Pecunia non olet

Bewirken wird das kaum etwas, bester Phom, das sehe ich genauso. Die meisten haben sich Ihre Meinung bereits fest bilden lassen. Wenn es sie überhaupt interessiert, wenn es nicht heißt: Was diese Amis da machen, meine Güte, das ist so weit weg. Und die anderen, das sind die ein Prozent Einschaltquote von arte, möglicherweise diejenigen, die behaupten, sie seien die neunundneunzig Prozent. Es ist ohnehin interessant, daß es sich um eine gerne als gebildet bezeichnete Minderheit handelt, die behauptet, sie sei die Mehrheit. Nehmen diejenigen denn an den politischen Ausrichtungen teil, die am ärgsten betroffen sind? Nein, das tun sie nicht. Der überwiegende Teil schaut nicht über den Rand seiner Billigheimerterrine, macht sein Kreuzchen, wenn er überhaupt noch wählen geht, letztendlich immer wieder bei derselben Personalie, läßt sich von denen vertreten, die es doch immer irgendwie ganz ordentlich gemacht haben.

Nicht nur die Industrie, sondern ein jeder pflegt, wie Sie in Ihrem Zuhause angemerkt haben, «amikales Verhältnis zum eigenen Portemonnaie». Erst gestern habe ich irgendwo vernommen, den Deutschen sei nicht so sehr um ihre Gesundheit bange als um das knapper werdende Geld. Das ist verständlich, wer möchte nicht wenigstens genug zum leben haben. Ich hingegen bevorzugte das Wohnen unter der Brücke gegenüber dem im Krankenhaus, am Tropf hängend gar, auf diese Weise verlängert ins ewige Dasein, und sei es noch so leblos. Gut, das ist Einstellungssache. Ich halte ein kürzeres und dafür besseres Leben für erstrebenswerter als ein langes in Langeweile und abschließend dann eventuell auch noch Siechtum im Sinn von hirn- also geistlos. Das ist ein Abschied: Ich hörte auf zu leben, aber ich habe gelebt.. Hinter dieser Sehnsucht nach Langlebigkeit scheinen mir allzu himmlische Direktiven zu stehen, der hoffnungsvolle Glaube an die Todlosigkeit. Doch das ist ein anderes Thema, allenfalls eines für die Philosophie.

Aber selbst wenn wir beim schnöden Mammon bleiben. Weshalb tun die Menschen nichts gegen diese Machenschaften? Sie könnten wenigstens den Versuch machen, über Wahlen etwas zu ändern, Politiker in die Pflicht nehmen, an diesen Zuständen etwas zu ändern. Aber sie bleiben lieber beim Bewährten. Das wäre seltsam konservativ zu nennen: conservare, etwas bewahren. Die Natur zum Beispiel. Dafür, für die dazugehörenden Tiere gehen sie sogar auf die Straße. Aber für sich als ebensolcher Bestandteil dieser Natur tun sie's nicht. Für längere Öffnungszeiten der Biergärten protestieren sie, wie vor längerer Zeit im gemütlichen Bayern, als es noch keine protestantische Unterwanderung gab in wegweisender Form einer Art des Verbots, ein Nachläufer der Prohibition. Massenweise städtischen Raum nehmen sie in Anspruch wie in Köln vor Diskotheken, wofür, logisch, die Bediensteten eine Gebühr verlangen wie seinerzeit die Staatsdiener für Salz oder Sekt oder früher beziehungsweise wie seit einiger Zeit wieder für die Urinabgabe.

Das Geld ist knapp geworden, weil die Kommunen in nicht mehr so blühenden westdeutschen Landen so verschuldet sind. Und warum befinden die sich kurz vor der Pleite? Sicher, manche Politiker haben sich mehr oder minder baufällige Denkmale gesetzt, das hat dazu beigetragen. Aber der eigentliche bevorstehende Konkurs kam zustande, da die demokratischen Bürger es zugelassen haben, daß die Volksvertreter so frei waren, nahezu alles dem Freiheit suggerierenden Markt zu überlassen, der's schon irgendwie richten wird. Bei der Gelegenheit: Da regen sich «Fans» des Fußball über Trikots auf, die Werbung eines Hähnchenverwursters zeigen. Über Werbung an sich erregt sich kaum jemand. Das ist Alltag. Mit Signets von Banken auf ihren tätowierten Brüsten, ich warte darauf, daß sie sich die Firmenlogereien wie ihre sportlichen Vorbilder demnächst in die für die Kamera gut sichtbare Halsfalte einpieksen lassen, damit dürfen sie herumhüpfen, unsere Fußballer, auch mit denen von Firmen, die mit Atomkraft für die Welt oder sonstigen Ausbeutungsverfahren den Planeten plattmachen, das stört niemanden. Anstatt einfach den Dreck nicht mehr zu kaufen, der sich als Nahrung auf dem freien Markt befindet.

