiger Zähne im Mund von la Méditerranée, dem Cliché brav folgend, in Saintes-Marie-de-la-Mer, der Camarque, wo sich alle Jahre wieder, nur eben nicht zu Weihnachten, all die feurigen Zigeunerinnen treffen, um mir vorzutanzen. ach, sts maries de la mer!
der reiseführer locke uns auch dorthin, mit der beschreibung "perle der provence"! doch erwartet wurden wir von einem gesichtslosen, herabgekommenen streudorf ohne jeden charakter, wenn man einmal von den rostigen geländern und zerbrochenen alkoholflaschen, die überall herumlagen, absieht. selbst das meer schien nicht gerne gegen dieses gestade zu wellen und stellte in der windstille, die den geruch, der aus der kanalisation zu kommen schien, gewähren liess, seine tätigkeit völlig ein. wir kamen, sahen und fuhren wieder, richtung landesinnere. es war schon spät, wir hatten noch kein quartier und kamen nach wenigen kilometern im nirgendwo an einem gasthof vorbei, dessen zimmer gerade noch akzeptabel waren, daher beschlossen wir, hier die nacht zu verbringen. man fragte, ob wir im hause essen wollten, was wir, schon aus sichtlichem mangel an alternativen in dieser einöde, bestätigten. von aussen war das haus eine heruntergekommene kaschemme, doch als wir den speisesaal betraten, trauten wir unseren augen nicht: hier war festlich gedeckt, etwa 12 tische, schon fast alle besetzt, wir hatten nicht gemerkt wie sich der parkplatz gefüllt hatte. wir wurden an einen schönen tisch an der glasveranda gesetzt, mit blick auf ein paar flamingos, die gerade den kopf zum schlaf einrollten. erste versöhnungsgedanken mit sts. maries stiegen in mir hoch. ich nahm das menü, das einen stolzen preis hatte, aber auch wunderbares versprach und hielt, einzig die mengen, die da serviert wurden, waren schrecklich gross: und da es so gut schmeckte, ass ich von allen gängen, der jeder für sich eine komplette mahlzeit dargestellt hätte, jeweils alles auf, bediente mich noch ein wenig am käsewagen, das dessert verweigerte ich jedoch schon. da das menü auch eine flasche wein begleitete, war der magen voll und das hirn leer. meine liebe frau, die gescheiter ist als ein spaniel und ich und nur suppe und spargel genommen hatte, erfreute sich eines wunderbaren schlafes in völliger stille, ich wälzte mich lange im bett hin und her: als ich dann endlich einschlief, plagte mich ein arger traum, der mich sogar gewalttätig werden liess: so schlug ich mit der faust dermassen gegen das nachtkästchen neben dem bett, dass es einfach auseinanderfiel und der knöchel meiner rechten hand blutete, obschon ich sonst alles andere als ein gewalttätiger mensch bin. ich war froh, nicht auf die andere seite des bettes geschlagen zu haben, schliesslich ruhte da meine frau, nicht auszudenken, wie das ausgehen hätte können. daher hat saintes maries de la mer nicht gerade einen top ten platz in meinen aufenthaltserinnerungen. Durch die Camarque
fuhr ich ewig Sicherheitsbedürftiger einst leichtsinnigerweise mit einem nicht prall gefüllten Tank meines Deux Cheveux, da es immer wieder vorkam, daß sich bei südlicher Hitze die Essence fast gazeuseartig ausdehnte und unangenehm hervorquoll, was die Brandgefahr erhöhte. Das war zu den Anfängen meines Umstiegs vom Schlampenschlepper (© Nikolaus Gerhart), in dessen Tank neunzig Liter hineinpaßten, während ein Ententank sich mit einem Volumen von gut zwanzig begnügt. Wohl wissend, daß in Frankreich das Tankstellennetz nicht so dicht ist wie etwa in Deutschland, hatte ich mich in meiner ständigen Toleranzerei wohl dennoch verschätzt. Die Energiekapazität verringerte sich zusehends, und ich sah mich schon vereinsamt in der südfranzösischen Steppe verzweifelt stehen und von den dort überall auf mich lauernden Stieren auf die Hörner genommen. Denn in meiner Leidenschaft für das Abseitige hatte ich die schmale Straße über Salin-de-Giraud genommen. Geschafft haben die zwei Pferde es schließlich gerade noch, unter bereits einsetzenden ersten Vortriebverweigerungen, bis, wenn ich mich recht erinnere, kurz vor Port St-Louis-du-Rhône, bis zu einer raiffeisengleichen Gazole-Station, die, vermutlich für deie benzinschluckende Déesse des Monsieur le Directeur, in ihrem Giftschrank ein paar Liter Essence aufbewahrte und mir etwas abzugeben bereit war, wenn auch um rund dreißig Centimes höher pro Liter. Es war egal, paßten doch ohnehin nur gut zwanzig hinein.Auch mich dürstete dann arg. Aber trieb mich daraufhin rasch wieder weg aus dieser Illusion von Garten Eden. Denn die nächstgelegene gastronomische Institution war von einer derart abweisenden Gestaltung, der liebe Gott Designer mußte einen zitronischen Montag erwischt haben, daß ich lieber verdurstete, als mich dem hinzugeben. So lernte ich in Dieus eigenem Land, im Paradies also, auch Oasen des Schreckens kennen. Mit dann bis zur Explosionsgefahr gefülltem Tank und durchgetretem Gaspedal eilte ich auf der Haupstrecke zurück in die Zivilisation. genau!
