Dringende Einkäufe

sollten während der panikversonnenen Einkaufszeit vier Wochen vor der jungfräulichen Niederkunft mit anschließendem multikulturellen Aufmarsch eigentlich unterbleiben. Denn die Weisheit dürfte ja hinlänglich bekannt sein: «Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.» Andererseits bieten sich demjenigen, der als Quasi-Unbeteiligter irgendwo in die Ecke (ab-)gestellt wird, um nicht ständig verbales Unheil anzurichten, mannigfaltiges Theater aus der italienischen Stadt mit dem schiefen Turm.

«Duu», fragt der vermutlich zu den Vergessen- oder Verlegenheitsheitseinkäufen Abgeordnete sein endlich aus einer der vielen Taschen seiner edlen Elch- und Grizzlyjägerjacke herausgenesteltes mobiles Kommunikationsgerät mit dem Tüpfelchen auf dem i, «ich steh jetzt hier vor dieser Theke. – Nein, nicht an der Theke. Vor der Theke. Die mit dem ganzen ollen Fleischkram und so. – Ein halbes Kilo hast du gesagt. Das ist doch ein Pfund? Oder?»


 
So, 30.11.2008 |  link | (2410) | 6 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Aktuelles und Akutes


jean stubenzweig   (30.11.08, 08:36)   (link)  
Chill out
Stiller Päuschenplatz norddeutscher Gourmets


nnier   (30.11.08, 10:37)   (link)  
Seit die Handy-Dichte so zugenommen hat wie Diskretion und Privatsphäre, bzw. das Interesse daran, eine solche von der öffentlichen abzugrenzen, abgenommen haben, seitdem wird man ständig unfreiwilliger Zeuge solcher Gespräche. Es ist ja ganz normal, dass das, was früher auf dem Einkaufszettel stand, jetzt "live" und lautstark "vor Ort" per Mobilfunk verhandelt wird mit der Entscheiderin. Mir ist das immer noch fremd, aber auch in den Warteschlangen vor der Kasse wird ungehemmt ganz Privates ("Tina sitzt mit Durchfall zu Hause und hat wieder Stress mit ihrem Macker") und halb Privates ("Ich bin gerade bei Penny an der Kasse, Milchbrötchen bringe ich mit") mit auch nicht ansatzweise gedämpfter Lautstärke verkündet. Dass man mit Alltagsgrößen und -maßen wie "Prise", "Zentner", "Dutzend" oder eben "Pfund" nichts mehr verbindet, finde ich natürlich auch wieder traurig, vermute aber, dass es meinen Eltern und Großeltern nicht anders ging: Ich kann z.B. nur wenige Baum- und Pflanzenarten benennen, weiß nichts vom Gesang der verschiedenen Vögel usw., und wieviel ein "Morgen" Land ist, muss ich auch nachschlagen. Ich will eigentlich gar nicht dauernd rumjammern, doch je älter ich werde, desto stärker erlebe ich, und zwar oft am eigenen Leibe, diese Dinge als einen entsetzlichen (Kultur-)Verlust. Da muss ich gar nicht erst mit Goethe anfangen, von dem ich noch nie etwas gelesen habe, da rede ich eher vom Kochen, vom Pflanzen, Ernten ...


hap   (30.11.08, 20:21)   (link)  
@ nnier "...mit Goethe anfangen,
von dem ich noch nie etwas gelesen habe." Kein Wunder, dass Sie so auf Stubenzweig abfahren, den polnisch-deutsch-französischen Kunst-Goethe aus dem küstennahen Ostseetiefland. Der spricht zwar eher vom Kochen, als vom Pflanzen und Ernten, aber zumindest bringt er die Dinge in Kochtopf und Pfanne zum guten Ende.
Ich glaube nicht, dass Ihnen nach all den entbehrungsreichen Jahren ohne Goethe ein Leben mit Goethe zuträglicher wäre. Lassen Sie es sein, stellen Sie sich der Germanistik für wissenschaftliche Experimente zur Verfügung - wie jemand ein Leben lang auch ohne Goethe zurechtkommt, so in der Richtung.
Jetzt mal ganz ohne Wertung: Nie was von Goethe gelesen? Issjatoll!
"Was man als Dichter wissen muss: Die Namen der Vögel, Pflanzen, Bäume ..." - Gary Snyder.
"Entsetzlicher Kulturverlust" - so isses: "Wie lange wird es ihn noch geben, den Botanischen Garten, wenn der private Reichtum immer größer wird und das Geld für öffentliche Ausgaben immer weniger? Und wie viel von der unschätzbaren Vielfalt und Schönheit der Regenwälder wird verschwunden sein, bevor wir auch nur erfahren haben, was es dort an unwiderbringlich verlorenem Reichtum gegeben hat? Es klingt so banal wie schrecklich, dass all die Dinge, die keinen messbaren, zählbaren, kurzfristigen Gewinn bringen, es zunehmend schwerer haben in der Welt, in der wir leben."
Stille Winkel in München, S. 108


nnier   (30.11.08, 23:03)   (link)  
Experimente,
denen ich mich liebend gerne zur Verfügung stelle! Ganz im Ernst. Ich war immer jemand, der gerne und viel gelesen hat, und zum Glück gab's zu Hause auch immer gute Bücher - quer durch den Garten, keine Bibliothek, aber doch gut gefüllte Regale. Nur diese Bildungsklassiker - Goethe, Schiller, Lessing - hab' ich entweder übersehen oder sie waren nicht da. Und ich bin durch die Schule gekommen, ohne damit konfrontiert zu werden. Jemals. Auch nicht mit Shakespeare, übrigens. Ich weiß selbst nicht, wie ich das finden soll - denke manchmal aber schon, dass mir was fehlt. Auch wenn ich manchmal froh bin, die Sachen selbst entdecken zu können, statt sie in der Schule eingetrichtert bekommen zu haben (was einem den Spaß ja lebenslang versauern kann). Einzweimal habe ich das Thema nebenbei gestreift und werde, falls man mich nicht ins Labor holt, evtl. noch weiter mit mir selbst experimentieren und darüber berichten.


herzbruch   (30.11.08, 23:20)   (link)  
ich hab goethe gelesen und keine ahnung, ob das hilft oder schadet, aber ich muss mich anschliessen... man will nicht alles und immer von jedem miterleben muessen. mein mann hat neulich auf einer dreistuendigen zugfahrt einem mittzwanziger zuhoeren muessen, der seiner angebeteten am telefon erklaerte, dass er eine blockade haette. und daher nicht sie wissen schon. er erzaehlte auch art, laenge und natur der blockade, und wir wissen jetzt alles ueber art, laenge und natuer des sie wissen schon.


jean stubenzweig   (01.12.08, 07:27)   (link)  
Über Art, Länge
und Natur des Kulturverlustes wird hier sicherlich noch die Rede sein. Aber zunächst muß ich mal zum Einrenker Onkel Doktorchen Jan in der Wandsbeker Chaussee, um nicht andere Verluste hinnehmen zu müssen. Die ganze Herumsitzerei auf dem Blogstuhl verbiegt einem nämlich das Hirn, so daß es zuweilen der Neujustierung bedarf.















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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



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