Für die Regulierung des Geldflusses sind sie nicht wählen gegangen, auf die Straße gehen besagte ein Prozent, nachdem das Kind dreißig Meter tief in den Brunnen gefallen und tot ist, weil es auf trockenem Boden aufgeschlagen ist, weil das Grundwasser sich zurückgezogen hat. Womit wir schon wieder beim Fernsehen wären, das einmal mehr Probleme ansprechen wird, die ebenso längst bekannt sind, aber in Mittel- und Nordeuropa nur für Abschöpfer und Anleger der heiter sprudelnden Quellen interessant sein dürfte, da diese Regionen schließlich ausreichend mit Naß versorgt sind, die Allgemeinheit sich also weiter keine Sorgen macht und bei der Alltagsseifenoper und sonstigen Tatorten bleibt. In Berührung kommt sie ohnehin nur einmal jährlich, wenn sie an den schönsten Tagen des Jahres an den sonnigen Stränden des spanischen Südens weilt.

Ach so: Fernsehen. Über das Laufband meiner Art von Konsum erreichte mich der Hinweis, die nächsten Tage käme es zur Ausstrahlung eines ebenfalls hinlänglich bekannten Sachverhaltes, der jedoch immer noch nicht alle errreicht zu haben scheint. Es mag auch daran liegen, daß die öffentlich-rechtlichen Anstalten kurz vor der Insolvenz stehen wie ihre Betreiber, die Länder und durchaus auch der bundesdeutsche Bund, daß kein Geld mehr vorhanden ist für neue Sendungen, vielleicht haben auch die volumnösen Werbeblöcke zur letzten Fußballerei oder die um die reizenden Hinterteile der in London um die Wette rennenden und hüpfenden Leistungs-messerinnen nicht ausgereicht, so daß nur noch wiederholt werden kann. Auf jeden Fall soll es einmal mehr ums Flüssige gehen. Angekündigt ist ein Beitrag für, wenn ich mich recht erinnere, kommenden Dienstag, ich meine im tatsächlichen Mainstream-Sender ARD gleich RTL, Sat1 und Co, ein Beitrag, von dem ich vermute, es könnte sich dabei um den handeln, der bereits einmal im schweizerischen Fernsehen und auch anderswo lief. Der WDR wird noch einmal nachklappern, im Spätherbst, da ist ohnehin alles grau und dunkel um Mitternacht, da liegt der kritische Bürger im tiefsten Schlaf. Gute Nacht. Doch Heinrich Heine:
Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.
Ach, die einst schönen Tage von Saint Tropez. Das waren Zeiten. Als dann auch noch die Hippies aus den USA herübergerudert kamen. Oder die noch länger zurückliegenden stillen von Clichy. Noch so'n mon Ami, ein Freund der Liebe. Wir benötigen doch gar kein Fernsehen.
 
Fr, 07.09.2012 |  link | (4321) | 17 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ansichten


phom   (09.09.12, 14:50)   (link)  
Ein Leben in Kürze, aber dafür in Würze, ...
...wäre auch ganz nach meinem Geschmack. Allerdings könnte ich auch einem längeren Dasein auf Erden, sofern die Umstände passen, durchaus etwas abgewinnen.

Fragen Sie nicht mich, weshalb die Menschen zu wenig aufbegehren. Ich bin ja selbst viel zu schläfrig in dieser Hinsicht, das heißt: ich könnte mehr tun. Vermutlich könnte man aber immer mehr tun. Zumindest müsste ich mir nicht nachsagen lassen, bis zum heutigen Tage nicht jede Wahl wahrgenommen zu haben, wobei es wohlbemerkt auch nicht immer die beste Auswahl gab. Doch betrachtet man alleine diese Auswahl, so tun sich bessere und schlechtere Varianten auf, wobei die schlechteren, mit ihrem Hang zu Korruption und unerquicklichen Hinterlassenschaften, üblicherweise gewählt werden.

