Avis

Zwar habe ich bereits einige Male erzählt, daß es bei mir etwas beengt zugeht, seit ich die größere Wohnung aufgegeben und mich geographisch zwischen ganz weit unten und ganz weit oben aufgeteilt habe. Aber es gibt schließlich Leser, die sich weigern, «rückwärts» zu lesen, oder es kommen hin und wieder neue hinzu, die das noch nicht wissen; das erfordert Redundanz, wie beim Hörfunk, bei dem man auch nicht mal eben zurückblättern kann; für die weltweite Anrufung des göttlichen Lesers wurde schließlich noch der hyperische Link geschaffen, ob der nun zum Glick des Lesers oder Betrachters führt oder auch nicht, als Entrée in die Wundertüte steht er immerhin zur Verfügung.

Als mich das Schicksal in der holsteinischen Revolutionskate angelandet hatte, waren die Vermieter so freundlich, mir auch außerhalb des gemieteten Büros, etwa auf dem Flur, Platz für ein einigermaßen geordnetes regales Leben zur Verfügung zu stellen, da der eigentlich geradezu genialische Tischler die Regale entlang der provisorisch bebilderten Wand und als Entlastung für die teilweise papiern zweckentfremdete cuisine américaine zwar zu gestalten versprochen, es aber nach dem Entwurf dann doch vorgezogen hat, für den Rest seiner ihm vermutlich noch bleibenden fünfzig oder mehr Jahre in einem sanft nach Hanf duftenden Ruhefeld zu schaukeln. Deshalb darf ich auch noch den Dachboden mitbenutzen, den Eignern bleibt auch ein Eckchen der zweihundert Quadratmeter, da der weiteste Bereich von mir als weiteres Papierlager benötigt wird (darunter nichtverkaufte Bücher, von denen ich mich noch weniger trennen mag wie von nichtgelesenen; Steuererklärungen hingegen darf ich nicht wegschmeßen). Glücklicherweise wurde das Reet- durch ein Sonnendach ersetzt, also eines, das erneuerbare Energie liefert, wenn sie denn mal scheint. Aber auch so müßte die im Ort ansässige Winzfeuerwehr die Gebetsrufglocke und sich selbst ordentlich in Schwung bringen und ausnahmsweise mal den hinter der Kate gelegenen Altersruheteich für Karpfen leersaufen, um die Lohe niederzuringen. Auf jeden Fall verbringe ich viel Zeit im Zuhause der niedlichen Marderfamilie, die sich auch durch die im Zug der dächlichen solaren Energiemaßnahmen erfolgte «hundertprozentige Abdichtung des Hauses», so die Dacherneuerer, nicht hat vertreiben lassen und allenfalls nächtens Ausflüge unternimmt, um ein wenig von Kabeln zu naschen, die zu Automobilen gehören, die in ihrem Revier nichts zu suchen haben. Und so hocke ich ständig inmitten derer Hinterlassenschaften, auf der Suche nach Büchern, von denen ich meine, mich in deren Besitz zu befinden. Ungeschickterweise wurde keiner der immer noch rund sechzig gefüllten Kartons in der Art beschriftet, daß ich erkennen könnte, welches Druckwerk sich wo befindet. Das führt allerdings zu Büchern, von denen ich gar nicht wußte, sie je irgendwo mitgenommen zu haben — aber eben auch häufig zu manch einer (Wieder-)Entdeckung. So suchte ich dieser Tage zwingend nach einem Fahrplan für transzendentrale Stationen und landete bei Schulmeistereien.

Was ich darin gelesen habe, mir besonders aufgefallen ist, das erzähle ich am besten erst morgen. Denn auch wenn's dabei um das Deutsche an sich geht, dürfte für diese ewige Theoretisiererei heute keine Zeit (mehr) sein, hat das arme Land sich doch auf Südafrika vorzubereiten, wo's aktiv zur Sache gehen wird, um Wohl und Weh' einer Nation.
 
Mi, 23.06.2010 |  link | (2737) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Kopfkino


frau braggelmann   (23.06.10, 21:27)   (link)  
ach so !
deshalb klappt's mit der transzendenz nicht ! nicht ohmmmm - sondern fahrplan. muss man ja wissen...
p.s. ich hab noch platz für'n paar kartons und auch noch locker zwei, drei m2 wand :-)

liebe gruesse in die nachbarschaft


jean stubenzweig   (24.06.10, 07:53)   (link)  
Richtig, die Ohmminosität
dieser Erleuchterei kann einen gerade durchs Leben gehenden Menschen ziemlich verwirren. Der ohnehin nicht so recht Gläubige benötigt deshalb deutliche Hinweise zur Orientierung – ähnlich dem Gläubiger, dem schließlich auch ein Buch der bürgerlichen Gesetzgebung zur Verfügung steht. Ist ja auch so etwas wie ein Fahrplan.

Das mit den zwei bis drei Quadratmeter, daran könnte ich ja noch glauben – wissen tue ich: ja, an der Decke. Aber Platz für prallgefüllte Bücherkartons? Im Gewächshaus, zwischen den Tomaten?















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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