Von der dunklen und der hellen Seite des Hirns1

Es ist uns allen bekannt, die rechte Seite unseres Gehirn regiert uns, jedenfalls, nenne ich's mal so, viele von uns. Es ist der rationale(re) Teil dieses gleichwohl den meisten unter uns bisweilen als unheimlich anmutende Bereich in dieser terra incognita unserer Innenwelt, der uns zu schaffen macht, der sich ständig gegen das immerwährende Bedürfnis des Gefühls auflehnt, es ist die gegen das Wohlsein gerichtete Vernunft, die uns vorrechnet, welche Nachteile es uns bringen könnte, sich aufgrund eines oder vieler Ereignisse einfach fallen zu lassen, etwa in Tränen auszubrechen oder alles kurz und klein zu schlagen. Beim gestrigen Gespräch mit Frau Braggelmann über den unterschiedlichen Ruf der Intellektuellen in jeweiligen geographischen oder auch, etwas allgemein-gehalten ausgedrückt, mentalen Gebieten Europas — Ulfur Grai zweifelt zu recht den früher gebräuchlichen Begriff Volkscharakter an — kam zur Sprache, wie schlecht beispielsweise der Ruf derjenigen in Deutschland ist, die besagten Teil des Gehirns bevorzugt einschalten, bevor sie ihre Meinungen in die Öffentlichkeit ausstellen.

In der aktuellen Phase des Weltgeschehens, die zur Zeit in London stattfindet, sehen sich bereits die Reporter und ihre sich nach wie vor an den Rand gedrängten Kolleginnen geschaßt, die sich zurücknehmen, die sachlich zu berichten bemüht sind. Gefordert wird immerzu Emotion, wer nicht brüllt wie ein Hornochse, den man bei lebendem Leib am Spieß dreht, um für zwanzig Euro am Stückchen serviert zu werden, weil es eine dieser hochdotierten Gazellen aus dem olympischen Amateurlager zuwege gebracht hat, für zigtausende Euro Fördergelder aus dem Säckel der Gemeinschaft plus Sponsorenprämie die ganz weit oben liegende Latte zu überhüpfen, der wird gerne als dröge und somit ungeeignet für den Beruf des Berichterstatters bezeichnet. Also sehen die sich gezwungen, mit dem Bauch zu denken und, weil's die das alles finanzierende Allgemeinheit zu wünschen scheint, sich weniger Mäßigung aufzuerlegen, die den Verdacht errregen könnte, jemand sei kopfgesteuert, wie es mir zu Zeiten meiner Hilfslehrertätigkeit in oberbayerischer Nähe zu fast höchstgebirgischem Olympia entgegenschallte, als ich es wagte, mithilfe einer Mischung aus 50, 1 Prozent Vernunft und dem Anteil von 49,9 Prozent Gefühl dem Töchterlein eines Meisters des Handwerks in die nächste Klasse zu verhelfen; ähnlich brüllte es einige Jahre später in der Stube des öffentlich-rechtlichen Redaktionsleiters, der mich rauschmeißen wollte für den Fall, daß ich aus seiner Sendung aktueller Politik einen «Kulturbeutel» machen wolle. Sport ist Emotion, und da sind klare Gedanken fehl am Platz, der Verdrängungsmechanismus setzt voller Gefühle ein, überwältigt mittels Kraft der Masse das dann bißchen Resthirn. Da hat es gefälligst nicht weiter zu interessieren, inwieweit dies aus dem politischen Hintergrund und dem damit verbundenen Wirtschaftswachstum für diejenigen, die ohnehin bereits groß sind, von panem et circenses für die restlichen 99,9 Prozent geschieht. Wer nicht mitspielt, der gehört ohnehin zur unteren Kaste, etwa diejenigen am Rand Londons, die von all dem allenfalls das Geschrei der Emotionalisierten aus den Kampfstätten in den Ohren haben.

