Gewaltige Liebe

Wie ein Panoptikum sieht das Bühnenbild aus: Skulpturen, Gemälde, Figuren, alles ist in Bewegung und wird effektvoll be- und ausgeleuchet. Über den Dia-Projektor erscheint mal eine Filmszenerie oder eine beschauliche Landschaft an der Wand. Aus den Lautsprechern dröhnt Rockmusik, abgelöst von Flötentönen der Renaissance und elektronischen Klängen ähnlich denen von Steve Reich. Nacheinander treten drei Frauen auf, die allesamt einen gewaltsamen Bühnentod sterben. Die erste endet im Kugelhagel eines Maschinengewehrs, die zweite wird erstochen, und die dritte segnet unter Wasser das Zeitliche. Es geht um die Liebe. Renaissance Radar lautet der Titel dieser Theaterperformance der kalifornischen Künstlergruppe Soon 3, deren völlig neue Darstellungsform beim Festival von Pistoia in der Nähe von Florenz bestaunt wurde.

«Nach dem traditionellen amerikanischen Theater», so Alan Finneran, Spiritus rector der 1972 von ihm formierten Gruppe, «nach der San Francisco Mime Troupe und dem Teatro Campesino wollen sich die Leute jetzt eine neue Generation amerikanischen Theaters anschauen.» Seine Arbeit repräsentiert die gesamte Bandbreite zeitgenössischer Kunst, die bislang mit der Bühne ein wenig fremdelte. Er stellt visuelles Theater her, das die herkömmlichen Besucher allerdings eher erschreckt.

Zentrales Thema dieser aktuellen Produktion ist die Gewalt. Darin prallen das heutige Kalifornien und das Italien des 16. Jahrhunderts heftig aufeinander, die Illusion des Hollywood-Kinos kollidiert mit südeuropäischer betulicher Beschaulichkeit. Frauen spielen dabei die Hauptrollen. Männer wirken nur noch hinter den Kulissen mit. Als Drahtzieher.


Flohmarkt: Savoir-vivre, 1981

Weibliche Emanzipation
Liebe in San Francisco
Gewalt in der Renaissance

 
Di, 11.01.2011 |  link | (3823) | 20 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Dramatisches


famille   (12.01.11, 11:32)   (link)  
Erinnerungen:
Kämpferische und gewalttätige Frauen ...


jean stubenzweig   (12.01.11, 17:46)   (link)  
Das liest sich interessant.
Allerdings meine ich irgendwo gelesen zu haben, dieser Verein sei nicht ganz kosher.


famille   (12.01.11, 21:45)   (link)  
Wie? Nicht ganz kosher.
Die Uni Innsbruck? Ein gewisser Herr hat sich doch zusammen mit andern gerne jahrelang über den Dr. Graz lustig gemacht. Das ist zwar auch Österreich, aber dann doch wieder woanders, weniger Balkan, eher Bayern.


jean stubenzweig   (12.01.11, 22:15)   (link)  
Nein. Diesen Grinsverlag
meine ich. Andererseits oder auch à propos Uni Innsbruck: da liefert jemand 2004 eine Diplomarbeit in Kunstgeschichte ab mit dem zitierten Titel und ein Jahr später eine Seminararbeit titels Die Darstellung der Natur bei Watteau, Boucher und Fragonard. Untersuchung anhand ausgewählter Gemälde.

Das irritiert mich dann durchaus auch. Oder sollten sich die Studienabläufe Österreichs doch (nach wie vor?) so abschüssig von denen anderer Länder unterscheiden? Ist auch die Alpenrepublik nicht (europa-)integrationsfähig?

Sollte ich schiefliegen, so bitte ich um Aufklärung.


famille   (13.01.11, 18:55)   (link)  
Keine Ahnung.
Wer guckt denn da noch durch bei diesen europäischen und dann wieder nicht Universitätsgebilden?

