BiBook oder EiFrau?

Wunderbar war das tatsächlich, was man linksrheinisch da zusammengestellt hat, das war höchste fernseherische Qualität. Wunderbar war es sicherlich auch im Hinblick auf mein Wundern, das seit meiner Kindheit anhält: das über die Frauen. Eine Phase gab es in meinem Leben, in der ich, wohl angeleitet von der ideologisch motivierten Einswerdung der sechziger, siebziger Jahre, straff behauptete, es gebe keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. Letztere hat mich eines Besseren gelehrt, hinzu kamen die ersten eigenen Gedanken, die die zeitgeistigen Fehlstörungen anderer korrigierten. Eins bin ich mit mir, daß sie etwas Wunderbares sind, aber bis heute uneins darüber, was sie treibt, nicht alle, aber sehr, sehr viele, ausgerechnet uns Männern gefallen zu wollen, die wir alles andere als sanft und liebreizend mit ihnen umgegangen sind und das nach wie vor auch nicht unbedingt tun. Selbst wenn ich den Geist der Zeit in Zolas Au Bonheur des dames* ausblende und mich auf die heutigen Gegebenheiten konzentriere, komme ich nicht umhin, mir darüber im klaren zu sein, daß es nichts als eine perfide Erfindung der Männer ist, Geld zu machen beziehungsweise zu scheffeln. Dann werde ich wieder unsicher, frage mich, ob da die männliche Ichbezogenheit nicht doch von ihrem Zwillingsbruder, dem eineiigen, bisweilen auch altes Ego genannt, angetrieben wird, sich für seine miesen Taten auch noch belohnen zu lassen, indem er sich sozusagen zweiseitig am Anblick erfreuen und das alles dann Verführung nennen darf.

Da ist sie wieder, die berühmt-berüchtigte Frage, was zuerst da gewesen sei: die Henne oder das Ei. Hat Steve Jobs seine Produkte später wohl deshalb so benannt, weil ihn die Erkenntis vom Apfel im Paradies der Dame(n) übermannte, die ihn schließlich dem Herrn überrreicht hatte? (Bi[ddy]Book wäre allerdings auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei gewesen.) Es waren nach meiner Beobachtung nämlich zuerst die Frauen, die, als das feine EiBüchlein ins Kaufhaus der äußerlichen Verführung ausgeliefert worden war, damit hantierten. Ich erinnere mich recht gut an die leicht hochgezogene Augenbraue einer Dame, die mir alleine wegen ihrer schlichten, also eher edlen, ergo applikationsfreien Gewandung aufgefallen war. Sie hatte anfangs des neuen Jahrtausends leicht naserümpfend ihr eigenes edles Rechteck aus der großen Damenhandtasche geholt und es auf den Tisch der schnellen Bahn gen Buchmesse gelegt, um damit vermutlich einen Vortrag über die frauenspezifische Literaturrezeption zuende zu bringen (während all die Männer um sie herum mit Gerätschaften herumfuhrwerkten, und sei es, daß sie sich damit schlechte, irgendwelche computeranimierte Streifen aus der Nähe von Los Angeles anschauten, deren Aussehen ihrer funktionalen Eindimensionalität unterworfen war: Einsen und Nullen kämpfen aktionsreich gegeneinander). Eine Münchner Freundin, die ich nicht nur ihres feinsinnigen und -sinnlichen Äußeren wegen gerne anschaute, war eine der ersten, die ihre Aufsätze zur Pädagogik der Flickerlteppichfamilie zwischen Tür zum Kindergarten, der immer freundlichen Studentenbegrüßung im Hörsaal, nachmittäglichem Besuch samt quengeldem Nachwuchs in der Eisdiele und der spätabendlichen Angel des Intellektualisierens in ein EiBuch fließen ließ, während der ständig müde Gefährte die ihn einzig beschäftigende Vorstufe seiner mediologischen Studien zum optischen Wissen über Maler und Dichter, über Wege zur Kultur wohnungstechnisch abgeschirmt in einen nüchtern genannten pränordkoreanischen Schlepptop hackte. Mit Wonne erinnere ich mich des Eindrucks, den die junge Dame in ihrem unauffällig schönen Sommerkleid auf mich machte, als ich ihr souverän männlich den guten Rat gab, es sei nicht nur der Funktion, vielleicht auch der Schönheit ihres süßen kleinen EiBüchleins möglicherweise abträglich, die Tasse mit dem Kaffee darauf abzustellen, selbst wenn der von Einstein persönlich produziert worden sei. Die dennoch freundlich oder höflich geblieben war und gar ein paar Sätze mit mir austauschte, selbst dann, als ich sie auch noch ablichtete, daß ich mich beinahe in Frankreich wähnte, wo man Damen in der Regel (ohje, aber das bleibt jetzt so stehen) ablichten darf, ohne Gefahr zu laufen, inhaftiert zu werden.


