Blaßbläulicher Frieden.

Im Bahnhof Zoo befand sich ein Tabakwarenladen. Dort wollte er sich eindecken für seine im vergangenen Urlaub am Atlantik gemachte Entdeckung. Zu einem ordentlichen Schluck Sandwein, den er zu Zeiten sportlicher Abwehrtätigkeit bei den Preußen auch nicht kannte, gehörte die entsprechende Würze. Den gab es zwar nicht unter dem Himmel von Molle und Korn, aber immerhin diesen Aspekt der Erinnerung. Sie befand sich in blauer Packung, und die, das wußte er, lag dort parat. In den Automaten gab es das Äquivalent lediglich in der roten eines deutschen Herstellers. Als er seine Bestellung an den Verkäufer weitergeben wollte, sah er in in einer Vitrine eine blaßbläuliche Schachtel mit den enorm starken Zigaretten, von denen er zwei oder drei auf Saint-Martin-de-Ré geraucht hatte, wohin sie gereist waren, weil er der ständigen Aufenthalte an dänischen Stränden überdrüssig geworden war wie überhaupt Skandinavien, das er für Heimat hielt, weil es ein Großteil seines Lebens Anlaufstation war. Ein Einheimischer hatte sie ihm angeboten, der bewunderende Blicke auf seinen alten Volvo warf und mit dem er deshalb ins Gespräch kam. Papier maïs, daran wollte er sich geschmacklich und in seiner Lunge erinnern. Auch an diese Art Heimat könnte er sich gewöhnen. Rotwein und Zigaretten schwer wie Asphalt. Nur nichts Gesundes mehr und Ordentliches wie alles hinter ihm. Er würde sich allerdings zunächst mit Aschinger begnügen müssen. Dort saß so ziemlich alles herum, was in der Haupstadt, die keine mehr war, sondern eine von den Bonner US-Mächten notversorgte Insel Wehrflüchtiger und Restschlesier, als Gammler, Penner und sonstige Verwahrloste bezeichnet wurde, und verschlang korbweise winzige Brötchen, die es kostenlos zur Erbsensuppe gab. Dort paßte er als ebenso haltlos Gewordener gut hin.

Einer dieser Verwahrlosten überwiegend seines Alters sah die Packung mit den gelblichen, leicht ins rötliche gehenden Papier maïs. Mit aufgerissenen Augen erstarrte er sie und schnorrte ihn sogleich an und erzählte dabei, man habe ihm im Knast nichts zu rauchen gegeben und davon, daß er diese wunderbaren Röllchen erst kürzlich in Frankreich kennen- und schätzengelernt habe. Das sei dann doch ein anderer Stoff als der von diesen ganzen HaBe-Männchen hier in diesem armseligen Laubenpieperkaff, an dessen Rändern die Welt am Kommunismus zerbreche. Er wollte ihn fragen, ob er sich so gut auskenne in diesem politischen System und sinnierte darüber, daß es zumindest ansatzweise woanders doch auch funktioniere, beispielsweise bei den Kibbuzim, denen er, so lange war das noch gar nicht her, beinahe einmal angehört hätte, wäre nicht ein Krieg dazwischengekommen, dem er vorab von der Fahne gegangen war, worüber seine Frau dann doch recht froh war, ihn nicht auf seiner Suche nach Heimat begleiten zu müssen. Doch dann unterließ er es, weil es vermutlich zu einer Auseinandersetzung gekommen wäre, die hatte er gerade hinter und auch vor sich hatte, denn er wollte zurückfahren zu seiner Frau, nicht, um mit ihr weiterhin über den Sinn des Lebens in geordneter Ehe und mit ordentlichen Kindern und einer sich auf diese Weise abzeichnenden Zukunft zu diskutieren, sondern eher, um ihr zu verdeutlichen, weshalb er sie verlassen und an den Atlantik ziehen und nichts anderes mehr tun würde als Wein zu trinken aus dem Sand dieser anderen Insel als der hiesigen mit dem Strand unter Pflaster und sich mit vier Packungen Papier maïs täglich eine Startbahn in die Freiheit zu asphaltieren.

