Hunde, wollt ihr ewig schnüffeln?



Der Cafétier der Hermetik bringt mich auf die Idee, in meinem bis weit ins vergangene Jahrtausend, bis in dessen siebziger Jahre zurückreichenden digitalisierten Festplattenarchiv zu blättern, denn in meinem Hinterstübchen blinkt etwas wie ein Fliegenfänger auf dem Neusiedler See. Die einen heben jeden rostigen krummen Nagel auf, ich jeden noch so verbogenen Text. Man, besser ich, weiß schließlich nie, ob er irgendwie noch geradezuklopfen ist, um mit einem Schlag Brauchbares daran aufzuhängen. Es gab eine Zeit, in der man noch nicht einfach so das Schleppinternetz auswerfen konnte, um mehr Beifang als leckere Fischstäbchen zu angeln. Da habe ich auch anderer Leute Schrulligkeiten abgeschrieben, nicht zuletzt, um kein Internet-Ausdrucker zu sein oder auch, weil ich mein Gewissen ruhigstellen wollte, das das Umhauen von Bäumen zum Erzeugen von überflüssigem Papier verbietet, weil sie mich amüsierten oder weil ich meinte, sie irgendwann einmal verbraten, sie als Würze meiner Pfanne hinzufügen zu können, sie zur Not, wenn ich als ehemals gar öffentlich-rechtlich agierender Textkoch mal wieder nicht in der Lage sein werde, ausreichend Genüßliches zu kreieren, es zumindest als Sättigungsbeilage anzufügen.

Um die spezielle Art der Vierbeiner geht es, die der trotz aller Hundemüdigkeit ewig junge siebenunddreißigjährige Kid in seinem letzten Bulletin anführt. Was ich dazu schreiben möchte, ist mir bislang noch nicht klar, ich verfahre ohnehin grundsätzlich nach dem paraphrasierten kleistschen Prinzip des Über das Verfertigen der Gedanken beim Reden vulgo schreibenden Plapperns, ich bin mir jedoch sicher, daß ich es möchte, selbst auf die Gefahr der Bedrohung durch vereinzelte Hundeliebhaber und -innen hin. Ich hab's nunmal eher mit freilaufenden Mimis, die allenfalls mal zu ihrer Bildung oder auch mal zum Schimpfen, wahrscheinlich über diesen Biokatzenfraß, der immer noch zu wenig Fleischanteil innehat, am Fenster die Stube aufsuchen und nicht mit, wie's auch in meiner Nachbarschaft trotz aller ländlichen Weitläufigkeit geschieht, daß solch ein freiheitsliebendes Tierchen es sicherlich eher schätzt, auf Bäumen herumzuhüpfen als in einer Wohnung an künstlichen kratzen zu müssen. Kurzum: Ein Streiflicht lief mir in meiner ewigen Suche nach der verlorenen Zeit in meinen vielen unaufgeräumten Schubladen oder Ordnern zwischen meinen Gedanken herum. Wann es verfaßt beziehungsweise gedruckt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, denn bekanntlich ist derjenige, der Ordnung hält, lediglich zu faul zum Suchen. Doch es ist ohnehin zeitlos, dieses Thema, jedenfalls seit der Mensch zwar weiterhin oder scheinbar vermehrt Lust verspürt, aber keine mehr, und sei es zu Reproduktionszwecken, Menschen zu machen und es deshalb vorzieht, offensichtlich bevorzugt im metropolischen Bereich, sich Schoßhündchen zu halten. Manchmal sind die so großartig, daß es anzuraten wäre, sie in einem Schloß und dort hinter Riegel zu halten. Doch wenn ein Herr einen solchen Hund benötigt, weil sein Selbstwertgefühl weitaus kleiner ist als ein Chihuahua oder eine Dame einen Superstar pflegt, weil sie mit den Großen das Beinchen heben möchte, dann ist das nun einmal Bestandteil gesellschaftlichen Lebens.

