Meine Rede

seit dem Ausschalten des Nachdenkens durch das authentische Hinterfragen in den modischen Medien.

Angeregt durch Einemaria.
«[...] Die auffälligste Fehlentwicklung der Zivilisation ist die Vermarktung alles Menschlichen.[...]

Das Neue aber und zunehmend Verheerende ist, dass nichts Menschliches mehr der Logik der Finanzmärkte entzogen bleibt: Alles muss möglichst hohe Profite abwerfen, vom Ersatzteil zum Krankenhausbett, vom E-Commerce zum Nachhilfeunterricht, vom neuen Medikament zum Transfer von Fußballspielern. Das führt aufseiten der Manager zu Verhaltensweisen, die bis zum brutalen Exzess gehen. Wir erleben eine Verschmutzung der Arbeit, die nicht weniger schlimm ist als die der Gewässer.

Außerdem führt es zu einer umfassenden Kommerzialisierung von Dienstleistungen, die dazu da sind, Menschen auszubilden und in ihrer Entwicklung zu unterstützen: Gesundheit, Sport, Bildung, Forschung, Kunst und Kultur, Freizeit, Information, Kommunikation. Der Aufschwung dieser Dienstleistungen zeugt von der Entwicklung zu einer Welt, deren entscheidender Reichtum der Mensch ist. Auf sie stürzt sich der Kapitalismus, um auch sie seiner Logik zu unterwerfen. Alle Ziele, denen diese Aktivitäten dienen, werden tendenziell durch die Gesetze des Kohlemachens abgelöst. So wird aus dem großartigen Medium von Kultur und Solidarität, das das Fernsehen sein könnte, durch den Werbemarkt ein primitives Vehikel zum Verkauf von Zugriffszeit auf verfügbare Gehirne. Die Bildung wird Profitraten unterworfen — kann man ein solches Verbrechen dulden? [...]»
Le Monde diplomatique: Der Mensch im Kapitalismus
Der Mensch Lucien Sève


Nach dem von Sève erwähnten Jean Jaurès (bei ihm Anmerkung 5) sind in Frankreich viele Örtlichkeiten benannt. Einer der mir liebsten Orte ist der Cours Jean Jaurès in Avignon. Er ist der Platz, an dem ich mir in dem Frankreich, das es, wie mir's immer wieder entgegenschallt, überhaupt nicht mehr gibt, auf dessen Straßen und Plätzen ich mich dennoch aus unerklärlichen Gründen ständig wiederfinde, gerne Ohrenschmalz in Auge und Gehör gebe. Das ist mein links des Rheins, wo ich mich mit dem Sandler, wie auch der Bayer diesen österreichischen Begriff aus der Nachbarschaft gebraucht, auch für den nicht seßhaften, den fahrenden Händler, den Non sédentaire, unter dem auch Herr Prieditis durch die Lande führt, wo ich mich mit dem Verkäufer von vom LKW gefallenen oder aus Nachlässen erstandenen Platten, CDs (Ohrenschmalz), Bücher, Lithographien oder solchen volkssängerischen combattants solitaire ebenso problemlos über politische oder philosophische Themata, gefahrloser über links oder rechts beplaudern kann als mit dem holsteinischen oder mecklenburgischen Bauern, bei dem es rechts nie gab, weil links ein Hirngespinst ist und ich doch rübergehen soll nach links des Rheins. Deshalb sei hier gesondert zitiert, wonach Sève auf Jaurès hinweist:
«[...] Die kleine Empörung entfernt sich von der Politik, die große führt zu ihr zurück. Oder führt vielmehr zu einem politischen Handeln ganz neuer Art: nicht zu einer Revolution alten Stils mit ihren zum Scheitern verurteilten Veränderungen von oben, sondern zu einem Engagement auf allen Ebenen in der gemeinsamen Aneignung gegen neue Formen von Organisation und Aktion. Dies ist die Stunde der Innovation. So lässt sich die Abwendung des Unabänderlichen in Angriff nehmen. [...]»

 
Di, 29.11.2011 |  link | (1655) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Fundsachen


einemaria   (04.12.11, 19:41)   (link)  
Wie schön, das wiederzulesen. Und wie Sie sehr treffend mit Sève enden, auf das könnte es im Idealfall hinauslaufen. Schön wär's.


jean stubenzweig   (06.12.11, 13:25)   (link)  
Schön wär's?
So romantisieren wir uns die Revolution dahin, wir evolutionieren sie. Wie der Gerz, den ich Ihnen gestern gesandt hatte. Resignation von 1971. Die wurde mir geklaut. Vermutlich von einem Manager, der zur Zeit meines verschwundenen Denkmals noch Direktor hieß. Er muß gedacht haben, es sei lustig oder wertvoll (weil er nichts von Multiples wußte). Aber das ist es nur für diejenigen, für die es einen Wert besitzt. Der Stein will zurück zur Schleuder.


einemaria   (11.12.11, 11:49)   (link)  
Jawohl, laßt sie wehen die Bratp-Fahnen, im Winde der Bewegung. Manchmal braucht man den Rotzlöffel, daß die Ursuppe nicht anbrennt.















Werbeeinblendung

Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00



... Aktuelle Seite
... Beste Liste (Inhaltsverzeichnis)
... Themen
... Impressum
... täglich
... Das Wetter

... Blogger.de
... Spenden



Zum Kommentieren bitte anmelden

Suche:

 


Letzte Kommentare:

/
Echt jetzt, geht noch?
(einemaria)
/
Migräne
(julians)
/
Oder etwa nicht?
(jagothello)
/
Und last but not least ......
(einemaria)
/
und eigentlich,
(einemaria)
/
Der gute Hades
(einemaria)
/
Aus der Alten Welt
(jean stubenzweig)
/
Bordeaux
(jean stubenzweig)
/
Nicht mal die Hölle ist...
(einemaria)
/
Ach,
(if bergher)
/
Ahoi!
(jean stubenzweig)
/
Yihaa, Ahoi, Sehr Erfreut.
(einemaria)
/
Sechs mal sechs
(jean stubenzweig)
/
Küstennebel
(if bergher)
/
Stümperhafter Kolonialismus
(if bergher)
/
Mir fehlen die Worte
(jean stubenzweig)
/
Wer wird schon wissen,
(jean stubenzweig)
/
Die Reste von Griechenland
(if bergher)
/
Richtig, keine Vorhänge,
(jean stubenzweig)
/
Die kleine Schwester
(prieditis)
/
Inselsommer
(jean stubenzweig)
/
An einem derart vom Nichts
(jean stubenzweig)
/
Schosseh und Portmoneh
(if bergher)
/
Mit Joseph Roth
(jean stubenzweig)
/
Vielleicht
(jagothello)






«Ist Kultur gescheitert?» ? «Bitte gehen Sie weiter.»



Suche:

 




Anderenorts

Andere Worte

Anderswo

Beobachtung

Cinèmatographisches + und TV

Fundsachen und Liebhaberstücke

Kunst kommt von Kunst

La Musica

Regales Leben

Das Ende

© (wenn nichts anders gekennzeichnet): Jean Stubenzweig





pixel pixel
Zum Kommentieren bitte anmelden

Layout dieses Weblogs basierend auf Großbloggbaumeister 2.2

pixel pixel