Tiefes Radio aus flachem Fernseher

Vor einiger Zeit hatte ich davon erzählt, daß ich in meiner Nordbürodependance fernsehtechnisch digitalisiert wurde. Die Besitzer der Revolutionskate, die zu berufsgeschäftigen Zeiten jede Verbindung zu Kommunikationsmitteln ablehnten, die über das morgendliche chansonette Morgengedudel von Madame Lucette oder die für deren Gatten bestimmten Weinbörsenkurse hinausgingen, verweigerten mit der Begründung der Überflüssigkeit jede technische Neuerung, die über die Vermieterpflicht hinausging. Dann klingelte es eines Tages an unserer Bürotür, ein Fernsehtechnikus begehrte Einlaß, um das zu prüfen, um das ich in den Anfängen meines Mieterdaseins eine Zeitlang vergebens gebeten hatte: beispielsweise die Möglichkeit des Empfangs solcher exotischen TV-Stationen wie das der francophonen Gemeinde. Das ist für mich fast dasselbe wie für andere MTV.

Man hatte den Betrieb an den Sohn übergeben und offenbar mit einem Mal Zeit im Überfluß. Nach der Eindeckung sämtlicher zum Grundstück gehörenden Dächer mit Sonnenkollektoren war jene Technik dran, die unter anderem auch einen Blick erlaubte in diesen selbst vielen Franzosen unbekannten, tief ins Belgische hineinragenden ardennischen Zipfel der Grande Nation, aus dem Madame stammt. Wir konnten also fortan in die digitale Ferne blicken, und seitdem weiß ich annähernd, wie riesig der internationale Fernsehmüllhaufen ist und wie sehr man darin nach der perlenbekopften Stecknadel hoher Qualität suchen beziehungsweise daß man dafür gesondert bezahlen muß. In Erfahrung gebracht habe ich auch, weshalb deutsch-öffentlich-rechtlich eine so außerordentliche Kanalvielfalt geschaffen wurde: Es lassen sich so sehr viel besser rund um die Uhr Wiederholungen ausstrahlen, womöglich in der Annahme, der Gebührenzahler merke wegen dieser vorgetäuschten Vielfalt nicht, daß es bis auf Seifenopern und Breitenmassenmord mit Bällen keinerlei Neuproduktionen mehr gibt — mittlerweile nudeln sie sogar alle erdenklichen, allzu heftigem intellektuellen Tiefgang halbwegs unverdächtigen Arte-Reportagen nächtens durch die Dritten, und auch das Tabu, über die Regionalen keine Werbung auszustrahlen, wird bald so zerbröselt sein wie die Berliner Mauer für Touristen aus dem Sauerland oder Vermont.

Aber ach, darüber wollte ich doch gar nicht schon wieder motzen, so gerne ich das ansonsten grundsätzlich auch tue; das war mir vermutlich ohnehin Antrieb, mich vor etwa vierzig Jahren für gut ein Jahrzehnt im kulturellen Journalismus zu betätigen; so kann man beispielsweise Kritiker werden oder sich so nennen. Dem vielzitierten Positiven wollte ich mich widmen, allem voran dem des Radios, in dessen Umgebung ich mich überwiegend betätigte. Und das habe ich zufällig wiederentdeckt beim Fernsehen, genauer im Fernseher, meiner nach wie vor wunderschönen und wie ein alter Apfel bedienerfreundlichen, über zehn Jahre alten Loewe-Xelos-Bildbratröhre. Mülltrennung betreiben wollte ich, diese ganzen Dreckssender aussortieren, um sie wegzuschmeißen. Während der Suche in der Sortiermaschine nach dem Wegwerfprogramm stieß ich auf ein Symbol mit Kopfhörern, klickte darauf und landete im heute so genannten Audiobereich. Auch hier eine außerordentlich große Anzahl Wegzuwerfendem, beispielsweise den Sender für die auf Ballermann angesiedelten Deutschen oder Kanäle wie Notre Dame sowie Gloria, Horeb et cetera, aber insgesamt doch mehr Solitaire als im TV-Bereich: in allen erdenklichen Sprachen und meist auch aus dem Ausland noch kostenfrei.