Zwar gesättigt, aber auch ein wenig gereizt von den ständigen Versuchen weiterer, möglicherweise kommunistisch motivierter Maßnahmen, ihn ans Gemeinwohl zu erinnern, fast eine Packung hatten sie ihm in der kurzen Zeit weggeschnorrt, nahm er sich noch eines dieser kostenlosen, etwa fünfmarkstückgroßen Brötchen als Wegzehrung und machte sich auf zu seinem Auto, das er in der Sackstraße am Hinterausgang des Bahnhofs abgestellt hatte. Bereits auf der Hardenbergstraße kehrte er sie noch einmal und fuhr wieder in die andere Richtung, zur Gedächtniskirche hin. Ihm war eingefallen, daß der Schalter der Fluggesellschaften der Alliierten auch sonntags geöffnet hatte. Dort wollte er sich erkundigen, ob es eine Möglichkeit des Direktflugs an den Atlantik gebe, vielleicht nach Bordeaux oder gar nach La Rochelle, von wo aus man mit der Fähre zur Île de Ré übersetzen konnte. Das Auto würde er seiner dann gewesenen Gattin überlassen, wie überhaupt all das Mobiliar und die vielen Handtücher und Besteckkästen, die man ihnen beiden zur Hochzeit geschenkt hatte. Er würde es nicht mehr benötigen in der Freiheit. Der Zufall wollte es, nun, es war Sonntag, daß er gegenüber dem Euro-Center einen Parkplatz fand. Es gab keine Direktverbindung, Air France brächte ihn in jedem Fall direkt nach Paris, und von dort aus habe er die Möglichkeit, mit einer der vielen regionalen französischen Fluglinien nach Bordeaux, aber auch zu dem kleinen Flughafen von La Rochelle zu gelangen. Er begann, darüber nachzudenken, seiner Noch-Ehefrau das Auto doch nicht zu überlassen, fuhr sie doch ohnehin nicht sonderlich gerne, gleichwohl meist dann, wenn er mit darin saß. Zunächst über kleinere Straßen und dann über die Joachimsthaler Straße fuhr er wieder zurück, hinein in die Hardenbergstraße, nahm im Café am Steinplatz, wo er werktags, während seine Frau ihrer Tätigkeit bei einem US-amerikanischen Filmverleih in Dahlem nachging, was er ihr regelmäßig vorhielt, des öfteren mit Kommilitonen und anderen streitbaren Geistern zusammentraf, wenn er selbst auch nicht an der technischen und auch nicht an der ebenfalls in der Nähe befindlichen Hochschule der Künste, sondern an der anderen, sich frei nennenden Universität eingeschrieben war, noch einen Pernod, um den Gedanken an seine Flucht in den Westen in sich wachzuhalten.

