Ein bißchen Geschichte(n)

Zigeuner (so sagte meine zigeunische Freundin) scheinen den meisten die Wesen von ferner Welt. Jeder weiss, die bestehen, viele wissen nicht, wer sie sind.

Diese Situation verdanken sie nun zum Teil eigener Einstellung denjenigen gegenüber, über die sich beschweren, daß sie sie nicht verstehen: «gadjas», «die Weißen».

Ich pflegte damals «Roma» zu sagen. Warum? meinte Eva. Kann was ändern, daß du «Roma» statt «Zigeuner» sprichst?

Weil «Zigeuner» nicht weniger pejorativ als «Pole» ist.

Zigeunische Evas Blut störte sie nicht, sich freie, kluge Frau zu fühlen. So ist sie, aber dafür hatte sie hohen Preis bezahlt: eigene Familie anerkannte sie als «magerdo» — «unsauber».


Menschenguide: Polen, Deutsche, Russen ..., Moolaade V

Erinnerung
•••

Wir sollten die Polen nicht stören, sagt laut Doktor K.

Diese Kirche war früher deutsch, die Polen sind hier zu Gast und heutzutage ist der Ökumenismus sehr wichtig!

In diese Kirche, Herr Pastor, gingen vor der Kriege auch Polen. Sie lebten in Masuren wie Deutsche und Juden.

Juden, Juden, in Synagoge kann ich ebenso beten, es macht mir nichts aus, der liebe Gott ist überall.

In Sensburger Synagoge gehen Sie nicht rein.

Wer verbietet mir, du vielleicht?

Da, wo sie war, steht heute Wäscherei, da, an der Straßenkreuzung.

Pastor muß was dringend im Bus suchen.


Menschenguide: Polen, Deutsche, Russen ..., Moolaade VI

•••

Moslemisches Dörfchen irgendwo in Afrika. Die Bewohner und Dorfrat haben feierliche Versammlung, die von einer weinender Frau gestört wird. Sie schreit, zwei Mädel sich aus Aungst vor Beschneidung in Brunnen ertrunken hatten.

Der Dorfrat beschliesst:
«Inshallah, Allah akbar, oh, Allah akbar ... wir sprechen drüber morgen, Allah hilft ihnen.»

«Moolaade» — so hieß der Film. Auf evangelisch, katholisch, moslemisch — alles Inshallah.


Menschenguide: Polen, Deutsche, Russen ..., Moolaade VIII

Der Film Moolaadé.
 
Mi, 24.06.2009 |  link | (900) | 8 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Fundsachen


gorillaschnitzel   (24.06.09, 02:40)   (link)  
Hierzulande zumindest gibt es die -fälschlich verbreitete- Legende, der Begriff "Zigeuner" leite sich aus "ziehender Gauner" ab, was vielleicht dazu beigetragen haben mag, sprachlich politisch korrekt sein zu wollen....


hanno erdwein   (24.06.09, 08:25)   (link)  
Wir Deutschen haben nach wie vor
ein zwiespältiges Verhältnis zu den sogenannten Zigeunern. Auf der einen Seite die Verniedlichung in Operetten wie "Der Zigeunerbaron", auf der anderen die belastende Vergangenheit, wo Menschen wie Zigeuner, Juden und sogenannte Andersrassige in Vernichtungslager verschwanden. Kann es sein, daß es unterschwellig nach wie vor noch so ist: Was der Deutsche nicht kenn, nicht versteht, nicht einzuordnen vermag, lehnt er kategorisch ab?


prieditis   (24.06.09, 13:23)   (link)  
das ist sicherlich KEIN spezifisch deutsches problem


jean stubenzweig   (24.06.09, 14:39)   (link)  
Das sehe ich
ebenfalls so. Oder auch: Genau deshalb benennt Pola Key es ja, heißt es ja bei ihr (und eben hier) auch «evangelisch, katholisch, moslemisch — alles Inshallah». Das läßt sich folglich ebenso in alle möglichen anderen Sprachen weiterdenken.


