Tele-Visionen

Wir haben den größten überhaupt, kein Hersteller elektrischer Medien wird den je in sein Angebot aufnehmen (können).

Der Privatier und dessen freizeitaktive Muse hocken im holsteinischen Büddenwarder hinterm vorhanggesicherten Terrassenpanoramafenster und schauen der emsigen Vögelei zu. Rotkehlchen beobachtet gerne die hamsternden Mäuslein, auch verfliegt sich deshalb schonmal gerne ein Bussard, Grün- prügelt sich gerne mit Sperling um die letzten, gerade noch den Warenterminbörslern entrissenen Tonnen gutsortierter Brosamen. Blaue und kohlige Meisen, vor allem die intelligenten und gebildeten ersteren haben die globalen Nachrichten von der Nahrungsmittelknappheit gelesen und perforieren deshalb die Dose, um den Fischen das Futter zu klauen. Verständlich, ihre ungezügelte Sommerlust hatte vielfache Folgen, und die fordern weiter unten in ihrem Häuschen am Knick, wie man in Schleswig-Holstein die wallartigen Baum- und Strauchhecken nennt, und fürchterlich lärmend den Tribut fürs ungestüme Treiben der Alten ein. So kommen wir zum Vergnügen, eine luftige, staufreie Nahrungsmittelauslieferung beobachten zu dürfen, so eine Art Rosinenbomberstrecke für zwei Meisen, alle zwanzig Sekunden An- und Abflug. Ja, wir geben's ja zu, so richtige Tier- und Naturfreunde sind wir nicht. Völlig eigennützig an unsere Unterhaltung denkend haben wir ein paar Nüßchen bereitgelegt, um ein zweites Mal im Jahr dieses Spektakel miterleben zu dürfen, das vier, fünf, sechs Meislein veranstalten, wenn sie die elterliche Bude in Richtung weite Welt verlassen, hier fürs erste die wohlgenährte Buschigkeit der Weide, so eine Art dörfliche Sammelstelle für Fluganfänger. Amsel, Fink und auch Star, alle sind sie da. Letztere, weil sie der ständigen Kirschen überdrüssig sind, von denen sie nicht wenige zu sich nehmen während der Erntehilfe und wohl auch, da sie den Baumbesitzern auch noch ein Schälchen übriglassen möchten. Eines dieser rotschnäbligen Klappertiere übt den Landeanflug eines Kranichs direkt hinein in unsere Warte, dreht aber dann doch kurz zuvor ab, vermutlich, weil sein Weitblick erkannt hat, daß von den Froschschenkeln nur noch die Knöchlein herumliegen oder aber weil die naturgegebene Eigenheit gerade noch daran erinnert hat, daß es hier ja nun wahrlich oft genug war und es die vielen Kinderchen anderswo auszuliefern hat, möglicherweise aber auch, weil er den weit über ihm herumzischenden Schwalben mal beweisen möchte, daß auch er gewagte Kurven fliegen kann.

Ein solches Format kriegt kein Fernseh(apparate)produzent hin, nicht einmal ein auf bestimmte gesellschaftliche Prioritäten hin programmierter.
 
Mi, 30.07.2008 |  link | (1456) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Land.Leben


nnier   (30.07.08, 11:22)   (link)  
Sie sind aber auch anspruchsvoll. Da könnte ja jeder kommen! Und merken, dass die MP3-Dateien doch zu stark komprimiert, die DVBT-Übertragung zu grobpixelig und das alles deshalb kopfschmerzverursachend ist; der Geist ständig mit der Wiederberechnung der "überflüssigen", "redundanten" und deshalb herausgefilterten Informationen beschäftigt.
Ein Tag am Meer, in den Bergen, im Wald ist Balsam für die geschundenen Sinne, das merke ich immer deutlicher und erlebe es doch zu selten. Privatier müsste man sein.


jean stubenzweig   (30.07.08, 12:59)   (link)  
abstracta
Das ist mal ein Kommentar zum alltäglichen Alltag! Die abstrahierende Naturbetrachtung schechthin: MP3-DVBT und wie das sonst noch alles heißt, eigentlich benötigen wir das alles nicht. Sie haben's begriffen. Reichen Sie ihren Antrag auf Privatisierung ein. Berufen Sie sich auf mich. Ihr Gesuch wird sicherlich wohlwollend bearbeitet werden.

Aber orientieren Sie sich dabei nicht an irgendwelchen bundesrepublikanischen gesetzlichen Nein-oder-Nichtsein-Ge- oder Verboten. Gerade ist wieder eines gekippt worden.

