Meerbuschschaumsauce

an linksrheinischem Kaviar, hinuntergespült mit Moëtschangdong. Da fehlt tatsächlich nur noch Verona, la colonne commémorant une victoire, die Siegessäule des gesellschaftlichen Aufstiegs. Hoch das Bein, die Markenliebe winkt, die Luxusgüterindustrie braucht Soldaten. Der Lachs im Rhein fällt (mir dabei) ein. Der war, wie andere Fische auch samt deren Eier, früher, aber allzu lange ist das noch nicht her, mal ein Arme-Leute-Essen.

Das läßt mich ausschweifen. Von Jochen Gerz hatte ich einst einen Vorläufer seiner sozial anmutenden, jedenfalls das Gesellschaftliche plastizerenden Bilder im Büro hängen. Bis mir jemand die Revolution klaute (leider darf ich es, obwohl ich's gerne täte, hier nicht abbilden, da es sich nicht mehr in meinem Besitz befindet und ansonsten der Nachfolger von Herr Pfennig von Bild-Kunst böse mit mir würde). Der Diebstahl geschah zu der Zeit, als die vom Geld Beseelten in der Kunst allen Unkenrufen zum Trotz verstärkt Mehrwert zu sehen begonnen hatten.

Auf der Suche nach einem anderen Bild in den vielen Schubladen (meiner Schränke) immerhin eine Photographie gefunden, aufgenommen, als die Revolution noch nicht verschwunden war.

Auf eine Verbindung zum Leben, gar auf einen Blick zum Hintergrund der Straßen von '68, auf die Idee wäre der Dieb wohl eher weniger gekommen. Mich treibt das allerdings jetzt zur geradezu gnadenlosen Ausschweifung, abseitig den Titel eines der gerzschen Kunststücke zu paraphrasieren: Der Stein will zurück zur Schleuder. Die Brut will zurück ins Nest. Oder vielleicht auch so: «Der Stein ist viel zu groß (geworden), um je wieder zurück zur Schleuder zu finden.» In verdrängter Kenntnis einst gar nicht so fröhlicher Urständ' niederen Standes essen sie (wieder) das, was in ihrer Mutter Bauch auf den Tisch kam. Und sie nehmen es dort zu sich, wo das herkünftig schlichtere Volk sich während der Eiszeit versammelte: an der Bierbude, die ich in Frankfurt am Main als Wasserhäuschen kennenlernte, allgemein Kiosk genannt. Aber mit solchen massenhaft auftretenden Geröllhaufen wollen die von der neuen Liberalität hochpolierten Findlinge nicht verwechselt, in Verbindung gebracht werden.

Die Russenmafia in der Tatort-Dramaturgie drängt sich mir im weiteren auf. Die hatte ursprünglich auch kein Geld, kam dann irgendwie doch dazu, wenn auch weniger über den Handel von Versicherungen. Der hat seinen Ursprung vermutlich in der niedersächischen Landeshauptstadt. Nein, die heißt nicht Großburgwedel (wo sich übrigens mittlerweile auch der kleine Bürger dringend eine Kunsthalle wünscht; nun ja, auch die neuere Jungbäurin würde nicht in ein altes Haus hineinheiraten). Wenngleich sich das aufdrängt, geht es doch um Meerbusch, offenbar vergleichbar mit Pulheim, «Ministerpräsidentenheimstatt und Wohlstands-Kommune». Überhaupt dräut über mir der Verdacht, im Land der Unterirdischen könnte es noch mehr Emporkömmlinge nicht nur aus dem Bergbau geben als im Land, das vor einigen Jahren angetreten war, die Republik zu dirigieren. Doch der eine zog sich zurück nach Rußland, womit ich selbstverständlich keinerlei Assoziation zu exkommunistischen Triaden herstellen möchte, also solchen Führungskräften, die die Sozialisierung von Banken eingeleitet und deren Schuld den Glaubenden an das Gute in den Politikern überlassen haben. Und ein anderer zog es vor, sich bei schmaler Vorruhestandsrente in sein schlichtes Heim einmauern zu lassen, das Abbild seiner formalästhetischen Utopien, auch seinen geistigen, seinen spirituellen Fähigkeiten entsprechend. Mein Haus ist mein Schloß, wie der an die Immobilie glaubende Engländer zu sagen pflegt, oder auch Burg, wie der dem Mittelalter offensichtlich nicht auskommende Deutsche das übersetzt, da mag's noch so gezogen haben im Wohnturm neben dem Bergfried oder der Kot stinkend durch die, das Reinheitsgebot noch ignorierend, niedlichen Baden-Badens oder Rottenburgs und der Oos' und Neckars geflossen sein.