Uns geht es eben noch zu gut, wir haben noch einige Groschen mehr in der Tasche als wir zum Leben benötigen und wir sind zwar Pessimisten, aber nicht Pessimisten genug, um zu erkennen, dass sich daran mittelfristig etwas ändern könnte. Wie könnten wir, die wir immerzu in der kurzen Frist vor- wie zurückdenken, so etwas auch erkennen? Solange wir noch in Urlaub fliegen können und wir noch bestückte Supermarktregale vorfinden, gibt es für uns doch keinen Anlass, die Stammtischproteste auf die Straßen zu verlegen. Zumal es auf der Straße kein Bier gibt.

Ihrer Fernsehempfehlung werde ich eventuell nachgehen, sofern der Beitrag nicht zu unmöglichen Sendezeiten ausgestrahlt wird. Im Programm der ARD ist an besagtem Dienstag zur Primetime und darüber hinaus übrigens ein Länderspiel im Fußball angesetzt. Zur Konfrontation treten an: Deutschland gegen Österreich.


phom   (11.09.12, 11:06)   (link)  
Nachtrag
Besagter Film läuft heute um Viertel nach acht auf ARTE, der sich löblicherweise dem Fußballfieber wieder einmal gänzlich entzieht. Eine Wiederholung ist dort für den 20. September um 15.00 Uhr angesetzt.


jean stubenzweig   (11.09.12, 14:24)   (link)  
Ich unterscheide
schon gar nicht mehr zwischen Hoch- und Niederwildkultur. Mir scheint die Unterscheidungs-fähigkeit abhanden zu kommen.

Also einmal mehr: höchstens zwei Prozent Einschaltquote, eher weniger, denn es wird schließlich (schon wieder) gekickt.

Und dann auch noch diese beiden Mannschaften gegeneinander. Bedeutet das nun Krieg oder heim ins Reich? Irgendwo habe ich gelesen, dabei spiele die deutsche Bundesliga gegen Deutschland.

Was für einen Stellenwert hat da noch eine Wasserschlacht.


enzoo   (11.09.12, 15:36)   (link)  
lieber
lieber reich ins (alters)heim als heim ins reich, nciht wahr? ich sehe, unabhängig vom heutigen spiel des jahres, wie die zeitungen und der orf das nennen (das wievielte spiel des jahres ist das eigentlich schon heuer?) gerade in mehreren sitzungen vor der flachröhre "die piefke-saga", jenes vierteiliges tv-kammerstück von felix mitterer, das damals einen skandal generierte und heute noch immer spass macht, weil es beiden seiten, also sowohl den inkriminierten piefkes, als auch der österreichischen fremdenverkehrswirtschaft so herrlich in die weichteile tritt. aber das ist vermutlich gerade ein wenig am thema vorbei, entschuldigung.


jean stubenzweig   (11.09.12, 18:41)   (link)  
Entschuldigen können
Sie sich hier so lang und breit, wie's Ihnen beliebt. Ein Teil der Menschheit mag nämlich immerzu unterhalten werden. Und die Piefke-Saga ist ein bestes Beispiel für Ablenkung von der ansonsten hochdramatischen Langeweile. Der Ernst der Lage wird uns schon nicht abhanden kommen. Vielleicht bereits heute abend, wenn die Begleiterscheinungen der einst vereinigten Brüdervölker nach einem heiteren Spielchen gegeneinander eine Schlacht auf die Köpfe schlagen?


jean stubenzweig   (12.09.12, 16:33)   (link)  
Die Wasserspiele
gestern abend auf Arte haben mich arg enttäuscht. Da dachte ich wunder was, was da kommen würde, hatte aber den Eindruck, hier wollte einer auf Kosten schweizerischer Fernsehgebührenzahler unbedingt in Maine Urlaub machen und ein wenig in Pakistan hineinschnuppern. Das, was da an Information geliefert wurde, war ein dünnes Süppchen. Gut, es ging um Nestlé. Aber bei der Thematik hätte ich mir durchaus oder unbedingt einen Exkurs auch nach Europa gewünscht, wo allenthalben die Problematik durch die Privatisierung hochsickert und die kommunalen Haushalte durchdringt, wie ich das in Bis an des Wassers Scheide mal angerissen habe.


phom   (12.09.12, 22:09)   (link)  
Eigentlich wollte ich mir den Film heute abend wieder aus der TV-Thek über den Klapprechner ansehen. Da Ihr Urteil aber derart vernichtend ausfällt, tauche ich dann doch lieber in ein altes Lettre ein, das ich mir als Prämie für mein Jahres-Abo habe zusenden lassen.


