Die höheren Künste und deren instanzen

Ich muß auf die Titelseite, denn kaum jemand liest Kommentare. Meine Einschaltquote macht schlapp. Zu untätig.

Was dieser Tillich, der auch noch Stanislaw mit Vornamen heißt, ich weiß ich nicht, weshalb ich ausgerechnet spontan den Feldherrn Tilly assoziierte, vielleicht, weil ich vergangene Nacht träumerisch Schlachten geschlagen habe und beide katholische Kämpfer waren beziehungsweise sind, was also ersterer gesagt hat, das weiß ich nicht, da ich zur Zeit etwas abgeschnitten bin von der allgemeinen Informationszufuhr.

Die Abstraktion ließe sich im Zusmmenhang mit der höheren Kunst, ich komme deshalb darauf, da ich zur Zeit mit ihr beschäftigt bin, auch anders sehen, jedenfalls wenn ich die Perspektive großer Maler zugrunde lege, die wie viele sich auch umfänglich schriftlich geäußert haben. Da wäre zum einen Paul Klee, der zur heutzutage vielzitierten Transparenz gemeint hat, Kunst bilde nicht das Wirkliche ab, sie mache sichtbar. Das dürfte den meisten Betrachtern des Geschehens zu abstrakt sein, zu reduziert auf etwas kaum mehr Erkennbares wie beispielsweise das schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch.
«Als ich 1913 den verzweifelten Versuch unternahm, die Kunst vom Gewicht der Dinge zu befreien, stellte ich ein Gemälde aus, das nicht mehr war als ein schwarzes Quadrat auf einem weißen Grundfeld. Es war kein leeres Quadrat, das ich ausstellte, sondern vielmehr die Empfindung der Gegenstandslosigkeit.

Das Quadrat = Empfindung Das weiße Feld = die Leere hinter dem Quadrat.»


Das schwarze Quadrat
im Mekka der höheren zeitgenössischen bildenden Kunst. Kassel, documenta 12. Photographie: © Jean Stubenzweig

Ich will hier jetzt nicht den didaktischen Finger erheben, das liegt mir ohnehin nicht; die Didaktik meine ich, dabei sind andere, nicht nur hier im momentanen Austausch, weitaus gelehrter als ich. Aber soviel assoziativer Hinweis möchte dann doch sein: Auch Malewitsch wurde, nicht nur von Stalin, nicht verstanden. Dieser Kasimir dürfte, wie auch der andere Russe namens Wassily Kandinsky mit seinem Geistigen in der Kunst zu esoterisch, also nicht unbedingt nach der Mondphasenuhr, sondern eher im ursprünglichen Wortsinn geheimwissentlich bestimmt gewesen sein, wie das eben so ist, wenn man unter sich bleibt wie etwa vergleichsweise in der Sprache des genderspezifischen Neuneusprech. Ich sehe dort eine gewisse Nähe zur Sprache, zum Verhalten der Politiker, in dessen Nähe sich auch das von Ihnen genannte Staatsfernsehen, jedenfalls zu den Hauptsendezeiten, also früh morgens zum Frühstücks- und später zum Abendmahlfernsehen gerne aufhält, ohne daß deshalb mehr Durchsichtigkeit entstünde, möglicherweise weil die Gebildeten der über den Redaktionen in den himmlischen Etagen schwebenden oder auch sitzenden Hauptab-teilungsleiter oder vielleicht besser höheren Intendanzen meinen, das könnte die TV-User überfordern. Zugestandenermaßen gibt's zu anderen Zeiten durchaus Hintergrundwissen, aber zu denen will (oder soll?) das Volk größtenteils nichts wissen von irgendwelchen Geheimbünden, wie sie etwa zwischen Politik, Wissenschaft und Industrie zustandekommen. Das mag auch mit ein Grund sein dafür, lasse ich meinen Gedanken ungehemmten Lauf, daß man die Menschen fortwährend zu mehr Arbeit antreibt, ora et labora, auf daß sie nichts anderes mehr wünschen, als am Abend nur noch virtuell am kleinen Glück teilzuhaben und allenfalls noch, wie in Frankreich beinahe seit je üblich, am Sonntag nach dem Kirchgang im Supermarché einzukaufen. In deutschen blühenden Landen wünscht man sich das auch, jedenfalls solange die Penunze dafür ausreicht.* Die Physikerin schafft ja auch unentwegt und bemüht sich, die Grundfesten des Häuschens, dem sie vorsteht, pflegend zu erhalten.