In einer der von Deutschen sehr geschätzten, mit Intellektuellen besetzten öffentlich-rechtlichen Gesprächsrunden entgegnete einer, der sich als Investment-Punk darstellte, einem anderen, der für ein Anhalten des Wirtschaftswachstums, für ein gesellschaftliches Umdenken, für eine Rückkehr zur Kleinteiligkeit auch des Werkens und des Handels, partiell auch in überschaubaren Währungen plädierte, diese Ansichten seien mittelalterlich, und er vergaß nicht anzufügen, überdies rechtsradikales Gedankengut. Der wirkliche Punk sei die Freiheit der Geldvermehrung. Sie allein mache die Menschen frei. «Ich tue all die Dinge», äußerte er in Der Aktionär, «von denen die meisten von euch nicht einmal zugeben, dass sie von ihnen träumen. Ich wohne an den feinsten Adressen von Frankfurt und Wien, besitze Luxusautos mit insgesamt mehr als tausend PS, esse in den besten Restaurants, tanze in den angesagtesten Clubs und treffe die schönsten Frauen der Welt. Ich bin 34 Jahre alt und gehöre zu den Leuten, die ihr Finanzjongleure nennt.» Irgendwie habe ich Punker anders in Erinnerung, wie auch die Skinheads mal alles andere als national, sondern eher links, also richtig soziale, um den bösen Ausdruck sozialistisch in diesem Zusammenhang zu vermeiden, Wesen waren, da mögen sie noch so komisch ausgesehen haben. Aber so ist das eben: Wen die Mode einholt, der kommt in ihr um.

Die spezifischen Wasserhäuschen von Meerbusch sind ihr unterlegen. Der asoziale Mob im kleineren Format hat sich ihr bemächtigt, jetzt hält er punkig Hof. Der heißt jetzt Party, und aus dem fidelen Hüpftanz Gaillarde wurde auseinander getanzter Rock'n'Roll in quasi analog gemäßigter Form, vermutlich weil der mit Überwurf ein allzu proletarisch-revoluzzerisches Gefühl aufkommen lassen könnte. Auch Lieschen und Fritzchen wollen mit dabei sein, wenn die Hofpost abgeht, wenn das Haupt wie zu des Sonnenkönigs Zeiten höfisch erhoben wird. Da die sich den von Film und Fernsehen erleuchteten Glanz und Glimmer jedoch nicht leisten können, pumpen sie sich ihre Louis d'or für ihren Tanz um die goldenen Kälber, für ihre Karossen und Hofkostüme eben zusammen.