kopfschuetteln   (13.09.12, 02:26)   (link)  
nein, nein (so einfach ist das nicht).
ich finde, jeder sollte sich selbst ein bild machen.
think about that(!)
es geht doch "nur" darum, weiter gesponnen, welches allgemeingut als nächstes verkauft wird.


enzoo   (13.09.12, 10:39)   (link)  
aber
ist wasser denn ein allgemeingut, ist es das jemals gewesen?

nur weil "wir" in einer gemässigten zone des planeten leben, in der es erfreulicher weise, manchmal auch unerfreulicher weise, viel regnet, jedenfalls genug, sodass wir in der regel keinen mangel daran haben, bedeutet das doch nicht, dass wir von unserem grosszügigen umgang mit trinkwasser, mit dem wir sogar unsere exkremente wegschwemmen, auf andere schliessen können. schon immer gab es brunnenbesitzer in trockenen gegenden, die sich die wasserentnahme bezahlen liessen. nicht dass ich das für den einzelnen für gut hiesse, aber in solchen gegenden geht es vermutlich nicht anders: denn kostete es nichts, würde mehr als das notwendigste entnommen werden, und der brunnen würde trocken fallen und so für alle unbrauchbar werden. die tragik der allmende lauert überall.

in der globalisierten welt funktioniert das eben in grösserem massstab, und es gibt, rein markttechnisch gesehen, keinen grund, warum ein knappes gut nicht für profit sorgen sollte. warum sollte ausgerechnet hier am hochgepriesenen freien markt, der sich ja, vorausgesetzt, es gibt keine staatlichen eingriffe, angeblich selbst reguliert, moral und anstand herrschen, wenn dies in allen anderen fällen nicht so ist? er reguliert sich ja auch: die, die sich kein wasser kaufen können, werden verdursten, und so wird dieser markt wegbrechen. mit ausreichend zynismus und den nötigen berechnungsmodellen versehen, kann man den markt kontrollieren wie jeden anderen: es ist diesen leuten egal, ob sie mobiltelefone verkaufen oder babynahrung oder wasser. am ende des tages zählt der profit.

ich werd mir das doch ansehen und vermutlich auch den kopf schütteln.


kopfschuetteln   (13.09.12, 12:56)   (link)  
daß geschäft mit
wasser gemacht wird, war mir auch vorher klar. es ist dennoch interessant, wie das getan wird. sie werden den kopf schütteln! ich habe nicht zufällig think about that geschrieben, achten sie auf die stelle.


jean stubenzweig   (13.09.12, 16:27)   (link)  
Der Informationsstand
ist ausschlaggebend, lieber Phom, liebe Kopfschüttlerin, lieber Enzoo. Es mag sein, daß ich einen kleinen Vorsprung gegenüber anderen habe, da ich mich seit längerem mit Wasser, das ich gerne trinke, sehr viel lieber als den von mir gar verabscheuten gesüßten Kram namens Limonade, welcher Einfärbung auch immer, genauer mit den Privatsierungspraktiken beschäftige. Darin liegt der Grund für meine vielleicht etwas schnöselige Abfuhr dieser Reportage, die allerdings ohnehin keine, wie präsentiert, Dokumentation ist, da sie sämtliche über den offensichtlich schweizerischen Tellerrand hinausgehende Aspekte nicht ins Blickfeld rückt. Die Konzentraion auf den US-Bundesstaat Maine und da auch noch auf zwei Wassersammelgebiete sowie auf die Praxis in Pakistan dieses Monsters an Lebensmittelverderbheit reicht meines Erachtens nicht aus, die weltweiten Machenschaften auch nur annähernd zu erfassen. Es ist nämlich wahrlich nicht nur das Unternehmen Nestlé, das es dabei umtreibt. Es sind einige, die anderen das Wasser abgraben, durchaus auch innerhalb Europas. Und längst hat man es geschafft, zum Beipiel in Deutschland, in einer Randgemeinde des Taunus*, über diese unsäglichen PPP-Konstruktionen, mit denen ich mich erstmals in den Achtzigern im Zusammenhang mit Kunst und Kultur konfrontiert sah, ich wiederhole mich mal, da muß man nicht soviel herumklicken:
PPP, neudeutsch Partnership, von mir vor langer Zeit mal abgehandelt im Zusammenhang mit Privatwirtschaft als Kunstsponsor. Unverdrossen wird propagiert, von dem längst erwiesen ist, daß es immer nur einen Gewinner beziehungsweise Verlierer gibt. Letzterer ist der Bürger, jener Mensch, der in deutschen Medien fast nur noch als Steuerzahler erwähnt wird. Die von ihm gewählten sogenannten konservativen Politiker, gerne auch solche aus dem sozialgefärbten Lager, verscherbeln, um die von ihnen gerissenen Haushaltslöcher zu stopfen, die vor und von Generationen angeschaffte und — conservare — bewahrte Aussteuer (es könnte ja eines Tages noch der richtige Partner fürs Kind kommen) samt Tafelsilber.
PPP ist jedoch längst auf perfide Weise und mittlerweile nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit auf andere Bereiche ausgedehnt worden, teilweise geschieht das durch Unterlaufen kommunaler Verordnungen — im Film «beispielhaft» vorgeführt an zwei Gemeinden im US-Staat Maine, die sich gegen den schweizerischen Weltkonzern wehrten, wobei der eine Ort vor Gericht unterlag, während der andere siegreich war —, Wasserrechte an sich zu ziehen. Auch hier spielen die seltsamen Verhaltensweisen verschiedener Politiker, auch die kleinster Ortschaften, irgendeiner hat immer ein Stück Land höchstwertig zu verscherbeln, eine entscheidende Rolle, seltsam insofern, als kaum noch jemand durchblickt, wer da in welche Richtung zieht und bei wem die Vorteilnahme beziehungsweise in welcher Form diese ankommt.