Am Ernst-Reuter-Platz überkam ihn erneut der Gedanke an die Freiheit. Wie fremdgesteuert schlug er das Lenkrad ein, wie vor etwa zwei Stunden am Spandauer Bahnhof nach links, hier nun nach rechts, in Richtung Osten, er fuhr hinein in die Straße des 17. Juni. Dieser Pariser Straßen ähnelnde Boulevard ließ ihn dann doch wieder an die Möglichkeit eines Fluges denken, bei dem er in jedem Fall in Paris Station machen müßte, dort, von wo aus aus die Revolution die Menschenrechte in die Welt hinaustrug. Er kam ins Grübeln über die Idee der Gleichheit, der Brüderlichkeit, ja, der Freiheit. So rollte er dahin, querte Einsteins Ufer, den Friedensengel oder auch die Siegessäule oder auch den großen Stern preußischer oder deutscher Kriege, allen voran die Schlacht von Sedan, mit der er sich quasi mitten in Frankreich befand. Kurz nach dem Kreisel mußte er anhalten. Ein Stau, am Sonntag nachmittag? Das kam ihm ungewöhnlich, gar seltsam vor. Es dauerte lange. Nach einer Weile wollte er, wie andere Autofahrer auch, den Mittelstreifen überqueren und in westlicher Richtung zurückfahren. Doch auch das war mit einem Mal nicht mehr möglich, da sich innerhalb kürzester Zeit auch dort die Autos stauten. Lange stand er, irgendwann stellte er den Motor ab, glücklicherweise war es trotz fortschreitender Stunde nicht kühl oder gar kalt, denn er hatte schließlich nicht einmal eine Jacke übergezogen und an den Füßen lediglich seine Espandrilles von der sonnigen Weininsel. Nach bestimmt noch einmal zwei Stunden sah er die Ursache des unfreiwilligen Halts. Gemächlichen Schrittes näherten sich Uniformierte, die bei näherem Hinsehen als Polizisten zu erkennen waren. Seine schlichten Gedanken an Freiheit wurden von der der Rote-Armee-Fraktion unterbrochen, nach der die Hüter von Freiheit und Ordnung fahndeten. Als sie bei ihm angekommen waren, verlangten sie höflich, aber bestimmt nach seinen Ausweispapieren, die des Fahrzeugs schien sie nicht zu interessieren. Es wäre aber auch egal gewesen, denn er hatte weder das eine noch das andere dabei. Er wollte schließlich lediglich Zigaretten holen. Dann müsse man ihn doch dringlichst bitten, zur gesicherten Feststellung seiner Personalien mitzukommen zum Mannschaftsbus, der fünfhundert Meter weiter in Richtung Brandenburger Tor stehe. Dort sehe man weiter. Das Auto sei kein Hinderungsgrund, hier komme ohnehin niemand weg, bis die Aufklärung absolviert sei.


Jetzt habe ich es doch nicht geschafft, in zwei Fortsetzungen an den irrlichternden Grün heranzuführen. Ständig führt mich etwas vom Weg ab. Wahrscheinlich ist Frau Braggelmann schuld, weil sie permanent etwas über Berlin von mir wissen wollte, da sie nämlich morgen nach Potsdam fährt. Ich muß das Wochenend-Supplement eingestehen. Ist aber auch so lang genug.

Inselleben • ErzählungDer erste Teil

 
Do, 12.01.2012 |  link | (6701) | 13 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Inselleben


g.   (13.01.12, 05:57)   (link)  
Kalter Nieselregen und Windböen, die die Feuchtigkeit vom 17. Juni in die Höhe und in die Bäume des Tiergartens fegen hätte zu ihrer Stimmung vielleicht besser gepasst, oder Graupelschauer und vereiste Fahrbahnen. “Reality is frequently inaccurate” (Douglas Adams)


jean stubenzweig   (14.01.12, 09:57)   (link)  
Ungenaue Wirklichkeit.
Manchmal zwar oder auch häufig, aber dennoch wunderschön nah dran. Ja, der Anhalter Adams. An den denke ich auch manchmal, wenn ich durch die Galaxie der Realitäten irre. «Die Feuchtigkeit vom 17. Juni» könnte auch so eine sein. Wo haben Sie die denn her? Sie werden doch nicht mit Wasserwerfern zurückgeschossen haben auf die Panzer. Oder hat's schlicht geregnet 1953? Ich weiß es nicht. Damals habe ich nämlich noch nicht um die Freiheit gerungen, jedenfalls nicht in Berlin. Und der Erzähler auch nicht. 1970 oder so war's im Sommer mild. Im anderen Fall hätte er wahrscheinlich eine Jacke übergezogen gehabt. Und Papiere dabei. Dann hätte aber seine Geschichte nicht funktioniert, die ohnehin dubios oder auch kurios scheint, denn die RAF, so heißt es in verschiedenen Dokumentation, sei schließlich erst 1970 gegründet worden (haben die alle bei Wikipedia abgeschrieben?). Der Realitätsverschieber in meinem Kopf behauptet jedoch, die Mausefalle sei bereits auf Aktivitäten von Baader und seinen ihm folgenden Irren zurückzuführen gewesen. Aber möglicherweise waren das auch keine Polizisten, sondern Vogonen, die Berlin als Überbleibsel der Erde beseitigen wollten zugunsten einer Autobahn nach Penunzien und vorher die Anrainer um den friedlichen Engel evakuieren wollten, weil man daran dachte, sie irgendwie noch gebrauchen zu können. Nun ja, der Erzähler lügt wie gedruckt, aber er sagt die Wahrheit.


