Wahn.Witzig Das gefällt mir zu sehr, als daß ich verzichten möchte, hier darauf hinzuweisen: [...] Dabei war der Wahn ursprünglich, altenglisch und weiblich eine heitere, freudige Erwartung, eine Aussicht in himmelblaue Hoffnungen und liebendes Begehren, göttliche Fügung und geglückte Bestimmung. Doch das konnte in deutschen Landen, wo die Sehnsucht alsbald trüb und vernebelt daher kommen sollte, um gar ernsthaft die Herzen und Hirne mit seichter Traurigkeit zu erfüllen, wo wahnhaft nur noch sein mochte, wer lichtscheu verblasste und des Nachts den Mond anheulte, so nicht bleiben. Der Wahn wurde männlich, lustlos und krank. Sich im Liebeswahn zu verzehren, barg kein erfülltes Verlangen mehr, sondern führte zu traurigen Gedichten und therapeutischen Behandlungen. [...]
Öffentliche Anfrage in Richtung Österreich Wer ist denn bitte das, der solches von sich gibt: «Frank Stronach ist nicht nur einer der tüchtigsten und erfolgreichsten Unternehmer der Welt. Er beweist auch ein Gespür für die drückenden Probleme unseres Landes. Misswirtschaft, soziale Hängematten und die wahnsinnige Steuerlast unserer Unternehmen schreien nach einem charismatischen Politiker, der die Geschicke unserer Heimat in die Hand nimmt. Ähnlich wie Dschingis Khan, der Dalai Lama und andere große Führungspersönlichkeiten in der Weltgeschichte verfügt nur Frank Stronach über jene internationalen Erfahrungen und jenen Weitblick, der uns vor künftigen Krisenerscheinungen in Europa bewahren kann. Die Freunde des Wohlstands stehen für wirtschaftliche und gesellschaftliche Gerechtigkeit ein und unterstützen daher Frank Stronach bei seinen Aktivitäten für Österreich. Mit ihm bekommt endlich auch die verdiente und wohlhabende Minderheit in diesem Land eine kräftige Stimme im Parlament. Frank Stronach ist unser Garant dafür, dass unser schönes Land nicht länger von Vertretern der Minderleister und notorisch Unterprivilegierten regiert wird.» Der kommende österreichische Bundeskanzler?
Vermeidungs-Hedonistin Nachdem ich bei der non amusé Kopfschüttlerin einen Kommentar hinterlassen habe, der da lautet: Auch ich war nicht sonderlich amüsiert. Doch dann schaltete ich mein Gehirn ein und kam zum Schluß, daß es nicht der Euro ist, der den Preis bekommen hat. Ich vermute, sehr viele Menschen machen es an ihm fest. Ausgezeichnet wurde jedoch die Idee der Gemeinschaft. Wenn sich meine Zweifel daran auch nicht gänzlich zum Positiven hin geändert haben, basiert all das letztendlich doch auf nichts anderem als dem gemeinsamen wirtschaftlichen Tun sprich Handel. Und für Krieg war die EU zudem mit verantwortlich: in Bosnien. bin ich bei Melusine Barby auf deren Meinung gestoßen, bei der es letztlich ebenfalls um den Mammon geht. Doch ich empfinde deren Reaktion auf den den Friedennobelpreis für die Europäische Union so bemerkenswert ins Alltägliche hinein beobachtet, daß ich mir erlaube, hier einen Tel davon nachzudrucken: «Blöder geht immer. Der Friedensnobelpreis für die EU. Barroso wird ihn abholen und Griechenland kriegt das Geld. Von wegen. Kein Frieden ohne Kapitalsicherung. Stimmt doch. Wo soll es auch hin, das liebe Geld, wenn's nirgendwo mehr höhere Renditen gibt als in der Rüstungsindustrie? Das gilt es zu ändern. Die Kommission arbeitet daran. Auflage von Zertifikaten. Emissionen. Luftnummern. Ich habe nie einen verstanden, den Geld kreativ macht. Aber das gibt es. Es gibt Menschen und Leute. Manche tun was für Geld, obwohl sie genug davon haben, jedenfalls mehr als sich gegen Lust eintauschen lässt. Eigentümlich ist, dass das keine Hedonisten sind. Nie. Weder Schmerzvermeider noch