Als ob Nordseewellen

trekken1 annen ostdeutschen Strand, so sang das huggelige2 Quiddje-Quintett kurz vorm Auslaufen aller erdenklichen, von Zöllen nicht weiter bedachten Schnapsvorräte Ik heff mol'n Hamborger Veermaster seen.3 Das taten die vier rauchstimmigen Sängerknaben von der Wasserkante für das aus reiferen Schwaben und Thüringern bestehende Publikum, das auch brav bereits beim Entern des fröhlichen Aquavitdampfers seegängig mitschunkelte und -klatschte. Mein Gott, sind die blöd, greinte der kürzlich im Mittelmeer wegen eines sogenannten Schusses oder auch Dachschadens von der deutschen OAE-Marine über Bord geschickte junge Kieler (er hatte, für ihn doch recht weit zurückliegende Geschichte und aktuellere Marktgefechte ein wenig durcheinanderbringend, sämtliche Waffen seiner Heimatfregatte entkanonisiert und alle Geschosse durch langstielige Rosen aus Kenia und Tansania ersetzt und gehofft, dafür so etwas wie den Fair-Trade-Preis zu erhalten). Meine Güte, entgegnete ihm sein Betreuer, lass' sie doch, sie lieben eben ihre aus Rundfunk und Fernsehen bekannten volksmusikalischen Psälmchen. Außerdem sei das norddeutsche Platt als solches unlängst von den Wählern des hitparadentechnisch immer gefragter werdenden Häßlichen Rundfunks zur beliebtesten deutschen Sprache erkoren worden, auch wenn sie damit das synchronisierte aus dem hamburgischen Ohnsorg-Theater meinen, vergleichbar mit dem zweitplazierten Oberbayrisch aus dem Münchner Komödienstadl. Das meine er doch nicht, entgegnete der nun frühverrentete Seemann auf Ausgang bei psychiatrischer Begleitung. Die dümpeln in einer Badewanne voller Suff und glauben, sie befänden sich auf einer längst von der Einer-Wird-Gewinnen-Eventliste gestrichenen deutschen Butterfahrt auf der Elbe, aber sie merken gar nicht, daß sie als Alibi herhalten müssen für die neue dänische Schlagbaumpolitik, die nur deshalb diesen ganzen Unblonden aus Nordschwarzafrika den Eintritt verwehren will, weil die nicht genug oder überhaupt nicht saufen.


Den Hafen von Puttgarden laufen zwar einige seesehnsuchtssüchtige Deutsche vorwiegend aus dem mittel- bis hochgebirgigen Süden ihres Landes in ihren vierrädrigen, hochpreisigen oder -klassigen Verkehrsbehinderungen an, er wird jedoch überwiegend von EU-Skandinavieren im allgemeinen, im besonderen aber von Dänen frequentiert, die alltäglich von der Angst getrieben werden, ihnen könnten zuhause die Alkoholvorräte ausgehen. Und da sie schon losmüssen, um ordentlich einzukaufen, nehmen sie die Gelegenheit wahr, sowohl auf der Hin- als auch der Rückfahrt an Bord und mit ihren ebenfalls absolut reinrassigen Verwandten aus dem Süden lautstark auf die Verwandtschaft anzustoßen.
Bis 1990 gab es noch eine Autofähre zwischen Travemünde und Gedser. In letzterem hatte ich bis zu den Anfangssiebzigern des öfteren ziemliches Amusement, war es doch zu lustig, dabei zuzuschauen, wie die dänische Polizei manch einen der vom Dampfer Runterkugelnden in Empfang nahm, um ihn erstmal zur Ausnüchterung in eine Zelle zu verfrachten. Das war für die Uniformierten nicht immer die leichteste Tätigkeit, denn die eher zarteren, aber irgendwie ebenfalls von Wikingerblut durchströmten Dänen können ganz schön schwergewichtig und kämpferisch werden, vor allem, wenn sie voller Spirit sind.


