Rückmeldung mit Erhellung Ich war mal eben eine Weile weg, weg von alldem, das mir meine Lust an veröffentlichter Meinung verargte. Es waren nicht alleine die Trollos. Ich fühlte mich ausgebloggt. Das ist zwar immer noch der Fall, aber ich will wenigstens ein Lebeszeichen gegeben haben, nicht zuletzt, da es freundliche Anfragen nach meinem Status gab, quo oder nicht quo. Ich tu's mit dem leicht abgewandelten Fazit eines meiner Lehrer: Kultur ist die Gesamtheit der Lebensäußerungen eines Volkes. Meine heute etwas späteres Frühstücksfernsehen führte mich zu ‹Westart›. Es wird womöglich am Moderator gelegen haben, der ansonsten wegen seiner schnoddrigen und zugleich fast liebesdienerischen Nähe zur Kohlenpottkultur nicht eben zu meinen Lieblingen zählt. Aber dieses Mal hielt er mich als zum Ost-West-Fernsehen zurückgekehrten Zuschauer frisch und am Bildschirm. So erheiterte es mich zunächst, wie er seinem Gesprächspartner zu recht dessen missionarische Rede abschneidend infragestellte, ob man mit Skateboardfahren in Nahost die Kriegsgedanken Jugendlicher verändern könnte. Seine Anmoderation zu einem Beitrag über die Kölner ‹Troerinnen› war geradezu köstlich theaterlustmachend, aber allem voran seine einführenden Worte zu dem neuen Film von Margrethe von Trotta über Hannah Arendt hätten mich um ein Haar motiviert, zu früher Stunde meine persönliche Frau Doktor Blaulicht anzurufen und sie zu bitten, die Sackkarre zu polstern und mich darauf ins Kino zu karren. Allerdings könnte es auch ein wenig daran liegen, daß ich Frau von Trotta schätze und es sich bei Barbara Sukowa um eine Schauspielerin handelt, der ich nicht nur wegen ihrer Darstellerei, sondern auch wegen ihrer eigenständigen und aufrechten und gleichermaßen intellektuell bestimmten Lebensweise — die meines Erachtens Schönheit gebiert — nach wie vor fast ein wenig zu Füßen liege. Sie scheint mir die Idealbesetzung für diese wegen ihrer Auseinandersetzung mit Adolf Eichmann von der breiten Masse bis hinein in innere Zirkel abgelehnten, ja verteufelten Philosophin zu sein. Für mich paßt dieser Film auch zur gerade stattfindenden Debatte über alten und neuen Antisemitismus. Hannah Arendt wurde seinerzeit ebenfalls vorgeworfen, sie als Jüdin — Kulturjüdin würde ich sie heißen, war sie doch von religiösen Bestimmungen durch die Eltern frei — hätte ihr Volk verraten. Ja, ihr Volk. Als sei man durch das Hineingeborensein in eine Religion gleich Israelitin. Oder wie immer man das nennen mag. Überhaupt mag ich als der quasi geborene Kritikaster, ohne zugehörige Nationalität, unter der Prämisse, Kultur kenne keine Grenzen, mal loben, und zwar die gesamte Ausgabe von Westart. Sogar mit einem Moderator könnte ich mich mittlerweile anfreunden.
Platonische Nachbarschaft Seit ein paar Wochen habe ich eine neue Nachbarin. Sie fiel mir, als ich meine neugierigen Augen in ihre noch leere Wohnung inspizierend wandern ließ, bereits durch ihr Äußeres sofort angenehm auf. Ein Frauentypus präsentierte sich mir, der schon immer verführererisch auf mich wirkte: balletinisch schlank, kurzhaarig, wache, geradezu blitzende Augen, die eine von Humor beseelte Intelligenz zu belegen schienen. Nie hat mich ein solcher erster Eindruck getrogen. Nahezu ausnahmslos wurde aus solchen ersten Bekanntschaften tiefere, häufig entstanden daraus Freundschaften. Zur Liebe oder dem, wie man derlei Aktivitäten im Französischen bezeichnet, zum Machen kam es allerdings höchst selten, dazu fehlte es in der Regel beiderseits an Flexibilität im Geschlechtermiteinader. Unsere jeweilgen Lieben blieben von dem gesegnet, den man volkstümlich dafür verantwortlich macht: dem Erfinder des Höhlengleichnisses. Eine erste Trübung erfuhr die neue Nachbarschaft dadurch, daß sie die Haustür treppunten abschloß. Einem Fußkranken wie mir fällt es nicht leicht, der Hermesbotin die Stufen hinunter entgegenzufliegen, um die Pforte zu öffnen, auf daß sie mir meine tägliche Botschaften aller erdenklichen Liebesbeweise der weltweiten Kunst- und Kulturinformationsindustrie reiche. Ich bat meine neue nachbarschaftliche Errungenschaft mittels Anschlag an ihre Wohnungstür um Mäßigung in Sachen Verschluß. Als Antwort ereilte mich ein elektrischer Brief an ein Postfach, in das ich seit meiner Zwangsstillegung im hohen Norden nur noch selten hineinschaue und das meines Wissens nur meinen französischen Freunden bekannt war; sie hatte den Ariadne-Faden gefunden und aufgenommen. Der Inhalt war verfaßt in einem gelösten und zugleich präzisen Duktus, den ich von den vom Internetdeutsch verwirrten U-Vierzigern nicht mehr gewohnt bin, der mich also überrascht hat. Darin wurde mir beschieden, man habe sich lediglich an Anweisungen unserer Vermieterin Madama Lucette gehalten. Also hatte ich einsichtig zu sein. Ich antwortete meiner Nachbarin und schloß mit der friedvollen Anmerkung, offensichtlich gäbe es kaum etwas, das uns unterscheide, wenigstens was unsere Meinungen beträfe. Und heute früh nun die niederschmetternde Retoure: Sie kenne wenigstens einen Punkt, in dem wir so gar nicht einer Meinung seien. «Der Moment, in dem Sie mir sagten: ‹Sie haben ja doch ein vernünftiges Auto›, ich aber gar nicht mit dem meinen vorgefahren war, hat das nachbarschaftliche Verhältnis doch sehr getrübt.» Nun denke ich ernsthaft darüber nach, meine jahrzehntelang gepflegten formalästhetischen Vorstellungen von der Schönheit dieser Welt einer Prüfung zu unterziehen.
Wegen mehrerer Nachfragen. Um meine hiesige Absenz etwas zu verdeutlichen: Ich habe keine Lust mehr, mich mit diesem Trolltrottel auseinanderzusetzen. Vor etwa zwei oder drei Jahren habe ich, mit Unterstützung von Dirk Olbertz, ihn von meiner Seite zu verjagen versucht. Endgültig gesiegt also hat einer, dessen Tätigkeit an einer Bildungsanstalt ihn offensichtlich nicht ausfüllt, dem es nicht behagt, daß andere anderer Meinung sind. Wäre ihm tatsächlich an Austausch gelegen gewesen, hätte ich mich ja eventuell noch darauf eingelassen. Aber auf diesem Niveau mag ich nicht. Du kannst also stolz auf Dich sein, Zitterwolf. Stolz
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