Gemeinhin steht in deutschen Gazetten nicht nur des Sports der Intellektuelle als Schimpfwort, zumindest als Bezeichnung für jemanden, der seiner Sinne nicht mächtig ist. Ein Bekannter Frau Braggelmanns, jener, den ich hier bereits einige Male leicht bespöttelt habe, der in einer der bunten deutschen Gazetten als sportlicher Journalist tätig ist, die den glanzvollen Alltag der meisten Deutschinnen, die gesellschaftliche Welt ausmachen, der sich mangels Navigationshilfe des öfteren verfährt im Dschungel der Sprache, meinte dieser Tage ihr gegenüber, er wolle sie zwar nicht beleidigen, aber manchmal käme sie ihm tatsächlich vor wie eine Diva, wie eine Intellektuelle. Er kenne jedenfalls keine Frau, die so schlagfertig sei wie sie, die auf nahezu alles eine Antwort habe. Ich kenne kaum eine Frau, die derart gefühlvoll, also unkapriziös mit dem Leben und den darin sich bewegenden und bewegten Menschen umgeht, ohne daß ich mir herausnehmen würde, sie als eine Diva oder gar als eine Intellektuelle zu beschimpfen. Davon einmal abgesehen, daß schließlich auch eine Diva über intellektuelle Fähigkeiten verfügen dürfte, allein durch die Tatsache, einen Geschmack entwickelt zu haben, dessen Voraussetzung nun einmal die Unterscheidungsfähigkeit ist.

Jetzt kommt sie gleich, um mir den Kopf zu waschen. Da muß ich abbrechen. Die körperliche Gesundheit hat mehr Gewicht oder ist mehr wert als die geistige. Nix Mens sana in corpore sano, solches sagen die Damen und Herren Gesundheitsminister, denen es ebenfalls an Förderung mangelt und die deshalb mit Olympia die Wirtschaftswachstümer meinen. Aber die haben eben mit dem Satiriker Juvenal ohnehin nichts im Kopf, der's eher so herum meinte: Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano. So werde ich später oder morgen von dem weitererzählen, das da in meinem Oberstübchen rumort, nämlich das über die rechte und die linke Seite des Gehirns, die linke und die rechte Seite politischer Ausrichtung, ausgelöst von Sergio Benvenuto mit seinem kleinen oder besser kurzen Essay Hirnhälften, Hemisphären in der Ausgabe 97 von Lettre International. Das ist ein Nachdenkaufsatz, dessen Inhalt in meinem Gehirn schon sehr lange Bewegung verursacht, wenn auch nie in dem Sinn, wie Francis Picabia häufig und gerne mißverstanden zitiert wird, da er schrieb, der Kopf sei rund, weil die Gedanken ständig die Richtung änderten, sondern unter anderem gradlinig auf das Ziel der Antwort auf die Frage zu, was uns beispielsweise dazu bewegt, ständig so undifferenziert von rechter und linker politischer Orientierung zu sabbeln. Benvenuto erwähnt nicht nur einmal mehr die dabei am nächsten liegende linke und rechte Sitzseite der verfassungsgebende Versammlung der französischen Revolution und erläutert am Beispiel des selbst in den romanischen Sprachen so unterschiedlich ausgelegten Begriffs la sinistra, der Psychoanalytiker, Philosoph und Essayist erläutert das Dilemma derjenigen, die, es ist noch gar nicht so lange her, links funktionierend geboren wurden und nach rechts umerzogen wurden, was unterm Strich und sehr grob umrissen zu einem Neglect-Syndrom führen kann. Ein Text, der alleine die elf Euro wert, die das ganze aktuelle Einzelheft von Lettre International kostet. So ist also erst einmal die Kopfmassage dran, die Hülle des Wohlbefindens wird geknetet, an meinem Gehirn walke ich dann selbst weiter, meinen Geist trainiere ich anschließend weiter für Olympia. Und vielleicht noch für zwei oder drei weitere Mitleser, die mir dabei zuschauen, wie ich mich abquäle für sie, ohne Leistungsförderungsmittelchen aus dem Spendentopf, ich zahle auch mein fast antikes Doping selbst.

Bei den Fußnoten bzw. Anmerkungen bitte mit dem Cursor die jeweilige Ziffer berühren.2
 
So, 05.08.2012 |  link | (3962) | 12 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Ertuechtigungen


jean stubenzweig   (05.08.12, 16:56)   (link)  
Anmerkung zur Anmerkung1
«Ich bin auf dem Mond geboren. Es ist nicht lange her, da verließen meine Vorfahren und mit ihnen viele andere Menschen die Erde, weil sie ihnen anfing unbewohnbar zu werden.

Hier auf unserer Mond-Erde sind wir mittlerweile über alle existentiellen Schwierigkeiten hinweg, und es gibt für uns kaum noch Probleme — es sei denn, wir erfänden uns welche zum Zeitvertreib.»