Anderslinksrheinisch werden die gehobenen Lieschen und Fritzchen Marius et Jeannette genannt. Deshalb komme ich auf Louis d'or; er habe ein Lied für die Deutschen geschrieben, teilte einst Hofmann von Fallersleben von Helgoland seinem Verleger Campen mit, aber es koste vier «Louisdor. An Bord des Schiffes spielte die Kapelle für die Franzosen die Marseillaise, für die Engländer ertönte ‹God save the King›, für die Deutschen aber blieben die Bläser stumm. Diese Situation empfand der politisch engagierte Passagier schmerzlich.» So steht's im Bildungswerk. Marius et Jeannette scheinen mir allerdings noch ein wenig mehr als anderswo einem Bewußtsein anzuhängen, ein anderes Verständnis von Freiheit als das unseres Neopunk dürfte als Rudiment des Wissens in deren Köpfen dümpeln. Es mag am linksrheinisch tiefergehenden Unterricht gelegen haben, der die Erleuchtung durch Aufklärung stringenter oder überhaupt thematisierte. Die führte zur Moderne, und die wiederum verhieß in der Folge Reichtum, zumindest Wohlstand für alle. Ingang gesetzt wurde das zu Zeiten, als das Volk sich dank Denis Diderot und dessen Mitstreiter seiner Unzufriedenheit bewußt geworden war. Der König meinte irgendwann, das solle ihm doch die Gründe dafür mitteilen. Sie ließen ihm massenhaft Carnets zukommen, Hefte voller Sorgen. Die viele Post wurde dem Herrn zuviel, so ließ er alles beim Alten. Da heraus entstand die Anekdote, nach der es wider besseres Wissen der Geschichtsschreibung immer wieder auch in öffentlich-rechtlichen Bildungsprogrammen heißt, die aus Österreich eingewandert wordene Antoinette hätte gesagt: Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie eben Kuchen essen.

Etwa dreihundert Jahre nach den Anfängen der Moderne beherzigen sie das. Nur noch Kuchen wollen sie, aber nicht etwa Brioche, was, hätte sie's gesagt, die Königin damit gemeint haben dürfte, sondern lauter leckere Törtchen, am liebsten mit edlem, zart perlendem Wein gefüllte. Erweitert könnte die Metapher auch Kaviar an Meerbuschschaumsauce an der Moëtschangdong-Bude heißen. Wasser am Häuschen ist aus.

Sie haben es zu etwas gebracht. Und das sollen alle sehen. Mein Haus, mein Auto, mein Konto, das gehört allenfalls zum Niederadel. Dem kuckt aber doch keiner zu. Sie wollen hochadelig sein. Ihnen soll der Zwölfender gehören, der sich bei ihnen als der mit zwölf Zylindern und hunderten vorgespannten Edelpferden zeigt. Wo auch immer sie sich die zusammengehandelt, wenn nicht gar -geklaut haben. Die anderen, denen sie das gerne zeigen würden, zu welcher Pracht auch sie es gebracht haben, die bleiben allerdings zuhause oder unter sich, trinken, wenn auch lediglich zu besonderen Anlässen richtigen Champagner und nicht solch eine Allerweltsplempe, wo kein Inhalt drinnen ist, sondern nur ein Markenname die Äußerlichkeit kennzeichnet, und die essen auch nicht nachhaltig Biokaviar und spenden anonym für die Tafel. Sie sitzen an ihr. Manchmal treffen sie sich mit anderen, um sich auszutauschen.Und sie behalten ihre Louis d'or im Trésor, haben diese Münzen ohnehin nicht in Ecu umgewandelt, wie der Euro beinahe mal geheißen hätte. Und sie tun vor allen Dingen eines nicht: Sie sprechen nicht darüber.
 
Di, 03.07.2012 |  link | (3914) | 9 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftsspiele


mark793   (04.07.12, 11:15)   (link)  
Vielleicht darf ich zur fälligen Imagekorrektur unseres schönen Ortsteils der Verbundgemeinde noch anfügen, dass das Ehepaar Feldbusch/Pooth nicht unbedingt repräsentativ ist für die hiesige haute volée. Dem älteren Geldadel aus traditionelleren Schlotbaronaten, der den Großteil des hiesigen Villenviertels bevölkert, blieb die Kombination aus Medien-Talmi und MP3-Player-Imperium immer etwas suspekt. Schön, dass auch ein Michael Ballack einen weiteren Tupfer zum Lokalkolorit beisteuert, aber alles in allem bleiben die traditionelleren Kreise doch unter sich. Da wird auch nicht Hummer oder Mercedes SLS gefahren, sondern eher Maserati Ghibli oder Morgan plus 8. Selbst wenn das Haushaltsnetto der Emporkömmlinge mithalten oder gar übertrumpfen kann, so ist es doch das Ausgeben oder Bleibenlassen von bestimmten Anschaffungen, die zum Distinktionsgewinn innerhalb der oberen Zehntausend beitragen. Nun ist es unbestreibtar so, dass die nouveaux riches (schreibt man das so?) mit ihrer eher extrovertierten Art eine erhöhte visibility im öffentlichen Raum haben, aber man sollte nicht den Fehler machen, diese Teilschicht für allzu typisch zu halten.