Hinter dem Ramkvillaexpressbuss aus Sverige, den rüstige Rentnerschweden aus Småland nicht nur für die bald anstehenden Fröhlichkeiten der Sommersonnenwende zollgünstig beladen, befindet sich nicht etwa eine dickbauchige Königin Maria, die eigentlich zum xten Mal den Hamburger Hafen anlaufen wollte, dessen Captain sich aber, aus welchen Gründen auch immer, vernavigiert hat. Es handelt sich um das festgemauerte oder besser -betonierte Portcenter, das bis unters Dach mit für skandinavische Verhältnisse preisgünstigen Alkoholika (ab-)gefüllt ist. Es gibt sie also doch noch, die Butterfahrten, für die der Mensch einige hundert Kilometer unterwegs ist, um ein paar Örchen zu sparen.

1–3 Plattdeutsches Wörterbuch
 
Mi, 01.06.2011 |  link | (2088) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Unterwegs



 

Die Welt, die Bildung und die Sexualität

Zeitungen gibt's, gegen die sträuben sich sogar seit einer Woche tote Fische, sich in sie einwickeln zu lassen, jedenfalls solche, die vom Kopf her zu stinken beginnen. Nein, damit meine ich nicht dieses vierbuchstabige, der Aus- und Auflage nach ein ganzes Volk bildendes Blatt, das aus allen Richtungen gleichseitig üblen Gestank verströmt. Sehr (un-)wohl meine ich aber eines aus demselben Haus, das von meinem jugendlich elanvollen Umfeld ebenfalls mehrfach erfolglos blockiert wurde, nicht zuletzt, da es letztlich ebenso Ratten und Schmeißfliegen benannte, nur eben in einer anderen, scheinbar umgekehrten Diktion, in einer ziemlich philosemitischen Direktion, weil sein Cäsar ein biblisches Territorium in sein großes, vermutlich spirituell postkoloniales Herz geschlossen hatte. Dort wurden diese damals noch nicht einmal ungewaschenen Langhaarigen, die später dann allerdings allesamt ein wenig diesem Religionsstifter aus Hollywood gleichen sollten, sprachlich etwas entschärft eben als Ungeziefer oder so bezeichnet. Das Blatt hat sich bis heute seine ewiggestrige Klientel erhalten. Zwar begehrte es, es geschah etwa Mitte der Neunziger, kurzzeitig gegen die eigene Engstirnigkeit auf, aber die Pläne der Horizonterweiterung verschwanden rasch wieder in der Denkschublade der Ärmelschonerei.

Die metropolisch-provinzielle Beschränktheit dieser Tageszeitung wurde mir jüngst von Chat Atkins vorgeführt, der darauf hinwies, mit welcher Zahlenjongliererei aus einem Flohzirkus eine große politische Manege aus dem Redaktionshut gezaubert werden kann. Und doch muß aus dem Aufbegehren gegen diese Einfalt eine gewisse Lust am Restrisiko bis hin zum intellektuellen Höhepunkt geblieben sein. Aus dem Altbestand dieser Risikobereitschaft ist sogar das eine oder andere unterhaltende Element klebengeblieben, hat es gar, wenn auch personenbezogen, auf meine Blog'n'Roll-Liste geschafft. Und hin und wieder scheint es den Wahrzeichenberlinern zu gelingen, tatsächlich kluge Köpfe zu Wort kommen zu lassen.

Die Frau der Stunden brachte mich heute früh darauf. Marko Martin hat einigen hochgebildeten medialen Verlautbarern sozusagen die Leviten gelesen, indem er ihnen ihr Klappentext-, Bachelor- oder Kulturwissenschaftswissen um den Kopf geschrieben hat. Ich stimme mit Horen überein: «brillant». Aber zugleich frage ich mich, wie ein ganzes Volksschriftstellertum dazu kommen kann, solche Vereinfachungen als Vergleiche heranzuziehen. Ich werde den Verdacht nicht los, der Fisch könnte vom Konsum einer Aufklärung her stinken, die aus dem schmidtgenannten Unterschichtenfernsehen genährt wird. Mit letzterem ist beileibe nicht nur das private gemeint, denn längst quillen diese letztendlich nichtsnutzigen, weil hintergrundfreien Wissensbotschaften aus allen Nähten des öffentlich-rechtlichen hervor, die Kultur allein agrarindustrieller Bestimmung zuzuweisen scheinen.

