Eine Geschichte in Bildern «Nicht von ungefähr», schreibt Veit Loers vom Kunstraum Innsbruck, «erleben wir seit den späteren sechziger und früheren siebziger Jahren in der bildenden Kunst ein paralleles Phänomen: die konzeptionelle Story-Art, bei der gefundene und erfundene Fotoserien eine Geschichte erzählen und Texte die Bilder semantisch aufladen. Künstler in diesem Genre waren Victor Burgin, Duane Michals und Hans-Peter Feldmann, um nur einige zu nennen.» Bei dem «parallelen» Phänomen handelt es sich um die Chronik einer Affäre, Mai 1969 — Dezember 1970, die jetzt als Katalogbuch erschienen ist. Genau genommen ließe es sich, um ein weniger im Aktuelleren oder auch Bekannteren zu bleiben, als nachlaufender Vorläufer der durchaus bewegenden Lebens-geschichte(n) etwa von Christian Boltanski bezeichnen. Etwas weiter ausgeholt ist es auch auszumachen in der nicht unbedingt künst-lerischen, sondern eher dem Beleben eines historischen Bewußtseins der Allgemeinheit dienenden Aufforderung von Wolfgang Ruppert aus den Anfängen der achtziger Jahre, die er Erinnerungsarbeit nannte und die zu einer Demokratischen Identität führen sollte. Mittels zahlreichen Photographien in der für diese Zeit typische «Farblosigkeit» als gegenüberstellendes Synonym für die heutige Schreierei der Farben, diese überdimensionierte Buntheit, eine dominierende farbliche Blässe, geradezu eine Eintönigkeit, durchaus als Symbol der Epoche zu sehen, die als die der Achtundsechziger in die Annalen einging, ist es vermutlich konkreter nachzuvollziehen als in der aktuellen Nachfärberei der immer schneller laufenden Bilder. Mehrere Dokumente in Form von teils hand- und maschinengeschriebenen Briefen, Gaststubenrechnungen, Landschaftsaufnahmen, tagebuchähnlichen Einträgen und immer wieder die für diese Zeit typisch hochtoupierte Margret in allen erdenklichen Posen, all das führt zu einer Lebensgeschichte, die hier durchaus zur Kunst geworden ist, in einer Ästhetik, die sich in zunehmendem Maß autobiographisch äußert. Es handelt sich um ein Phänomen, das hier noch in den Anfängen steckt, das mir allerdings vor längerer Zeit in Lateinamerika begegnete, in Ansätzen beispielsweise durch Lygia Clark. Susanne Pfeffer als weitere Autorin hat im Buch notiert: «Der Versuch der emotionslosen Beschreibung einer Liebesbeziehung ist gescheitert. Das Protokoll ist zu einem verschachtelten Beziehungsgeflecht geworden. Am Ende der Lektüre verschwindet alle Distanz, alles Erlebte scheint nah. Margret ist längst kein beschriebenes Objekt mehr — die nüchterne Distanzlosigkeit hat den außenstehenden Leser erreicht.» Klappentext: «Ein Kölner Geschäftsmann führt akribisch Buch über die Affäre mit seiner Mitarbeiterin Margret. Als Leser ist man ‹Günters› Voyeurismus schutzlos ausgeliefert. Mit Hunderten von Photos vor und nach dem Sex, in Kurparks und in neuen, von ihm gekauften Kleidern, nichts bleibt verborgen. Manchmal denkt man, dass er alles für eine Veröffentlichung inszeniert hat. ‹10 Uhr vormittags M. zu Hause abgeholt. angeblich nach Bad Neuenahr zur Mutter gefahren. In Wirklichkeit nach oben. M. gekocht. Rinderschmorbraten, Kartoffel, Salat. Mittag um 1 Uhr gegessen und bis 1 Uhr 45 Fernsehn gesehen, alsdann ins Bett›, notiert er am 29.11.1970. Spießiges und Obszönes reihen sich nahtlos aneinander. Erwähnung findet das ‹Rotbarschfillet mit Feldsalat und schönen Kartoffeln› sowie ‹Rückenlage und die Spezialstellung›, anderntags wird ‹Einweihungsfeier begangen trotz Tage›». Margret: Chronik einer Affäre
Ah, das Buch zur Ausstellung
scheint jetzt lieferbar. Ich hatte vor ein paar Wochen bereits Ausschau gehalten. Eine höchst eigentümiche Geschichte, ich hoffe, die Ausstellung wandert noch in meine Nähe.Siegfried Sander
von der Multiple-Box in Hamburg, von dem ich diese Chronik habe und der seit langer Zeit solche, wie er es nannte, «abstruse Sachen am Rande der Geschichte» sammelt, hat vor, jedes Jahr ein Buch darüber zu veröffentlichen.>> kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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