In Frankreich war man lange Zeit dieser Wasserabgabe gegenüber höchst aufgeschlossen, jedoch hat man die Rechte aus den privaten Töpfen mittlerweile zum Teil wieder herauszufischen begonnen. Bleibe ich mal im Bild des revolutionären Rechts jedes Franzosen, dem ein ordentliches Mahl zusteht; die Hintergründe habe ich unter anderem in Ärmerenspeisung angerissen. Ein jeder soll in dieser Suppe löffeln dürfen, wobei wahrlich nicht nur dem (Geld-)Adel die besten Stücke zuzustehen haben, davon mal abgesehen, daß das, was heutzutage den Touristen als landestypische Leckerei vorgesetzt wird, früher eine Art Resteessen war. In Paris sowie in anderen Städten werden die vor Jahrzehnten großzügig an Privatunternehmen abgegebenen Wasserrechte successive in kommunale Verwaltungen zurückgeholt. In diese Richtung neigen auch deutsche Gemeinden, da man offenbar gemerkt hat, daß diese Wasserrechnungen nicht ganz sauber sind. In Nordhessen* belastete man die Einwohner einer Stadt im Wortsinn erheblich mit gehobenen Ausgaben für einen Leitungsbau, angeblich verursacht durch die hügelige Landschaft. Ein paar Kilometer weiter zahlen die Verbraucher weitaus weniger, bei denselben geographischen Konstellationen. Es ist allerdings so, daß sich in die Kommune der erhöhten Abgaben die privaten Wasserverwerter eingeschlichen haben, genauer, es ihnen gelungen ist, quasi wie bei dem Städtchen Fryeburg in Maine, das in diesem Arte- respektive SFR-Bericht überumfangreich gewürdigt wurde, die gesetzlichen Bestimmungen via PPP oder ähnlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu eigenen Gunsten zu unterlaufen.

Ich übe also keine grundsätzliche Kritik am Aufgreifen dieser Thematik. Verärgert bin ich an der Programmatk meines Blütensternengärtchens, diesen Film zur absoluten Novität aufzublasen. Aus meiner Erinnerung heraus hat ein zehnminütiger Beitrag in einem dieser mehr oder minder populären Wissenschaftsmagzine in 3sat titels nano, es dürfte im April 2010 gewesen sein, bereits mehr Information transportiert als dieses Featurechen aus der auch mal finanzkritischen Schweiz. Es war schlicht eine Wiederholung der SRG SSR. Ich gehe mutmaßelnd von Selbstverpflichtungen aus, die sich Strasbourg auferlegt hat, da auch das schweizerische Fernsehen seit einiger Zeit zum Lieferantenhäuflein für Gesellschaftskritik-TV gehört. Die Reportage als solche stellte, ich variiere meine Wiederholung, ein innerschweizerisches Problem dar, ich argwöhne jetzt mal weiter, gegen den, übrigens ziemlich nach einem Österreicher, nach — Will ach Villach. Will ach Klagenfurt, will ach Klagenfurt. Will ach Villach. — klingenden, Präsidenten des Konzerns. Das hat thematisch zweifelsohne seine Berechtigung, auch in der zehnten Wiederholung, allerdings nicht als Themenabend im Fernsehprogramm eines Minderheitensenders, sondern statt der spätvorabendlichen Seifenoper in den Kanälen, die die größten Teile der Bevölkerungen einschalten. Vermutlich würde man ohnehin via Lindenstraße eher an die Leutchens gelangen, die das ansonsten nicht weiter interessiert, da die Problematik sich ihnen nicht erschließt.

