Umschiebebahnhof

Von wiederholten Wiederholungen

Die bundesrepublikanischen öffentlich-rechtlichen Dienstleistungsanstalten, allen voran die ARD, haben, um ihren täglichen Kulturaufträgen der 24-Stunden-Vollprogramme nachkommen zu können, allerhand zu tun. Weniger, was Kreativität und Produktionskraft betrifft, sondern vielmehr organisatorisch, verwaltungstechnisch. Damit sind nun nicht unbedingt die Umschichtungsarbeiten der Gebührenbarren gemeint, sondern eher die Rangierarbeiten auf dem Umschiebebahnhof der Wiederholungen.

Nachvollziehen kann das nur, wer sich hin und wieder lustvoll auf das Sofa flätzen und hemmungslos der Zapperei frönen darf. Da sieht man sie dann wandern, die Reportagen und Dokumentationen, die unsereins bevorzugt. Hat es einen gewissen Anspruch, kommt es meist von arte, dem Geheimbündesender für europäisch bis global Besserdenkende, nahezu durchweg gemeinsam mit anderen deutsch-französisch geführten EU-Esoterikredaktionen produziert, und anschließend in die Umlaufbahn gebracht. In deutschen Landen rolliert Strasbourg via Bayern oder Bremen über Mittel- oder Norddeutsch und Brandenburgisch bis nach SüdWest und wird dann gänzlich westdeutsch von phoenix durch die 3sat-Sender geschleift. Nur so kriegt man die Kanäle voll. Auch geschieht es immer öfter, daß innerhalb der jeweiligen Vollprogrammanstalten keinerlei Anstalten einer Schamfristen mehr eingehalten werden, nach der eine gewisse Zeit zwischen Erstausstrahlung und Zweitsendung liegen sollte — wie das früher die Regel war. So wird denn gerne nach nur ein paar Monaten oder gar Wochen auch auf demselben Kanal wiederholt. Für neues ist eben kein Geld da. Das benötigt man für Sport, deren und andere Stars sowie weitere Celibritäten.

Sei's drum, man hat ja ohnehin gefälligst nicht ständig auf der chaise longue herumzuliegen, um das Wiederholungsgebaren der in Armut dahinsiechenden TV-Programmierer zu beobachten. Ein normaler Einschaltzuschauer — also derjenige, der ordentlich seinem Tagwerk nachgeht — hat aufgrund dieser Tatsache auch gar keine Möglichkeit zu haben, statistische oder gar programmanalytische Tätigkeiten zu entwickeln. Und die anderen goutieren ohnehin die durchgehenden, lediglich von Gerichtsbarkeiten oder Verbalprügeleien oder Überlebenskämpfen im deutschen Dschungel oder uralten US-B- bis C-Movie-Peinlichkeiten unterbrochenen Werbesendungen. Denen geht es also sonstwo vorbei, was diese Kopfgesteuerten in ihren geschlossenen Anstalten an Immergleichem in die Umlaufschleife bringen.

Es würde auch den an diesen Bildungsperversitäten Interessierten nicht weiter vom Sofa jagen, würden da nicht mittlerweile beispielsweise Reportagen wiederholt, die nachweislich von der Aktualität eingeholt worden sind. Wer da hineingerät und nicht ausreichend informiert ist, kann auch schonmal auf die falsche Fährte gebracht werden. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern dürfte der öffentlich-rechtlichen Informationspflicht erheblich zuwiderlaufen. Zumal man es auch hier den Privaten nachmacht und zunehmend gerne den Abspann vernachlässigt, aus dem zumindest zu erkennen wäre, aus welcher Zeit die jeweilige Produktion stammt. Beispielsweise Reiseberichte zu zeigen, die auch nicht mehr annähernd an die tatsächlichen Gegebenheiten hinreichen und dann so zu tun, als seien die gestern gerade gedreht, dürfte als Beleg für ein qualitätiv hochstehendes Angebot kaum ausreichen.

Eine Lanze sei allerdings gebrochen für jene Wiederholungen, die Wissen auffüllen, da man, wie früher in der Schule, an eben diesem bewußtem Tag (bewußt?) gefehlt hat. Eine Verbeugung muß hier getan werden vor dem früher so geschmähten Bayerischen, einst Buntfunk genannten Fernsehen. Nicht nur, daß der einstige Schwarzfunk — wie man hört, besonders im Radio — seiner Informationspflicht nachkommt, sondern Seriosität allein bereits dadurch unter Beweis stellt, daß ein informierender Abspann nie mal eben so abgeschnitten wird; der gehört eben nunmal dazu, meinen die Münchner. Und was täte man als Bildungsbeflissener, der rückblickendes Wissen durchaus als Unterhaltung zu begreifen vermag, ohne in ein klitterndes oder verschwörerisches Geschichtsvermittlungsverständnis zu verfallen, ohne diese früher allzugern belächelte und befrozzelte, aber zu Recht so bezeichnete großartige Einrichtung wie BR alpha?! Die stehen wahrlich an erster Stelle. Und das sind Wiederholungen, die es verdient haben, nochmal wiederholt zu werden! Sogar die steinalten Sprachlernprogramme. Da sieht man wenigstens, wie unsereins früher rumgelaufen ist. So entsteht wenigstens ein Bild von unsereiner, die bald in der Rubrik Zeitzeugen gesendet werden.
 
Mo, 04.08.2008 |  link | (1627) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ich schau TeVau















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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