Auch über den Verlag liegen keinerlei Kenntnisse vor. Bis auf die Information, daß er nach dem Prinzip „on demand˝ zu arbeiten scheint.


jean stubenzweig   (15.01.11, 21:20)   (link)  
Das weiß ich selber,
ein bißchen lesen kann sogar ich noch. Also wie früher schon die Dissertationsverlage, als sie noch nicht im Internet vertreten waren: Arbeit und Kosten komplett zu Lasten der Lieferanten. Nie wollte ich einsehen, mit welchem Recht die soviel Geld verlangen, da sie in der Regel keinen Finger, geschweige denn einen Gedanken in Bewegung setzten. Nur für die Distribution, von Büchern, die dann (vor gut zehn, fünfzehn Jahren) trotzdem sechzig bis neunzig Mark kosteten, heute das doppelte, nämlich in Euro? Wer seiner Veröffentlichungspflicht nachzukommen hatte, war denen, mit wenigen Ausnahmen, völlig ausgeliefert. Nur daß es jetzt noch einfacher ist, da alles nach Abruf gedruckt werden kann und nichts mehr verramscht werden muß. Korrekturen finden auch jetzt nicht statt, nichtmal layouttechnische (siehe «Textauszug [computergeneriert])», es sei denn, die Autoren zahlen gesondert. Da denkt man schon darüber nach, ob man vierzig Euro für ein eBook ausgeben will oder zehn Euro mehr für ein gedrucktes Exemplar – einer Diplomarbeit. Die Frage stellt sich allerdings: Wozu sind diese ganzen Leute da? Das Impressum weist allein neunundzwanzig Mitarbeiter aus, die unter «Redaktion» firmieren.

Ach, ist ja auch egal. Das bißchen, das ich lese, kann ich mir auch selber schreiben.


prieditis   (12.01.11, 18:32)   (link)  
Exkurs:
Herr Stubenzweig, Sie wollten informiert werden, wenn es wieder Reisenachrichten gäbe. Nun denn, es ist soweit.*

*Diesen Beitrag dürfen Sie selbstredend nach Gusto wieder entfernen...


jean stubenzweig   (12.01.11, 19:45)   (link)  
Nein, Entfernung
wäre unfein. Vor allem mir gegenüber. Schließlich habe ich lange auf diese Post warten müssen. Doch andere sollen auch ein bißchen was an Genuß abhaben: Die Frage der Saftschubse nach Kaffee oder Tee beantwortete ich jovial mit: «Rotwein!».


kopfschuetteln   (12.01.11, 22:13)   (link)  
das zitat hätte ich auch (aus)gewählt.


jean stubenzweig   (13.01.11, 01:17)   (link)  
Sogenannte Saftschubsen
scheinen heutzutage ohnehin weiterreichende oder -gehende Transportprobleme zu haben. Denen scheint es zu gehen wie vor der Neuanordung der (humanistischen) Ideale. Doch ich gestehe: Früher fiel mir die Begrüßung beim Betreten eines Flugzeugs (1. bis 3.) irgendwie leichter. So recht begründen mag ich das nicht, auch wenn ich es vielleicht könnte. Möglicherweise lag's daran, daß sie entspannter sein konnten, weil sie noch eine Zukunft hatten.


kopfschuetteln   (13.01.11, 18:56)   (link)  
mir fiel das besteigen eines flugzeuges nie leicht, so bin ich wohl der typ "nicker(in)". vor ein paar jahren musste ich beruflich sehr viel fliegen, das unbehagen verschwand nicht; ich lernte nur damit umzugehen. ein ehemaliger kollege kommentierte seine flugangst (er flog wirklich nie) sehr lakomisch mit: nur vögel fliegen. sehr schön, aber auch sehr unpraktisch.

so flog ich einst vom schönen, damals noch recht kleinen, flughafen dortmund ab. und in der wartehalle saß, ja sie flog im gleichen flugzeug wie meine-eine, dame mit stümme und sonnenbrille, auf der nase. ich weiß noch, dass es ein sehr ungemütlicher flug war, nicht wegen ihr. es ruckelte und schuckelte, luftlöchelte. ich behielt die "saftschubsen" die ganze zeit im auge. zeigten sie anzeichen von unruhe, irritationen, panik? das dürfen sie sicher nicht, weiß ich doch. als es vorbei war, war ich so froh, wieder echten boden unter den füssen zu haben...fast hätte ich ihn geküsst. fast! lieber verlangt schon vorher rotwein.


