Geld- und andere Sorgen

An Eduard Fechner, Maler, Paris. Paris, 18. Januar 1841.
Allerverehrtester Herr Onkel, erlauben Sie mir, Sie recht höflich zu ersuchen, uns gefälligst morgen, Dienstag, den 19. d. M., abends, die Ehre Ihres werten Besuches zu erzeigen. Außer anderen Delicen werden Sie da einen außerordentlichen Kunstgenuß haben; der über alle Begriffe berühmte belgische Violinvirtuose Vieuxtemps hat nämlich Zutritt zu meinen Soirees erlangt, und wird sich demnach morgen freundschaftlichst bei mir hören lassen. Zum Schluß: spanischer Tanz mit Kastagnetten, ausgeführt vom Unterzeichneten.

Anfang um 7 Uhr.

Ihr ganz unterthänigster Verehrer

Richard Wagner

25, rue du Helder.

An Robert Schumann. Dresden, 28. Oktober 1842.
Verehrtester Freund! Ich schmachte nach Ihrer Gegenwart bei einer der Aufführungen meiner Oper in Dresden. Können Sie nicht zu Sonntag, den 30. d. M., hierherkommen? Die auf diesen Tag angesetzte Vorstellung findet jedenfalls statt. Wollten Sie mir wirklich dies Opfer bringen, so bitte ich, daß Sie mir recht bald schreiben, ob ich Ihnen einen Platz aufbewahren soll, da Sie sonst schwerlich an der Kasse bedient werden würden, denn trotz der immer noch erhöhten Preise sind für die nächsten Vorstellungen meist alle Plätze genommen. Falls Sie also selbst erst Sonntag um 2 Uhr von Leipzig fortführen, hätten Sie sich doch nur an der Kasse mit Ihrem Namen zu melden, um ein für Sie zurückgelegtes Billett zu empfangen — nämlich, sobald Sie mir sogleich schrieben, daß Sie können.

Ich bin ungestüm in meiner Zudringlichkeit; Sie werden aber leicht begreifen, wie sehr mir an der Erfüllung meiner Bitte liegt. Seien Sie mir nicht böse und seien Sie der freundschaftlichsten Hochachtung versichert,

mit der ich bin

Ihr ergebenster Richard Wagner.


An Karl Gaillard, Berlin. Groß-Graupe, 21. Mai 1846.
Gott sei Lob, ich bin auf dem Lande! Eine große Wohltat hat mir mein König durch die Gewährung eines längeren Urlaubs erzeigt. Ich wohne in einem gänzlich unentweihten Dorfe — ich bin der erste Städter, der sich hier eingemietet hat. Nun hoffe ich alle Erlabung meines Gemütes und meiner Gesundheit von meinem Bauernleben. Ich laufe, liege im Walde, lese, esse und trinke und suche das Musikmachen ganz zu vergessen ... Ich habe einen der widerlichsten Winter meines Lebens im Rücken: Neid, Bosheit, Albernheit — und tödliche Langsamkeit in der Verbreitung meiner Wirksamkeit nach außen waren die Feinde, mit denen ich täglich jenen abscheulichen Kampf zu bestehen hatte ... Wissen Sie, was Geldsorgen sind? Sie Glücklicher, wenn nicht! ...
Zitiert nach: Richard Wagners gesammelte Briefe, herausgegeben von Julius Kapp und Emerich Kastner, Hesse und Becker Verlag, Leipzig 1914, 14 Bände in 5 Bänden, hier 1. Band, S. 158, 294, 207

Das war der (heute früh zum dritten oder vierten oder vielleicht zum elften Mal in Radio Hirn will Arbeit wiederholte) Auslöser: Als der Meister die Musik revolutionierte, kannte man eben noch kein Eventmanagement. Die traumberufene Frau Alexia Werner hätte ihm bestimmt mehr als eine Flasche authentischen Champagners — ach, wahrscheinlich überhaupt ein paar Sponsoren zukommuniziert. Denn heutzutage ist der Förderer wichtiger als der Geförderte. Los ging das in der Postpostmoderne der mittleren Achtziger.
 
