Während der Retsinataucher die Warenweltwirtschaft des mittleren Meers gefährdet, da er sämtliche Bierventile geöffnet hat und sich dann wundert, daß auch vorm Hades ein Kontrolleur steht und Gebühren verlangt für die Benutzung der (Daten-)Autobahn heim ins Reich, muß unsereins mühsam im Festland graben. Aber ich habe die alte Seite der harten Linie schließlich ausgebuddelt, trotz aller eingebauten Suchcodierungen in Form verfälschender Datierungen. So will ich anhand eines Versuchs dieses erklärten Solipsisten nach, nenne ich's mal so, stirnerscher Gebrauchsanleitung, über die Zusammenhänge von Christentum, Kapitalismus und Wissenschaft auf dieses wohl einzigartige Machwerk hinweisen, bei dem so manche wunderbar aus der Verfassung geraten dürften. Möge es nicht nur dem seines Franken-reichs beraubten Ighor F. Bergher ein wenig Linderung verschaffen und ihm erheiternd den Tag eröffnen, bei gebührenfreiem Eintritt. «[...] Das was Max Weber in seiner Untersuchung der Entwicklung des Kapitalismus und der prothestantischen Ethik schon 1900 festgestellt hat, feiert derzeit — ich hoffe — seinen Höhenflug. Ganz kapiert hab ich's noch nicht ... wir sind frei in unserem Tun (weitab von der evangelischen Mutterkirche) und durch unsere kräftige Einmischung in den kapitalistischen Prozeß und den uns daraus beschiedenen Erfolg bezeugen wir den Willen Gottes und unsere ... Nähe zu Gott? baldige Erlösung? Das ist religiös fundamentierter, deterministischer Kapitalismus. Das ganze verbunden mit der Enteignung der Menschen wird es nicht mehr lange dauern und wir schießen die Arbeitslosen zur Glaubensprüfung ins Weltall. Wer nicht zurückkommt hat Einlass oder den Glauben nicht gefunden. Bei so einem Ausflug fühlt man sich wie eine Spermie, denn nur wenige finden Einlaß. [...]» Freiheit oder Determination
Glücklich gelandet Einst flogen wir dahin übers Wattenmeer, das hochwassrig überm Tagessoll lag. Wir hatten vollgetankt, sowohl das Rennboot als auch uns, noch auf dem Festland. Auf Norderney mußten wir nachtanken, nicht unbedingt den Flitzer, aber uns. Wir hatten einen ziemlich hohen Verbrauch. Auf der Rückfahrt von der Inselkneipe war das Wasser mit einem Mal weg. Zwar gab es eine vorgegebene Route, doch die war für die größeren Kähne gedacht, die schließlich die wertvolle Ware der Fremden beim Vekehr zu transportieren hatte. Wir wichen ab von ihr, wahrscheinlich auch, weil dem ehemaligen Captain zur See im leichten Nebull die Orientierung leicht abhanden gekommen war. Wir landeten. Saßen auf. Auf einer Sandbank. Bloß keine Hilfe holen, schrie der Eigner ins Diffuse und zu uns hin angesichts des in Sichtnähe vorbeifahrenden Krabbenfischers. Diese Blamage täte mich töten, meinte er. Nie wieder wolle mehr jemand mit ihm am mittäglichen Stammtisch weitertrinken. Glück der Gezeiten. Nach wenigen Stunden waren wir wieder flott. Es war noch (oder wieder) hell. Gedanken zu Kapitän, alle Bierventile geöffnet
Afrutopia Ein unangenehmer kühler Wind wehte vom Archipel, den Île du Frioul herüber. Nein, kalt war er, wie alle Ostwinde, egal ob an Ost- oder Nordsee oder eben auch hier am Mittelmeer. Im Sommer mochte er Linderung bringen, aber jetzt im November war auch die Afrika und Europa oder andersherum verbindende Badewanne und damit deren landmassige Umgebung unangenehm heruntergekühlt. Die Außentemperaturen gingen früh am Morgen um einiges unter die Zehn-Grad-Grenze, vor allem dann, wenn der Wind nach Norden drehte oder besser: von der Rhône herunter nach Marseille hineinfegte. Der Mistral kühlte auch bei hochsommerlichen Temperaturen allenfalls Touristen ab. Den fluchenden Kellnern blies er gar gefüllte Wasserflaschen von den Tabletts, und dieser Blasprotz vermochte durchaus, Schöße zu befeuchten, was manchem dezent geschminkten, zum Vergnügen angereisten Mündchen nicht unbedingt ein Juchzen, sondern eher ein derbes Merde entfahren ließ. Doch selbst im August säße um diese Uhrzeit niemand in einem der Cafés um den Alten Hafen, auch nicht um sich abzukühlen von den alltäglichen rund vierzig Grad plus. Daß er im November früh um fünf das kleine Boot bestieg, das er hinter den beiden Türmen festgemacht hatte, die die Ein- oder Ausfahrt zum View Port bildeten, der seit Jahrzehnten schon fast nur noch der Freizeit diente und in dem, bis auf ein paar Fische für die drei Tische am Quai des Belges, bis auf Touristen keine Waren mehr angelandet wurden, lag auch nicht daran, daß er eine äußere Linderung suchte. Es ging ihm um eine