Dürrenmatt: Da hatten wir den kalten Krieg. Was für einen haben wir heute? Ebenfalls wie in den frühen Siebzigern: Desorientierung (ex oriente lux?), Chaos, Wirrnis? Summa: Aussichtslosigkeit, mit oder ohne Fragezeichen. Aber vor fünfzig Jahren wenigstens mit Humor, jedoch ohne den dieser Comedian Harmonists der heutigen Zeit.

Was also liegt näher, bester vorgalileisch verbindender Enzoo, als den Glauben auch an die Wissenschaft zu vertiefen. Die Begierde nach Wissen hat in letzter Zeit schließlich einen geradezu ungeheuerlichen, vielleicht gar protestantisch, als walte Calvin, teuflischen Zulauf genommen, beim adäquat flüchtigen Blick auf das, was sich als Wissensgesellschaft ausstellt, ließe es sich auch als Religionsgemeinschaft erkennen: Kaum jemand weiß nichts Genaues nicht und glaubt dennoch fest daran. Diese köstliche Illusion will untermauert werden. Die Gesellschaft im Glauben zu lassen, sie wisse. Es ist also nur schlüssig, Religion und Wissenschaft redaktionell zu vereinen.

Gehen wir hinters Haus, wie damals. Dort, wo Frauen unter sich sind, wo's zivilisiert, quasi exterristisch im französischen Sinn zugeht, mit kultiviertem Klein-Versailles, sinniere ich so für mich hin, wird's betulicher, nenne ich's musischer. Vorne sind die Macher zugange, die letzte Dame geht, wird immerzu, der ländlichen oder auch Landesreligion gemäß, geschaffen, auf der anderen Seite des (Mikro-)Kosmos, abstrahiere ich das Kultivierte, wird das Geschehen, nenne ich's die griechische, die levantische oder einfach nur die südliche Weise, gelassen beplaudert, mehr oder minder desinteressiert unwissentlich das Unwesentliche vom Wesentlichen getrennt.




* Was hat sie gebracht, die Fragestellung von 1983?

«Solange das Bruttosozialprodukt die heilige Kuh bleibt, solange die ökologische Rechnung nicht wirklich gestellt wird, also nicht die ökologisch relevanten Austauschbeziehungen zwischen wirtschaftlichem Unternehmen und Umwelt ins Licht der Öffentlichkeit kommen, bis in den letzten Winkel unseres Denkens, bleibt Umweltschutz Sisyphosarbeit.Tinnef Wieviel Arbeit, wieviel Freizeit, also wieviel Zweitkühlschränke, Dritt-Trimm-dich-Jogging-Anzüge aus Goretex und Viertfernsehgeräte benötigen wir denn? Wieviele Sonderangebote, also leichtfertig gekauften und nach (meist baldigem) Nichtgefallen schwierig zu (wie sich ein euphemistisches, von Politikern geprägtes Modewort abzeichnet) entsorgenden Sperr-Müll, also Überflüssigem aus dem Baumarkt, der sich, bezeichnend für unser Geschichts- und Geschmacksverständnis und mit seinem kleinteiligen, um nicht zu sagen kleingeistigen Ornamentsangebot völlig gegenläufig zur klaren Struktur dieses Mutterhauses der Vernunft-Form verhält, vielerorts Bauhaus nennt?! Wieviel hat denn die Industrie, der Handel seinerzeit bei den überall propagierten Zweitbremsleuchten innerhalb einer kürzesten Zeitspanne umgesetzt — 15 Millionen Mark. Da hat man den ewig Sicherheitsbedürftigen gewaltig auffahren lassen.»