Genussmenschen, sondern Angst- oder Machtbesessene (meist beides). Es muss oben und unten geben, damit man sich orientieren kann. Statussymbole. SUV. Das ist ein sicheres Zeichen, zum Beispiel. Ich habe noch nie eine oder einen getroffen, der oder die aus einem SUV klettert, und ansprechbar ist. Oder zuhörbar. Oben gesessen. Den Arsch nicht breit, sondern durchtrainiert. Man fährt ein Auto mit Sitzheizung und trainiert täglich 7 km. Effizienz. Ganz wichtig. Effiziente Lösungen. Her damit. Und dann ab ins Auto. Oder den Flieger. Auch Billig. Da sind die nicht so. Das kratzt längst nicht mehr am Image. Auf´s Geld achten. Auch eine Form von Achtsamkeit. Wenn man ‹Leute› sagt, fängt die Menschenverachtung an. Es ist leichter Leute zu verachten, deren durchschnittliches monatliches Monatseinkommen über 5000 € liegt. Was auch blöd ist. Aber Spaß macht. SUVs zerkratzen. Und so. [...]»Weiterlesen bei Melusine Barby: Über Menschen und Leute (repressive Toleranz)
Göttliches Entrée Gott kostet Eintritt, es gibt keinen Segen auf lau, kein Gebet nur für umme, nichts wird's mit der seligen Transzendenz im Falle banaler Privatinsolvenz, nur der Teufel ist frei, der kommt ungerufen. Gott gibt’s auf Tarif und die Engel als Skonto, Maria für 'nen Groschen, den Heiligen Geist versteuert der Fiskus pauschal bereits weg, und alle Propheten sind immer schon günstig gleich mit im Paket. [...]
Romantische, bedingungslose Liebe «Ich habe dieses natürliche Talent, mich mit Wut aus jedem Tief zu puschen. Da profitiert auch die Immunabwehr enorm davon. Das hier eignet sich hervorragend: In der Frankfurter Rundschau von gestern textet ein Herr Peter Michalzik entzückt über einen Theater-Abend zu dem ‹Fall Marie Trintignant›. Die Schauspielerin wurde von ihrem Lebenspartner aus Eifersucht zu Tode geprügelt. Michalzik über den Totschläger: Bertrand Cantat war jedenfalls kein rockiger Raufbold, eher ein Höchstsensibler. ...Der Fall bewegte nicht nur ganz Frankreich. Er musste notgedrungen etwas Unaufgeklärtes behalten. Denn im Innersten ist er eine Frage an die Liebe: Liebte Bertrand Marie so sehr, dass er sie umbrachte? War diese Liebe so leidenschaftlich, dass sie das Ende in sich trug? Feierte in dieser Beziehung und in ihrem tragischen Ende die große romantische, bedingungslose Liebe noch einmal Wiederauferstehung, feierte sie vielleicht sogar ihr letztes Fest?» [...]
Herbst wirft sein gruseliges Band Ich kann mit Fantasy nichts anfangen, Gruseleien gruseln mich, da schneidet mich die Phantasie anderer von der meinen ab, ich fürchte mich. Deshalb wohl habe ich noch nie mehr als ein paar Zeilen von Stephen King gelesen. Aus diesem Grund dürfte ich nicht auch nur annähernd zu diesen Erkenntnissen gelangt sein: Herbst. Viele Romane von Stephen King beginnen im September, an einem der letzten warmen Sommertage. Dann kommen die ersten Tiefdruckgebiete, Regen, unheimliche, nicht ganz erklärliche Ereignisse, bis dann Ende Oktober, in der Zeit um Halloween, sich das Monster zeigt. Und selbst wenn es im Frühjahr besiegt sein sollte — nie wieder wird der Sommer so unschuldig scheinen wie einige hundert Seiten zuvor. Stephen Kings Romane sind also alle Romane über das Erwachsen-werden. Und dass es niemals gelingt. [...]Es wird sicher nicht dazu führen, daß es mich drängt, King zu lesen. Ich bin so ängstlich, der Gedanke an Hitchcock reicht bereits aus, mir die Decke über den Kopf zu ziehen. Aber ich bin derart verblüfft über diese Analyse, daß ich mir vorstellen könnte, mal unter meinem Schutz hervorzulugen und einen Blick hineinzuwagen. Morels Besprechung weiterzulesen lohnt sich in jedem Fall.