Und da muß ich schon wieder an Schuhe denken. Barrierefrei geht das ineinander über. Nicht nur in meinem Kopf, der von einem Virus namens Schuh-Tick befallen ist. Das ist der rechte Platz für einen wie mich. Während man im Bon Marché später den Männern sogar einen Lesesaal einrichtete (heute würde man vermutlich EiMäcks installieren, weil die bürgerliche Welt auch animierte Eins-gegen-Null-Spiele gerne in elegantem Äußeren ausführt), habe ich im Einstein nur einen Schritt in das Paradies, nach rechts in das der Damen, nach links in das der Herren. Mir ist in dem zu recht erstgenannten wohler. Die Schuhe der Männer sehen nahezu ausnahmslos aus wie die von ihnen konstruierten und ver- sowie gekauften Automobile oder das, was sie ansonsten noch sinnvoll nennen. Wobei der anzunehmenderweise von ihnen geschaffene Begriff High Heels eine mich neuerlich spaltende, in meinen Ohren obendrein nicht unbedingt reizvoll klingende Bedeutung bekommt.

Womit ich endlich bei der Emanzipation angekommen wäre. Auf Rädern dahergerollt scheint die mir immer wieder zu sein, wie auf einem Laufband der Lehre von der industriellen Evolution. Das eine ums andere Mal werde ich den Verdacht nicht los, dem Erfindergeist des schöpfenden Herrn Gott könnte die einmal mehr ensprungen sein, um aus einer scheinbaren Befreiung reichlich Kapital zu generieren, wie das mittlerweile heißt. Nicht zuletzt beim neuerlichen Lesen von Monsieur Émiles Roman stoße ich mich immer wieder an Ecken und Kanten, wie sie offensichtlich bevorzugt von Männern konstruiert und produziert werden. (Es erinnert mich an die Antwort eines Studenten der Münchner Kunstakademie auf die Frage einer Kommilitonin, weshalb seine Plastiken allesamt so unharmonisch und scharfkantig seien: Rund seid ihr doch schon! Er ging später in der Tätigkeit eines Kunsterziehers auf.)

Aber ich verstehe ohnehin zu wenig von Gender und so. Gestern habe ich zum ersten Mal das Kürzel PoC gelesen. Was ein Kaukasier ist, das wußte ich noch, wurde ich lange genug als ein solcher bezeichnet. Staunend bestätige ich auch den Anwurf des Altherrenwitzes, obwohl ich vermutlich selber einer bin. Da geht überhaupt etwas ab, in dessen sich ständig verändernden Kryptographie ich trotz zunehmender Weisheit einfach nicht hineinkomme. Am Ende ist's gar so, wie beim Anhalter durch die Galaxy, daß wir Männer die weißen Mäuse sind und die Frauen aus dem Überirdischen kommen. Wer weiß, vielleicht hat auch Zola das nicht nicht gemerkt. Denn Véronique Cnockaert kriecht dabei in meine verkalkten Windungen, die in etwa geschrieben hat:

Dieses neue architektonische System, das Eisen und das Glas, folglich der feste Körper und die Kraft, verbunden mit der Leichtigkeit der Grazie und der Transparenz. Diese Kombination der Kontraste mußte dem Romancier gefallen. Dieser Dualismus des aufleuchtenden Modernismus im zweiten Reich: über die gewagten Verkaufstechniken, über diesen erobernden Materialismus hinaus bietet dem naturalistischen Schriftsteller die Mittel, gleichzeitig die Physik und die Moral des Individuums des 19. Jahrhunderts zu behandeln.

Sag' ich's mal mit Rainer Candidus Barzel: Ich gucke da nicht mehr durch. Zwar gebe ich mir alle Mühe, im dritten Jahrtausend anzukommen. Aber bisweilen beschleicht mich das Gefühl, noch nicht einmal aus besagtem 19. Jahrhundert herausgekommen zu sein.


* Ich würde den Buchtitel übrigens oder ohnehin näher am Original übersetzen und das Ganze Vom Glück der Damen nennen.

Jetzt dringendst Mittagsheia.

 
Do, 03.11.2011 |  link | (4015) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftsspiele


edition csc   (04.11.11, 10:47)   (link)  
Nachhilfeunterricht in Gender?
Und darum, in welchem Maße individuelle oder kollektive Verhaltensweisen emanzipatorische oder unterdrückerische Strukturen reproduzieren. Wo war, um bei dem Teil des Themas zu bleiben, Herr Zola Unterdrücker oder Befreier? Aber eine Genderdebatte gab es zu seiner Zeit ja noch nicht.

–cabü


jean stubenzweig   (04.11.11, 14:32)   (link)  
Sicherlich hat Zola
(auch) in Kreisen verkehrt, in denen solche Debatten verpönt waren, wie auch immer sie genannt wurden. Der kleine Unterschied ist sehr wohl diskutiert worden, wenn auch unter gänzlich anderen Vorzeichen. Die Ungerechtigkeit klingt an, aber eine fundamentale Kritik an den herrschenden Verhältnissen ist aus Bonheur nicht unbedingt herauszulesen.

Aus heutiger Sicht sehe ich es allenfalls so: Das Paradies für die Frauen in den USA. Als Dank die Spätfolgen – Diskussionsmaterial zurück über den großen Teich.

Aber einen sehr großen Teil der heutigen, sich enorm verändert habenden Bewegung der Frauen, die diesen Widerstand gegen ihre Befreiung satt haben, verstehe ich nicht. Mir schwingt da zu sehr Mode mit. Auch sprachlich. Ich halte das teilweise ebenfalls für gezielte Ab- oder Eingrenzung. Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, als ob sich dabei Emporkömmlerinnen als besonders (ge)wichtig ausweisen wollten und dabei nicht merken, wie sehr sie letztendlich im (parallelen?) Paradies der Damen gefangen sind. Ich muß darüber noch weitersinnieren. Nach mehr als nur einem Mittagsschlaf.


g.   (06.11.11, 07:42)   (link)  
Was überhaupt das Thema ist,
steht ja in dieser Debatte um PoC, Gender, usw. auch im Streit. Während die Einen meinen, dass es um bewusst/unbewusstes Reproduzieren von Herrschaftsstrukturen ginge, sind die Anderen der Auffassung, dass die Art über diese Themen zu reden, freundlich ausgedrückt, kontraproduktiv sei. Eigentlich schade, dass über das Zweite kaum geredet wird. Mir jedenfalls hat Don A.’s Einwurf über seine Wahrnehmung der Debatten in der jüdischen Gemeinde in München Stoff zum Nachdenken (sehr schade, dass er dazu nichts weiter ausgeführt hat. Scheint aber auch ziemlich vermintes Gelände zu sein.) gegeben.















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