g.   (15.01.12, 09:47)   (link)  
Bei der Straße des 17. Juni fällt mir fast zwangsläufig aufwirbelnder Regen, fast wie die aufschießende Gischt am Atlantik oder Graupelschauer auf breiten Großstadtstraßen, ein.
In Vorwendezeiten, wenn wir durch den kleinen und großen Tiergarten Sonntagmorgen spazierten, hatte ich immer die Vision man könne durch das Brandenburger Tor bis zur Stalinallee sehen. Das ist natürlich ebenso quatsch wie zwangsläufig kaltes, regnerisches Wetter zwischen den Tiergärten. Trotzdem taucht dieses Bild immer in meinem Kopf auf, wenn es um die Straße und den Tiergarten geht. In Ihrer Erzählung machte sich zudem eine gespannte und gleichzeitig lösende, zumindest für mich, Stimmung auf den (Fahr-)Weg. Da konnte ich mich gegen das Bild nicht mehr wehren. Da ihr Erzähler aber mit leichter Jacke im Auto saß, dachte ich so bei mir: das Bild in meinem Kopf passt und passt auch wieder nicht. Die Polizeikontrolle am Stern fügte dann noch ein Erlebnis so von 73 oder 74 in mein Kopfkino ein, als ich bei strömendem Regen in einem schwäbischen Kuhdorf nach durchzechter Nacht um eine Hausecke bog und von Polizisten mit Maschinenpistolen im Anschlag nach meinem Ausweis gefragt wurde. So kam es dann zu meinem kryptischen Kommentar.
So ist das mit Erzählern, sie führen einen auf Wege, die sie nur maßvoll bestimmen können. Sie sehen, in meinem Kopf irrlichtert es unaufhörlich.
Auf das grüne Licht am Ziel ihrer Erzählung bin ich aber sehr gespannt.


jean stubenzweig   (15.01.12, 12:16)   (link)  
Das Boulevard-Bild,
das fällt dem Erzähler im nachhinein ein, der Vergleich mit den Prachtstraßen von Paris hängt aber auch ein bißchen schief im Rahmen. Soweit mein Gedächtnis ausreicht, war der 17. Juni auch der anfänglichen siebziger Jahre eine ziemlich triste Veranstaltung. Die Mausefalle dürfte eine geradezu bunte Abwechslung im langweiligen Tiergartengrün gewesen sein, ein Feuerwerk oder auch Blitz und Donner inmitten eines Sommers. Da fuhren ohnehin nur die lang, die irgendwie mußten und am Brandenburger Tor rechts oder links abgezweigt wurden, da sie nicht in den Laubenpieperableger der Sowjets hinein durften. Da dürfte Ihre Bechreibung recht genau hinkommen: «Graupelschauer auf breiten Großstadtstraßen». Aber «die Vision man könne durch das Brandenburger Tor bis zur Stalinallee sehen»? Irgendwann hatten die BRDler da doch eine riesige Aussichtsplattform hingebaut, um den freien Blick nicht nur aufs Mittelmeer, sondern auch den auf den schlimmen Stalin beziehungsweise dessen erhellender Allee zu erleichtern. Und hatten die DDRler das Tor dann nicht auch noch mittels fast eisernem Vorhang zugehängt? Denn der Blick auf Stalin gehörte schließlich alleine Familienmitgliedern. An eine US-kapitalistische (ist das jetzt eine Tautologie oder ein Pleonasmus?) Verhüllung wie später beim Reichstag ward im sozialistischen Realismus allerdings ohnehin nicht gedacht. Obwohl Wladimirow Jawaschew das sicher auch gerne gemacht hätte, so als Exil-Bulgare, den auch im freien Westen keine Abwechslungs- oder Erneuerungserleuchtung überkam.

