Auf der Suche nach der verlorenen Identität Über das Alter sprachen wir, der an Jahren auch nicht mehr so ganz Frische und ich, der in meiner Jugend von Zukunftsweisen darüber belehrt worden war, daß ich in meinem heutigen Alter ziemlich über das Verfallsdatum hinaus gewesen wäre. Allenfalls noch tägliches Rasenmähen, Laubrechen und überhaupt den Garten sauberhalten durch den vitalen Einsatz von chemischen Vernichtungsmitteln von Unkraut würde mein Leben als Rentner noch erträglich machen, in dem es ansonsten kaum noch etwas zu tun gäbe. Wobei des anderen Gedanken sich ausgesprochen mit meiner Parallelwelt verquickten und wir gemeinsam auf den Punkt kamen, ach, das vielzitierte Unkraut und so, das vergehe ohnehin nicht, und ob's das überhaupt gebe, auch eine rote Rose sei nunmal eine Art eßbares Kraut, ob sie nun aus Afrikas Gewächshäusern zu den Billigheimern angeflogen käme oder auf einem Grabstein für die Ewigkeit dahinwelke oder gar in einen solchen hineingemeißelt sei, letztlich gehe es bei den Rösleins doch nur immer um ein und dasselbe, zähle am Ende nur die Liebe wie bei Frau Stein. Und schließlich sei das heutzutage ohnehin kein Alter mehr, fügte er mit dem Nachdruck einer gehobenen Augenbraue an. Wahrlich, dachte ich so in mir drinnen für mich hin, Unkosten gebe es ja auch nicht, allenfalls Belastungen, die man sich selber auferlege, überdies fingen viele mit siebzig an, sich mittels Motorsegler in den Himmel zu erheben, gleichwohl mit Fallschirm versehen, oder sich in die Hölle zu stürzen, vorsorglich durch ein Gummiseil gesichert. Kurz ins Grübeln kam ich noch, da ich mich zu erinnern gezwungen war, daß mein Vater seinerzeit kurz vor Vollendung seines siebten Jahrzehnts war, als mein erster Schrei ihn ein wenig, in Maßen auch die damals vierzigjährige Gefährtin und zu dieser Zeit alles andere als junge Mutter, aber keinesfalls die Welt beglückte. Wie alt oder jung also man sich fühle. Das letzte Gespräch lag einige Jahre zurück, aber es war, als ob einer von uns lediglich kurz abgelenkt worden wäre und den Austausch direkt fortsetzte, wie das so ist bei Veranstaltungen, die wir beide nicht sonderlich schätzen, die zu besuchen wir aber beruflich genötigt waren, bei denen selbst in der verstecktesten Ecke jemand vorbeikam, den man kannte und zu begrüßen hatte, manchmal auch wollte, weil es schließlich auch auf den zu seelenlosen, zum Event verkommenen Kunstmärkten Menschen gibt, die interessant oder sympathisch oder etwas ähnliches sind und mit denen es durchaus, also nicht nur nach Rockkonzerten, glücklich beisammensitzen war. Es lag in der Natur unserer Begegnung, daß wir über Kunst sprachen. Doch die war, wie bei unserem letzten Gespräch, beinahe marginalen Charakters, wenn sich das so bezeichnen läßt bei Menschen, in deren Tages- wie Nachtgeschäft Arbeit und Leben eins sind, die sich des Privilegs bewußt sind, nicht trennen zu müssen zwischen dem mittlerweile zum Job mißratenen Broterwerb und der Freizeit, die sich nie auf die schönste Zeit des Jahres freuen müssen, weil es die nicht gibt in der eigentlichen Romantik, in der nämlich nicht das ach so romantische Wochenenddinner bei Candlelight im Wellnesshotel oder am Ende gar gleich drei davon hintereinander zählen, sondern Kunst und Leben identisch sind. Wir waren uns (mal wieder) einig, und herhalten mußte einmal mehr der Falentin Karl: Fremd ist der Fremde nur in seiner Bestimmung. Zwangsläufig kam der Gesprächspartner also auf einen Künstler zu sprechen. Über dessen Frische habe er als junger Mensch sich immer so gewundert, daß er ihn, siebzig sei er damals gewesen, der andere, gefragt habe, wie er das bloß so mache, daß er auf ihn immer so jugendlich wirke. Die zentrale Antwort habe gelautet: Nun ja, Identität hin oder her — nun kommt wieder so ein verfluchtes, verherbstetes Wochenende, während dem man nicht einmal einfach Laubsaugen oder -blasen oder Holzkreischsägen oder rasend Mähen darf. Nur noch Lyrisches hören und lesen. Was ist das denn für ein Leben?! Eine Menge romantische Links und überhaupt Hoffnungsloses.
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