Wunder runder Punkt

Die Idee kam 1982 einem Straßenbauingenieur im äußersten Nordwestzipfel der Bretagne, im Département Finistère. In Quimper hatte er gleich fünfunddreißig Kreuzungen zum fließen gebracht. Daraufhin befahl Paris, ganz Frankreich rundzumachen. Aber anderswo hat man's nicht so mit dem Fließen, mit dem Runden. Dort huldigt man eher dem zackigen (Recht-)Eckigen.

Noch zu den Zeiten, als der kleine François den großen Helmut am Händchen nahm, um gemeinsam mit ihm nicht nur elf blühende Landschaften zu schmieren, lachte das Gefolge des Preßsacks gerne über eine weitere dieser typischen linksrheinischen Rundmilchkäsearten. Nahezu alle Rechtsrheinischen bis hin an die Oder und die Neiße hielten die von der anderen Seite für durchgedreht mit ihrer Kreiselei, als geradezu lächerlich empfanden sie diese Rundstreckenrennen allüberall. Vielleicht auch ein wenig den Ängsten geschuldet, die über sie gekommen waren nach dem 139. Versuch, aus der Rotation um den Arc de Triomphe oder der abendlichen Place d'Italie zur heure d'affluence wieder zu entfliehen. Manch einer soll da ja heute noch darin rotieren, derjenige, der sich zu weit nach innen hatte drängen lassen. Denn niemand wollte ihm die gewohnte Vorfahrt gewähren in seiner guten deutschen Wertarbeit. Nahezu alle waren mit einer Regelung nicht klargekommen, die ihnen eigentlich sehr viel besser liegen müßte: rechts vor links. Und nun baut sich mittlerweile jeder deutsche Kleindorfbürgermeister solch ein eigenes Unikum vor die Eingangstür. Allerdings so eng, daß nicht einmal mehr der Schulbusfahrer reinfahren mag in sein stilles Örtchen. Aber sie kriegen den rond-point ohnehin nicht auf die Reihe. Deshalb stehen sie nun da und warten, bis sie reingelassen werden in den welschen Kreis. Wenigstens eine Kreiseinfahrtsampel möchte schon sein. So schimpfen sie, fluchen auf diese ordnungsunliebenden Froschfresser und wünschen sich den guten alten Kreuzungsstau zurück.

Wie bei der Polizeikontrolle nach dem Prinzip der deutschen Mausefalle: alle rein, vorne dicht und dann hinten zugemacht von einem Bataillon, zumindest einer Compagnie strammstehender Uniformierter. Da weiß man, woran man ist. Nicht so halt- und haltungungslos herumstehen wie diese ein, zwei Männekes samt Dame, oftmals angelehnt an ihre kleine blauen Minna am Rand von diesem unaussprechlichen rond, diesem truc, diesem Dingsbums eben und so teilnahmslos in der Gegend herumgucken, besonders gerne am späten Sonntagvormittag. Dabei wissen die doch vermutlich ganz genau, wen die meinen, vermutlich diese ganzen Kirchgänger, die katholischen zumindest, die evangelischen nehmen ja vor dem Abend keinen heiligen Geist zu sich, und schon gar nicht so ein gelblich-grünliches Gift. Trotzalledem ist es zutiefst verunsichernd, wenn sie einen dann doch mal eben so anschauen, so beiläufig, als ob sie das alles nicht interessierte, wenn man da ankommt mit seinem Wochenendhaus auf Rädern und ohnehin nicht weiß, wie man sein mehrpferdriges und deshalb postkutschenlanges Gespann um diesen wunden runden Punkt herumkriegen soll.
 
Sa, 16.08.2008 |  link | (1959) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Unterwegs


prieditis   (17.08.08, 03:46)   (link)  
hach... der kreisverkehr *seufz*

ich liebe ja in brüssel die barriere in st.gilles. die strassenbahn fährt darin besonders langsam, weil sie sonst aus den schienen springt.
besagte ampel gibts da auch. bei grün fahren dann ALLE gleichzeitig kreuz und quer.
Kreisverkehrstipp: andere AUTOS beobachten, nicht die fahrer. dann passen die nämlich auf. wenn man das ein paar mal gemacht hat, hat man den dreh raus.
in holland gilt: fahrräder haben vorfahrt, IMMER.
noch immerer, wenn man aus deutschland kommt ;o)


jean stubenzweig   (17.08.08, 04:23)   (link)  
Für deutsches
Autofahrer alles Chaos (für niederländisches sicherlich auch). Ungeordnetes sozusagen. Man muß sich das mal anschauen, und ich tue das und nehme mit Freuden teil (zur Unfreude Beifahrender, es sei denn jüngere), seit es diese Kreiselei gibt; gleichwohl das problemlos auch ohne den runden wunden Punkt geht. Nur der geübte Frankreich-Fahrer packt das. Und Brüssel gehört ja quasi dazu, denn es heißt ja Bruxelles (auch wenn die Gereformeerden jetzt wieder aufjaulen).

Noch anders: Nicht Autos begucken, Fahrer schon gar nicht, und sei sie noch so hübsch, sondern: draufhalten. Sonst kommt man da nie wieder raus. Außerdem macht das jeder. Nur so funktioniert es.


prieditis   (17.08.08, 13:52)   (link)  
einigen wir uns doch auf "brüsel" ;o)















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