Eigentlich habe ich nichts gegen diese Tiere oder Tierchen. Aber ich mag es nunmal nicht so gerne, wenn eines dieser zwangsläufig neurotisierten Lebewesen mich von hinten anspringt, wie es mir einmal geschah, ich aber glücklicherweise, auch ich war mal der Mode unterlegen, eine Schaffelljacke trug. Hans Pfitzinger erging es zu Lebzeiten ähnlich, aber der war schon immer verletztlicher als ich.
Mistviecher, diese kleinen krummbeinigen, plattschnäuzigen Kampfhunde mit den vorstehenden Reißzähnen. Wie kann sich eine so atemraubend schöne Frau einen solch hässlichen, bösartigen Köter anschaffen — so dachte ich, als mein Blick eine Viertelstunde nach dem Arztbesuch auf die Hundebesitzerin fiel.
Fast vor allem steht jedoch bei mir dabei das Olfaktorische, das wesentliche Lebenselexier dieser Gattung. Mimi käme nicht auf den Gedanken, trotz aller Frischgewaschenheit zwischen meinen Beinen nach meinen vergangenen Trieben zu forschen. Im erwähnten, zeitlich nicht mehr zuordenbaren Streiflicht heißt es allerdings:
Die menschliche Nase ist ein Sinnesorgan, das technisch noch nicht so ganz ausgereift ist. Die Hundenase etwa ist in puncto Funktionalität, ja selbst im Design wesentlich weiter, und das lassen diese Köter ihren Besitzer in oft demütigender Weise spüren, wenn sie an Bäumen olfaktorische Paradiese entdecken, die dem Menschen verschlossen bleiben. Man wüsste gerne, welche Sensationen so ein Stück feuchter Baumrinde zu bieten hat, das Hunde mit ebenso viel Aufmerksamkeit studieren wie unsereins ein gutes Buch. Offenbar sind es meist Liebesromane, die sich die Tiere da reinziehen, jedenfalls führen sie sich bei der Rezeption entsprechend auf. Daran teilzuhaben, bedarf es sensibelster Sensoren, die in einem Organ, das auch Riechkolben heißt, selbstverständlich fehlen. In puncto Geruchssinn verbietet sich dem Menschen jegliche Hochnäsigkeit, solange er noch nicht einmal in der Lage ist, die Ausdünstungen eines reifen Camemberts von denen eines häufig genutzten Wanderstiefels zu unterscheiden.
Mir ist wohl angeraten, in mich zu gehen. Denn der Autor oder die Autorin mahnt nicht nur menschliche Unfähigkeit an, sondern auch Toleranz und läßt auch, wie das mittlerweile auf gebildet neudeutsch in den Sprachgebrauch übergegangen ist, Empathie mitschwingen.
Um solche Nachteile halbwegs auszugleichen, hat der Mensch das Parfüm erfunden, ein Gemisch aus aufdringlichen Duftstoffen, dessen Odeur selbst der leistungsschwächste Zinken registriert. Im Idealfall wirkt das Parfüm wie ein Liebeszauber, und zwar dergestalt, dass sein Duft den begehrten Partner praktisch willenlos macht. So sind zum Beispiel Männer unwiderstehlich, die ein Rasierwasser auftragen, das sowohl den körpereigenen Männerduft abtötet als auch aufs Betörendste nach Mann riecht, also nach Pferdesattel und Motorenöl. Noch raffinierter sind die Duftnoten für Frauen, die sich gern mit dem unschuldig zarten Duft der Rosen umwölken, aber auch das Aroma eines arabischen Serails nicht verschmähen. Generell ist es so, daß der Mensch dem eigenen Geruch mißtraut. Wer Parfüm aufträgt, folgt einer Botschaft seines Unterbewußtseins: Tja, ich bin eigentlich ein ausgelatschter Wanderstiefel, möchte aber als Camembert rüberkommen.
Aber ich zur Zeit ohnehin ziemlich ausgelatschter Wanderstiefel, der vor lauter Bewegungsun-fähigkeit zur Zeit gedanklich nicht einmal mehr nach einem Serail schielt, habe dennoch Grund zur Landklage. Denn eine hält immer zu mir und ich zumindest meine Gedanken schützend über sie, manchmal sind's sogar Taten. Kürzlich, als ich mich auf den abenteuerlichen Weg des Spaziergangs von Champ de Foulage nach Pokensé machte — würde nicht mittlerweile jeder (noch) tatsächlich ohne industrielle Hilfsmittel Brot backende Bäcker von einer damit verbundenen Herausforderung sprechen, täte ich ihn so nennen, diesen Gang ins Abenteuer — und meine Mimi mich einem Hund gleich mir immerzu vor meinen wackligen Beinen herumspazierend zu begleiten trachtete, kam so ein Köter kläffend angeschossen, und die Katzendame war aller philosophischen Überlegungen zur Widersinnigkeit eines Kratzbaumes ledig und flüchtete in der Tat hoch hinauf. Er schien im Gegensatz zu mir diese friedliebenden Tieren nicht sonderlich zu mögen. Ich Pazifist werde Mimi wohl beibringen müssen, wie man solch einem auf dem Land lebenden Stadtköter die ausgefahrenen Krallen über die Schnauze zieht. Was ist das denn für ein Dorfleben? Da zieht man um eben dieses lieben Friedens willen von der Großstadt aufs Land, und selbst dort ist man vor ihnen nicht mehr sicher. Sogar eine Hundepfeife habe ich mir vor einiger Zeit zulegen müssen. Es scheint jedenfalls eine ruhebringende Investitition gewesen zu sein, denn das Schoßtierlein der benachbarten, vermutlich auch aus der Großstadt hinzugezogenen Tierheilpraktikerin keift nur noch selten, geschweige denn, daß diese Töle es wagen würde, meiner ägyptischen Göttin ans allzeit schmußige Fell gehen zu wollen.