prieditis   (14.01.11, 01:24)   (link)  
Ich habe mich, unwissend, fein artig an die Vorschläge gehalten. Zumindest bin ich nicht aufgestanden...


jean stubenzweig   (14.01.11, 11:44)   (link)  
Das über den Wolken
bereitet mir seit längerem keine Freude mehr. Da geht's ja mittlerweile zu wie bei der Bahn. Und für letztere hatte ich mal das Autofahren so gut wie drangegeben. Ich denke darüber nach, wieder mehr privat zu fliegen. Ich wäre ja gerne einfach zu Fuß unterwegs. Nicht nur deshalb: Es ist ein leichtes, beim Gehen den Boden zu berühren. Aber das Gestell macht leider nicht mehr so recht mit.


mifasola   (14.01.11, 12:36)   (link)  
Aber auch das Gehen
ist derzeit begrenzt erfreulich. Erst waren die Umstände so, dass es ein leichtes war, beim Gehen den Boden mit mehr zu berühren als den dafür vorgesehenen Sohlen. Jetzt sind die Umstände so, dass es für den Boden ein leichtes ist, beim Gehen mehr von mir zu berühren als eben jene, selbst ohne Hundepfoten als allfällige Hilfsmittel. Aber zugegeben, im Vergleich zu Bahn und Saftschubsenkäfig sind das eher niedere Transportprobleme.


jean stubenzweig   (14.01.11, 19:14)   (link)  
Schon wieder Blitzeis?
Donner aber auch. Ständig lese ich von gefallenen Menschen. Jetzt sogar mit Hund. Dabei versucht man mir seit Jahr und Tag zu vermitteln, der sei des Menschen Geh- und überhaupt Hilfe schechthin. Ach ja, die Katze geht auch ohne mich raus. Die ist so eine Art Sitzbleibhilfe.


mifasola   (14.01.11, 20:15)   (link)  
Erst Eis,
dann Schlamm - plus andere auftauende Unerquicklichkeiten in den hiesigen Parks. Der Hund würde ja auch ohne mich rausgehen. Aber da er - im Gegensatz zu Katzen - nur über ein Leben verfügt, habe ich davon bislang Abstand genommen.
Sitzbleibhilfe ist schön. Hat bei mir im Moment Buchform und den Titel Das Narrenschiff.


prieditis   (14.01.11, 21:03)   (link)  
Sitzbleibhilfe
ist wirklich schön.
Ich habe mich vor einiger Zeit, nach der Lektüre der SportKriegstagebücher eines Herrn Jünger auch gar nicht mehr vor die Tür gewagt. Sogar die Fenster habe ich gemieden. Unbewusst.


jean stubenzweig   (15.01.11, 09:07)   (link)  
Literatur als Lebenshilfe.
Da sehen Sie's. Wenn die Krankenkasse die wohl auch kaum übernimmt, wahrscheinlich, weil sie der Volksgesundheit nicht dienlich ist. Bei nordischen Wanderskistöcken sieht das, glaube ich, anders aus.

Aber haben Sie sich etwa alleine den fortlaufenden Stahlgewittern ausgesetzt? In denen (die Neuedition kenne ich nicht) kann einem ganz anders werden. Schlimm. Aber ich denke dabei auch an das, was Robert Musil schrieb – «der von 1915 bis 1918 bei der Landsturm-Infanterie in Südtirol diente und den Rang eines Hauptmanns erwarb, hat später im ‹Mann ohne Eigenschaften› die Kriegsbegeisterung der jungen Soldaten, die in den Ersten Weltkrieg zogen [...]» (Lothar Müller in der Süddeutschen Zeitung vom 22. September 2010). Was war das für eine Zeit. Der Freiherr vom Stein hatte ganze Arbeit geleistet, es wurde ihm durch Napoleon aber auch leicht gemacht, weil der zwar von Kriegstaktik und Schlachterei viel verstand, aber von Kleinstaaterei nicht einmal eine annähernde Ahnung hatte, in der sich das Revolutionäre des Postmonarchischen nunmal schlechter verbreiten läßt. Es dauerte lange, aber dann war es soweit: Frankien mußte sterbien. Mit Hurra-Gebrüll zogen sie freiwillig in die Kriegslandschaft nicht nur vor Verdun, doch nicht nur die Massen, sondern nicht eben wenige Künstler und Intellektuelle. Manch eine dieser Froschfresser-Titulierungen stammt noch aus dieser Zeit, ohne daß es heutigen Zeitgenossen bewußt wäre.