Kurz noch ein Beispiel dazu. Als es bei mir in der Nord-Dépendance Probleme gab bezüglich der Abwasserrohre, die Scheiße also immer wieder mal hochkam, beschuldigte mich mein landlordischer Vermieter, ich spülte nicht ausreichend, Wasser koste schließlich «so gut wie nichts». Tatsächlich gehöre ich zu denen, die meinen, nicht jedes Pipilein mit zig Litern feinem Lebensmittel verdünnen zu müssen. Mich ärgert seit langem, daß es hier- und anderszulande heißt, gut gespült hat nie Bayreuth. Trotz der Unterstellung blieb ich bei der Kurzspülung. Daß die teilprivaten Wasserverwerter Schwierigkeiten bei der Sauberhaltung der Rohre haben, liegt meines Erachtens daran, daß sie aus Kostengründen, sprich sich auf diese Weise verringernden Gewinnen, nicht gewillt sind, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Einige Zeit später stellte sich heraus, wie dank Expertenbefragung vermutet und auch geäußert, das entsprechende Rohr war beim Hausumbau vor etwa zwanzig Jahren nicht korrekt verlegt worden und verstopfte wegen des zu geringen Neigungswinkels nach und nach. Ich führe auch das auf diese Kostengründe zurück, wie sie jeder Häuslebauer hat, der zu «sparen» gezwungen ist, da könnte ich manch lustige Geschichte aus meinem Landleben erzählen. Als alles wieder sozusagen im Lot war, nickte der vermietende Landlord auf meine Zustandsfrage, was ich als gleichwohl entschuldigende Bejahung verstand. Es kommt also, wie beim Beton, immer darauf an, was man daraus macht. Wir sind gezwungen, uns zu vergegenwärtigen: Auch mitten in Europa ist Wasser ein zu kostbares Gut. Das nicht dem Kreislauf der Gewinnwirtschaft zugeführt werden darf. Und wo das bereits geschehen ist, gehört es diesen Asozialen wieder abgenommen.

* Zugestandenermaßen bin ich zu müßiggängerisch oder auch zu faul, nach eventuell im Internet zur Vergugung stehenden Quellen zu suchen. Es gibt sie, da bin ich sicher. Aber wenn man in die Suchmaschine das Stichwort Wasser eingibt, erhält man sich zunächst einmal tausende Hinweise auf die Marke, mit der Nestlé die Welt zu erobern gedenkt, angefangen in der dritten, ich habe es aber auch hier bereits gesehen, und zwar im Kühlschrank von Frau Braggelmann, die für solche Moden leider einen leichten Hang hat, es mag aber auch sein, daß diese Quelle das Töchterlein war, denn die ist, wie der überwiegende Teil der jungen anfangsgebildeten Menschen, anfällig für Markenprodukte. Pure Life, in anderen Ländern längst als teuer zu bezahlendes Grundnahrungsmittel auf den Märkten, wird hierzulande gleich EiPhone, auch nicht eben billig, als LifeStyle an die Jungen verkauft, die ständig an etwas herumzunuckeln haben, möglicherweise, weil sie zu Kleinstkindzeiten zuwenig Brustduftdrüsen abbekamen und deshalb den Unterschied zwischen Natur und Naturnähe nicht mehr kennen. Es mag sich jedoch auch um eine gewaltige PR-Maßnahme der Wasserwirtschaft gehandelt haben, die tsunami- oder auch, je nach Blickwinkel, füllhorngleich über den Häuptern der Nachwachsenden der Konsumvölker ausgeleert wurde. Die Jungschen müssen sich schließlich daran gewöhnen, daß auch das Lebensgewöhnliche seinen Preis hat.


jean stubenzweig   (13.09.12, 16:38)   (link)  
Alsda der Herr Präsident
von Nestlé sprach zu seinem Volk, den schweizerischen globalkolonialisierten Pakistani. Mit Ihren Sätzen, bester Enzoo, höre ich ihn reden, den Herrn Brabeck. Da Sie's sich die Reportage ansehen werden, dürfte Ihnen das bekannt vorkommen. Zynisch ist da gar nichts. Der glaubt daran, wie anderes an etwas anderes.