Das Abild vom Fremden Fange ich mit Karl Valentin an, der in etwa gesagt hat: Fremd ist der Fremde nur in der Fremde. Das scheint nach Überarbeitung gerufen zu haben. Ich tue es mit Malte Welding, die Kopfschüttlerin hat mich dazu angestiftet, besser vielleicht angespornt, ob's zur größeren Reichweite gereicht, sei dahingestellt, angenehm wäre es. Ich tue es vor allem deshalb, da ich diese flammende Rede für beispielhaft halte. Zwar liegen meine Vorlieben bei der Abstraktion, auch der aus dem Figurativen kommenden, die für manche immer noch kryptisch genug sein mag. Aber das eine ums andere Mal mag ich durchaus auch die figürliche Darstellung, das muß nicht unbedingt die altmeisterliche sein, zu deren Zeit man die Photographie noch nicht kannte. Doch die steht ohnehin längst nicht mehr für die Wirklichkeit, die zum Subjekt einer scheinbaren Objektivität verkommen zu sein scheint. Welding hat's mit einem zutreffenden Abbild, er hat ein Bild von sich gemalt, anscheinend mit subjektivem Blick und doch objektiver, als es vielen scheinen mag. Ausgangspunkt war ihm ein Abstraktum dessen, was wir als Geschichtsunterricht kennengelernt haben und von dem wir belustigt sind. Den greisen, nach neueren Kenntnissen aus der Bretagne stammenden gallischen, von aus allen erdenklichen europäischen Regionen bestehenden römischen Legionären eingekesselten Weisen Methusalix hat er aufspielen lassen: Ich habe nichts gegen Fremde, aber diese Fremden sind nicht von hier. Die Multikulti-Verlinkung sowie die neue Verabsatzung stammen von mir, letztere, da ich sie so für prägnanter halte. Ich bitte das zu entschuldigen. «Merkel erklärt Multikulti für gescheitert» titeln die Zeitungen, und für mich klingt das, als habe Angela Merkel gerade den Sommer verlängert, den Winter abgesagt oder die Wiedereinführung der Kinderlähmung beschlossen. Kann die Kanzlerin die Wirklichkeit in die Schranken weisen? Die Realität ist gescheitert, wir brauchen eine andere.Lese man dieses Fanal bis zum Ende durch. Ich verneige mich vor diesem Gemälde, das in seiner sogenannten realistischen Malerei eben weitaus mehr zeigt als beispielsweise die Bodéga, jene ärmlichen Spelunke, in der jener billige Wein ausgeschenkt wurde, der die Armut vergessen ließ, das jedoch durchweg als Lustiges Cabinett gesehen wird. Auch ich sehe mich als Figur in diesem alles andere als lustigen Bild. Ich danke Malte Welding dafür.