Vor allem aber erfahre ich eines, von dem ich zwar schon immer überzeugt war, das ich jedoch immer nur dann bestätigt bekam, wenn ich mich in den Regionen aufhielt, in denen die jeweiligen Sender vor sich hinstrahlten: der Rundfunk schlägt das Fernsehen qualitativ um Längen. Unprofessionell assoziiert könnte das als Gleichnis für die Ausschüttung des Glückshormons im Gehirn des Marathonläufers stehen, die der Sprinter nie erfahren wird. Auf jeden Fall scheint mir das wie der Unterschied zwischen dem Buch und dem nach ihm gedrehten Film; seit der Absage von Gianni Celati an Hollywood heißt diese Rubrik bei mir Kopfkino. Ich entdecke also auf dem Umweg über den im All kreisenden Satelliten gerade das Radio neu, und zwar in einer zuvor allenfalls geahnten Vielfalt. Darüber hinaus muß ich neu unterscheiden lernen zwischen Fernseh- und Rundfunkanstalten, die zwar von einer Immobilie aus senden, aber in ihren Qualitäten von außerordentlichem Unterschied sind. So fiel mir beispielsweise auf, wie flach das offenbar ausschließlich auf Einschaltquote ausgerichtete TV-Programm des Hessischen Rundfunks ist im Vergleich zum Tiefgang der Audioabteilung hr2 Kultur. Eine einstündige Sendung wie die vorgestrige zur siebzehnten Stunde zum Thema der durch ein paar teetrinkende, in ihrer evangelikalen Machttrunkenheit jedwede soziale Gemeinsamkeit mit Andersdenkenden abtötende Republikaner schwer in Mitleidenschaft gezogenen USA war beeindruckend in seinem Facettenreichtum: ein sanftmütig, aber dennoch mit Bestimmtheit moderiertes Konzentrat aller erdenklichen Fakten und Meinungen zum Zustand eines Landes, das aufgrund zweier Legislaturperioden eines Mannes fast alleine zugrundegerichtet wurde und dessen aktueller Präsident das vermutlich auch nicht mehr repariert bekommt. Immer noch leicht euphorisiert behaupte ich: Das schafft nicht einmal Arte an einem Themenabend.

Das Schönste jedoch ist, daß ich jetzt auch mal eben dort hineinhören kann, wo ich früher teilweise selbst zugange war, angefangen beim damaligen Heimatsender Bayern, dem seinerzeit sehr geschätzten bremischen, dem saarländischen in Saarbrücken, südwestfunklich (früher allein auf dem Hügel über Baden-Baden) oder westdeutsch am Appellhofplatz in Köln, Frankreich und die Schweiz nicht zu vergessen. Nur bei einem, in den Achtzigern nicht nur ARD-weit überaus beachteten Auftraggeber bleibt mein vor etwa drei Jahren gefälltes vernichtendes Urteil bestehen, dem tagsüber zum öffentlich-rechtlichen Klassik-Dudel-Radio verkommenen NDR-Kultur. Aber das höre ich deshalb seit längerem nicht einmal mehr analog. Auch digitalisiert bleibt Müll ein Haufen Abfall, daran ändert auch nichts das in den Abenden leicht verbesserte Programm.

Die Digitalnativen, also diejenigen, denen mittlerweile qua Zeugung das Gehirn durch eine Festplatte ersetzt wird, zeigen sich nun äußerst verwundert, schließlich ließe sich das alles doch quasi durch Direktleitung oder gar per Funksignal am mobilen Computer erledigen, wozu seien diese Geräte denn sonst erfunden worden als zum live streamen und so, und fernsehen am Fernseher sei ohnehin überhaupt sowas von vorgestern oder, auf neudeutsch, oldschool. Nun gut, das bin ich ohnehin. Aber da seit einiger Zeit neunzig Prozent des in mir befindlichen Wassers sich in meinen Beinen zu versammeln scheint, wenn ich länger als fünf Minuten auf dem Stuhl an der Arbeitsplatte sitze, sind meine Live-Sende- und Empfangszeiten im Internet extrem eingeschränkt.

So gerate ich in eine Haltung, von der ich mir nie vorstellen konnte, sie einmal einzunehmen und die ich als zwar erfahrener, aber letztlich doch ziemlich altbackener Computernutzer immer bekopfschüttelt, zumindest aber ihrer komischen Wirkung wegen belächelt habe: Ich sitze auf meinem, nein, nicht schwedischen, sondern spanischen und holzmassiven, aber auch handgepolsterten Canapé oder auch Biplaza, habe die Beine hochgelegt und befehlige meine während des Verfassens entstehenden Gedanken in die auf den Schenkeln positionierte Tastatur meines im Jahr 2000 gekauften EiBüchleins mit nicht erweiterbaren zehn Gigabyte Festplatte, befülle eine portable Chipansammlung mehrfacher Kapazität und kippe den Inhalt anschließend in die Datenumlaufbahn.

