Nachgedanken über glückliche Kühe

Nach nach Erteilung der Absolution durch den nachbarortansässigen Obstbauern, meinem Drogenanbieter, dem ich gebeichtet hatte, an einem der Stände vor einem Supermarkt, der das Familiare an sich im Schilde führt, fühlte ich mich einigermaßen befreit. Ihm fiel die Freisprechung offensichtlich leichter, nachdem ich sein Prinzip der Düngung mit Pferdemist und den vermutlich dadurch entstandenen geradezu subtilen Feinschmeckergeschmack seiner Bodenfrüchte höchst-wohllöblich erwähnte, und selbst mein Nachsatz, mit dem ich diese vielen Freizeitgäule als ziemlichen Mist bezeichnete, die nicht nur die geistige Landschaft zerstörten, konnte ihn nicht davon abhalten, mir definitiv allzeit Döörlock* zu gewähren. Aber irgendwie bin ich ohnehin gehalten, das Transparent noch weiter oben an mein Weltbild zu hängen, das beinahe seit je, also seit ich einigermaßen eigene Gedanken produziere, da mögen diese noch so aus denen anderer hervorgegangen sein, meinen Vorschlag für den friedvollen Umgang miteinander ziert, sich also gegen den Krieg wendet, den dieses Weltverbesserungsgegenbild industrieller Nahrungsmittel-verschlechterer entfacht hat. Denn zwei Tage zuvor hatte mein Guteweltsein einen argen Dämpfer hinnehmen müssen.

Der Betreiber meines Guteweltladens, zwischen dem und seiner wunderbaren, nebenher unter das Zollgesetz fallende Ganoven jagende Gattin lediglich die liebevoll gepflegte Haussau im nächtlichen Bett liegt, hatte mich nämlich darüber aufgeklärt, daß die Welt beileibe nicht immer morgens um sieben noch in Dortmund ist. Der festen Überzeugung, die vor bald zehn Jahren die fürs Biologische zuständige Frau Braggelmann, schließlich ist sie Mutter einer Fachfrau, in mir stärkte, dieser eine, bestimmte Milchproduzent schicke seine teilweise behinderten Menschen abends zu den Kühen in den selbstgezimmerten Stall, um ihnen nach dem Euterstreicheln, der traklschen Abendsonate unter braunem Gebälk noch ein Küßchen auf die frischgewaschenen Nüstern zu geben, habe ich gerne den die Euro-Marke weit, fast bis zu nochmaligen Hälfte übersteigenden Literpreis bezahlt und mir eingebildet, so könne nur der Saft aus einer glücklichen Kuh schmecken. Meine Naivität oder auch offensichtlich nicht ganz auszurottende Dummheit mag dazu beigetragen haben, mich nicht sonderlich darüber gewundert zu haben, wie lange dessen Kuhsaft in letzter Zeit haltbar ist. Zwar war auf dessen Tetradingensverpackungen nicht diese unsäglich dämliche, sich an die Welt der Allesglaubenden gerichtete Wortkombination Längerfrische zu lesen, aber sie blieb nunmal länger frisch, was mich hätte stutzig machen müssen, kann eine nicht oder zumindest weniger lang erhitzte Milch auch im dauerlaufenden Schrank auf fünf Grad hintergekühlt nicht fast zwei Wochen überleben. Seit Jahren schon, klärte mich mein Haupterwerbsbiodynamiker auf, würde diese sogenannte Premiummarke regionaler Landwirtschaft zusammengeschüttet wie der schlechte, aber hochgepriesene Verschnitt eines weltweit renommierten Anbieters, mein gern getrunkener Saft werde den Kühen aus allen erdenklichen Gegenden abgezapft. Aber ein Großteil der Kunden seines Weltrettungsladens fragten nunmal nach den Produkten dieses Molkereiproduzenten, wie sie auch Angebot durch Nachfrage erzeugten, indem sie beispielsweise garantiert oberbayrisches Bio verlangten und dabei manchmal vergaßen, den Motor des draußen vor der Tür stehenden Turbo-SUVs abzustellen.

Um eine Illusion ärmer bin ich nun, ich, der ich an das Gute im Menschen auch in der Längerfrische geglaubt habe. Nun hat er zwar einen anderen Anbieter, der sich, dabei habe ich durchaus seltsame, wenn nicht gar komische Assoziatonen, hat er doch seinen Sitz im Osten, Ostzone darf man ja nicht mehr sagen, im zweifelsohne nahen Dechow, das liegt hier um die Ecke, am schönen Schalsee, um den man ein sogenanntes Biosphärenreservat errichtet hat. Gläserne Meierei nennt sie sich, und «traditonell hergestellt» steht auf der Tetrapackung. «Besonderes Anliegen», werde ich via Internet aufgeklärt, «des Unternehmens sind die Transparenz und die damit verbundene Glaubwürdigkeit bei der Herstellung der Bio-Produkte». Anliegen und Transparenz, das versteht jeder. Ich aber mag seit Adornos Ablehnung, da steh ich schillernd festgemauert in der Erden, den Begriff Anliegen nicht, und das Allerweltswörtchen Transparenz erzeugt in mir mittlerweile so etwas wie einen Brechreiz, denn langsam wird mir längerschlecht bei diesem ganzen Gesabbele dieser Marketinger, die mit der Verunklarung der Menschheit durch Schlagworte allzeit Döörlock* betreiben.