Zapperlott* Enzoo erwähnte hier kürzlich Max Frisch, der ihn vom Lesen der Internationalen Brief anbielt.Jagothello kommentierte ein paar Tage danach meine nicht allzu freundlichen Anmerkungen zu den USA. Über Frischs Roman Homo Faber lauteten die Anfangszeilen in der Ausgabe 52 aus dem Jahr 1957 des Spiegel: «Jeden, der an der amerikanischen Nation etwas auszusetzen hat, hält der fünfzigjährige Schweizer Ingenieur Walter Faber für einen heimlichen Kommunisten oder böswilligen Urfeind demokratischer Menschenrechte.» Die Schwierigen oder J’adore ce qui me brûle ist der Titel eines weiteren Romans des Schweizers. Unter diesem Blogtitel, was übersetzt in etwa heißt, Ich bewundere, was mich verbrennt, versehen mit dem Zusatz ... aber nicht einer gegen den Staat!, schreibt jemand aus der hiesigen Gemeinde, dessen Ansichten ich immer interessiert verfolge und dessen Adreßzeile den Namen oder auch die Bemerkung Zapperlott führt. Den Ausschnitt seiner heute veröffentlichten Nachdenklichkeit zitiere ich im Hinblick auf die gestrige Sturmflut und durchaus auch auf die Paralympics. Sollten die nicht direkt an den Leistungsrummel in London anschließen? Oder hat die Menschheit keine Lust mehr beim Anblick von gestählten Menschen? «Veganismus glaubt, am Ende werde die Menschheit einsehen, ‹dass wir nicht das Recht haben, euch zu quälen›. Veganismus sei gesund, gar gesünder. Vegan ist sportlich, vegan macht fit. Es gibt vegane Leistungssportler, Ironmen, Ultramarathonläufer. Übermenschen, die Nichtveganer schlagen. — Gesundheit bedeutet hier Terror des Gesundseins, physische Normierung, Ausgrenzung und Erniedrigung. Hass auf Kleine, Dicke, Schwache, Alte, Kranke, generell Abweichler. Wer sich auf den herrschenden Diskurs um Gesundheit und Schönheit einlässt, verliert alles darin und reproduziert bloß Sexismus und Ableismus.» Mon Dieu ! * Mein kluger Kluge dazu: Sackerlot. Entlehnt aus frz. sacrelot, das eine Entstellung von frz. sacré nom (de Dieu) ist. Noch weiter geht die Entstellung zu Sapperlot. Ähnlich Sackerment und Sapperment zu Sakrament. Über Kluge hinaus neuniederländisch: sakkerloot, sapperloot.
Von Menschen und Juden Angeregt wurde ich zu den folgenden Zeilen von Henner Reitmeier. Ursprünglich sollte es lediglich eine lobende, zur eventuellen Multiplikation führende Erwähnung sein. Dann hat einmal mehr sich der Gaul in meinem Kopf losgerissen und ist unaufhaltsam dorthin galoppiert, was die einen Heimat nennen oder andere ein von Stolz geprägtes Nationalbewußtsein, ohne darüber nachzudenken, daß sie zufällig in ein bestimmtes Land geboren oder von Mächten mit häufig wechselndem Geschlechtsverkehr adoptiert wurden; gegen den wahrlich nichts einzuwenden ist, würde er nicht allzu häufig von geradezu dämonisch verantwortungslosen Politikern sozusagen mißbraucht, um ihre Machtphantasien orgiastisch zu reproduzieren. Vieles in Reitmeiers Aufsatz Schwarze Löcher führt hin zu seiner offensichtlichen Abneigung gegenüber dem Staat Israel. Das sei ihm unbenommen. Aus unterschiedlichen, im Privaten, in der Kulturation wurzelnden Gründen teile ich diese Ablehnung nicht. Ich bin offenbar zu sehr geprägt von dem, was der israelische «Installateur», der «plastizierende» Bildhauer Yaakov Agam mir gegenüber einmal treffend als «Kulturjude» bezeichnet hat. Das ist ein Mensch, der keinerlei Wert auf diese Religion legt, seine entwicklungstechnischen Wurzeln dennoch darin sieht. In meinem Fall ist das der Sohn eines sibirischen Schtetl-Bewohners in der Oblast, dem Verwaltungsbezirk Swerdlowsk, geboren noch im russischen Kaiserreich und ausgewandert