Und schon bin ich zurück am Fernseher und höre wieder Radio.
 
Fr, 05.08.2011 |  link | (5751) | 17 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ich schau TeVau



 

Sprachwu(r)st und Analogkäse

Käse wird mitterweile nicht nur auf der Alm via Edelstahl sündenfrei produziert, sondern auch im tiefen Jammertal der Medien massenhaft geredet. Zwar bin ich mittlerweile an einiges gewohnt, aber dennoch zucke ich immer wieder zusammen, wenn selbst in öffentlich-rechtlichen, also in gewisser Weise sprachlich an klare Standards gebundene Spartenkanälen oder sogenannten Einschaltprogrammen wie denen von Arte, 3Sat, Deutschlandradio Kultur und so weiter Wörter falsch oder zumindest in zweifelhafter Anwendung eingesetzt werden. Das brachte mich vor ein paar Wochen zu der Überlegung, bestimmte Begriffe aus meinem öffentlich geäußerten Wortschatz zu streichen oder nur noch apostrophiert anzuwenden.

Aus figurativer Malerei entwickelte Abstraktion

Kreativ wäre da zu nennen, meist dargeboten als Feld-, Wald- und Wiesenstrauß diffusen Werbe- oder Polit-PR-Geschwurbels, ein Wort, so analog wie das, das ungestraft Käse genannt werden darf (wobei selbst bei «echtem» zur Authentifizierung häufig noch die Kuh mit aufs Bildchen der Plastikverpackung muß, die noch nie Gras gesehen, geschweige denn gefressen hat). Ein weiteres Beispiel, das mir vor ein paar Minuten aus dem Kulturradio kreischend ins Gehör sprang und dort detonierte, ist abstrakt. Es ging, wie anders, um eines der vielen neuen Glaubensbekenntnise, die ihre Mißverständnisse aus den Katechismen des Marktes nähren: dem der bildenden Kunst. Eine Kunstkritikerin belehrte den Einschalthörer eindeutig über den Unterschied zwischen abstrakter und figurativer Kunst.

Aus geometrisch-konstruktivistischer Plastik entstandene zeichnerische Abstraktion (Ausschnitt)

Vor einiger Zeit habe ich hier bereits einmal den Versuch unternommen, auf die Verwaschenheit solcher Begriffsbestimmungen hinzuweisen, die in ihrer Klarheit eigentlich leuchten müßten wie das Weiß von Frau Clementine. Abstrahieren heißt nichts anderes, als das Unwesentliche vom Wesentlichen (oder umgekehrt) zu trennen. Abstraktion bezieht sich folglich nicht alleine auf Geometrie oder Konstruktion, sondern durchaus auch auf Figuration, das gegenständliche Bild, beispielsweise auch auf das von Herrn Rauch.

Es ging um diesen von mir bekanntermaßen nicht übermäßig geschätzten Hochpreisungsmaler. Der äußerte, als er noch im Dienst, also noch Lehrer oder, meinetwegen, Professor an einer Hochschule war, sich mal insofern besonders fachmännisch über einen Bereich, der, lies oben, gemeinhin der Abstraktion zugeordnet wird, der konkreten Kunst. Eines ihrer Bilder, meinte dieser qualmvoll nebulöse Neonarrativist auch noch, sei wesentlich schneller zu malen als eines aus der Gattung Realität. Darauf erteilte Wieland Schmied ihm in einem Branchenblatt gewohnt höflich, aber auch bestimmt und fachlich Nachilfe.
«Eines bedenkt Neo Rauch nicht: Ein abstraktes Bild (nicht unbedingt geometrisch-konstruktiv, nicht unbedingt Hard Edge) mag zwar als solches schneller ‹ausgeführt› sein als ein realistisches, das viele Details und kunsthistorische Anspielungen enthält, die penibel gemalt sein wollen. Aber die ‹Vorbereitungszeit› ist viel länger. Damit meine ich nicht, dass etwa Sam Francis stundenlang vor einem Bild, einer Leinwand, einem Lithostein unbewegt verharren, meditieren, ‹sich sammeln› konnte — um das Bild dann konzentriert in großer Geschwindigkeit zu realisieren. Damit meine ich vielmehr das langsame, lange Zeit währende Suchen nach dem ‹inneren Bild›, zum Beispiel bei Ad Reinhardt, Josef Albers, Barnett Newman, aber auch bei Mark Rothko. Dazu eine Anekdote: Eines Tages kam ein Besucher (ein möglicher Käufer) zu Mark Rothko ins Atelier, sah eines seiner ‹wolkigen› Bilder, eine rote oder violette Fläche mit unscharfen Rändern über einer orangenen oder dunkelblauen oder schwarzen Fläche als ‹Grund›, und fragte: ‹Sagen Sie mal ehrlich, Meister, wie lange haben Sie dafür gebraucht?› Mark Rothko überlegte einen Moment, dann sagte er: ‹Genau 58 Jahre›».
Die fünf Minuten sind um. Jetzt muß ich die Beine wieder hochlegen.
Beispielbildchen: Romain Finke und Robert Jacobsen (auch Jakobsen), beide Privatbesitz; Photographien: © Jean Stubenzweig
 