Mir schlägt dieses ehemalige Biogeraune, das längst zu einem hysterischen Geschrei angewachsen ist, enorm aufs Gemüt, allgemeinsprachlich unter Lebensqualität bekannt. Mein oben erwähnter Beichtvater tut's nicht biologisch, sondern mit Pferdemist und schmeißt mit dem auch nicht im Internet umeinander. Das ist aufrichtig. Weiß ich denn, ob diese ostdeutschen Bioapologeten, laut meinem Hofladenhüter ein Zusammenschluß einheimischer Milchbauern, nicht längst auf den globalen Markt steigender Aktien schielen, der mich Ochsen unglücklich macht, weil ich dann vielleicht ultrahochlängerfrischen, aus Novosibirsk oder Patagonien angeschifften Lebenssaft trinken muß, sie also möglicherweise verkaufsbereit sind oder schon verkauft haben, ohne das es jemand wie ich beispielsweise gemerkt hat, wie zum Beispiel die brandenburgische Gurkenkönigin.


Auf die Gurkenkönigin mit der wunderbaren, welch Trauer in mir darüber, kürzlich gestorbenen Susanne Lothar*, komme ich, weil ich gestern, von schwüler Schlaflosigkeit geplagt, spätabends diesen Polzeiruf mir noch einmal angeschaut, ihm vor allem aber zugehört habe, diesem in Serien höchst selten anzutreffenden Wortwitz, voran diese Bereicherung der Fernsehlandschaft Sophie Rois, deren tatsächlich nennenswerte Unkonventionalität mir am Theater aufgefallen war. Auch die deutsche Telekom kann beachtenswert kritisch, mit feiner Nuancierung kritisieren, sehr gerne habe ich sie deshalb, hier nochmal, verhyperlinkt.

* Susanne Lothar. Obwohl ich ihn nicht ausstehen kann, diesen priesterlichen Katholen, der in und mit seinem weltmännischen Gehabe, als ob's ein Weimer wär', gerne davon ablenkt, wie sehr auch er mal von einer kleinen Stadtzeitung aus gebettelt hat, irgendwann zu den großen Schreibartisten gehören zu dürfen, will ich dennoch auf seinen Nachruf hinweisen, da er auch durchaus packend auf diese zadeksche Lulu und damit auf ein elementares Stück bundesdeutscher Theatergeschichte verweist, dessen vor Jahrzehnten erneuernde und aufklärerische Frische ich vermisse und die ihresgleichen sucht.

* Döörlock ist Plattdeutsch, also eine Sprache und kein Dialekt, und heißt offene Tür.

 
Sa, 28.07.2012 |  link | (2731) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Land.Leben


jean stubenzweig   (30.07.12, 09:43)   (link)  
Keine Ganoven jage sie,
auf diese Korrektur legt die oben erwähnte Guteweltladenbetreibergattin wert, sondern sie hüte das Gesetz etwa in dem Sinn, wie das Uwe Friedrichsen als Herr Zalukowski in der Fernsehserie Schwarz-Rot-Gold tue. Sie sei schließlich keine Tatort-Kommisarin. Die Richtigstellung sei hiermit geschehen. Ich möchte schließlich auch dort weiterhin auf offene Türen und Ohren stoßen, wenn mir nach Dorftratsch zumute ist. Und so eine im Ehebett bauchgekraulte Sau schmeckt nunmal besser als ein getreßtes, antibiotikaverseuchtes Massenvieh. Resistenzen existieren genug in mir. Und so tierlieb bin ich auch wieder nicht, wie etwa Pierre M. Krause, der kürzlich meinte, auf Biofleisch verzichten zu wollen, da er keine glücklichen Kühe essen möge.


monnemer   (30.07.12, 13:47)   (link)  
Demnächst wird auch dieser Tatort wiederholt. So freudig überrascht war ich, dass Susanne Lothar plötzlich auch die Fernsehlandschaft aufblühen lässt...Ach je.


jean stubenzweig   (30.07.12, 16:07)   (link)  
Am Tatort trifft man sich
wieder. Ich freue mich über Ihren Besuch und danke für den Hinweis.

Beinahe hätte ich den mit einem anderen verwechselt, in dem mit Harald Krassnitzer auch Sophie Rois gewirkt hat, in dem's auch um Gebirg und Bauern und Tirol geht, und noch ein weiterer weiterer wäre da zu verwechseln, beide den (Dreh-)Büchern von Felix Mitterer zugrundeliegend.

Aber, ich bitte um Vergebung, es geht ja gar nicht um Sophie Rois, sondern um Susanne Lothar. Ich wußte gar nicht, daß sie so oft getatortet hat. Ja, sie ist eine Blüte. War. Ich mag zwar verwelkte Blumen, aber hier mache ich eine Ausnahme. Die sähe ich lieber weiter oder wieder blühen.















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