Michael Badura in: Ich bin auf dem Mond geboren ... , in: Die Eingeweckte Welt. Das Totale System. Eine Projektion. Verfaßt 1966, soeben gelesen im kürzlich erschienenen Werkverzeichnis in zwei Bänden, Ennepetal 2012
Morgen mache ich weiter in meinem Häkel- oder Marschierkurs links, zwo, drei. Jetzt muß erst einmal mein maltraitierter Kopf in die Horizontale.


heinklug   (05.08.12, 20:22)   (link)  
Häkeln, marschieren, Kurs?
Hier scheint alles eher unter den Mantel der Aufklärung zu schlüpfen. Nur dass nicht Oswald Kolle ihn anhebt, um frische Luft zwischen die Beine zu lassen, sondern es ist, als ob Apotheker Adam in Aristoteles Garten Kräuter zu suchen anfängt, um ein Sälbchen zu komponieren, das Eva beeindrucken soll.


jean stubenzweig   (06.08.12, 15:04)   (link)  
Um Sexualität,
wie sollte es anders sein, geht's selbstverständlich auch hier auf dieser Seite. Auch ich denke den ganzen Tag ans Immerselbe oder, meinetwegen, ich bin ja für Abwechslung, immer an das Gleiche. Es ist schließlich der Trieb, der uns, also auch mich vorantreibt. Nahezu jeder möchte seinen Samen verspritzen, pardon, einbringen in die Löcher der Erde. Der archaische Fortpflanzungswille ist es wohl, der das Leben erhält. Daß dabei jemand ein paar Kräuter, sei's drum, auch aus aristotelesschem Garten, kaut, um sich seiner Vitalität zu versichern, um zeugungsfähig zu bleiben oder überhaupt zu werden, scheint mir nicht das schlechteste Rezept zur Aufklärung. Seien wir froh, das diese europäische Rezeptur, die das Menschwerden als Einzelwesen mit hervorgebracht hat, mittlerweile auch ein paar fruchtbare Samentropfen in der Masse zu hinterlassen vermag, die tief in den Erden ihrer Religionen vergraben darauf warten, befruchtet zu werden. Dabei darf man ruhig Adam beibringen, daß Eva um einiges mehr drauf hat, als unter ihm liegend ihm auch noch zu dienen. Aus gut informierten Quellen wurde mir zugetragen, auch der weibliche geistige Orgasmus sei wesentlich nachhaltiger als der männliche.


jagothello   (05.08.12, 22:09)   (link)  
Wenn eine Frau in uns
Begierden weckt... Ganz sicher geht´s beim Sport nicht bloß um Emotionen, wie die ARD-/ZDF- Journalistendarsteller so gerne annehmen und wie Sie, wortmächtig und am Puls der Zeit wie immer, entdecken. Meistens um sehr viel mehr wie der Dichter weiß- um sehr viel mehr:

Freiübungen
Wenn eine Frau in uns Begierden weckt
Und diese Frau hat schon ihr Herz vergeben,
Dann (Arme vorwärts streckt!)
Dann ist es ratsam, daß man sich versteckt.
Denn später (langsam auf den Fersen heben!)
Denn später wird uns ein Gefühl umschweben,
Das von Familiensinn und guten Eltern zeugt.
(Arme - beugt!)
Denn was die Frau an einem Manne reizt,
(Hüften fest - Beine spreizt! - Grundstellung)
Ist Ehrbarkeit. Nur die hat wahren Wert,
Auch auf die Dauer (Ganze Abteilung, kehrt!).
Das ist von beiden Teilen der begehrtste,
Von dem man sagt: (Rumpfbeuge) Das ist der Allerwerteste.


(Joachim Ringelnatz)


jean stubenzweig   (06.08.12, 11:41)   (link)  
Mit diesem Ringelnatz
haben Sie mir eine große Freude bereitet, kannte ich ihn doch noch nicht. Mit ihm haben Sie mich ertappt, bei meinem einzig wahren (wirklichen?) Interesse an der olympischen Idee. Ich genieße Debatten um Sieg oder nichts, in denen es um nichts anderes geht als um die vergoldete Wurst, wie etwa bei der deutschen Mehrkämpferin, die während des Laufens die Grenzen beinahe überschritten haben soll und dafür von einem sogenannten Kampfrichter — war's nicht gar eine -in, eine Frau, die da nicht richtig hingekuckt hat? — des Platzes und des Siegs verwiesen worden war, da dies zu immerwährenden, für mich genußreichen Wiederholungen führt. Mir wäre das nie passiert, ich hätte nur dieser Gazelle hinterhergeblickt, vermutlich in der Absicht, sie zu erlegen. Dann hätte man mir als Richter Platzverweis erteilen dürfen, ich wäre ihr, meiner Haltung in Sachen Geschwindigkeit gemäß, langsam auf den Fersen geblieben. Doch so bleib' ich besser sitzen auf dem Allerwertesten und lass' das mit der Zukunft.