jean stubenzweig   (04.07.12, 16:34)   (link)  
Den älteren Geldadel
habe ich während meiner Exkursionen durch die Kunst sowie deren Handel kennengelernt. Das Schicksal meinte es gut mit mir, da ich beruflich mit kritischer Distanz Eingang in die Geldtürme finden durfte. Das war zu einer Zeit, als man noch unterschied zwischen Mäzenatentum und Sponsoring, als es den Mäzen tatsächlich noch gab, der nicht alles von der Steuer absetzen wollte. (womit ich nicht behaupten will, daß es den überhaupt nicht mehr gäbe). Da von denen in Nordrhein-Westfalen nicht eben wenige dieser Art angesiedelt waren und sind, bummelte ich nicht nur über Düsseldorfs Kö, sondern auch durch umliegende Gemeinden des Landes, wo es meistens nicht glitterte und flitterte. Und nur höchst selten geschah es, daß mir Speis und Trank in altkunsthandwerklichen Gemäßen und Gefäßen vorgesetzt wurde, die im heutigen Kunsthandel als Einzelstück zu Preisen über die Tresen gehen, die dem gemächlichen Trinker ein Leben lang zum Alt oder Kölsch gereichten. Einen gab's, der aus dem siebzehnten Jahrhundert aß und trank. Aber der war nicht nur Unternehmer, sondern auch Künstler, einer von denen, die, nachdem sie ihr Geld gemacht hatten, ihre späte Berufung mit dem Alltag verquickt haben wollten. Die anderen bewahrten ihre Antiquitäten wie ihre Familentradition durchweg in alter Eiche auf. Ein einzelnes Paar soff gar trotz aller sie umgebenden zeitgenössischen Kunstwerke lieber aus Senfgläsern. Biedere Sparsamkeit bekam ich häufig zu sehen, Biedermann hingegen habe ich eher als Interieur aufstrebender Kulturfunktionäre kennengelernt (siehe auch Florian Felix Weyh, «Manuskripte zu Sendungen»).

In logischer Konsequenz kam ich auch mit deren Nachwuchs in Berührung. Die Alten waren nicht nur wohlhabend, sondern, das soll nicht vergessen werden, häufig durchaus auch wohltuend, nicht nur wegen ihrer oftmals zurückhaltenden Lebensweise, sondern durchaus auch in ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen, die nicht einmal vom Saum der Wohlhabenheit gestreift wurden. Das waren allerdings nahezu durchweg Unternehmer und nicht Manager. Wobei es auch unter denen Menschen gibt. Das ist jedoch ein Thema für sich.