 
Mo, 01.10.2012 |  link | (3386) | 11 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Unglaubliches



 

Göttliches Entrée

Gott kostet Eintritt, es gibt keinen Segen auf lau, kein Gebet nur für umme, nichts wird's mit der seligen Transzendenz im Falle banaler Privatinsolvenz, nur der Teufel ist frei, der kommt ungerufen. Gott gibt’s auf Tarif und die Engel als Skonto, Maria für 'nen Groschen, den Heiligen Geist versteuert der Fiskus pauschal bereits weg, und alle Propheten sind immer schon günstig gleich mit im Paket. [...]

SuMuze: Gottes Preise. Entdeckt bei Melusine Barby

 
Fr, 28.09.2012 |  link | (2552) | 9 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Fundsachen



 

Neuneusprech

Hadmut Danischs Blog hatte ich ein wenig aus dem Blickfeld verloren. Weshalb, das weiß ich selber nicht mehr so genau. Vermutlich hatte mich sein Kampf mit den Gerichten, gegen die Forschungsmafia ein wenig ermüdet, seine Obsessivität mich auch leicht abgeschreckt. Es mag aber auch daran gelegen haben, daß ich als nicht unmittelbar Betroffener nicht ausreichend berührt worden war. Auf diese Weise kann sich dieses fatale Desinteresse einstellen.

Es existiert zwar nichts ohne Zusammenhänge, aber da Sprache mich immer, fast möchte ich behaupten seit den Anfängen meines Lebens, beschäftigt hat und das, was mich an diesem ganzen gender- oder sonstwas spezifischen Geraune abstößt, möchte ich es quasi per se zum Bestandteil meiner Rubrik lingua franca machen und vielleicht dort anschließen, wo das Laubacher Feuilleton Mitte der neunziger Jahre mit seiner Ausgabe 20 aufgehört hat, es via Schrift und Sprache versucht hat, ein wenig dagegen aufzubegehren. Genutzt hat es zwar nichts, wie wir heute wissen, aber ich möchte zumindest für den Anfang — ich bin zur Zeit, wie bereits angedeutet, wegen anderweitigen Tuns leider gehindert, mich dem ausführlich zu widmen — einen kleinen Rückblick auf unsere Windmühlenflügeleien bieten, angefangen vielleicht mit Ralph Köhnens Bemerkungen zu Herrn Theodor Wiesengrunds Physiognomie der Satzzeichen, wobei ich bei meinem alten Thema bleiben darf, in dieser Besonderheit der Romantik namens Jean Paul, hier mit dem auch schon wieder seit gut anderthalb Jahren seligen Hans Pfitzinger.
[...] Ja, ich handle in Notwehr. Gelegentlich glaube ich ja, die Schreiber und Texter beharren auf ihrem Tun gar nicht extra, um mir Schmerz zuzufügen. Vielleicht wissen sie es gar nicht anders, weil sie eh nichts lesen, was älter ist als der ‹Spiegel› dieser Woche. Wie anders könnte sich diese von Giorgio Armani beschneiderte Journalistin denn sonst in meinen Fernseher schleichen und von «Pseudotaffneß» faseln, was wohl toughness geschrieben würde und Härte bedeutet? Hat sich denn die gesamte schreibende (und fernsendende) Zunft verschworen, mit dem Ziel, mich zur Weißglut zu bringen? Wie soll ich mir denn die Inflation dieser englischen Vokabeln erklären, die — häufig auch noch falsch verwendet — allgegenwärtig sind: in Tageszeitungen, Magazinen, Wochenschriften, Werbetexten, Sportreportagen, Fernsehsendungen, Talg-Shows (so spricht's der Franke aus, korrekt, wie ich meine), Bedienungsanleitungen, Verpackungen und Radiosendungen? Da wird ständig geschrieben und gesprochen von adventure und von biken, von Event und Location, von Birthing und Breathing und Walking, von Big Points und genau getimten Pässen, von Superslowmo und von Riverrafting, da werden Songs und Ereignisse gecovert, nicht die geringsten Selbstzweifel geoutet, TopNews und Tiwi for Nature gesendet, da wird eine Zeitschrift mit dem Titel ‹Fit for Fun› herausgebracht. Noch toller treiben sie's mit Begriffen, die es im englischen Sprachgebrauch gar nicht gibt: der Talkmaster gehört dazu, der Dressman, Max Goldts Pullunder oder — gesehen im Untergeschoß des Münchener Hauptbahnhofs — die Modejuwelery. Im Sport- und Schaugeschäft feiern sie allüberall die ‹Shooting Stars›, obwohl sie in den meisten Fällen ‹Rising Stars› meinen. Ersteres erfüllt ja fast den Tatbestand der Beleidigung, denn eine Sternschnuppe ist bekanntlich sehr kurzlebig, während das Etikett aufgehender Stern schon eher als Kompliment durchgeht. [...]