In Berlin kam ich, obwohl es ständig von Bullenschüsseln wimmelte und kontrolliert wurde, als ob die sonst nichts zu suchen hätten, nur einmal in eine Kontrolle. Aber dann! Im freien Westen. Auf dem Land weniger. Klar. Als Verbrecher zieht man ja nicht aufs Dorf, jedenfalls nicht in Oberbayern, wo ich anfänglich kurzzeitig angesiedelt war; Baden-Württemberg schien da andere Vorstellungen zu haben. Aber in der Stadt. Ich schätze, es müssen an die zehn Male gewesen sein. Die seltsamste, eine geradezu komödiantische Suche nach Baader, Meinhoff und Genossen sowie Genossinnen (damals gab's, wie Sie wissen, noch kein Binnen-I oder gar einen Unterstrich) erlebte ich auf dem mittleren Ring in München als Beifahrer. Ich nehme an, es war gerade wieder jemand entführt worden, es könnte Peter Lorenz gewesen sein, ich war noch recht frischer Bürger der Stadt. Wir kamen von einem Besäufnis, wollten es anderswo forsetzen und wurden angehalten. Der Pilot des Maulwurf GTI (was kommt mit 180 aus der Erde?), ein lieber, jeglichen politischen Gedanken ferner und ausnahmsweise aber sowas von sternhagelvoller, weil ansonsten ausnahmslos in Maßen Wein trinkender Beinahefreund fiel mehr aus dem Auto als daß er sich vom Volant zu lösen vermochte, denn er ward von dem panzerfaustbewehrten und von einer hinter ihm stehenden, ebenso schwerstbewaffneten Armee geschützten Polizisten aufgefordert worden, den Kofferraum zu öffnen. Sonst nichts. Nach Papieren wurde nicht gefragt, ich interessierte niemanden, man schaute mir, der ich der Entführte hätte sein können, nicht einmal genau ins Gesicht. Im Kofferraum befand sich lediglich ein Tragl Bier und zwei Flaschen Obstler. Kein Entführter darin. Also Weiterfahrt.

Die zum lichten Grün kommt nicht voran, dem Erzähler fehlt der Antrieb, die Vortriebsmaschine stottert, keine weitere Zeile hat er produziert. Ich bin lustlos, weil müde. Es kann die Frühjahrsmüdigkeit sein. Ich komme mir vor wie auf der Sonnenallee, der Himmelskörper gleist. Er raubt mir den Schlaf. Es gibt viel zu tun, warten wir's ab.


enzoo   (13.01.12, 09:40)   (link)  
mir gefällts.
lassen sie grün ruhig noch ein wenig - auch über mehrere wochenenden! - herumirrlichtern, ehe er feuer fängt (was er aber ja eh schon getan hat, mit seiner zündels-abgangs-idee in form seiner sans filtre. ich rauchte das zeugs dereinst auch, weil richtige männer das rauchten, und nichts anderes, und blieb, nach mehreren fluchtversuchen, dann doch in meiner heimatstadt.. was wird grün machen?)