In fast metaphorischer Erinnerung bleibt mir bezüglich der Schlotbarone allerdings ein signifikantes Erlebnis, das das Wohlstandsgefälle zwische arm und reich und den seinerzeitigen Wandel im Denken dieser Leute verdeutlicht. Anfang der Achtziger in Dortmund hatte ich es. Wie immer wiß- und durchaus auch neugierig schlurfte ich in diesem Fall durch den südlichen Rand des Zentrums der Stadt. Dort hatte man noch nicht begonnen, alles herauszuputzen; ob das je geschah, entzieht sich bis heute meinen Beobachtungen. Die Gegend sah recht verkommen aus, ich schaute Kindern dabei zu, wie sie spielerisch mit Pfennigen umgingen, indem sie das kleine Geld warfen. Es ging wohl darum, daß derjenige der Jungs, Mädchen gehörten noch in Mutters Küche, gewann, dessen Münze am nächsten der Wand liegenblieb. Anschließend ging ich Richtung Ortsmitte weiter. Dort hatte man, wohl von den Stadtverordneten veranlaßt, weiße Zelte aufgestellt, in denen und um sie herum von elegant wirkenden langen schwarzen Schürzen geschützte Kellner Champagner ausschenkten. Als ich fragte, was des vornehmen, junghöfisch wirkenden Getümmels Anlaß sei, bekam ich zur Antwort einen Kopf- und Fingerzeig. Ein paar hundert Meter weiter fuhr eine Horde jugendlich-sportliche Menschen seine edlen, überwiegend französischen, das Gesamtbild vereinzelt durchbrochen durch ein deutsches Modell, Cabriolets immerzu ums Karrée herum, oftmals Flaschen schwenkend und Fahnen hauchend. Ich lernte solches Treiben später am Quai des Belges in Marseille kennen, wo es jedoch die sportiven jungen Araber waren, allesamt einig in schwarz lackierten, der seinerzeit und wohl, ich bin nicht auf dem neuesten Stand der Farbenlehre, bis heute von Paris aus vorgegebenen Farbe der betuchten Jeunesse, bayerischen Oben-ohne-Modellen, allerdings die aus dem eher ärmlichen nördlichen Vorort, gemeinhin als jene Banlieu bekannt, die Monsieur, als er noch etwas zu sagen hatte, anderswo auszumisten, auszukärchern (nettoyer au karcher) gedachte, und vor allem zu feierabendlicher, wochenendlicher Zeit. Die führten sich genauso auf wie die in Dortmund von mir Beobachteten an einem Tag inmitten der Woche, auch als Arbeitstag bekannt. Gleichwohl tut das heutzutage jedermann nach dem sogenannten Public viewing beziehungsweise einem Sieg. In Dortmund waren die Sieger die Erben der Schlotbarone und dergleichen. Eine der von mir dazu befragten Mütter der flügge gewordenen Erbmasse meinte, sie seien eben nicht mehr zu halten. Sohn und Tochter wollten nicht mehr gesittet zuhause sitzen oder nach Paris oder London fliegen müssen oder sich in ihnen vorbehaltenen Clubs austoben, sondern endlich auch in der heimatlichen Öffentlichkeit Spaß haben. Jeder solle sehen, daß sie die Klasse seien, ein Begriff, den andere immerzu gebrauchten, aber anderes damit meinten. Wenn es noch eine Klasse gebe, dann nicht mehr die des Arbeiters. Der sei tot.

Das Ehepaar Feldbusch/Pooth und vielleicht auch Herr Ballack dürften, davon gehe ich in meiner Unobjektivität aus, damit auch weniger zu tun oder gehabt haben. Es wird ihnen am sonstwo vorbeigehen. Sie wollen allerdings mindestens ein bißchen von dem Glanz abbekommen, von dem sie vermutlich annehmen, daß er zur besseren Gesellschaft gehört. Für diese Unwissen- oder auch Dummheit zeigt die ihnen cool die kalte Schulter.

Wohlstandsgefälle zwischen arm und reich — déséquilibre entre les riches et les pauvres; Wohlstandsgefälle — déséquilibre de la richesse. Eigentlich heißt der Neureiche ja bling-bling. Das ist ein dem US-Südstaaten-Volksmund entlehnter Begriff — Frankreich ist den USA beinahe traditionell sehr viel näher, als allgemein angenommen wird. Französische Unternehmen waren es, die in den fünfziger Jahren die Supermärkte nach Europa brachten. Der Soziologe Rick Fantasia war im Jahr 2000 zu der Erkenntnis gelangt: «...daß die auf diesem amerikanischen Terrain noch besser sein wollten als die Amerikaner selbst». Gemeint war die Schnellfraß-Industrie. Bling-bling hat also mit viel glänzendem Edelmetall sowie funkelnden Steinen zu tun, was eben ein bestimmtes Gehabe charakterisiert: Glamour und Glitt(z)er. Auf Sarkozy wurde der Begriff besonders gerne angewandt, dem das Vorzeigen seinerselbst an Schlager-Carla auf anderer Leute Segel- und Motorschiffchen oder sonstige Satussymbole immer irgendwie im Blickfeld lag. Nun darf er nicht mehr Möchtegern-König sein, und daß die Gattin für ihn tingeln gehen mag, das wage ich zu bezweifeln. Dieses Schicki-Micki-Getue also dürfte im Deutschen am geläufigsten sein, im Alt-Französisch-Deutschen verhielt sich der Emporkömmling so geckenhaft, der Parvenu. Enrichi wird der Neureiche auch genannt, das kann allerdings auch ein angereichertes Produkt sein, etwa mit Uran, was auf das Gleiche oder zumindest ähnliches hinausläuft; und enrichir bedeutet auch, sich zu bereichern. Aber um Ihre Schreibweise ein klein wenig helfend zu verkürzen: nouveau riche oder auch nouveau-riche.