Mi, 03.08.2011 |  link | (3801) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: lingua franca



 

Die Angst des Tormanns vor zu vielen schwatten Perlen

Die aktuellen Ereignisse, die mich — die Gründe dafür muß ich noch abklären in mir — mehr erschüttern als vor rund zehn Jahren die in New York, werfen in meiner immerwährenden Magmaküche einmal mehr gewaltige Fragebrocken aus. Da bringt ein Mensch nach akribischer Vorbereitung andere Menschen um und nennt als Anlaß die Verteidigung der Welt vor ihrer Durchmischung. So lange ist das noch nicht her, daß das Durchrassung genannt wurde. Und bei Norwegen fällt mir ein, daß es dort Filialen gab, wo das Germanische (rück-)gezüchtet werden sollte, was es nach unserer Zeitrechnung bereits seit fast zwei Jahrtausenden nicht gab, nicht (mehr) geben konnte, weil das, was in der vereinfachten Bezeichnung je nach Region oder Vorkommnis Barbaren (ganz unten) oder Vandalen genannt wird und dabei eine Vielfalt an Völkern aufwies, längst ein anderes sogenanntes reines Volk aufzumischen begonnen hatte, das selbst längst von allen möglichen Mitbringseln aus dem Osten und dem Kontinent im Süden durchsetzt war, wo die Herren aus Rom nicht nur üble Kriege trieben, sondern auch ordentlich Liebe machten; wie das im linksrheinischen Abkömmling dieser Zivilisationsbringer genannt wird.

Liebe machen. Liebet und vermehret euch fröhlich miteinander. Ob's daran liegt? Alleine bei dem Gedanken daran, daß bei den einen solches Denken überhaupt nicht aufkommen soll und es deshalb gar keine Vorhänge gibt, während die anderen zumindest den weiblichen Part dieser vermutlich zu friedlichen, mehr oder minder lustvollen Maßnahme zur Lebenserheiterung vollständig zugehängt wissen wollen, wirft bei mir die Sirenen wegen der nahenden Scylla und Charybdis an. Pest und Cholera wirft die Assoziationsmaschine noch aus bei dieser anderen Bezeichnung für diese Ängste vor dem Fremden, vor der multikulturellen Gesellschaft.

Mehr als seltsam berührt mich dabei, wie zunehmend ausgeprägt die sich zeigen in letzter Zeit vor allem in skandinavischen Ländern. Wie ich's auch drehe und wende, ich lande immer beim Wissen um die überwiegend protestantische Kultur, die das Leben dort fest im Griff hat, spätestens seit auch diese Christen zu ihren barbarischen Kreuzzügen aufbrachen. Da ich einige Zeit meiner Kindheit und frühen Jugend dort verbrachte, meine ich zu wissen, wovon ich rede. Zwar umfing mich seinerzeit noch nicht unbedingt derartiges philosophisches Gewölk, aber da ich es noch eine Zeitlang als meine Heimat betrachtete, kehrte ich nach meinem Umzug ins zentralere Europa viele Jahre lang immer wieder dorthin zurück und sammelte weiterhin Erfahrungen und Erkenntnisse, die weit über die Grenzen des nordöstlichen Landes hinausgingen, in dem ich zuletzt bis zum Ende der Schule zuhause war. Vor allem in Schweden und Dänemark fiel mir immer wieder diese teilweise gnadenlose Gleichmacherei auf, die manchen zwar sympathisch sein mag, bei mir aber doch erhebliche Probleme aufwarf und -wirft. Eingebracht sei die aus der französischen Revolution stammende und immer wieder als Argument angeführte Égalité, die jedoch nichts anderes meint als die Gleichheit vor dem Gesetz. In Skandinavien aber lautet das Gesetz: Wer sich unterscheidet von dem, das allgemein gültig ist, muß mit Ausgrenzung aus der vereinheitlichten Masse rechnen. Der Andersdenkende darf ja noch sein, weil der Gedanke an sich sich einbilden darf, frei zu sein in seinem Kopfgefängnis. Wer aber seinem Denken gemäß handelt, der wird sich erheblich schwerer tun, als ein aus einem islamischen gottesnahen Staat die dortige Freiheit Suchender sich das in den Anfängen auch nur vorstellen kann. Alles ist eben relativ. Wer vorher keine Individualität leben durfte, dem dürfte die sanfte demokratische Vermassung nicht weiter auf- oder gar als Denk- beziehungsweise Handelshemmnis ins Gewicht fallen.