Aber der alte Kämpfer hat ja auch noch anderes beschrieben als nur die Landschaft des nicht so lieblichen nördlichen Frankenlands, und seine geistigen Krücken stützten ihn auf seinen Wanderungen nicht nur bei Koleopterologischem. Erst vor ein paar Tagen habe ich mir erlaubt, den Hinkenden Boten auf interessante Gedankengänge hinzuweisen, die Ulfur Grai in seinem Fahrtenbuch hinterlassen hat (1., 2., 3., 4.). Gerne wiederhole ich das.

Diese Sitzbleibhilfe ist kostenlos.


prieditis   (15.01.11, 12:17)   (link)  
Die Käfersammlung
habe ich gewissenhaft überblättert. Und ja, ganz alleine habe ich die Tagebücher gelesen. Jünger sah die ganze Chose wohl eher sportlich. Das wundert auch kaum, wenn man bedenkt, in welchem Alter er dies tat, verbunden mit seinem Intermezzo bei der Legion. Heutzutage suchen Jugendliche den Kick im Auto, rasend auf einer Brandenburger Allee.

Interessiert hat mich, ob es tatsächlich Berührungspunkte zum Josef Ph. Buckenhüskes geben könnte (Sie sprachen das einmal an und erweckten dadurch meine Neugier). Und tatsächlich, eine Möglichkeit der flüchtigen Begegnung hat es gegeben, wenn man die zeitgleiche Anwesenheit der einzelnen Regimenter vergleicht. Einen Beweis gibt es natürlich nicht.

Und nun widme ich mich dankbar Ihrer kostenlosen Sitzbleibhilfe.


edition csc   (15.01.11, 10:18)   (link)  
«dass der Styx
schon bläulich schimmerte.»

So wirken Jüngers Erinnerungen an den Drogenkonsum aus den 1920er, 1950er und 1960er Jahren zwar manches Mal immer noch wie entomologische Präparate, die er im grellen Schein der Schreibtischlampe vor dem Leser ausbreitet, doch sind es einzigartige Tiere, die er dort zum Vorschein bringt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Jüngers Bekanntschaft mit Drogen Geschichte hat. Vom Opium wenig angetan, hatte er in den 1920er Jahren ein Haschisch-Erlebnis, das ihn in Todesangst versetzte und dazu führte, dass er fast drei Jahrzehnte den Drogen Valet sagte, ehe er in den 1950er Jahren mit dem Verleger Ernst Klett und dem Arzt Walter Friedeking Meskalin zu sich nahm. Zur gleichen Zeit stand er in regem Kontakt mit dem Schweizer Chemiker Albert Hofmann, dem Entdecker des LSD. Beide probierten die Droge lange bevor sie in »Ruf und Verruf« kam. Jüngers Besuch auf Godenholm aus dem Jahre 1952 handelt von diesen LSD-Experimenten. Tod und Rausch allerdings waren zeitlebens zwei der wichtigsten Themen Jüngers. Bereits in den Stahlgewittern aus dem Jahre 1920 packte ihn selbst der Krieg »wie ein Rausch«.

Wenig berauscht gab sich die Öffentlichkeit kurze Zeit später nach einem Interview, das Jünger der Zeitung Le Monde gewährt hatte. Darin bekundete er, die Tatsache, dass er in Frankreich besser verstanden werde als hierzulande, spräche für eine höhere Kultiviertheit der Franzosen. Sein Interesse für die deutsche Literatur ende ohnehin mit Nietzsches »Ecce homo«.


Vielerlei Meinungen im Rückblick in: Glanz und Elend















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