enzoo   (05.07.12, 09:59)   (link)  
die synthese
ist dann der nouveau enriche, landläufig auch politiker genannt? (hierzulande läuft ja gerade ein parlamentarischer untersuchungsausschuss über bereicherungsvarianten aller art während der schwarz-blauen und später schwarz-orangen koalition von 2000 bis 2007. höchst kreative bereicherungsweisen wurden da an den tag gefördert, meist verbunden mit parteispenden. [diese müssen ab jetzt ab einer höhe von ein paar tausend <5 oder 7 oder sowas> offengelegt werden, weshalb mit einer verringerung der parteispenden gerechnet wird. um dem gegenzusteuern, wurde die parteienfinanzierung verdoppelt, damit uns im permanentwahlkampf die popogesichter, ach was, nein, arschgesichter triffts doch besser, dieser kerle weiterhin von den plakatwänden herab angrinsen. man kann gar nicht so viel essen, schon gar nicht bei dieser hitze, wie man erbrechen möchte.])


jean stubenzweig   (05.07.12, 20:34)   (link)  
Ein österreichspezifisches
Problem scheint mir das allerdings nicht zu sein. Sarkozy sieht sich gerade, die Immunität von Monsieur le Président ist sozusagen perdu gegangen auf der Suche nach der Zeit danach, wegen Spenden, allen voran der von Madame Bettentcourt, erheblichen Vorwürfen ausgesetzt.

Sie wollen vermutlich allesamt wiedergewählt werden, wollen bleiben auf dem Rummelplatz dieser Eitelkeiten. Deshalb wird vertuscht oder aber durch neue Gesetzgebungen eine Rechtslage geschaffen, die ihnen den einen oder anderen Tanz auf dem Hofball ermöglicht. Was nach ihnen kommt, ist ihnen egal. Die Bibelkundigen kennen das als Sintflut. Den Älteren, die zudem vom Glauben abgefallen sind oder auch die, die ohnehin nicht an den Glauben geglaubt haben, denken dabei vermutlich eher an die Zeit nach dem Krieg. Und so etwas ähnliches wie Krieg findet zur Zeit ja tatsächlich statt. Nur daß sich von den Betroffenen oder besser Ge troffenen kaum jemand zurückzuschießen gedenkt. Ich nehme an, es ist die Angst, die sie lähmt.

Synthese, ich weiß nicht. Mir scheint das eher (be-)dürftige Synthetik zu sein, aus dem die meisten beschaffen sind. Aber weshalb sollten ausgerechnet die von höherwertigem Stoff sein als die Völker, die sie immer wieder wählen. Diese Art von frei gewählter Demokratie gibt mir immer wieder Rätsel auf. Ich werde noch ein wenig darüber grübeln und mich morgen dazu noch einmal äußern.


jean stubenzweig   (05.07.12, 21:16)   (link)  
Demokratie-Nachtrag
Österreichs Ja zum ESM.


phom   (06.07.12, 00:39)   (link)  
Verehrte/r enzoo, der/die Sie hier wortreich von Politikern und Wahlplakaten erzählen... ich möchte Ihren - und als Landsmann getraue ich mir das zu sagen - höchst zutreffenden Ausführungen vorbehaltlos zustimmen und dabei die Gelegenheit beim Schopfe packen und ein Zitat wiedergeben, das ich vor geraumer Zeit aufgelesen habe:
»Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.«
Es stammt vom hier gewiss nicht unbekannten und vermutlich auch geschätzten Loriot, der ja erst vor einem knappen Jahr das Zeitliche segnete.