Der gesamte Text
Das alles bezieht sich zwar auf diesen US-amerikanischen Neusprech, wie Thomas Hoof unseren Kampf gegen Windräder fast abschließend benannt hat. Aber das genderdifferenzierende nachpostmoderne Neudeutsch scheint mir doch nicht allzusehr davon entfernt zu sien. Es dient meines Erachtens nicht nur der Abgrenzung der Geschlechter, die vom humanen, meinetwegen humanistischen Standpunkt aus gesehen eigentlich vereint werden sollten. Hier schlägt sich unter anderem ein Auseinanderdividieren nieder, das eine neue Klasse schafft, die der etwas Bessergebildeten, die sich anderen gegenüber unverständlich machen will, um sich abzuheben. Das ist, was zu befürworten wäre, keine Wandlung hin zu besserem, zu gutem Deutsch, kein Versuch, ein neues Esperanto zu schaffen, das ist eine brusttrommelnde Verquasung allgemeinverständlicher Sprache. Nirgendwo wird deutlicher, wie sehr es diesen Neuneusprechern darauf ankommt, unter sich bleiben zu wollen. Orwell ist dagegen ja sowas von gestern.


Die leider in keiner besseren Qualität zur Verfügung stehenden (wird nachgeholt: Frau Braggelmann!) Abbildung bezieht sich auf das (hier beschnittene) Gemälde Rückkehr von Martine Dallennes, zu dem Ralph Köhnen mit Die gerettete Hermetik Erläuterndes veröffentlicht hat. In Dallennes Arbeit spielt die chiffrierte Sprache eine wesentliche Rolle — ein französisches Phänomen der (nicht international ausgerichteten) bildenden Kunst des Landes, in der auch das geschriebene Wort eine bedeutende Funktion erfüllt, dort, wo sie gleichsam indigene Wurzeln hat, nenne ich sie revolutionär, weniger dem Bild zugeneigt als mehr der aufklärerischen Sprache, sozusagen auf daß der Mensch überhaupt erst einmal erlerne, sich von den Bildchen der biblia pauperum zu lösen. Ähnliche Chiffrierungen sind mir in der bekannteren zeitgenössischen deutschen Malerei höchst selten begegnet, nachfolgend in einer sozusagen kurzhistorischen Zeichensprache, im Bild von Gil Schlesinger, das nicht nur auf seine Vergangenheit in der DDR verweist, sondern auch auf eine bewegte und bewegende Geschichte, die Sprachlosigkeit produziert.


 
Do, 27.09.2012 |  link | (2254) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: lingua franca



 







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