Und da ich gerade bei Boris Becker, Giacomo Casanova, Don Giovanni, Jörg Kachelmann, Alice Schwarzer und anderen Pressevertretern der nicht irrenden Millionen Fliegen bin, die männliche Macht- und Gewaltausübung im Sinne DSK, vielleicht auch ein bißchen die Sexsucht et cetera nicht zu vergessen, dann will ich das auch noch loswerden, weil es mich seit Tagen zwickt und zwackt — die Achtundsechziger! Ja, genau, bei denen wir gerade waren, da oben, in der springerlebendigen Welt (nicht zu vergessen deren spiegelndem Widerpart), die ihnen gerne die Schuld an allem gibt, was niedergerissen, eingeebnet, ja gesprengt wurde von diesen abendländischen gottlosen Fundamentalisten. Ihnen wird ja ebenfalls gerne auch die sogenannte sexuelle Revolution zugeschrieben, also das Aufheben sämtlicher Schlagbäume des Anstands. Zwar ging das um einiges früher los, nämlich mit den Hippies, wenn auch gerade denen die Politik sowas von am nackten Hintern vorbeiging (im Gegensatz zu den allzeit reinen Nudisten).

Also, das da noch: Da stimmt jemand «nicht ein in das Hohelied der ach-so-freien Sexualität». Ausgerechnet eine Frau, die die Religiosität schwinden sieht, die glaubt, daß Moral aus dem Glauben kommt («[...] dass diejenigen Kollegen, denen christliche Werte völlig fremd sind, auch jegliche moralischen Bedenken fremd sind»), an den sie glaubt, erwähnt das Hohelied. Zugestanden, das kommt jetzt ein wenig der Sprachspalterei gleich. Aber sie steht schließlich bei weitem nicht alleine da, es gibt durchaus noch ein paar weitere in diesem Spiegelsaal göttlichen Verlustes. Dem Teufel ist das vermutlich ohnehin alles zuzuschreiben oder vielleicht auch diesen ganzen Langhansens. Dennoch schwingt in mir der Verdacht, da wüßten ein paar Leutchen nicht oder wollten zumindest nicht wahrhaben, daß es lange vor der Revolution den Götzen Sexus gab, der die Menschheit bereits vor der von '68 beschäftigt hat — 1868, 1768, 1568 und so weiter, also einiges vor der Erfindung des Internets, mit dessen Hilfe sich das alles so schamlos und ein bißchen rascher verbreitet als zu Zeiten, in denen die biblia pauperum die einzige Informationsquelle war.
 
Mo, 30.05.2011 |  link | (3347) | 6 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ansichten



 

Theoretiker

wollte ich eigentlich immer gerne sein. So richtig funktioniert hat das allerdings nie, vermutlich weil es mir am Potential mangelte, da ich schon immer zum Mäandern tendierte und deshalb nie ausreichend gradlinig studiert, sondern allzeit überall reingeschnuppert habe, und das innerhalb eines Zeitraumes, in dem andere drei Dissertationen zusammenkopieren, sich drei Ehrendoktorhüte aufsetzen und noch eine Wolkenhabilitation obenauflegen lassen. Wahrscheinlich hat es deshalb nie zu einer Karriere gereicht, die mich als Experten ausweist und mich vor laufender Kamera, vielleicht gar in einem Welthauptstadtstudio wie dem in Bonn, über die Wirtschaft und deren Wachstum referieren läßt. Aber nun ergreife ich die Gelegenheit und werde einer, zumindest einer von Verschwörungen.

Es muß von euroglobalem Interesse sein, auch den Marktanteil der Agrarindustrie im Gemüseanbau zu oligopolisieren. Das kann nur gelingen, indem auf der Suche nach postpestialischen Ursachen durch Experten die Behauptung weggebogen wird, die grundwasserverknappende spanische Gemüsegroßindustrie gösse ihre Tomaten mit Gülle, um ihnen wenigstens auf diese Weise etwas Geschmack angedeihen zu lassen. In Wirklichkeit seien es nämlich die kleinen oder mittelständischen Gurkenbauern Deutschlands im nördlichen Wonne-, aber beileibe nicht Erntemonat Mai, die die dringend erforderliche Wirtschaftswachstumsbilanz einzelner Staaten verunreinigen wollten.

Nun haben die den (Gurken-)Salat und gehen pleite, weil der Rettungsgeldtopf der Europäischen Weltwirtschaftsgemeinschaft zur Neige geht und man deshalb nicht auch noch zig Milliarden in den Süden des Kontinents lenken kann, um da unten, wo ohnehin alles vertrocknet ist, wenigstens noch ein bißchen was im Fluß zu halten.