jean stubenzweig   (13.01.12, 13:44)   (link)  
Weiterschreiben
kann ich, könnte ich ohnehin nur bis zur Ankunft beim Grün. Ich finde meine Bücher von ihm nicht, um ggf. daraus entsprechende Stellen zitieren zu können und, ach, es ist so lange her, weitaus länger als vierzig Jahre. Ich habe sie sicher noch, aber sie befinden sich in einem Wust von Kartons, der zudem nicht nur über Länder verteilt ist; ich wurde in den letzten (wie in jungen) Jahren auch geographisch ziemlich verzettelt. Haben Sie einen Hinweis, ob via Internet die eine oder andere Passage aus Irrlicht und Feuer sowie Stellenweise Glatteis erreichbar sein könnte (die quasi einschlägigen Tageszeitungen erzählen ja nahezu ausnahmlos etwas von Denkmalen und Straßennamen, die ihm, dem ehemaligen Kohlenpottbeschmutzer, zu Ehren aufgestellt und benannt werden sollen)? Denn ich täte tatsächlich gerne wieder wenigstens ansatzweise auf ihn zugreifen, um mich besser erinnern zu können. Nun ja, ich müßte sie neu kaufen. Aber sie dürften, Sie haben's ja selbst angedeutet, kaum noch erhältlich sein.

So gibt's zum Wochenende allenfalls die (vorläufige?) Endstation, in der Grün auftaucht. Heute wird das allerdings vermutlich nichts. Ich bin schrecklich erschöpft und müde. Die ganze Nacht scheine ich einen Aufsatz korrigiert zu haben, der bereits vor zwanzig Jahren veröffentlicht wurde.

Im übrigen: nicht nur sans filtre, sondern papier maïs, und zwar Boyards, so dick wie ein Zigarillo und stärker noch als der. Ich kam anfänglich mit drei bis vier am Tag aus, was auch daran gelegen haben mag, daß diese Tabakrollen immer ausgingen. Heutzutage führt man dieses Erlöschen gerade wieder ein, mit der Begründung der Gefahrenabwehr, weil der zunehmend sicherheitsbewußte Mensch mittlerweile dazu neigt, sich selbst in Brand zu setzen. Eine ähnliche Nummer der Novitäten wie die mit der des einst völlig neuen bleifreien Benzins, daß zu des Erzählers Zeit auch gerade eingeführt werden sollte, dabei längst ein alter Saft war — und zwei Jahrzehnte später erneut als die Erneuerung schlechthin gefeiert wurde. Gut, daß der Mensch so vergeßlich ist.


enzoo   (16.01.12, 09:21)   (link)  
hülfe
es ihnen denn, wenn ich ihnen meine ausgaben schickte? daran gekoppelt ist natürlich keinerlei verpflichtung, dann auch wirklich weiterzuschreiben. aber sie könnten ihrem "tatsächlich gerne" nachgehen und für ihre lesergemeinede bestünde immerhin hoffnung auf eine fortsetzung.

ich hätte sie lediglich gern irgendwann zurück - und wenn nicht, machte es auch nichts. ich habe einen engen freund, auf dessen exemplare ich notfalls zurückgreifen könnte.


jean stubenzweig   (16.01.12, 18:23)   (link)  
Ins Grübeln
bringt mich das. Es hätte sicher seinen Reiz: Wie reagiere ich nach so langer Zeit darauf? Lassen Sie mich ein wenig darüber nachdenken, Auf jeden Fall bedanke ich mich herzlich für Ihr Angebot.

Fortsetzen werde ich, den dritten Teil. Wenn mir wohler ist, wenn ich etwas mehr klarenden Wind in meinem Fischkopf habe.


enzoo   (16.01.12, 23:08)   (link)  
oje.
irrlicht und feuer
stellenweise glatteis
zwei briefe an pospischiel
wie war das eigentlich?
wenn der tote rabe vom baum fällt
flächenbrand
am tresen gehn die lichter aus
unterwegs in deutschland
menschen in deutschland (brd)
etwas ausserhalb der legalität

das alles ist da. nur nicht: "männer in zweifacher nacht". ich hab zurück bis "e" und vor bis "i" gesucht - nichts. stirnlampe auf den kopf und die leerräume zwischen regal und wand durchsucht: nur lurch und dunkelheit, aber keine zweifache nacht. es tut mir leid.

ich fürchte ich habe es bereits verborgt und vergessen an wen. ich muss mein angebot also vorerst auf die vorhandene liste oben beschränken.