Über Norwegen weiß ich recht wenig. Da mir auch dieses skandinavische Land und seine Leute immer sympathisch waren, hatte ich es ebenfalls im Blickfeld. Zu einer fundierteren Meinung reichen zwei Grenzübertritte ganz oben im Norden nicht aus, aber ich gehe davon aus, daß es sich in seiner Mentalitätsstruktur von seinen Nachbarländern kaum unterscheidet. Verstärkt wird das durch Einblicke aufgrund der aktuellen Vorkommnisse. Wie in den Nachbarländern haben auch dort sich national nennende Kräfte verstärkt breitgemacht und nehmen zusehends mehr politischen Einfluß.

Finnland nehme ich insofern ein wenig aus, da es innerhalb Skandinaviens immer eine eigenständigere Rolle gespielt hat, was auch in seiner anderswo wurzelnden Mythologie, einer sich daraus ergebenden kulturellen Entwicklung begründet sein dürfte; bereits sprachlich unterscheidet es sich durch seine Zugehörigkeit zum Finno-Ugrischen völlig. Zwar bin ich nicht mehr auf dem laufenden — seit der Wiederentdeckung meiner französischen Wurzeln vor etwa zwanzig Jahren drücke ich der Eishockeymannschaft von Suomi nicht mehr ganz so fest die Daumen —, aber ich gehe davon aus, daß die dortigen rechtslastigen Strömungen auf eine zunehmende Skandinavisierung oder auch Anlehnung an Schweden (der westliche Teil des Landes ist zweisprachig ausgeschildert, und ich hatte beispielsweise eine finnische Freundin, der die Landessprache nur in Brocken über die Lippen kam) zurückzuführen sind, die wiederum mit der Vereinigung Europas zusammenhängen dürften.

Nun gehört Norwegen nicht zu Europa, jedenfalls nicht in dieser politischen Form, die den einen als (geld-)segensreich und den anderen als Teufelswerk gilt. Dennoch hat es einer als potentielle Hölle ausgemacht, die präventiv und im Namen eines anders alleingültigen Gottes ausgelöscht gehört. All diesen Kriegern gemeinsam ist die Furcht vor dem Fremden. Ob sie sich nun im Namen eines islamischen oder eines christlichen Gottes auf den Kriegspfad begeben, es interessiert sie nicht, daß keiner der Pressesprecher dieser Herren da oben je verkündet hätte, man habe den Andersdenkenden umzubringen. Aber vielleicht wissen sie es auch nicht — und das, obwohl sie in der Lage sind, hunderte an Seiten ihrer Glaubensbekenntnisse zu formulieren und zu publizieren —, zum Beispiel, daß es eine Zeit gab, in der die Christen, die Juden und die Mauren friedlich zusammenlebten und das eine ums andere Mal ein bißchen Liebe machten, wodurch auch zu dieser Zeit zu einer gewissen Heterogenität beigetragen wurde. Aber so ist das eben, wenn man das wohlig warme Spanien nur kennt, weil man der ewigen Dunkelheit des Nordens wegen für zwei Wochen an die Sonnenbratstationen flieht und keine Zeit hat, im Landesinneren das Positive der Geschichte zu sehen.

Daß solche Strömungen ausgerechnet in solchen lupenreinen protestantischen Demokratien der Egalisierten mit Sehnsuchtshang zu monarchisch Erhöhtem verstärkt vorkommen, muß ich erst noch ein wenig in mir setzen lassen. Aber das da oben mußte jetzt erstmal raus, es hat mich zu arg gezwackt.

Gerne verweise als Nachtrag auf den Beitrag von Ulfur Grai in dessen Fahrtenbuch.
 
Mo, 25.07.2011 |  link | (4354) | 19 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftsspiele



 







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