Ich rede wirr? Es mag sein, daß mir der Inhalt einer Gitanes ins Hirn geraten ist.


nnier   (30.07.08, 13:49)   (link)  
Gitanes! Jene pechschwarzen, aus purem Teer und Nikotin hergestellten, filterlosen Giftstangen, die einem wie ein glühender Nagel in die Lunge fahren! Damit hat man in der Tat zu kämpfen, und hat man sich an sie erst gewöhnt, dann zweifelt man beim Rauchen einer normalen Filterzigarette, ob diese tatsächlich angezündet ist.

Ärgerlich an den Digitalformaten ist, dass sie einem Perfektion vorgaukeln, wo realer Mangel herrscht. Ich bin selbst in diese Falle gegangen, als ich, genervt von Rauschen und Knacksen, von Gleichlaufschwankungen und leiernden Bändern, der CD in die offenen Arme lief. Reiner Klang, tolle Dynamik, so schien es mir für kurze Zeit.

Welche Sinneserfahrung einem verlorengeht (am Beispiel Musikhören: das vorsichtige Entnehmen der Scheibe aus einer schön gestalteten Hülle, dann Innenhülle; der leise Knacks beim Aufsetzen der Nadel; das Geräusch, wenn der Tonarm zur Auslaufrille strebt und sanft abhebt; das Umdrehen der Platte; das Erkennen einer sinnvollen Aufteilung einer LP in Seite 1 und Seite 2; leises, warmes Rauschen, ein bekannter Knacks mitten in der Stille und so weiter), musste ich mir dann peinvoll eingestehen; es ist ein Unterschied, das "Weiße Album" der Beatles von CD oder LP zu hören. (Man hat ja damals durchaus Platten gehört, wie man Bücher liest, nämlich sich exklusive Zeit dafür genommen).

Dass man die CD-Qualität noch locker unterbieten kann und dabei dennoch an der Oberfläche den Eindruck eines "guten" Klangs aufrechterhalten kann, bewies dann eben MP3. Hat man früher bei Tonbandgeräten die Bandgeschwindigkeit verringert, um Platz zu sparen, dann merkte man dies recht unmittelbar am dumpferen, undynamischeren Klang. MP3 mit höherer Datenkompression (um 60000 statt 20000 Songs auf dem portablen Abspielgerät speichern zu können) klingt dennoch nicht auf Anhieb "schlecht", sondern führt das Gehör aufs Glatteis und die Strafe folgt (durch Kopfschmerzen und Erschöpfung) erst später.

Manufactum & Co leben von der Sehnsucht nach dem Analogen, die mich eben nicht nur in der Natur, sondern auch dann befällt, wenn ich filigrane Mechanik oder sogar die elektromagnetischen Bauteile sehe, die in den Schaltschränken der Deutschen Bundespost, als das Telefon noch selbstverständlich zu ihr gehörte, jeden Wählscheibenimpuls (kr-kr-kr-kr-kr) in eine kleine, präzise Bewegung (tick-tick-tick-tick-tick) übersetzten und so, wie hintereinandergeschaltete Weichen, die richtige Verbindung herstellten.


jean stubenzweig   (30.07.08, 14:22)   (link)  
Knacks. Knacks. Knacks.
Und auch mal Knicks. So, wie sich das bei Ihnen anhört, haben Sie durchweg französische Vinyls in Ihren schönen Hüllen. Jawoll, Sie haben recht! Diese Scheiben hören ist wie Gitanes papier maïs † rauchen (sowas Gutes gibt's in deutschen Landen erst gar nicht, weil man sich nichtmal beim Tod nicht Genuß- und Lustvolles nicht vorstellen will).

Ich war ja auch der CD verfallen. Dabei habe ich ohnehin ein miserables Gehör, kann den Unterschied also gar nicht vernommen haben. Aber nun, auf Ihre Empfehlung hin, packe ich meine alten Ferré und Ferrer und diverse singende Damen in Schwarz aus französischer Produktion wieder aus. Da kann ich's dann wenigstens lustvoll knacken hören.

MP3 mit «60.000 statt 20.000 Songs», nee, das lasse ich ohnehin, überlasse es den Jungschen. Die vertragen das mit allen ihren Knöpfen in allen erdenklichen Öffnungen. Hört und schmeckt wie einerlei. Unsereiner als alter krawallgebürsteter Metropolist ist ja froh, daß er einen Kuckuck von einem Specht unterscheiden kann. Oder sag ich's mal so: Seit ich still, was ich nie für möglich gehalten hätte, sitze auf dem Land, lerne ich hören. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie monoton Stadtgeräusche sein können.















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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