Meine persönliche Frau Doktor Blaulicht meinte, mit Durchfällen sei sie das ganze Jahr über beschäftigt, und es komme bei ohnehin Geschädigten durchaus auch mal vor, daß dabei jemandem das Leben durch den Darm abgehe. Aber diese flüssige Häufigkeit käme selbst nach einem dreijährigen statistischen Gutachten einer Begegnung gleich zwischen einem Regenschirm und einer Nähmaschine auf dem Operationstisch eines Weltwirtschaftsgipfels. Auf jeden Fall bei weitem nicht so oft, wie sich zwanzig Weise nebst zwei Schwarzen im Abendländischen träfen, um miteinander monetäre Fiesheiten auszuhecken. Es sei durchaus auffällig, faßten wir schließlich telephonisch zusammen, daß immer dann, wenn die wieder ihre Heimlichkeiten vor einer größeren Öffentlichkeit verbergen wollten, sie die Medien mit einer neuen Pestundcholera versorgten.

Also muß diese Seuche sozusagen auf Teufel komm' raus aufrechterhalten werden. Sollten sämtliche dieser christlich-jüdischen Weissagungen nichts nutzen und die kleinen Gemüsebauern noch immer von ihrem Ersparten zehren können, dann schlage ich die Meldung vor: Madame la Première femme von diesem allenfalls politisch potenten Monsieur le Président wurde in Wirklichkeit künstlich befruchtet, und zwar mit dem Restsperma von DSK. Dann ging's nämlich richtig rund mit und in der Pressetrommel, und sie könnten noch ein bißchen sitzenbleiben im normannischen Strandkorb von Deauville, sich zurücklehnen, ein paar Döschen Calva nehmen und in Ruhe die nächste Markttechnik aushecken wie etwa die Machtübernahme des Internets beispielsweise durch die Atom- und überhaupt Energiewirtschaft. Irgendwie müssen schließlich ausgleichende Gerechtigkeiten geschaffen werden.
 
Fr, 27.05.2011 |  link | (3617) | 12 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftsspiele



 







Werbeeinblendung

Jean Stubenzweig motzt hier seit 6420 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



... Aktuelle Seite
... Beste Liste (Inhaltsverzeichnis)
... Themen
... Impressum
... täglich
... Das Wetter

... Blogger.de
... Spenden



Zum Kommentieren bitte anmelden

Suche:

 


Letzte Kommentare:

/
Echt jetzt, geht noch?
(einemaria)
/
Migräne
(julians)
/
Oder etwa nicht?
(jagothello)
/
Und last but not least ......
(einemaria)
/
und eigentlich,
(einemaria)
/
Der gute Hades
(einemaria)
/
Aus der Alten Welt
(jean stubenzweig)
/
Bordeaux
(jean stubenzweig)
/
Nicht mal die Hölle ist...
(einemaria)
/
Ach,
(if bergher)
/
Ahoi!
(jean stubenzweig)
/
Yihaa, Ahoi, Sehr Erfreut.
(einemaria)
/
Sechs mal sechs
(jean stubenzweig)
/
Küstennebel
(if bergher)
/
Stümperhafter Kolonialismus
(if bergher)
/
Mir fehlen die Worte
(jean stubenzweig)
/
Wer wird schon wissen,
(jean stubenzweig)
/
Die Reste von Griechenland
(if bergher)
/
Richtig, keine Vorhänge,
(jean stubenzweig)
/
Die kleine Schwester
(prieditis)
/
Inselsommer
(jean stubenzweig)
/
An einem derart vom Nichts
(jean stubenzweig)
/
Schosseh und Portmoneh
(if bergher)
/
Mit Joseph Roth
(jean stubenzweig)
/
Vielleicht
(jagothello)






«Ist Kultur gescheitert?» ? «Bitte gehen Sie weiter.»



Suche:

 




Anderenorts

Andere Worte

Anderswo

Beobachtung

Cinèmatographisches + und TV

Fundsachen und Liebhaberstücke

Kunst kommt von Kunst

La Musica

Regales Leben

Das Ende

© (wenn nichts anders gekennzeichnet): Jean Stubenzweig





pixel pixel
Zum Kommentieren bitte anmelden

Layout dieses Weblogs basierend auf Großbloggbaumeister 2.2

pixel pixel