Dem Hausherrn, der meinen Horizont nicht nur, aber auch um das Wasserhäuschen erweitert hat, möchte ich in diesem Atemzug wieder einmal meinen Dank aussprechen. Ich bin immer ganz entzückt über etwas couleur locale aus Ihrem höchst interessanten Teil der Welt. Da es mich ausgesprochen selten nach Deutschland verschlägt, erlabe ich mich gerne hin und wieder an Ihren geschmack- und stilvollen Erzählungen.


jean stubenzweig   (06.07.12, 10:30)   (link)  
Mein Gemotze
meinen Sie, das Sie lokalfarben nennen, nun ja, ich würde gerne (wieder) öfters sanfter tupfen, beispielsweise wie die Aquarelle Ihrer Landfrau Seemuse, auch wenn sie aktuell aus Wolle sind, die aber genausogut den Mitteln des Lebens Ausdruck verleihen kann, oder die köstlich selbstironischen Bulletins des benachbarten hermetischen Caféhausbetreibers oder das sanft-kritische Reiseauge des litararischen Fahrensmannes Ulfur Grai und und und in der hiesigen kleinen Gemeinde. Aber mir ist in letzter Zeit irgendwie fast durchweg die angestrebte heitere Gelassenheit völlig abhanden gekommen, die hier ursprünglich den Vorzug haben sollte, ich bin so quengelig geworden, dabei können andere sehr viel besser schimpfen als ich, etwa Einemaria von der Harten Linie. Anfänglich hatte ich gar vor, alles Politische überhaupt herauszuhalten. Es ist mir nicht gelungen, vermutlich kam ich ins Verhärten, als mein Körper mich in den Stillstand zu zwingen begann, und der bringt bekanntlich immer salzsäuliges Unbehagen mit. Aber es gibt Anzeichen, daß wieder etwas mehr Bewegung in mein Leben kommen könnte, nicht zuletzt, da auch der Deux Chevaux bald wieder vom Operationstisch herunter kommen dürfte und der rechte Beschleunigungsfuß wieder beweglicher zu werden scheint, auf daß ich wieder mehr aus dem Land erzählen kann, dem ich mich allein seiner Lebensart wegen am meisten verbunden fühle. Es gibt viel zu tun, warten wir's ab. Aber bis dahin werde ich wohl noch ein wenig verkniffen bleiben, jedenfalls, solange mein Blickhorizont noch eingeschränkt ist.

Später versuche ich noch einmal auf das nicht unbedingt österreichische Spezifikum des Politikers einzugehen.


prieditis   (05.07.12, 14:07)   (link)  
Nebenbei bemerkt
und zur Vertiefung der Kenntnisse der einzelnen Ortsteile der Verbundgemeinde FeldMeerbusch, sowie der größtmöglichen Namensvielfalt NeugeborenerInnen:
http://prieditis.blogger.de/stories/1740818/


jean stubenzweig   (05.07.12, 16:41)   (link)  
In den Keller
rennen konnte ich dieses Mal nicht mehr, um laut zu lachen, es ging sofort los, ich konnte es nicht mehr halten, die Prostata ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Es vervollständigt allerdings nicht nur den hiesigen Unterricht in regionaler Geographie und das jouir de la vie, das im Unterschied zur gemeinen Lebensfreude joie de vivre die sexuellen Freuden des Lebens hervorhebt, den Orgasmus beschreibt, ohne den es bekanntlich nicht zur Leibesfrucht kommen soll, sondern rührt auch ein wenig an die Namensgebungen, die ich vor längerer Zeit angeschrieben hatte und die auch entsprechend, zuletzt aber nicht zuletzt auch von Ihnen, kommentiert wurden.















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