morgen suche ich nochmals. ich glaube es war lindgrün und von luchterhand.


jean stubenzweig   (17.01.12, 18:59)   (link)  
Beabsichtigen Sie
mich zu einem Roman über Max von der Grün zu bewegen? Das wird wohl nichts. Ich habe mich sicher viel zu weit aus dieser Zeit entfernt. Und das Scheitern des einen dürfte allen Anbahnungen ohnehin den Rest gegeben haben. Schreiben ist Arbeit, und die will ich nicht mehr. Erzählerisch herumplänkeln, das ist etwas anderes, das ist wie das Backen eines Brotes, da sehe ich rasch, ob ich etwas geschaffen habe. Wenn's nichts geworden ist, kann ich immer noch Madame Lucette bitten, dort bekomme ich dann ersatzweise Brioche, wenn ich schon kein Brot habe. Ein Roman hingegen ist wie das Schaffen einer Restauration. Die habe ich auch nicht hingekriegt, als ich mal vorhatte, was ordentliches, allerdings auf eigene Rechnung arbeiten zu wollen. Nein, lieber nicht, mein Restleben ist zu kurz, um es mit Arbeit zu verbringen. Aber der Reiz, nach Stellenweise Glatteis auch noch die anderen Bücher wenigstens zu lesen (und Stellenweise Glatteis sowie Irrlicht und Feuer wiederzulesen), ist durchaus vorhanden. Ob Sie mir mal Ihre eMail-Adresse zukommen lassen (Impressum)?


enzoo   (18.01.12, 10:20)   (link)  
ich
beabsichtige nichts, keine angst! nur hier weiter interessantes zu lesen, das wünsche ich mir. aber dazu braucht es meinen input gewiss nicht.

und natürlich ist schreiben arbeit! wer würde das bezweifeln? "mein restleben ist zu kurz, um es mit arbeit zu verbringen" stimmt dieser satz nicht für uns alle, immer, in jedem lebensalter?

(ach ja: meine emailadresse huscht bereits durch die datenkabel des kontinents)


terra40   (13.01.12, 12:09)   (link)  
Rauchfarben
Weder irrlichterndes Grün, noch Blaßblau. Nein, rot ist die Farbe der zahllosen Lucky Strikes mit denen ich mein Inneres asphaltiert habe. Aber, liebes HB-Männchen, wer wird dann gleich in die Luft gehen?
Gruß, T.


jean stubenzweig   (13.01.12, 15:29)   (link)  
Wenn Sie, lieber Terra,
oben im Text auf papier maïs klicken, dann sehen Sie das Blaßblaue der Packung. Rot ist auch dabei, aber das der feurigen Gitanes, die es auch in Maispapier gepackt gab. Mittlerweile gilt die sogar in Frankreich als Droge, schlimmer als das grüne. grüne Gras.

Eben sehe ich, daß der User das Bild entfernt hat, die rote maispapierige Zigeunerin also auch perdu ist. Die Welt wird immer langweiliger. Jetzt weigert sie sich schon, sich verlinken zu lassen. Ich schaue mal, ob ich wenigstens die blaßblaue Packung der Boyards woanders finde. Solange nehme ich Les boÎtes der ruten usine, die ist auch so schön nicht nur in ihrem Rot, und alleine die Sprachverpackung der roten Sardinen von Hans Bretagne ist zu köstlich, so wohlschmeckend wie Sardinen in französischen Dosen nunmal (meistens) sind; zur Not nehme ich auch nordafrikanische, das ist ohnehin (koloniales) Frankreich.

Hier! Hier kommen wir dem näher, wenn sie auch grün geworden ist, die Packung. Aber da sind wir schließlich am Thema.

Aber die blaue habe ich jetzt auch gefunden, sogar auf meiner Seite: Boyards. Und auch die Zigeunerin, leider auch nur in blau, aber mit gelben Röllchen. Und Lucky Strike. Das riecht ja nach Tod oder, mit Filter, wie Peter Stuyvesant.















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