Ich gestehe, bei diesem Tanz der olympischen Göttinen und Götter, bei letzteren schaue ich eher selten hin, selbst meist Scheuklappen aufzuhaben, mich also doch hin und wieder zuzuschalten, so sehr mir dieser gigantische Rummel um Wertschöpfung im monetären Sinn auf die Nerven geht. Bei manchen Wettbewerben schaue ich einfach zu gerne hin (s. o.). Es mag daran liegen, selbst einmal ordentlich und passabel eisgesportelt und volleygeballt zu haben, wobei bei mir immer das Spielerische solcher Veranstaltungen im Vordergrund stand. Als in den Achtzigern in München meine Spielkameraden und -innen, allesamt um die Vierzig wie ich oder darüber, sich volley-balltreibend in eine Liga befördern und deshalb auch noch Männer von Frauen getrennt haben wollten — seinerzeit wurden solche altbiblische oder koranische Regeln noch nicht in Erwägung gezogen — , verging mir der Spaß an der Freude.

Unter diesem Aspekt räume ich dem Sport auch einen herzlichen Platz in meinem Zeitvertreibsdenken ein. Da lasse ich gar 50,1 Prozent Gefühl aufkommen, und nicht nur alleine der Grazie wegen, die mich dabei visuell einfängt. Mir macht es Freude zu sehen, wenn, es darf durchaus gerne ein Sportler aus Timbuktu oder einem mir bis dahin unbekannten, neu gegründeten Stückchen Staat sein, am liebsten jemand, der ersichtlich Freude an dieser Art der Beschäftigung hat, ohne dabei immerfort die Dollarzeichen in den Augen zu haben. Und sollte er (lieber sie) dabei auch noch einen Favoriten, eine Favoritin vom Treppchen verdrängen, dann werden Sie mich sogar lächeln oder die Hände reiben sehen, besonders gerne dann, wenn wieder einmal jemand aus den höchstsponsorisierten, in Geld schwimmenden Ländern im Vorfeld in den Abfluß gerät. Im Anschluß halten aber meistens wieder mindestens 50,1 Prozent Vernunft Einzug in die Arena meines Gehirns, die mich darauf hinweisen, wie widerwärtig geldgepfropft diese Veranstaltungen doch sind, hinter denen nichts anderes steht als die Propaganda für Höchstleistung, als Synonym für die alltägliche, nicht für sich selbst zu erbringende Schaffenskraft. Nahezu 90 Prozent Gefühl, fast einen Herzkaschper (nord- oder schriftdeutsch: Kaspar, wie der verrentete kölsche König der Kunst) ergeben hat sich bei mir, als dieser Intellektuelle mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, Sebastian Coe, dem ich bereits zu dessen Zeit als Aktionist ohnehin nicht sonderlich zugetan war, vor Eröffnung der Londoner Geldparade meinte, aufs Gelände käme nicht einmal ein T-Shirt, auf dem Werbung eines nicht dem Schwimmbecken der Geldgeber angehörenden Werbetreibenden zu sehen sei. Man hat ihn dann zurückgepfiffen. Man wollte wohl die aufkommende Stimmung zum endgültigen Glücklichsein nicht gefährden. Aber ich war drauf und dran, auf einer Usedomer Rakete reitend hinaufzufliegen nach merry old England, es stahlgewittrig zu erstürmen und jemandem stellvertretend für alle Maggy Thatchers dieser Erde, besonders gerne den deutschen Nachbildungen, in den Allerwertesten oder sonstwohin, ihm zumindest den meinen zu zeigen. Also doch nichts als Emotionen.


Bildunterschrift: Der rodingleiche Denker beim Sinnieren über das Denken über die linke und die rechte Hälfte des Bauchgefühls inmitten einer Mädchenküche mit Wurst (divenhafte Selbstcharakterisierung der Kücheninhaberin).


