Mayonnaise et cetera

In Strasbourg hat mal bei einem meiner Vorratskäufe eine Kassiererin, die gut und gerne jene Miou Miou aus Alain Tanners zauberhaftem Film Jonas, der im Jahre 2000 fünfundzwanzig Jahre alt wird hätte sein können, die rausgeschmissen wurde, weil sie arme Rentner auch schonmal abzukassieren vergaß, genau so entzückend-schnoddrig wie in dieser köstlichen Utopie des Jahres 1975, exakt so scheinbar schüchtern, aber ebenso übel durchtrieben oder auch verschmitzt zu mir gesagt: «Monsieur. Ich wußte zwar, daß es keinen Senf gibt in Deutschland. Aber daß es dort auch keine Mayonnaise gibt in diesem armen Land, das ist neu für mich.»

Ich kaufe in der deutschen Republik jedenfalls überhaupt nichts dieser Art. Obwohl es längst überall, in kleinen Gläsern, den Senf von Maille gibt. Aber eben keinen von Amora, und schon gar keine Mayonnaise. Mayonnaise de Dijon — von Amora. Vinaigrette de Dijon — von Amora. Das ist die preiswerteste industrielle Lebensmittelbeigabe Frankreichs. Sicher, weder die Mayonnaise de Dijon noch die Vinaigrette de Dijon von Amora schmecken wie die von Madame Meursauges im burgundischen Bourguignon handgerührten Saucen. Doch sie schmecken dennoch sehr viel mehr nach France. Während die anderen, hier erhältlichen französischen Produkte eher dem Geschmack von cous-cous gleichkommen, das ein deutscher Koch aus seinem Tunesien-Urlaub mitgebracht, aber eben im Würzmaß den Geschmacksnerven seiner touristischen Gäste aus Fulda oder Weimar an den Hamburger Landungsbrücken angepaßt hat.

Jedoch: ein Trauerfall. Da hatte ich am mare Balticum doch tatsächlich einen Laden aufgetan, wo es zu kaufen gab: Mayonnaise de Dijon, Vinaigrette de Dijon, Moutarde — von Amora! Und viele andere Produkte des französischen Lebensmittelalltags. Doch sie entsprechen nicht dem deutschen Geschmack. Deshalb mußten die sympathischen Eigner ihren niedlichen Laden — einem von vielen Lädchen — in der Lübecker Hüxstraße schließen. Sie wollten auswandern, in ein anderes (Bundes-)Land, in Richtung Süden, näher an den französischen Produkten sein, um wenigstens den Internet-Handel wieder flottzukriegen. Nun gut, man kann sich auch bei Miou Miou bevorraten. Aber auch nur, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Und in die Hüx zu den freundlichen Ritters bin ich nunmal sehr gerne gegangen — alleine wegen meiner Schwätzchen mit ihr über Marquis und Pineaud, Land und Leute (sie hat viele Jahre in La Rochelle gelebt)! Und es hatte sich zudem so eine kleine Gemeinde formiert in der Lübecker Altstadt, daß es ein leichtes war, Stunden in diesem kleinen Laden zu verbringen, hiervon ein Schlückchen, davon ein Stückchen ...

Aber es war wohl nichts. petit marché scheint endgültig dahingeschieden.
 
Di, 22.07.2008 |  link | (2562) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Geschmackssache


fluechtig   (22.07.08, 14:19)   (link)  
Ich habe durch Zufall einmal den Dijon-Senf, mittelscharf, versucht und bin seitdem dabei geblieben. Es ist keine Einbildung, dass dieser anders schmeckt, egal wozu, sondern eine Tatsache, beweisbar damit, dass ich dem Meinigen einen Klacks auf den Teller tat, er also nicht wusste, dass es ein anderer Senf war, und er mich daraufhin fragte, was da denn so gut schmecke.


jean stubenzweig   (22.07.08, 14:55)   (link)  
Selbstverständlich
ist das keine Einbildung. Die Schalentiere aus dem Atlantik schmecken ja auch anders als die aus dem Mittelmeer, und da gibt es bereits Geschmacksunterschiede quasi von Dorf zu Dorf, genauer: von Bassin zu Etang, je nach, beispielsweise, Süßwasseranteil. Hier hat die Natur komponiert, und dort ist's der maître moutarde.

Es ist vor allem alles eine Frage der Gewohnheiten, womit man aufgewachsen ist (ich hatte das hier mal thematisiert). Oder aber eben die nach dem Bauern, der da bekanntlich nicht frißt, was er nicht selbst gelegt hat. Und selbstredend, inwieweit man bereit ist, auch mal was anderes, fremdgängiges auszuprobieren.

Und das haben Sie ja getan. Der nächste Apettit-Schritt wäre die Mayonnaise de Dijon ...

Á votre santé !


richard graf rappoldstein   (22.07.08, 15:45)   (link)  
Petit marche
Man muss es einmal klarrücken, dass Frankreich das Land der Lebensmittelsuperstores ist. Dort, wo wir eine Teil des Jahres leben versorgen Hypercasinos in Jumbojet-tauglichen Hallen die etwa 10.000 Einwohner der umliegenenden 150 Quadratkilometer. Das Warenangebot ist unschlagbar: Von schlechten Kram bis zu wunderbaren Dingen ist alles zu haben.


jean stubenzweig   (22.07.08, 16:31)   (link)  
Supermarché
Klarrücken muß man das wohl nicht, werter Comte. Einfach nur darüber informieren. Ich habe das ja bereits mehrfach thematisiert und tue es (gerne) immer wieder. Aber hier ging es lediglich um das kleine Lädchen, das mir etwas geboten hatte, das es bis dahin in der norddeutschen Diaspora nicht gab (und nicht mehr gibt). Im deutschen Supermarkt bekomme ich nur, was mir in der Regel nicht schmeckt. Es gab einen Versuch von Supermarché (in Zusammenarbeit mit dem Anteilseigner Spar), sich im Norden zu etablieren. Innerhalb kürzester Zeit war alles Französische aus den Regalen verschwunden, unterschied sich das Angebot nicht mehr vom üblichen. Was der Bauer ...

Man macht sich in deutschen Landen kein Bild über die Möglichkeiten, in Frankreich einzukaufen. Das hat aber, bei all dem «schlechten Kram», den man, wie Sie geschrieben haben, dort auch bekommt (und der nur zu gerne gekauft wird!), insgesamt eine andere Qualität, die man sich in deutschen Landen nur bedingt vorstellen kann, da den Mitteln zum Leben eben nicht dieser Wert beigemessen wird. Wenn man in einem mittleren norddeutschen Supermarkt zwei Meter Käsetheke vorfindet, dann steht dem in Frankreich eine fünffache Größe gegenüber. Alles Käse. Fisch? Selbst an Ost- und Nordsee wird das zur traurigen Veranstaltung. Und Wein? In jedem französischen Supermarkt kann man den kaufen (und trinken), bei einer enormen Vielfalt. Als ich nach Norddeutschland kam, war ich fast ein Jahr am weinen. Bis ich einen kleinen Weinhändler gefunden habe (und gleich bei ihm eingezogen bin).















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