Do, 08.09.2011 |  link | (1618) | 11 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Kopfkino


kopfschuetteln   (08.09.11, 15:14)   (link)  
da war doch was zu lesen heute.


jean stubenzweig   (08.09.11, 20:43)   (link)  
Ach herrjeh,
da wird Public doch nicht am Ende etwa ohne Geld aus ludwiginschem Voralpendollar viewen müssen? Müssen da am Ende gar auch die Chinesen ran?


kopfschuetteln   (08.09.11, 21:02)   (link)  
die bauen bayreuth einfach nach und kaufen das spektakel ein. china hat bestümmt keinen rechnungshof, der die kartenvergabe für die festspiele "mit den förderzielen nicht vereinbar sieht". zu guter letzt könnte dann der sponsor in china wieder einsteigen: zur förderung des deutschen kulturgutes. und der guten geschäfte wegen. hm...


jean stubenzweig   (08.09.11, 21:14)   (link)  
Zum Lachen gehe ich
normalerweise ja in den Keller. Aber diesmal hat's bis dorthin nicht mehr gereicht.


jagothello   (08.09.11, 16:04)   (link)  
Prä-prä...
Ja, und es gab wohl auch Zeiten, in denen das Erschaffene, der Stoff wichtiger als der Geförderte war! "Ihr sollt durch meine Mysterien hindurch. Wagt es zu eurem Heil..." legt Nietzsche dem "All-Dramatiker" in den Mund. Der gesamte Essay (Richard Wagner in Bayreuth) befasst sich über achtzig Seiten nur ganz am Rande einmal mit biographischen Dimensionen. Außer um das Wesen dieser so speziellen Kunst geht es Nietzsche um- gar nichts!


jean stubenzweig   (08.09.11, 21:15)   (link)  
Zu der Zeit hat Nietzsche
sogar selber schöne Lieder und andere Stückchen komponiert, denen der romantische Teil in mir hin und wieder lauscht. Aber meine andere Seite hat in der Kritischen Studienausgabe auch gelesen, wie er später auf Wagner losgegangen ist. 1884 schrieb er:
Als Richard Wagner mir gar von dem Genusse zu sprechen begann, den er dem christlichen Abendmahle (dem protestantischen) abzugewinnen wisse, da war es aus mit meiner Geduld. Er war ein großer Schauspieler: aber ohne Halt, und inwendig die Beute von allen Sachen, welche stark berauschen. Er hat alle Wandlungen durchgemacht, welche die guten Deutschen seit den Tagen der Romantik durchgemacht haben: Wolfsschlucht und Euryanthe, Schauer-Hoffmann, dann ‹Emancipation des Fleisches› und Durst nach Paris, dann den Geschmack für große Oper, für Meyerbeersche und Bellinische Musik, Volkstribune, später Feuerbach und Hegel – die Musik sollte aus der ‹Unbewußtheit› heraus, dann die Revolution, dann die Enttäuschung, und Schopenhauer, und eine Annäherung an deutsche Fürsten, dann Huldigungen vor Kaiser und Reich und Heer, dann auch vor dem Christenthum, welches seit dem letzten Kriege und seinen vielen ‹Todtenopfern› wieder in Deutschland zum guten Geschmack gehört – , mit Verwünschungen gegen die ‹Wissenschaft.›»
Nietzsche, Kritische Studienausgabe (KSA), hrsg. v. Giorgio Colli/Mazzino Molinari, München 1980 (neu 1999), S. 250


chat atkins   (08.09.11, 17:32)   (link)  
Schade - vom "spanischen Tanz mit Kastagnetten" des Schreibers hätte man zu gern eine Videoaufzeichnung avant la lettre. Nebenbei: Der Richard war nicht nur ein - manche sagen ja sogar - großer Künstler, sondern er war zumindest ein ebenso kongenialer Großschnorrer und PR-Stratege.


jean stubenzweig   (08.09.11, 21:42)   (link)  
Wagner und Bolero?
Floßhilde, Wellgunde und Woglinde klappern mit den Katagnetten? Die Übung kenne ich nicht. Aber vielleicht kommt das ja noch, irgendwo am Rhein, bei Worms, wo der Dieter wedelt?

In den Anfängen war er wohl noch kein so «kongenialer Großschnorrer und PR-Stratege». Noch befand er sich in argen Nöten, nicht zuletzt deshalb, da er wie auf dem Thespiskarren ständig von Almosen und auf Pump lebte. Paris war besonders karg. Erst im Mai 1864 schrieb der Kini an Richard Wagner: «Seien Sie überzeugt, ich will alles tun, was irgend in meinen Kräften steht, um Sie für vergangene Leiden zu entschädigen.» Von da an ging's allerdings richtig ab, bei Tristan und Isolde von 1865 wurde bereits aus dem (späteren prallen) Wahn geschöpft.


edition csc   (09.09.11, 14:41)   (link)  
Edel wedelt
vermutlich Wenn in des Sultans Harem die Mädels mit den Hüften kreisen.

–cabü


nnier   (08.09.11, 19:48)   (link)  
Ich habe von Wagner nicht die geringste Ahnung, staune und schmunzle aber über diese wunderbaren Formulierungen. Man sollte sich ein Scheibchen davon abschneiden.


jean stubenzweig   (08.09.11, 20:46)   (link)  
Um besser schnorren
zu können? Schmunzeln tu' ich doch bei Ihnen, bei Ihnen tät' ich mir gerne ein Scheibchen abschneiden.















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