Ich wiederhole, woran ich glaube, was ich mal erzählt habe.

Grundbedürfnisse wie Energie, Lehre, Transport oder Wasser nicht in die Portemonnaies gewinnorientierter Konzerne, also nicht in private Hand gehört beziehungsweise man es ihr wieder wegzunehmen hat, wenn es dort hineingeraten sein sollte wie fast seit je üblich in den meisten Kommunen des Landes. Der hormongesteuerte Kulturmuslim aus dem bei Jean-Claude Izzo immer wieder beschriebenen Norden der Stadt, je nach Zuneigung oder Fluchtwillen Heimat oder Ghetto der Beurs, könnte das ebenfalls wissen, läse er manchmal das eine Zeitlang von Izzo edierte kleinere Blatt La Marseillaise und hörte wenigstens hin und wieder France Inter und nicht fortwährend Mucke auf Beur FM und manchmal, wenn die hartgegelten Kumpels nicht in der Nähe sind, heimlich Cherie FM oder Radio Nostalgie. So wird die junge schöne Blonde, die sich von dieser Begegnung eine andere Art der Annäherung erhofft hatte, nicht im schwarzen Cabriolet des sportlichen Redners nach Hause ins von Papa lange vor Umbaubeginn gekaufte Apartement fahren, sondern mit der Tram, die mittlerweile bis ans Ende der Rue de la République an der Joliette an jenem Teil des Hafens vorbeiführt, von dem aus nach Korsika oder Afrika übergesetzt werden kann, und am neuen, europäisch gestützten Medienzentrum ihr Ende findet.

Schöne neue Welt.


kopfschuetteln   (14.09.12, 15:00)   (link)  
da haben sie völlig recht,
herr stubenzweig. auf den informationsstand kommt es an. ich habe aber nicht mehr erwartet, als das es um besagte firma geht. ich hatte das gefühl, ich müsse da einfach intervenieren.

ppp ist noch mal ein thema an sich. in den blättern gab es mehrere interesaante artikel darüber, die ich auch bei mir verlinkt hatte. das problem ist einfach, daß die öffentliche hand viele aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann oder will, und daß dann eine privatisierung als alternativlos dargestellt wird. ich bin auch der ansicht, daß energie, lehre, transport oder wasser, nicht zuletzt gesundheit, nicht verramscht gehören, was anderes ist es nicht. aber, solange die leute sich quasi nur als konsumenten verhalten, da sehe ich dunkelschwarz.


enzoo   (14.09.12, 14:13)   (link)  
jedenfalls
ist nestlé sehr gut organisiert, wenn man in pakistan von einem entscheid am genfer see weiss, nicht bei "einem filmprojekt mitzuwirken", wie es im nachspann heisst.

beinahe rührend waren zwei äusserungen des CEO brabeck in meinen ohren: dass nestlé nur 0,00irgendwas prozent des wassers, das in der welt getrunken wird, zur verfügung stellt. in absoluten zahlen war da allerdings von 9 mrd dollar (oder euro? egal) pro jahr die rede, was satte 9 % des gesamtjahresumsatzes ausmacht. sowas despektierliches über den geschäftszweg wasser sagt er vermutlich nur in der öffentlichkeit.

und dass nestlé als wohltäter da einspringt, wo die öffentliche wasserversorgung versagt? das mag schon sein - aber wären sie tatsächlich solche menschenfreunde, als die hr. brabeck die firma darstellt, dann würden sie projekte nicht unterstützen, sondern durchführen (an organisationstalent mangelt es ja nihct, siehe oben), die die wasserversorgung in pakistan oder nigeria oder wo auch immer sichert - und zwar auch für die menschen, die sich pure life inmitten ihrer dreckslums nicht leisten können, von mir auch finanziert von den erlösen, die in gegenden generiert werden, wo man das wasser bedenkenlos und sogar mit genuss aus der leitung trinken könnte, die menschen es sich aber leisten können und für chic halten, vittel oder evian oder san pelegrino auf den tisch zu stellen.