jagothello   (06.08.12, 12:51)   (link)  
Ein Mann
muss es gewesen sein, der da woanders hingeguckt hat. Wahrscheinlich einer der acht beschlipsten und behüteten Würdenträger, die immer exakt hinter den Startblöcken so tun, als ob sie den ordnungsgemäßen Zeremonienablauf überwachten, während ihnen die außerordentlich gut gebauten Damen beim Startkommando alles mögliche ins Gesicht recken. Da kann man ja auch schon mal einen Fuß verwechseln.
Ich befürchte seit langem, dass nicht nur Sportgroßereignisse das Fernsehen dazu einladen, ein traurig-erschütterndes Nichts abzubilden. Auch sonst kreist man um sich selbst und missbraucht die Anlässe, die eigene Weltsicht zu formulieren; um sich selbst zu kreisen. Ausgenommen natürlich zwischen 2 Uhr am Nachmittag und 10 am Abend: Da bleibt man gleich von vorne herein harmlos mit einer Radikalität, die schon wieder erstaunlich ist. Insofern konsequent, jeden Tag 12 Stunden aus dem Aquatic-center zu senden und das Tontaubenschießen zur angeblich besten Sendezeit zu übertragen.


jean stubenzweig   (06.08.12, 14:01)   (link)  
Nicht nur eine Tontaube
Offensichtlich suhlt Nordrhein-Westfalen sich noch in der Hängemattenpfütze der Ferien. Sie hier um 10 Uhr 51? Geht's gleich weiter in Olympia? Ich komme mit. Aber nur, wenn was zum Hinterndraufkucken geboten wird.

haben Sie da abgeschossen. Da ich schließlich das, was gemeinhin als Vernunft bekannt ist, des öfteren abschalte oder, wie das auf neudeutsch heißt, deaktiviere, wie meine Cookies und mein Javascript ständig, und des öfteren hineinglotze in diesen Apparat, um auf das zu stieren, was diesen Herren live oder, viel schöner (neu-)deutsch, in allernächster Zeitnähe, entgegengereckt wird, weiß ich, wovon die Rede ist. Wenn ich tatsächlich reingehe, sehe ich in der Regel Menschen, die auf irgendwas schießen, das ihnen vermutlich während ihrer zu Neurosen und Psychosen führen könnenden oder aber auf diese Weise regulierten — mir ist es bislang nicht gelungen, über Freud hinauszuhüpfen — Analphase gelehrt wurde, denen einer abgeht, bei denen Endorphine freigesetzt werden, wenn sie etwas erlegen können wie ich beim Bekucken eine Gazelle von hinten, weil ich nicht schnell genug bin, um sie mir, was mir sehr viel lieber wäre, von vorne anzuschauen, um festzustellen, daß ihr Gesicht zum Rest des Reizvollen paßt — die Schuhe befinden sich in diesem Fall außer Konkurrenz, da sie alle gleich aussehen, von welchem Hersteller auch immer (gibt es eigentlich noch diese barfüßigen afrikanischen Antilopen, oder treiben so etwas Unvernünftiges nur männliche Überbringer von Botschaften?).


jagothello   (08.08.12, 01:07)   (link)  
Mit mir...
ist immer zu rechnen! Selbst im etruskischen Toskanakaff hocke ich mit dem mobilen Endgerät in der Pfote unter der Pinie und lese und denke (manchmal) mit. Ihr Schälchen Himbeeren neulich etwa inspirierte mich dortselbst zu einem netten Obsteinkauf; eine Art stiller Kommentar!


jean stubenzweig   (08.08.12, 09:15)   (link)  
In der Toskana
ist man ja quasi gezwungen, mit vollem Mund zu kommentieren. Genießen Sie's gefüllte Mäulchen, Sie Glücklicher, die Kultur kann warten, hätte ich beinahe geschrieben, doch das ist ja Kultur, nehmen Sie prallvoll mit, wer weiß, wann Sie wieder solche Leckereien bekommen, denn zuhause gibt's wieder nur noch Currywurst rot-weiß. Hier sind sogar die Himbeeren bereits aus. Dabei habe ich dieses Jahr viel zu wenige gegessen, allenfalls einige Kilo, auch keine Kirschen mehr, meine Genußzellen darben extrem, mag ich doch dieses von der Industrie produzierte Zeugs überhaupt nicht. Aber, na ja, hier auf dem Gelände der Landlords, gibt's noch Brombeeren, Johannisbeeren und Zwetschgen. Die nehm' ich auch.