aus der Sowjetunion nach Palästina, und einer mehrfachen Konvertitin aus der nicht nur geographisch entgegenzusetzenden Seite, dem an Lothringen grenzenden Elsaß, die ihr Kind, zweifellos männlich meinungsführend, bewußt ohne jede religöse Erziehung aufwachsen ließen, weil sie der Meinung waren, eine Entscheidung für oder gegen einen Glauben könne nur ein Mensch treffen, der in der Lage sei, ein eigenes, also klares, eindeutiges Urteil zu fällen. Bei den meisten des hiesigen Kulturraums geschieht das auch nicht bei Einsetzen des politisch wahlfähigen Alters oder geschieht das nie, weil sie bereits kurz nach der Geburt mit dem Implantat eines Denkmechanismus versehen werden, dem zu entrinnen sie kaum in der Lage sind; heutzutage werden viele das vermutlich als Algorithmus der eigenen oberen Festplatte bezeichnen, obwohl sie's eigentlich nicht unbedingt mit Komplexitäts- oder Berechenbarkeitstheorie haben. Deshalb sind sie auch nicht in der Lage, klar zu denken. Das Bild vom Holzschuppen mit Kripplein ist eingemeiselt wie in biblische Tafeln, auch wenn längst erwiesen ist, daß am Ort des Herrn alle Bäume verbrannt wurden, also alle in Steinhäusern lebten und ohnehin belegt ist, daß die heutige Zeitrechnung falsch ist. Ein einmal gewaschenes Gehirn bleibt rein, nur eben in der Art einer Jungfrau, die ohne jedes biologische Zutun eines irdischen Wesens schwanger wird. Das muß es sein, daß nach wie vor geradezu unglaublich viele Frauen sich wieder in den von Teilen auch der hiesigen Gesellschaft gewünschten vorehelichen Stand der Jungfräulichkeit zurückversetzen lassen. Mein wildwuchsiger Unkräutergarten, erwachsen aus aus allen möglichen Literaturen, darunter Bibel, Koran, Thora et cetera, wird dennoch von den Auswürfen eines Komposthaufens immer wieder gedüngt und durchaus auch besamt; es gibt in der zivilisierten Welt keine nicht kultivierte Natur, auch wenn manche auf dem Geist des Schöpfers beharren, dessen biblische Kreativität all das in ein paar Tagen oder, das sind allerdings bereits die Aufgeklärten unter ihnen, über einen etwas längeren Zeitraum hin geschaffen hat. Böse Menschen unterstellen deren geistigen (sic!) Führern gar eine Wischiwaschi-Theologie: „Der Glaube an Gott als den Schöpfer vermittelt die Gewissheit, dass diese Welt die Möglichkeit zum Guten in sich enthält; er erschließt einen Zugang zur Welt, der sich auf diese Güte verlässt und zu ihr beizutragen bereit ist. Dass Gott es mit der Welt im Ganzen ebenso wie mit meinem persönlichen Leben gut meint, ist der Grundsinn des Schöpfungsglaubens.“ (W. Huber, “Der Christliche Glaube“, S. 37 Mitte)Noch heute spüre ich in mir diesen Geist derer, in deren Umgebung ich mich bewegte, da ich nunmal zur Familie gehörte und immer wieder an diese ausgeliehen wurde. Das hinterläßt Spuren. In den Sechzigern hätten die mich unter Umständen mein Leben kosten können, hätte ich in einem lichten Moment meines damals noch recht von der geistigen Diffusität meiner Verwandtschaft bis in die USA umnebelten Denkens meine Umsiedlung nach Erez Israel nicht abgebrochen. Zwar habe ich mich von der Familie geschieden, nicht zuletzt, weil ich mich deren seltsamem Verständnis von Gesetzgebung, deren Einfluß grundsätzlich entziehen wollte. Aber aus unerklärlichen Gründen fühle ich mich dem Land nach wie vor verbunden. Ich mag Reitmeier vor allem in einem folgen, worüber ich fortwährend Ärger in mir aufkeimen sehe, wenn es, wie dieser Tage erst wieder, in einem der Bildung verschriebenen, letztlich der objektiven Darstellung verpflichteten öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme. Es