zurück in die zivilisation, nicht aus reimerischen gründen aber dennoch richtung avignon, um dort den berühmten aquädukt pont du gare zu besichtigen samt dazugehörigem museum, in dem auf erstklassige weise erklärt wird, wie dieses bauwerk in der antike errichtet hatte werden können, eine für jede interessens- und altersstufe vorbildliche ausstellung. zudem umgeben von einer lieblichen landschaft, in der man bald, wenn man gewillt ist, weiter als vom parkplatz zur dortigen würstelbude zu gehen, völlig alleine dem ufer der smaragdgrün schimmernden gard entlanggehen kann, in der man bald schwarze schatten entdeckt, die ein fliegenfischerherz wie meines erfreuen und schneller in gang zu setzen imstande sind. nach drei stunden in unberührter natur zurück und wieder der anblick dieses weiteren monumentes menschlichen willens zur gestaltung und zur ausbeutung der anderen, diesmal im goldenen abendlicht mit langen schatten; die vorher lärmenden menschen haben sich in der zwischenzeit wieder in ihre autos und busse gesetzt und völlig alleine setzt man sich auch, auf die sonnenwarmen steinblöcke, tonnenschwer, und lehnt sich an den rauen stein, den vor vielen jahrhunderten menschenhand in form brachte, mit wenig technik aber viel schweiss und entbehrung. das buch "technik in der antike" hätte man jetzt gern davbei, um darin zu blättern und das staunen zu vermehren.http://www.amazon.de/Technik-Antike-Brigitte-Cech/dp/3806225133/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1355727616&sr=8-1 Am Pont du Gard
war ich lange nicht, das letzte Mal vor etwa zehn Jahren. Aber gestern hatte ich, das muß Sie inspiriert haben, eine Berührung zu ihm über Photographien der antiken Wasserleitung. Zum ersten Mal habe ich sie Anfang der siebzger Jahre persönlich in Augenschein genommen, ein Architektenfreund hatte mir einen langen Vortrag über die Baukünste der Römer gehalten, mit einem circa einstündigen Appendix über deren Erfindung Beton, da wollte ich nur noch dorthin. Ich stand fast so ehrfurchtsvoll davor wie später vor dem Palais des Papes zu Avignon, in dem ich manch ein ketzerisches Schauspiel miterleben durfte während des sommerliichen Festivals, nur eines störte da wie dort gleichermaßen, diese Massen an Pappnasen, wie der Fischhändlerfreund selig us Husum diese überall in Massen auftretenden Touristen nannte. Gut, am Pont du Gard hielt sich das seinerzeit noch in Grenzen, wenn es mich auch arg irrtierte, vereinzelt deutschsprachiger Angebotsschilder angesichtig zu werden. Und tatsächlich waren es die Deutschen, die sich des Flüßchens ab etwa Kilometer dreißig vor der Mündung und der Plätze an seinem Rand bemächtigt hatten wie ganz im Westen bis Ende der Achtziger der nahezu kompletten Atlantikinsel Il de Ré. Es waren aus ganz Deutschland angereiste Kanuten, die das Gewässer in Beschlag genommen hatten. Das einzige, was sich bis heute daran geändert haben dürfte, ist eine Internationalisisierung des sportiven Publikums und eine erhebliche Modernisierung der Gerätschaften. Daß sich dabei jemand für die Architektur interessiert hätte oder wenigstens für das an sich beschauliche Leben im Ort, das habe ich so gut wie nie erlebt, auch nicht bei meinem letzten Kontrollbesuch, bei dem ich zwischen ein paar Einheimischen meinen Kaffee trank. Das sportive Volk saß in vereinsgebündelten Massen auf den mittlerweile asphaltierten Plätzen mit seiner Architektur der Imbißbuden, vertilgte Würstchen aus der Fabrik und schüttete Cola in sich hinein. Das Angebot der örtlichen Gastronomie interessierte es ebensowenig wie die römische Kultur, ganz zu schweigen von der restlichen Landschaft.es gibt
wenige methoden, dem massentourismus zu entkommen. eine davon ist es, nicht dorthin zu fahren, wo die massen sind. das sagt sich heutzutage aber leichter als man es macht, und man darf dabei auch nicht vergessen, dass man selbst teil dieser masse ist, ob man das nun will oder nicht, wenn man dorthin fährt, wo auch andere sind. schliesslich muss man diesen anderen auch zugestehen, dass sie das gleiche sehen wollen und dürfen und können wie man selbst, wenn auch aus anderen gründen. was dem einen futter für die auseinandersetzung mit der antiken baukunst ist, ist dem anderen eben kulisse für eine kanufahrt, und zwar was für eine! ich finde dabei nichts schlimmes, und wenn sie sich anschliessend die würstchen aus der fabrik in die neongrünorangegelbtrikotisierten schmerbäuche schieben wollen - sollen sie doch! natürlich ist es ärgerlich, wenn die budenkultur das gewachsene, das originale verdrängt, aber ich tröste mich mit dem gedanken, dass es zum beispiel dem pont du gare recht egal sein wird - und dass auch die würstchenbuden verschwunden sein werden, wenn die bögen das tal in einigen jahrhunderten noch immer in ruhiger majestät überspannen werden. ich versuche dann immer ein teil des besichtigten zu werden und die menschen rund um mich auszublenden, als wären sie einfach nicht da. (als wir dort waren, an einem sonnig warmen tag im juni, war übrigens kein einziges kanu zu sehen, nur kinderwagenschiebende jungfamilien und reisewütige pensionisten, die aus bussen ausgeladen wurden. darum wurde die kleine wanderung stromaufwärts dem ufer entlang rasch eine recht einsame, auf der uns keine drei personen begegneten) >> kommentieren na geht doch:
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