gorillaschnitzel   (25.06.09, 03:27)   (link)  
Wahrlich kein deutsches Problem!
...und um das mal mit einem praktischen Beispiel zu untermauern: Ich habe da mal vor zig Jahren einen deutsch-tschechischen Jugendaustausch mitorganisiert. "Deutsche" Jugendliche, tschechische Jugendliche. "Deutsch" steht deshalb in Anführungszeichen, weil wir versucht haben, ein möglichst breites Spektrum hierzu einzuladen, was heißen will: Es sollten nicht nur die örtliche FDP-Kader teilnehmen, sondern Jugendliche aus allen Schichten. Dachten wir Vollhonks. Die Tschechen nämlich wollten keine Serben (in Deutschland geboren und aufgewaxxwn)) oder Kroaten (in Deutschland geboren und aufgewaxxwn) oder Türken (in Deutschland geboren und aufgewaxxwn). Originalton etwa: "Wir wollen Deutsche" (und die Betonung lag auf "deutsch").
Angesprochen darauf, dass man von tschechischer Seite ja auch Sinti/ Roma/ Zigeuner mit einbeziehen könnte: Rollläden! Völlige Unverständnis. Vermutlich haben die uns für völlige Schwachmaten gehalten. Unverbesserliche Volldeppen quasi.


jean stubenzweig   (25.06.09, 14:12)   (link)  
Was die geschätzte Pola Key
in Ihren bemerkenswerten Aufzeichnungen beschreibt, aus denen ich oben so etwas wie eine Quintessenz herauscollagiert habe, stellt eben genau diese Problematik dar. Deren (vergangene) Zeit als Reiseführerin Deutscher in Polen zielt eben nicht nur auf letztere, sondern sie reflektiert auch die Mentalität ihrer Landsleute sowie die anderer geographischer Herkunft. Der Mensch an sich schneidet dabei nicht sonderlich vorteilhaft ab, weder in seiner Menschlichkeit noch in seiner Bereitschaft (über die Jahrhunderte) hinzuzulernen. Nicht, daß ich – Pola Key eben nicht minder – was gegen Menschen hätte, aber auf die Falschheit des allgemeinen Friedensgesäusels und der Völkerverständigung möge hin und wieder mal hingewiesen werden. Das geschieht dort – und auch noch selbstkritisch sowie, in feiner Ironie, mit Witz und Verstand. Undiplomatisch eben. Daß dieses bisweilen etwas sperrige Deutsch am allzu raschen Lesefluß hindert, hat möglicherweise den Vorteil, genauer gelesen werden zu müssen – aber durchaus auch einen eigenwilligen Charme.

Hier findet das Geschehen in Polen statt. Genausogut ließe sich das Ganze nach Frankreich oder nach Spanien oder nach Sonstwohin verlagern. Und die Autorin würde mit Sicherheit die gleichen oder gar dieselben Symptome beschreiben.


prieditis   (25.06.09, 16:38)   (link)  
Falschheit des allgemeinen Friedensgesäusels...
wissen sie, mir hat mal ein niederländischer Verwandter folgen Merksatz mitgegeben:

"Wir Niederländer sind bei all unseren Nachbarn beliebt - außer bei den Deutschen und den Belgiern!"


vert   (25.06.09, 18:35)   (link)  
ich bin froh über jedes falsche friedensgesäusel - es mag nicht von herzen kommen, akzeptiert aber wenigstens den kantschen imperativ.

in ungarn geht es derzeit etwas herzhafter zu:
man schmeißt eine bombe in ein von roma bewohntes haus und schießt dann scharf auf alle, die daraus flüchten.
es ist wirklich zum verzweifeln. spätestens seit der randale von 2006 ist es völlig aus dem ruder gelaufen.

die meines wissens auf ungarisch neutrale bezeichnung "cigány" (pl. "cigányok") ist gerade das geringste problem, dass sinti und roma dort haben.















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 5820 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 22.04.2022, 10:42



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