aber es ist halt viel lustiger, einer gemeinde einen kinderspielplatz zu finanzieren, der vielleicht um die 25.000 kostet, was dem halben marktwert einer tankwagenladung wasser entspricht, von denen täglich mehrere dutzend durch den ort donnern, und sich dann als gute nachbarn feiern zu lassen. wenn diese business-kalkulations-typen nicht schon völlig dehumorisiert sind, müssen sie sich ja jeden abend auf die schenkel klopfen vor lachen über die dummheit ihrer kommunalen geschäfts"partner".


jean stubenzweig   (15.09.12, 09:54)   (link)  
Arg scheint mir zudem,
daß der Konzern, wenn ich mich recht erinnere, an den meisten Pumpstationen Pakistans seit 2007 nicht mehr anwesend ist, er alles verrotten läßt, aber nach wie vor damit seine Güte auf den firmeneigen hergestellten Videos bewirbt, sich als Großgönner darstellt. Interessant ist übrigends die folgende Auflistung (ich wollte lediglich die Wassersorten herausfinden). Man kommt ihnen nicht mehr aus. Mit Schrecken stelle ich fest, daß ich auch meine beim Alltagseinkauf bevorzugte Eiscreme nicht mehr essen darf.


phom   (16.09.12, 15:33)   (link)  
Purelife
...hatte ich schon einmal anderswo gesehen. Das reine Leben, das mir bisher noch gar nicht so bewusst untergekommen war, wird auch in Thailand ausgeschenkt.



Der Konsum dort beträgt pro Kopf im Jahr sogar 43 Liter. Übrigens scheinen auch hier Gewerkschaften recht unbeliebt zu sein ([1] + [2]), wenngleich man dann doch etwas humaner vorgeht als Coca Cola in Kolumbien und Mitarbeiter lediglich hinausschmeißt.



Frau kopfschuetteln hatte durchaus nicht Unrecht mit ihrem Einwand, denn der Film hat mich dann doch etwas zum Nachdenken angeregt, zumal ich mich mit der Wasserproblematik schon seit längerem nicht mehr ausführlich beschäftigt habe. Manchmal verzweifle ich fast, denn auf dieser Erde gibt es soviel Unrecht, dass ein Einzelner gar nicht alles erfassen kann. So danke ich Herrn Stubenzweig zwar herzlich für die Auflistung, doch es gäbe wahrhaftig noch mehr Markennamen, die man von seiner Einkaufsliste streichen sollte und auch müsste, sofern man konsequent sein will.

Im empfehlenswerten Film Food Inc., der gestern im privaten österreichischen Fernsehen lief, während der öffentlich-rechtliche Fußball und Musikantenstadl übertrug, heißt es in der Einleitung, dass wir die Wahrheit über das, was wir essen, nicht kennen sollen. Wir würden es vielleicht sonst nicht mehr essen wollen. Das trifft den Nagel meines Erachtens ziemlich genau auf den Kopf. Wie sehr sich die Konzerne gegen ein bisschen Filmerei in ihren Fabriken sträuben, spricht doch auch Bände. Letztendlich kann man wohl nur froh sein, wenn man zumindest teilweise vom eigenen Anbau und Vieh leben kann.

Mit kopfschüttelndem Gruß,
phom


jean stubenzweig   (17.09.12, 14:00)   (link)  
Feine Illustrationen
des Weltherrschermarktes haben Sie mir da eingestellt, und noch ein paar Botschaften hinzu. Ich warte eigentlich nur noch auf zwei, drei Fusionen. Dann haben wir definitiv die Weltregierung, die darüber hinaus auch noch bestimmt, was wir einzukaufen haben. Orwell muß geradezu naiv gewesen sein.

Ich werde mir die Liste mal genauer anschauen. Der erste Überblick zeigt, daß ich glücklicherweise zu denen gehöre, die fast keine dieser Produkte kaufen. Allerdings, ein Beispiel, Nestlé hat auch eine Quelle in sein Imperium integriert, die hier nicht verzeichnet ist und die zu meinen bevorzugten gehört(e): das Wasser von Bismarck. Ich dachte immer, das sei eine einheimische Leiche. Ein paar Kilometer von hier liegt er begraben.

Nun muß ich erstmal durchschnaufen. Nicht nur wegen der Liste. Ich war unterwegs.















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