innere. Nach Afrika aufzubrechen war er gewillt. Die einen kommen, die anderen fahren dahin. Auf dem Weg dorthin erhoffte er, endlich ein Zuhause zu finden. Und sei es im Wasser. Er hatte sich von seinem letzten Geld einen passablen Kompaß gekauft, der ihm garantieren sollte, auf jeden Fall nicht in Marokko anzulanden. Der Kurs mußte ihm also genau den Süden, eher Südwest anzeigen, der ihn am europäischen Appendix Nord-Afrikas vorbeiführen sollte. Andererseits bliebe für diesen unglücklichen Fall immerhin die Möglichkeit, man könnte ihn aufgrund seines Äußeren für einen flüchtigen Einheimischen halten, etwa für ein Überbleibsel der Pied noirs, jener im 19. Jahrhundert nach Afrika geflüchteten Menschen, die größtenteils aus Armutsgründen der alten Welt den Rücken gekehrt hatten; nach heutigem Sprachgebrauch wären sie Wirtschaftsflüchtlinge genannt worden. Dann würde ihn die Außengrenze bewachende europäische Fremdenpolizei mit Sitz in Nordwestafrika möglicherweise nach Algerien abschieben. Dort herrschte zwar mittlerweile der Islam, aber die alten, einst vom Vater geschenkten Schekel, von denen er allerdings nicht wußte, ob sie noch Gültigkeit hatten, könnten einen Hinweis dafür geben, daß er nach Israel weiterverfrachtet würde. Dort wollte er zwar auch nicht hin, nicht nur, weil er den einstigen Exodus wegen ihres Glaubens Vertriebener nicht nachvollziehen wollte, aber dort wurden seit einiger Zeit schließlich auch Menschen in Frieden gelassen, die keinerlei Religion anhingen. Doch er hatte ohnehin nicht die Absicht, anzulanden. Denn das hatte ihn die Erfahrung gelehrt: Es gibt kein Ankommen. Er wollte nichts als wegkommen. Und vielleicht oder hoffentlich von einem dieser schwarzen Löcher auf- oder weggesogen werden, die auch das All der Meere beherrschen. Der Weg sei das Ziel, schreibt die äußerst freie Übersetzung, die sich auch als Allgemeinplatz bezeichnen ließe, Konfuzius zu. Doch der hatte wohl, wenn überhaupt, damit gemeint, er habe seinen Willen auf den Weg gerichtet. Dào legen die Sinologen, die nicht mehr wie früher Coca Cola oder Bier auf den Weg bringen zu müssen scheinen, ohnehin anders aus: Ich kenne seinen Namen nicht, darum nenne ich es ‹Dào›. Mein Weg ist also nicht nur kein Ziel, sondern er ist obendrein unbenennbar, hat schlicht keinen Namen. Sein Weg wäre demnach oder allenfalls der nach Utopia, dem Nichtort. Oder auch das Nichts. Es ist der Beginn einer Geschichte, von dem ich noch nicht weiß, ob sie sich weiterschreibt, ob sie ein Ende haben wird.
Staats(bürger)kunde «Der Verfassungsminister muss es am besten wissen. Es gäbe, so weiß er es eben, ein Supergrundrecht und zwar das auf Sicherheit. Da habe ich natürlich gleich mal meine Prüfungsunterlagen aus dem Grundstudium Jura/Staatsrecht herausgeklaubt, um zu gucken, ob das wirklich stimmt. Und was soll ich sagen? Das stimmt gar nicht! [...]» Jagothello
Der Flug des Ikarus Büchersendung an Maria, der Klosterfrau Melissengeist, leidende Heilerin der Abteilung innere Geriatrie zu Pungeville s. R. oder auch: Vom Vorgänger des Pastis. «Hubert: Also gut. Ich stelle mich vor: Hubert Lubert, Romancier von Beruf, auch aus Berufung und mit einem gewissen Ruf. Als Romancier schreibe ich also Romane. Da ich Romane schreibe, habe ich es mit Romanfiguren zu tun. Und nun, sehen Sie, hat sich eine von ihnen dünne gemacht. Buchstäblich. Ein Roman, den ich gerade angefangen habe, etwa zehn Seiten, fünfzehn allerhöchstens, in den ich die allergrößten Hoffnungen setzte und da verschwindet auf einmal, kaum skizziert, die Hauptperson. Da ich ohne sie natürlich nicht weitermachen kann, möchte ich Sie bitten, sie ausfindig zu machen. Morcol (nachdenklich): Das ist ja höchst pirandellesk. Hubert: Pirandellesk? Morcol: Adjektiv, von Pirandello abgeleitet. Aber stimmt ja, das können Sie nicht verstehen.» Zitiert nach: Manfred Koopmann Eine bis heute gültige, zündende Kurzbesprechung von 1970 im Spiegel Offenbar doch vergriffen (mir unverständlich), aber gebraucht zu haben, unter anderem hier: http://www.booklooker.de/B%FCcher/Angebote/titel=Der%2BFlug%2Bdes%2BIkarus.%2BRoman. Und noch ein Schuß Mariacron in die Magensonden fortgeschrittener Damen, die ihr Lebtag nie und nimmer Alköhöl zu sich genommen haben: Alkoholtote Neunaugen Perlentaucher Und schließlich das angesprochene gute Buch für den brütendheißen Sonnenstrand, Inselsommer, das originalsprachlich deux été oder auch zwei Sommer tituliert ist. Version 2
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