Dabei werde ich einmal mehr an die Medici erinnert, die, als sie nach Frankreich ausgewandert wurde, geäußert haben soll, diesen Bauernfraß fresse sie nicht. Gott als Franzose weiß klammheimlich, was er der Florentinerin zu verdanken hat: etwas Feines zu essen.


jean stubenzweig   (06.08.12, 15:12)   (link)  
Der Marschierkurs
links, zwo, drei oder die Häkelei zwo, drei wird heute nicht fortgesetzt. Heute nimmt mich Harry Mink mit zum Kreatief:




enzoo   (07.08.12, 11:01)   (link)  
nichts
gegen das tontaubenschiessen bitte!

tontaubenschiessen, ups, beinahe hätte ich i und e verdreht, nein, ehrlich gesagt, ich habe es verdreht, aber mit der löschtaste ist's ja gleich wieder gut, ist meiner meinung nach fast der einzige existenzgrund für diese veranstaltung. jede andere sportart hat zwischen den olympischen spielen hin und wieder ein fitzelchen sendezeit, 20 sekunden des sportlichen ruhmes, sogar wenn "fleischessen" gegen "unterstinkenbrunn" (ja, orte dieses namens gibt es hierzulande wirklich) im hallen-jojo gewinnt, hat das eine chance auf einen beitrag in der abendlichen sportübersicht, wenn auch nur, zugegeben, sonst wirklich gar nichts, und zwar gar gar nichts anderes passiert ist, sportlich gesehen. wer hingegen sinnloses geballer auf unschuldige terakottascheiben sehen will, muss vier jahre warten und darf dann während der zwei wochen wassindwirallesosportlich-gefühlsvermittlung keine sekunde vor dem bildschirm fehlen, um die viertelstunde der tontaubenschiessenberichterstattung nicht zu versäumen. was auch seine vorteile hat, denn dann bekommt man duchaus auch höchst erfreuliches zu sehen: der anblick der speerwerferinnen etwa beim olympischen siebenkampf der damen muss jeden, der antike literatur und schöne körper und deren kombination auch nur ein wenig zu schätzen weiss, in verzückung und aufregung versetzen. die kulisse des olymiastadions verschwimmt dabei in eine altgriechische szenerie mit felsen und meer, wenn die rundgestählten körperinnen den ger (ein bissl globalisierung gabs sicher damals schon) in der nach hinten gestreckten hand an die wange legen und den hirsch anvisieren, der nicht nur in london ein kampfrichter sein wird.

wenn man einen sportfernsehbegeisterten jungen sohn hat, der gerade ferien hat und daher derzeit beinahe jede minute vor dem flachsten des haushaltes verbringt, kann man sich weiter dem guten buche widmen, denn der ruft dann, wenn es so weit ist: "papa schnell, tontaubenschiessen!", man legt die "portraits" von gerhard roth weg, wechselt das zimmer und kuckt den spritzenden terrakottasplittern nach, freut sich, dass man das, was man für den höhepunkt hält, nicht versäumt hat, ist aber auch ein wenig traurig, denn wer weiss, vielleicht hätte es ausser den zufällig gesehenen speerwerferinnen noch anderes gegeben, was einem freude bereitet hätte, hätte man die verantwortungsvolle rolle des sohnes selbst erfüllt.


jean stubenzweig   (07.08.12, 15:35)   (link)  
Einschlafen tät' ich
ohne Ihre flankierenden Maßnahmen des Kommentierens! So gerate ich durchaus in Schnatterlust. Aber gerade bin ich mal wieder mühevoll mit der Aufklärung beschäftigt. Zwei geradezu gigantische, scheinbar tonnenschwere Bände eines sich sein Leben lang der Erleuchtung durch Wissen widmenden Künstlers liegen vor mir und wollen kritisch angeschaut und gelesen werden. Das ist leider so, weil ich nunmal nichts Anständiges gelernt habe, möglicherweise, weil ich seinerzeit die Chance nicht genutzt habe, aus meinen eisläuferischen Künsten sponsorisches Kapital zu schlagen. Wenn ich wieder schnatterfrei bin, dann komme ich auf «antike literatur und schöne körper und deren kombination» zurück. Gestern, das ganz rasch, sportelte allerdings eine Dame vor meinen Augen herum, die mich in anderer Weise erschütterte, die in mir nicht unbedingt den «anblick der speerwerferinnen» auslöste. Eine muskelbepackte Germania, die mich allenfalls an antike Kampfmaschinen, vielleicht noch an die sowjetische Praxis der Sportlerinnenstählung erinnerte, durcheilte meine männlich-chauvinistische Zartbesaitetheit. Sie meinte ihre Verkräftigung obendrein durch das beschönigen zu müssen, was gemeinhin unter dem euphemistischen Begriff Körperschmuck immer bekannter und verbreiteter wird und nicht meinem Schönheitsideal entspricht: bunt zerstochen fast von oben bis unten. Da kucke ich doch lieber Tontaubenschießen.















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