ging um historische Hintergründe unter anderem der Ukraine: Es sei ein, hieß es in der «Dokumentation», Völkergemisch aus, um nur beispielhaft zu zitieren, Galiziern, Bukowinern, Wolhyniern — und Juden. Das ist eine, nochmal: unglaubliche, allerdings nicht einmal mehr gezielte Verwirrung oder Verunsicherung der immer dringender informationsbedürftigen Zuschauer, ist es doch längst integriert in das Faktendenken, bedingt durch den letzten großen Massenmord an Gläubigen einer Richtung. Für den Kaiser in den Krieg zogen Bayern, Holsteiner, Preußen — und Juden. Ich weiß gar nicht, welche Passage ich aus Reitmeiers Aufsatz zitieren soll. Sein literarischer Essay ist von oben bis unten prall gefüllt mit Subtilitäten, auch mit stilistischen Feinheiten, derentwegen ich ihn empfehlen wollte und weiterhin will. Also schließe ich die Augen, bilde ein Zentrum und wähle damit den Abchnitt aus, bei dem es es um den Götzen Mammon geht, bei den erstmenschgeborenen Kain und Abel, wobei der eine den anderen erschlug, was als Metapher gelten darf für all das Gemetzel, das Menschen untereinander angerichtet haben und weiterhin anrichten. Kain war bekanntlich Landwirt. Beide waren also Männer und erfolgreiche Unternehmer. Doch sie waren nicht gleichberechtigt. Gott Mammon, dem sie wegen ihres Erfolges Dankopfer darbringen, verschmäht die Gabe Kains. So darf sich Kain zurückgesetzt, ungerecht behandelt, verhöhnt genug fühlen, um seinen Bruder Abel zu erschlagen. Denn an Gott kommt er ja nicht heran. Solange wir an Gottes Allmacht glauben, zwingt uns der Vorfall zu der Folgerung, Gott selber als Oberverbrecher und Vater allen Geschwisterkampfes und Krieges anzusehen.Meine sich hin und wieder dagegen wehrenden Gefühle schalte ich dabei aus, auch den Bedenkentäger, als der ich früher einmal bezeichnet wurde. Das Stück ist einfach zu gut, zu zeitlos schön. Das ist Lust am Text. Mit dem „Zigeunertuch“, auf dem sich jenes Handgemenge abspielte, hatte es gleichfalls eine etwas ungewöhnliche Bewandtnis. In den Adern der impulsiven Maren kreiste auch ein Schuß Romablut. Zum 30. Geburtstag hatten ihr entfernte Verwandte aus Rumänien dieses handgewebte, mit Perlen besetzte bunte Tuch geschickt, das sie in der Folge fast überallhin mitnahm und wie ihren Augapfel hütete. Als ich Maren in einer Weinheimer Kneipe kennenlernte, lag das Zigeunertuch zusammengefaltet neben ihr auf einem Barhocker — und zwar so einladend, daß ich sie fragte, ob ich für einen Moment darauf Platz nehmen dürfe. Ihr kleiner Schrecken deutet bereits auf die Weihe des Tuches. Sie nahm es vom Hocker und erklärte mir, es wäre ein Sakrileg, wenn sie diesem Wunsch eines wildfremden Mannes entspräche. Also nahm ich ungepolstert Platz, womit der Anbändelei nichts mehr im Wege stand.
Bei Georg Seeßlen an der Autobahn lasse ich mich gerne nieder, seine in sich gesammelten Weisheiten genieße ich nahezu ausnahmslos. Ein éclat aber hat mir den wolkenverhangenen Tag des Nordens erleuchtet, das dunkel gewordene siécle de lumières kurz zum Aufflackern gebracht, weshalb ich sie zur Multiplikation ausrufe, diese KleinigkeitenUnd bei der mir naheliegenden, nächstgelegenen Gelegenheit: Hilfe, der Sozialismus bricht aus!À nôtre santé!
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Jean Stubenzweig motzt hier seit 6023 Tagen, seit dem Wonne-Mai 2008. Letzte Aktualisierung: 07.09.2024, 02:00 ... Aktuelle Seite ... Beste Liste (Inhaltsverzeichnis) ... Themen ... Impressum ... täglich ... Das Wetter ... Blogger.de ... Spenden
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