Leid-Kultur

In seinem fast normalen Alltag produziert er Plastiken mit Titeln wie Geburt einer Baßgeige oder Zeichnungen, in denen er Mondrian unerkannt spazierengehen oder Giacometti die Welt erobern läßt.

Immer wieder sind seine um die Ecke formulierten Kommentare in Museen und Galerien zu sehen. Doch Johannes Muggenthaler mag unseren Kulturbetrieb, unseren ach so schwierig zu meisternden Alltag nicht nur bildhauerisch, photographisch oder zeichnerisch verhohnepipeln. Er (be-)schreibt ihn auch. Hier erhält der Begriff der Leidkultur seine endgültige Bestimmung.

Er konfrontiert mit philosophischen Sichtweisen dieser Art:
«Mächtig steht die Frage auf, wie dem Tag in die Knie zu verhelfen ist. Früher war das anders, da waren die Tage nicht so lang. Ungefragt vergingen sie wieder. Was bietet das Leben an Spannung, nicht viel. Die Dramaturgie ist schlecht, und wo man hinsieht Längen, fürchterliche Längen!»
Und in der zweiten seiner komischen Tragödien, Der Unvollendete, läßt er seinen grübelnden Helden Nietsche über das eigene Zuhause sinnieren. Es sehe «seit längerem so aus, als ob es niemanden gäbe, der hier seit längerem zu Hause wäre. Blasse Wände. Der Boden verstellt mit einer Sitzgarnitur. Es gibt Schonbezüge. Auch Schonbezüge wollen geschont sein. Unter den grauen Schonbezügen ist es eine blaue Sitzgarnitur. Obwohl das Blau geschont wird, beginnt es zu verblassen.»

Es müsse «doch eine Grenze sein zwischen Sein und Nichtsein», stellt Muggenthaler fest. Gefunden und gar befestigt wie einen heiligen Damm hat er sie nicht unbedingt. Aber das ist ja das Angenehme: nicht zu wissen, woran man ist.

«In kantig aneinander gesetzten Bildern und kraftvoll gefugter Handlung», schreibt Ulrike Landfester im Laubacher Feuilleton, «macht Muggenthaler den Reichtum im Widerspiel von Kultur und Natur sichtbar: Schicht um Schicht überlagern sich Macht des Wetters und Sturm des Gefühls, Labyrinth des Waldes und Irrgarten der Stadt, Tempel und Kerker, Paradies und Welt, Kunst des Erzählens und blütenreiches Wachstum der Fantasie — [...] eine doppelbödige Magie, in deren Bann der Leser selbst sich in der schimmernden Bedeutungsvielfalt der Texte glücklich verirrt.»

Johannes Muggenthaler:

Magie oder Maggi
Normal und sterblich
Wie man sich glücklich verirrt
Liebe und Schulden

Alle bei Edition Nautilus

Des weiteren:

Regen und andere Niederschläge
Der Idiotenhügel
Das Fremdenzimmer

Die Welt verschönern
 
Di, 24.06.2008 |  link | (3143) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Kopfkino















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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