Ein anderes, gleichwohl eher städtisches, mich in meiner Landlust zwar weniger berührendes Problem soll nicht unerwähnt bleiben. Aber schließlich gedenke ich irgendwann auch wieder mal weltmetropolischen Boden zu betreten. Aus dem Westen, scheint mir, kommt letztendlich diese ganze Scheiße, von der beispielsweise nicht nur die deutsche Hauptstadt dieser Bewegung voll ist. Was mir meine Mimi ist, ist der Pariserin ihr Cabot, diese Töle, die man sprachlich auch für einen Schmierenkomödianten hernehmen darf, namens Fifien, Filou, Fleurie oder Flofio. Und der deckt mit seiner Losung nunmal allüberall den Stadtraum ein. Very Yu, die neben Berlin auch in Shanghai zuhause ist, empfahl bereits 2002 Hausarrest für Hunde, das Reich der Mitte solle Von Deutschland lernen.
Hausarrest — ein schreckliches Wort, erinnert an schwarze Pädagogik vergangener Tage, verpönt seit der 68er Bewegung in Deutschland. Dort auch eher mit Freiheitsberaubung und Kindern assoziiert als mit Haustieren. Nun stehen in Shanghai laut einer neuen Verordnung Hunde unter Hausarrest. Gassi-Gehen ist seit Anfang dieses Jahres per Verwaltungsbeschluß reglementiert. Damit chinesische Hundehaufen nicht gleichmäßig über den Tag in der Stadt verteilt werden, sondern nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten. Pinkeln in Parks und viel frequentierten Gebieten verboten. Bei Verstoß muß ein Vielfaches von dem gezahlt werden, was das Liegenlassen des hundeeigenen Haufens auf einer Berliner Straße kostet.

Den deutschen Tierschutzbund hört man ob der Nachrichten aus dem Reich der Mitte aufschreien, die Hunde-Lobby und der Oberammergauer Schäferhunde-Verein sind entsetzt:

Hunde unter Hausarrest — das ist kein Hundeleben. Recht haben sie, denken die Chinesen, da kann man sie auch gleich essen: Pudel süß-sauer.

 
Mo, 09.07.2012 |  link | (1645) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Katzenleben


kid37   (12.07.12, 16:06)   (link)  
Eine Katze mit Geschmack, sie könnte sich derart ästhetisch gerüstet einen Hund nehmen und wie weiland Brock Rezeptionskurse auf der documenta anbieten.


jean stubenzweig   (12.07.12, 19:17)   (link)  
Mimi, Fifi an der Leine
hinter sich her über die Documenta ziehend, das ist ein Bild, das mich schmunzeln läßt.

Bazon hat übrigens kurz vor der Eröffnung der laufenden fürchterlich über sie geschimpft. Viele seiner Argumente hatten, soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann, Hand und Fuß, allem voran genannt der Zensurversuch der Künstlerischen Leiterin, den auch ich als unsäglich empfand. Mir wurde zugetragen, sie sei unter anderen auch in ihrem christlichen Empfinden erheblich gestört worden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er das auch getan hätte, wäre er wiederum eingeladen gewesen, seine Rezeptionsrundgänge wie gehabt durchzuführen.















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